Читать книгу Im Felde unbesiegt - Gustaf von Dickhuth-Harrach - Страница 8

Unsere Pioniere. Von Generalleutnant a. D. Max Schwarte, im Felde zuletzt Kommandeur der 10. Infanterie-Division.

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Wer hatte Recht? War es der Infanterist, der Kavallerist oder Artillerist, der sich bei Friedensübungen der kümmerlichen, aus ermieteten Hölzern erbauten Brücke der Pioniere nicht anvertrauen wollte und ihnen spottend zurief: „Der Pionier, das ist der Mann, der alles weiß — und gar nichts kann?“ Oder war es der Pionier, der im sicheren Bewusstsein seines Könnens lächelnd den Spott an sich vorbeiwehen ließ und sein Trutzlied sang: „Pionier, das schwarze Korps, tut sich unter allen andern vor?“

Das war und blieb seine einzige Antwort lange Friedensjahre hindurch. Was sollte er auch antworten? Den Beweis, dass er viel könne, dass er vor allem viel mehr könne, als jene, die über seine elenden Bauwerke oder gar seine Scheingebilde lachten, musste er schuldig bleiben. Was er im Kriege leisten sollte, was von ihm dort als alltägliche, selbstverständliche Arbeit gefordert werden würde, das zu üben oder den anderen Kameraden zu zeigen, bot sich ihm ja nie eine Gelegenheit. Er selbst hatte wohl ein sicheres Gefühl für die veränderte Bewertung, die der hauptsächlich von ihm vertretenen militärischen Technik und damit auch seiner Waffe im Kriege zufallen musste. Diese Ansicht zur Geltung zu bringen gelang ihm in der Friedenszeit nicht. Im Gegenteil: es gelang ihm nicht einmal die Ansicht umzustoßen, dass die Technik ein Feind des Angriffsgeistes im Heere sein werde — als ob materielle Kampfmittel je den moralischen Willen und die seelische Kraft eines energischen Volkes hätten mindern können.

Aber es war auch nicht seine Art, viel Worte zu machen. Er tat seine Pflicht und wartete ruhig auf den Krieg, der ihm Gelegenheit geben sollte, durch die Tat zu beweisen, was er konnte, der ihm aber auch Gelegenheit bieten würde zu zeigen, dass er mehr konnte, als die anderen, dass er nicht nur ein gern gesehener, sondern ein unentbehrlicher Helfer in den schwersten Stunden des Kampfes sein würde.

Eins aber, das wusste er, würde er im Kriege als irrige Behauptung widerlegen: dass die Technik ein Feind des Angriffsgeistes sei — er würde zeigen, dass, umgekehrt, nur die technischen Kampfmittel im heutigen Kriege den Angriffswillen und das Angriffsvermögen auf das Höchstmaß der Energie emportreiben würden. Man hätte ihn ausgelacht, wenn er, den man gern als eine Art Arbeitssoldat in die zweite Linie zu rücken suchte, behauptet hätte: „Pionier sein heißt angreifen!“ Vielleicht hätte man ihn, den sonst so prächtigen Kameraden, etwas verständnislos angesehen; und darum schwieg er. Seine Taten sollten reden, wenn die Zeit gekommen war. Und diese Zeit kam. Sie kam schneller, als er selbst es erwartete — unmittelbar nach Überschreiten der Grenze schon lief an der in Belgien einmarschierenden Kolonne der Ruf entlang: „Pioniere nach vorn!“

