Читать книгу Liebe im Versteck der Seele - Gudbergur Bergsson - Страница 10

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In der letzten Zeichenstunde malte eines von den ältesten Mädchen etwas auf ein Blatt, das sie mir und den anderen mit merkwürdigem Eifer zeigte und sagte:

Mein Gott, ist das nicht ein Selbstporträt?

Wenn das der Fall war, dann schien sie sich als himmelblaue Frau zu sehen. Sie bestand fast nur aus einer riesengroßen Nase, nicht unähnlich einer Tülle, die verkehrt herum an einer grotesk künstlerischen Kaffeekanne saß. Nachdem sie das Bild lange mit einer Mischung aus Eingebung und Zweifel in ihrer Miene betrachtet hatte und niemand eine Antwort gab oder eine Bemerkung machte, wie originell es sei, fragte sie naiv und mit der Affektiertheit dessen, der nichts von einem Künstler in sich hat:

Findet ihr es nicht sonderbar und gleichzeitig zum Heulen, daß alle Bilder, die man macht, vom kreativen Aspekt her irgendwie über einen selbst sind; und was können sie anderes sein als ein Ausdruck der eigenen Persönlichkeit?

Sie könnten zum Beispiel einfach etwas sein, das völlig absurd und furchtbar unästhetisch ist, antwortete ein anderes Mädchen kurz.

Aber was ist das in mir, das mich zu einer einzigen Adlernase macht? fragte das erste mit derselben Eindringlichkeit und ließ sich ebensowenig beeindrucken wie ein Dummkopf.

Ich beließ es dabei, ein paarmal zu nicken und gewichtig dreinzuschauen, und dachte: »Ja, vielleicht ist die Tülle deine starke Seite, die bei dir die Nase ist, weil du eine moderne Frau bist; sie reicht bis zum Mund, und das wird hoffentlich so bleiben, wenn du ins Leben hinausgehst, um der Gesellschaft zu begegnen.«

Daher sagte ich, daß ich nicht verstehen könne, daß in dem Werk etwas anderes enthalten wäre als der Ausdruck ihrer Stimmung in Farben, und die Form selbst könnte ja vielleicht die starke Seite an ihrer Nase darstellen. Bei dieser Analyse streckte sie ihre Zunge heraus und wurde ganz froh und sah zweifellos eine große Zukunft in himmelblauer Elfenfrauenentfernung vor sich.

In diesem Augenblick ist es nicht unwahrscheinlich, daß auch ich gerade ein Bild von mir mit Worten male und daß die starke Seite der Nase der Wörter aus einem ähnlichen Material ist wie das, was vielleicht in der Stimmung der Wunderwelt des Mädchens war. Diese einfältige und lehrerhafte Mutmaßung verwirrt mich ein bißchen, doch ich habe meine sarkastischen Gedanken weder im Griff, noch kann ich sie zügeln. Nach meinem Verhalten in der letzten Zeit zu urteilen, habe ich offensichtlich keine so starke Seite an der Nase, wie man sie braucht, um sie mit dem Mund verbinden zu können, wie wenn Worte und Wut bei einem ganzen Menschen Zusammengehen. Wenn meine Frau recht hat, dann ist es keinem außer den modernen Frauen gegeben, wahre Worte und Wut miteinander zu verbinden und die starke Seite der Nase alles bestimmen zu lassen, was wir uns vornehmen.

Liebe im Versteck der Seele

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