Читать книгу Liebe im Versteck der Seele - Gudbergur Bergsson - Страница 12

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Heute behauptete er, daß er nie etwas vor seiner Frau verheimliche, außer das mit uns. Das sagte er mir am Telefon, als er allein zu Hause mit Grippe dalag und mir mitteilte, daß er nicht kommen könne.

Außerdem habe ich Herpes, sagte er zu seiner Entschuldigung.

Als er sagte, daß er nicht kommen könne, und ich ihm verraten hatte, daß ich mich danach sehnte, krank bei ihm zu liegen, spürte ich zu meiner nicht geringen Verwunderung, daß es mir in verschiedener Hinsicht besser gefiel, mit ihm in Gedanken zusammen zu sein als in Wirklichkeit. Zu begehren ist oft besser als das andere – zu bekommen.

Es verschafft einem Befriedigung und Wohlbefinden, allein zu sein und auf den zu warten, den man liebt, aber von dem man weiß, daß er nicht kommt. Als ich darüber nachdachte, kam ich zu dem Ergebnis, daß das daher kommt, daß der, der abwesend ist, in Wirklichkeit stets nach unserem Willen bei uns ist, doch mit seiner Anwesenheit stößt er sich an dem meisten in unserem Verhalten, und am Ende verscheucht er sich ein für alle Mal selbst durch seine ständige Nähe.

Und was ist dann das, was kam?

Wenn jemand an einem bestimmten Mann oder einer Frau festklebt, dringt so wenig Phantasie in sein tägliches Leben, daß das, was vorher besonders und begehrenswert war, alltäglich wird, die Nähe vertreibt die Sehnsucht, und bei uns sitzt jemand, der nur in seiner egoistischen Gestalt einen Willen hat, der sich einem aufdrängt und das beste in den Gefühlen ausrottet. Wenn also die Nähe des Geliebten den Liebenden seiner Phantasie beraubt, dann werden langersehnte Begegnungen zu heftigen, aber toten Vorgängen, und dann entsteht das Bedürfnis, ihnen zu entkommen. Dann möchte man am liebsten Haus und Kindern entfliehen und in die Freiheit entkommen, die destruktiv ist, weil man nicht gewohnt ist, ungebunden zu sein, und weder von der Freiheit noch von der Freude eine Ahnung hat.

Statt Enttäuschung überkam mich eine eigenartigere und größere Ruhe, als ich sie bisher erfahren hatte. Doch der Friede hat auch eine quälende Seite, nämlich das Gefühl von Leere. Nichts ist frei von seinen Gegensätzen, außer dem Orgasmus, und daher ist er die vollkommene Einsamkeit und nur sie selbst, in dem kurzen Augenblick, der ihn zunichte macht.

Ich verließ das Arbeitszimmer und war ein guter Ehemann und Vater. Am Abend sagte die Frau, daß ich manchmal so zärtlich sein könne, daß sie für mich sterben könnte.

Läge es nicht näher, zu behaupten, Liebste, daß wir in der letzten Zeit unsere Ehe ein bißchen wie eine Lotterie betrieben haben? fragte ich.

Doch, freilich, gab sie zögernd zu und begriff nicht ganz, worauf ich hinauswollte, doch sie hatte sich bald wieder gefaßt und sagte fröhlich:

Dann habe ich heute abend wohl den Hauptgewinn gezogen?

Als ich sie das sagen hörte und wußte, wie sie sich selbst täuschte und ich sie, wurde ich bedrückt von ihrer Einfalt und von dem, worauf ich mich eingelassen hatte, und wollte sie über die Wahrheit aufklären. Doch am traurigsten wurde ich wegen mir selbst, daß ich sie nicht mehr liebte, und ich wünschte mir zutiefst, sie zu lieben, nur weil ich sie nicht liebte. Eine Zeitlang glaubte ich, sicher zu sein, daß eine solche Liebe im Wesen des Menschen existieren müßte, aufrichtige Liebe, die aus dem Fehlen von Liebe entsprungen wäre, aber als ich daran dachte, daß sie im Alltag ihren Anteil bekam, selbst wenn er nicht aus Liebe gegeben wäre, und sie damit zufrieden war, wandte sich mein Denken von dieser Geringfügigkeit ab, die nur das Gewissen betrifft. Ich wurde müde und ging schlafen wie sie; ohne Zweifel schnarchten wir vereint wie wahre christliche Eheleute, doch jeder ganz für sich, während wir im Schlaf einander den Rücken zukehrten.

Liebe im Versteck der Seele

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