Warum? Ja: das war eine verteufelte Sache, als die Belgier nicht nur protestierten gegen den Durchmarsch der deutschen Kolonnen, sondern ihm auch ein Volksaufgebot entgegenstellten, das durch Wegesperren, durch Barrikaden, durch Wegezerstörungen und Sprengungen und einen hartnäckigen Freischärlerkrieg den Vormarsch hindern wollte. Ohne Abschluss der Mobilmachung, kaum dass man einen Abschiedsgruß nach Hause hatte schicken können, kaum dass man in fliegender Hast die Feldausrüstung von der Kammer empfangen und die notwendigsten Fahrzeuge beladen hatte — Gott weiß, woher so schnell die Pferde herbeigeschafft worden waren — saß man im Zuge und fuhr, wie die Sonne verriet, dem Westen zu. Ausladen, ein heißer Marsch, ein kurzes Nachtquartier bei erregten, aber trotz der Nähe der Grenze vertrauensvollen Leuten; und nun zog man seit vielen Stunden schon in der glühenden Augusthitze die Landstraße dahin. Zuerst auf deutschem Boden und nun, nach einem jubelnden Hurra an der Grenze, zwischen hohen, dichten Hecken belgischen Staub aufwirbelnd und mit der glühenden Luft einatmend. Der neue Helm drückte, Waffenrock, Gepäck und Schanzzeug mit den harten Riemen scheuerten, die harten Stiefel brannten. Es war doch etwas anders, als selbst am schlimmsten Manövertag, hier in der gleichmäßig sich ins Ungewisse vorwärtsschiebenden Kolonne, ohne Ziel und Zweck zu wissen. — Da: abermals klingt in das halbe Träumen der Ruf: „Pioniere im Laufschritt nach vorn!“

Ein energischer Ruck, der Müdigkeit und Stumpfheit abschüttelt; ein scharfes Kommando — und schon trabt man an der haltenden Kolonne der Infanterie vorbei nach vorn. Und abermals ein Ruck durch die Glieder, ein Aufhorchen, als ob ein Ungewohntes an Kopf und Herz schlage: Feuer, Maschinengewehre weit vorn und zugleich der rollende Donner schweren Geschützes rechts oder links vorwärts — wer weiß jetzt schon, wo Abschuss, wo Einschlag? Schneller das Tempo, härter das Aufschlagen der Sohlennägel, tiefer der Atem: man ruft uns, man hat uns nötig — Pioniere nach vorn!

Nun würde man auch hören, was alles das bedeute, was diese letzten Tage an Überraschungen gebracht! Was hatte man da nicht alles gehört, was nicht alles glauben sollen! Nun endlich sollte die Erwartung, die brennende Neugier erlöst werden.

Sie wurde erfüllt in überreichem Maße; man wollte und konnte es doch kaum glauben, so verlockend und zugleich so überwältigend klang es: Gewaltsamer Überfall in der nächstfolgenden Nacht unter Durchbrechen der Fortslinie auf Lüttich; dazu schnellstes Überschreiten der Maas durch Kavalleriemassen zur Aufklärung und Deckung des tollkühnen Unternehmens und durch die zum Stoß bestimmte Infanterie-Brigade, mit der man marschierte. Und man sollte, man durfte selbst dabei sein? Fast betäubend legten sich Stolz und Freude auf das heiße Herz: nicht nur mittun, nicht nur dabei sein, sondern den Weg öffnen, die Bahn brechen für die Infanterie und im Wettbewerb mit ihr eindringen in die sich sicher dünkende Festung. Weshalb blieb man dann nicht im Vormarsch? Gerade weil man den weitesten Weg zum Ausgangspunkt hatte, musste man doppelt schnell vorwärts.

Die Erklärung kam, und sie wandte sich an die Pioniere. Zwar den Weg nach Visé hatten sich die Kavallerie und die Jäger gebahnt, trotz zerstörter und gesperrter Wege und empfindlicher Verluste; aber dort unten im Maastal tobte der Kampf: die Maas-Brücken gesperrt, der Zugang zu ihnen von der Festung her unter schwerstem Feuer, das jenseitige Maasufer besetzt — und die Kavalleriebrückenwagen durch eine Straßensprengung teils zerstört, teils gehemmt — jedenfalls vorn nicht zur Stelle. An ihrem Flottmachen arbeitete zwar das Begleitkommando; aber dort unten tat schnellste Hilfe not beim Kampf in den verbarrikadierten Straßen und zum Erzwingen des Flussübergangs für die Kavallerie.

Und man brachte Hilfe! Sprengmunition und wuchtige Äxte brachen im Orte Bahn bis zur Maas — um die Brücken in die Luft fliegen zu sehen; in den jenseitigen Häusern alles dicht mit feuernden Menschen besetzt, der eroberte, brennende Ortsteil ein weithin sichtbares Ziel für die Panzertürme von Barchon und Pontisse: an dieser Stelle hätte man stärkerer Mittel bedurft, als man besaß• Aber unterhalb bis zur Grenze musste es gehen, auch ohne die verunglückten Brückenwagen der Kavallerie und die noch weit zurückbefindlichen der Trains! Als die Dämmerung kam und schwere Nebel das Maastal füllten, glitten Erkundungspatrouillen der Pionierkompagnie in das unbekannte Gewässer zur Erkundung des jenseitigen Ufers, indes Reiter und Jäger ruhten, um Kräfte für den nächsten Tag zu sammeln. In Visé allerdings schlief das Gefecht nicht ein; auch die Forts blieben im Feuer und über den Fluss her bellten die Glocken der Ortskirchen, die Einwohner zum morgigen Kampfe stachelnd.

Stunden, kostbare Stunden der kurzen Augustnacht zogen in banger Erwartung dahin — dann ein Rauschen, leise Rufe: nicht nur die Schwimmer kehrten zurück, sondern schleppten auch ein paar Kähne vom jenseitigen Ufer mit heran: zum Sicherungsdienst schien glücklicherweise die aufgehetzte Bevölkerung nicht geschult. Schon wurde es hier und da unruhig in den Biwaks: Offizierpatrouillen und Aufklärungseskadrons machten sich bereit. Ruderer der Pioniere und Reiter glitten in die Kähne, die unruhigen Pferde längsseit ins Wasser — die erste Überfahrt setzte ein. Was galt die schlaflose Nacht, die drückende Schwüle: es musste glücken — und es glückte über Erwarten! Ehe die überraschten Freischärler zur Besinnung gekommen waren und sich gesammelt hatten, waren die ersten Erkundungs-Patrouillen schon westwärts geritten, Pioniere und Jäger, teils fahrend, teils schwimmend, hatten sich drüben festgesetzt, so dass das Übersetzen noch gestört, aber nicht mehr gehemmt werden konnte. Die Brückentrains kamen; unermüdlich schafften die Pioniere, und als der Weg gesichert, schlossen sie sich ohne Rast und Ruh der vorwärtsstrebenden Infanterie an; beim Sturm in der nächsten Nacht würden sie nicht minder nötig sein, wie an der Maas. Ebenso unablässig aber mühten sich, von den dazu angeforderten Infanteriepionieren wacker unterstützt, andere Pionier-Abteilungen an der Wiederherstellung der Straßen und der gesprengten Maasbrücken in Visé für den gesicherten Nachschub.

Unter wiederholten Zusammenstößen mit Freischärlern und Soldaten erreichte die Brigade ihre Sturmausgangsstellung, indes die Kavalleriedivisionen in Richtung Brüssel ins Ungewisse hasteten. Noch waren Stunden bis zum Beginn des Handstreichs, aber niemand fand Ruhe; allmählich sickerte auch in der Truppe das Gerücht des unerhört neuen Wagnisses durch. Kein Zweifel und Bedenken kam: aber die nervöse Spannung stieg und zerrte selbst die ruhigsten Gemüter, besonders als Glockenläuten und brennende Schuppen das Feuer der belgischen Artillerie auf den Biwakplatz zu lenken schienen. Wie eine Erlösung wirkte der Befehl zum Angriff: Infanterie und starke Pioniergruppen mit Handwerkszeug und Sprengmunition zum Wegebahnen vorneweg — so trat man zum Durchstoß an, indes ein furchtbares Gewitter mit gewaltigen Regenmassen den Staub der Straßen in zähen Kot verwandelte. Eine völlige Überraschung aber wurde es trotzdem nicht. In den Ortschaften stieß man auf Widerstand der Freischärler — jedes Menschenkind, ob Mann, ob Weib, ob Kind oder Greis wusste ja in diesem Gebiet belgischer Waffenfabrikation mit irgendeinem Schießprügel oder Browning umzugehen! — und in der Höhe der Forts stieß man auf die Festungsbesatzung in Schützengräben, hinter Straßensperren, hinter Drahthindernissen zur planmäßigen Abwehr bereit. In das Feuer der Schnellfeuer- und der Maschinengewehre und den Donner der schweren Geschütze mischte sich der hellere Knall der Feldkanonen und immer wieder das unermüdliche Läuten der Kirchenglocken; vorbereitete Häuser und Scheunen gingen in Flammen auf und beleuchteten das vom Angreifer zu überschreitende Gelände. Aber nur ein kurzes Stocken, ein kurzes Hinwerfen und überschritten des Gegners mit Feuer: dann brach der Sturmtrupp der Pioniere vor und abermals sank in Trümmer, was den Weg versperrte. Schwer und bitter die Opfer, aber die Bahn wurde frei und unaufhaltsam drängte die Kolonne südwärts bis an, teilweise bis in die Vorstädte von Lüttich hinein. Gewaltiges, Außerordentliches war geschehen — nun aber verjagte zum letzten Ziel die Kraft. Feuer aus den verbarrikadierten Häusern der Stadt, Feuer von beiden Seiten des langen Marschweges aus Häusern und Hecken, Feuer auch im Rücken von der sich wieder zusammenschließenden Besatzung der Fortslinie, die eigene Munition nahezu verbraucht, Körper und Seele der Erschöpfung nahe; ein übermächtiger Feind ringsum in dem fremden, ihm selbst wohlbekannten schwierigen Gelände — bitter war der Entschluss, so dicht am Ziel verzichten zu müssen. Aber kein Bangen trat ein. Geschlossen und fest wie zum Stoß, so marschierte die Kolonne auch den gleichen Weg zurück — Pioniere an beiden Enden halfen hier den nachdrängenden Gegner abhalten, dort die im Rücken der Kolonne schnell vom Feinde wieder geschaffenen Hindernisse durchbrechen und beseitigen.

Über die Fortslinie hinaus zu folgen wagten die belgischen Truppen nicht; mit den Heckenschützen aber, die man mit den Waffen in der Hand ergriff, musste kurzer Prozess gemacht werden. Todmüde, doch unerschüttert, mit schweren Verlusten und doch voll festen Vertrauens erreichte die Kolonne das Maastal. Aber Ruhe fand die Truppe, fanden vor allem die Pioniere nicht: die Brücken mussten gegen Zerstörung geschützt, Schützengräben als Brückensicherung ausgehoben werden. Abermals ging die Nacht ohne Schlaf vorüber; dann aber brachte der beginnende Tag die Gewissheit, dass man den Fuß, den man auf den jenseitigen Uferrand gesetzt, nicht würde zurücknehmen müssen. Und auch die Festung fiel.

Ein Auftakt zum Weltkriege, der erschütternd über die Erde hallte. Blieb dem Überfall auch anfänglich der Erfolg versagt, so bewies er doch eindringlich die gewaltige Energie der deutschen Kriegführung und zeigte den deutschen Kämpfern, was sie leisten konnten. Wenige Tage noch —und unter den nachgezogenen stärkeren Angriffsmitteln brach der letzte Widerstand der belgischen Feste zusammen, auch dort wirkungsvoll zertrümmert von den überall in die vorderste Linie geholten Pionieren.

Sie hatten recht, wenn sie glaubten, Schweres vollbracht zu haben. Und doch war, was hier der Krieg verlangt hatte, nur ein leiser Anstatt zu alledem, was gerade von ihnen die nächsten Jahre fordern sollten. Aber das feste Vertrauen, das sie hier zum eignen Können, zur eigenen Energie gewannen, schuf ihnen die Gewissheit, auch das Schwerste zu vollbringen. In den ersten Anfängen deuteten sich schon alle die Forderungen an, die, wenn auch in einer unerhört gewaltigen Entwicklung, an die Kampf- und die Arbeitstätigkeit der Pioniere herantraten. Wasser und Erde waren die Elemente, an denen sich zum ersten Mal die Angriffs- und Abwehrkraft der Pioniere erprobte. Der berauschende Aufschwung, den die Technik in den letzten Vorkriegsjahren genommen, war in den Heeren im Frieden noch nicht zur Geltung gekommen; umso gewaltsamer brach sie sich jetzt, von den Pionieren selbst aufs stärkste gefördert, Bahn und schuf völlig neue Erscheinungsformen der Kampfmittel und der Kriegführung; und der Krieg selbst beschleunigte diesen Entwicklungssturm in einer von Tag zu Tag sich fast überstürzenden Weise. Und als Luft und Feuer in deren Kreis hineingezogen wurden, dehnte sich sofort das Schaffensgebiet der Pioniere auch auf diese neuen Gebiete aus. — Auch die örtlichen Grenzen dehnten sich — was sollte Belgien? Was Frankreich? Eine wilde Wanderlust schien mit den deutschen Stämmen auch den Pionier erfasst zu haben. Über die Grenzen Asiens, bis an die Tore Afrikas trug er seine Kunst des Bauens und seine Kunst des Zerstörens, trug er seine verbissene Zähigkeit in der Abwehr und seine wilde, unwiderstehliche Wucht des Angriffs.

Fast wie ein Kinderspiel dünkten ihm, so schwer sie ihm an den Kampftagen selbst erschienen waren, später jene ersten Taten an der Maas. Wie anders schon war es, als Franzosen und Engländer als tapfere, vorzüglich geschulte Gegner an Sambre und Semois, an der Schelde, Nethe und Yser, an Aisne, Oise und Marne den gewaltigen deutschen Vormarsch aufzuhalten suchten und mit modernsten Waffen und Gerät sich an den durch Sprengung der Übergänge beraubten Wasserläufen ihm entgegenstemmten! Fast unerträglich waren die Opfer, die von den Pionieren verlangt wurden, ehe es ihnen gelang, Schnellbrücken für die zum Sturm angesetzten Kolonnen über die Arme der Nethe im brennenden Lierre und über deren weite Talüberschwemmung zu werfen, so oft sie auch das feindliche Feuer zerbrach. Tiber es musste geschafft werden, um den Siegeslauf vorwärts zu tragen — und es gelang! Es gelang auch im Osten an den unregulierten, bald versiegenden, bald im Hochwasser reißenden Flüssen und Strömen in Polen, Galizien und Russland. Hatten Belgier und Franzosen keine Brücke unzerstört in deutsche Hand fallen lassen, so wollte ihnen der Russe nichts nachgeben. Kein Übergang fiel heil in deutschen Besitz; ob Holz, ob Eisen oder Stein: für jeden Stoff und jede Bauart fand der Gegner die Möglichkeit der Zerstörung, um den deutschen Vormarsch zu hemmen. Als ob der deutsche Pionier nicht auch im Kampf mit dem slawischen Wasser siegen würde. Etwas mehr Zeit, etwas mehr Mühe, vielleicht etwas mehr Opfer; dann aber hatte er doch seinen Willen durchgesetzt: ob Kahn oder Ponton oder Fähre, ob schwimmende oder feste Unterstützung, ob Pfahljoch, Hänge- oder Sprengewerk, ob Behelfs- oder gezimmertes Material — in irgendeiner Form bezwang er den San und den Por, den Tanew und die Weichsel, die im breiten, nassen Wiesental flutenden Bobr und Narew, die in sechs oder acht Armen langsam im verfilzten, verkrauteten Bett durch Moor und Sumpf hinschleichenden Stochod und Styr und Pripet, die mit starkem Eisgang allem Menschenwerk die Vernichtung drohenden Ströme des Nordens Njemen und Düna, wie den Isonzo und Tagliamento der Italiener.

Noch aber hatte das ihm vertraute Material die Arbeit erleichtert; neue schwerere Aufgaben zwangen ihn zu neuem Lernen — er lernte und ward ihrer Meister. Wer hatte ihm je singen können, dass er nicht einmal, sondern wiederholt Save und Donau angesichts starker feindlicher Abwehr mit österreichischem Brücken- und für Seeunternehmungen gebautem deutschem Landungsgerät würde überschreiten müssen? Wie hatte er ahnen können, dass er in den Hochländern Serbiens, Mazedoniens und Albaniens die Morawa, den Wardar, die Tscherna Reka überbrücken und anstatt seiner schönen Trainkolonne Ochsengespanne, Esel und Maultiere einsetzen müsse, um in unsäglicher Mühe das Holz an die Brückenstelle heranzuschleppen? Würde er nicht hellauf gelacht haben, wenn er bei der Ausbildung gehört hätte, er sei berufen, auf Kamelen sein Brückenmaterial an den tief eingeschnittenen, reißenden Jordan zu schaffen oder auf leichten, aus aufgeblasenen 5chläuchen zusammengewürgten Flößen den Euphrat und Tigris über wirbelnde Stromschnellen hinabzugleiten, um im fieberglühenden Bagdad türkischen Kameraden Lehrer und Helfer zu sein? Dass er über den Sues-Kanal — leider nur auf Stunden — den Fuß auf afrikanischen Boden stellen und in Georgien die Gebirgsströme des Kaukasus durchqueren würde?

Immer neue Welten, immer andere Flüsse und Ströme unbekannter Herkunft, nie gehörter Namen erschlossen sich ihm und seiner Arbeit; und alle ließ er bezwungen hinter sich bis zum Ende. Er eroberte sie im Angriff, eroberte sie aber auch für den Verkehr. Die Brücken, die er im Vormarsch, zum Vortragen der großen Angriffe, mit feldmäßigem Gerät baute, waren nicht leistungsfähig und dauerhaft genug, um den jahrelangen Verkehr mit schwersten Lasten aufrecht zu halten. Der forderte Brückenbauten, die in ihrer Tragfähigkeit den Brücken friedensmäßiger Ausführung nahe kamen. Ob es möglich war, die vom Gegner gesprengten Brücken — sei es in gleichem, sei es in anderem Material — auszubessern oder an ihrer Stelle neue zu erstellen, ob die Brücken auch den Schiffsverkehr auf dem Flusslauf wieder zulassen sollten, das waren Erwägungen schwerwiegendster Art, die bei der Wahl der Bauart und des Baustoffes den Ausschlag gaben. Wie viele derartiger schwerster Kolonnen- und Etappenbrücken in den Ländern der Feinde und Bundesgenossen von den Pionieren allein oder unter Heranziehung von Hilfskräften gebaut worden sind, ist schwer festzustellen; sicher aber ist, dass sie nach Hunderten zählen und noch auf Jahrzehnte hinaus als Zeichen deutscher Kulturarbeit und des Höchststandes deutscher Pioniertechnik — dem Nutzen feindlicher Völker dienen werden.

Ein schweres Verhängnis war es, dass der unerbittliche Zwang der Kriegsnotwendigkeiten wiederholt von den deutschen Pionieren forderte, Kunstwerke, die sie selbst soeben erst geschaffen, auch selbst wieder in Trümmer zu legen. Mit ihnen sprengten sie dann auch die wenigen Brücken, die der Gegner aus irgendwelchen Gründen nicht beim Rückzug zerstört hatte oder deren beabsichtigte Zerstörung eine Pionierpatrouille im letzten Augenblick hatte verhindern können. Eine solche Notwendigkeit trat ein, als der Entschluss zum Rückzug von der Marne im Sommer 1914 die Sprengung der Marne- und Aisnebrücken verlangte; als Hindenburgs 9. Armee im Spätherbst 1914 von Warschau auf Schlesien zurückging; als der Rückzug auf die Siegfriedstellung im Frühjahr 1917 dazu zwang; und als nach den erschöpfenden großen Angriffen des Jahres 1918 das Eingreifen der Amerikaner das Zurückziehen der deutschen Fronten unter dem furchtbaren Druck der Überlegenheit notwendig machte. Dass der deutsche Pionier auch in dieser Zerstörungsarbeit Meister blieb, muss ihm umso höher angerechnet werden, als die Bedürfnisse der Artillerie an besten Sprengstoffen von ihm verlangten, die eigenen schweren Aufgaben mit minder guter, oft ihm unbekannter Sprengmunition zu lösen. Neuartig, wie die ihm aus der Heimat zugeführten Sprengstoffe (zu denen, als die anderen durch Mangel an Rohmaterial knapp wurden, sich flüssige Luft als Aushilfe gesellte), ebenso neuartig waren auch die Geräte und Handwerkszeuge, die ihm die Arbeit im Wasser aufzwang. Die schlimmste Not machten ihm die Trümmer der in das Strombett gestürzten Eisenbrücken, wenn sie sich nicht als Fundament oder Unterstützung der neu zu schaffenden Kriegsbrücke verwerten ließen und eine Verschiebung der Brückenstelle aus Gelände- und sonstigen Verhältnissen unmöglich war. Die ineinander im Sturz verkeilten und verzwängten gewaltigen Eisenträger fortzuschaffen, dazu reichten Menschen- und feldmäßige Maschinenkräfte nicht aus. Da bot die Technik dem Pionier das Mittel, die ungefügen Lasten in beliebig große Stücke zu zerlegen — aber wer hatte im Frieden an Tauchanzüge mit Atmungsgerät und an Unterwasserschneidegerät gedacht? Wie so unendlich viel andere Dinge, so erlernte er bald schon die Handhabung dieser Apparate — der Begriff „unmöglich“ sollte und musste, trotz alles Neuen, für ihn ausgeschlossen sein.

Im Kampf mit dem Wasser und mit den Hindernissen, die es ihm entgegenstellen wollte, blieben die deutschen Pioniere überall Sieger; sie zwangen es aber auch in den Dienst des Heeres. Nicht in dem Umfang und der Regelmäßigkeit, wie in der hochentwickelten Friedensschifffahrt auf Flüssen und Kanälen, aber doch in einem Maße, dass eine merkbare Entlastung der überfüllten Eisenbahnen und Landstraßen erzielt wurde. Die gleichen Zerstörungen, die den Verkehr über die Flussläufe hatten verhindern sollen, wurden, als sich die Notwendigkeit des Schiffsverkehrs erkennen ließ, jetzt auch die Hemmnisse, die sich seiner Einrichtung widersetzten. Allerdings kam hinzu, dass die Zerstörungsarbeit nicht an ihnen haltgemacht hatte; in dem hochentwickelten Fluss- und Kanalsystem des Westens waren an vielen Stellen die Schleusenhaltungen zerstört und hier, wie in Russland und Rumänien, alle Schlepper und Schleppkähne versenkt. Neu war für ihn auch diese Arbeit, aber nicht schwerer, als die anderen, an ihn herantretenden Aufgaben. Nur Zeit und Arbeitskräfte mussten ihm zur Verfügung gestellt werden, die Mittel der deutschen Industrie in seinen Dienst treten — geleistet wurde auch diese Aufgabe und gewaltige Lasten aller Art schoben sich in West und Ost, auf den Kanälen Belgiens und Frankreichs, auf Weichsel und Njemen und vor allem auf der Donau von der Heimat zur Front und aus den besetzten Gebieten zur Heimat. Wiederum machte der deutsche Pionier Weg und Bahn frei.

Und noch einmal nutzte er das Wasser als Straße zum Angriff aus in einer nur selten in der Kriegsgeschichte aller Zeiten wiederkehrenden Form. An der Landung auf Dagö und Ösel und dem Transport deutscher Streitkräfte nach Finnland hatte er der deutschen Flotte wirksame Hilfe auf dem flüssigen Element bringen können; doch die Kriegsschiffe versagten, als der Winter die russischen Meeresteile in Eisfesseln legte.

Als aber der letzte Vorstoß nötig wurde, um die neuen Gewalthaber in Russland friedensgeneigt zu machen, da durfte am Eis der Vormarsch nicht scheitern Wieder half der Pionier.

Die Erkundung, Festlegung und Herrichtung der großen Marschstraße, die die deutschen Streitkräfte von den Inseln des Rigaischen Meerbusens auf das Festland hinüberführen sollte, war sein Werk; und alle Spalten und Schründe und offenen Stellen im Eise boten ihm Gelegenheit, zu zeigen, dass es kein Hindernis gibt, dem er sich hätte beugen müssen. Gewiss: der Große Kurfürst hatte einst einige tausend Brandenburger über das Kurische Haff überraschend gegen die Schweden geworfen; hier aber galt es, geschlossene Verbände mit allen Mitteln moderner Kriegskunst, mit schwerster Artillerie und ungeheuren Lasten gegen einen kampfbereiten und kampfgerüsteten Gegner zu führen. Ohne nennenswerte Unfälle und Verluste gelang der Übergang — dank den vortrefflichen Vorbereitungen deutscher Pioniere. Russland unterwarf sich.

Und immer noch ist der Kampf mit dem Wasser und um das Wasser nicht zu Ende. In den wasserdurchtränkten Sümpfen und Wiesen Russlands, in den flandrischen Ebenen mit ihrem hohen Grundwasserstand, aber auch in den undurchlässigen Ton- und Lehmschichten der Gebirge konnten die Kämpfer der deutschen Frontstellungen sich Jahre hindurch nur dadurch halten, dass die Kunst des Pioniers, die Entwicklung der deutschen Pumpenindustrie und die vom Pionier auch in Feindesland wiedererweckte oder neugeschaffene elektrische Kraft die Gräben und Unterstände, wenn auch nicht wasserfrei, so doch bewohnbar zu halten vermochten. Die ungeheuren Fronten der deutschen Stellungen mit verhältnismäßig schwachen Kräften zu verteidigen, war endlich nur dadurch erreichbar, dass der Pionier das Wasser zu Hilfe nahm und weite Strecken — in West und Ost — durch gut überlegte, sorgsam regulierte und im Winter offen gehaltene Überschwemmungen oder angestaute Flussstrecken unzugänglich machte.

Zu diesen Kämpfen um und gegen das Wasser als Kampfobjekt gesellte sich schließlich der Kampf um das Wasser als Genussmittel für Mensch und Tier. Wenn die Millionenheere, die Deutschland ins Feld stellte, nur verhältnismäßig geringe Verluste durch Krankheiten hatten, wenn Epidemien — selbst inmitten verseuchter Gebiete — ganz vermieden wurden, so verdankt das deutsche Volk diesen Erfolg der Kunst der Ärzte, aber auch der Kunst des Pioniers, dem es fast überall gelang, Wasser in einwandfreier Beschaffenheit und ausreichender Menge zum Trinken und Kochen, aber auch zum Waschen und Baden dem oft kargen und widerspenstigen Boden abzugewinnen. Stellten auch meist die beteiligten Truppen die ausführenden Arbeiter, so blieb dem Pionier doch die Aufgabe, die Quellen anzuschlagen, das Wasser zu gewinnen, die Brunnen zu bohren und die Wege anzugeben, auf denen es seinem Verwendungszweck zugeführt werden sollte. So unscheinbar vielleicht gegenüber den durch die Massen auffallenden vorher erwähnten Aufgaben gerade diese Leistung zu sein scheint, so stolz darf der Pionier auf die in ihr liegende Kunst und auf den für das Gesamtwohl kaum abschätzbaren Erfolg sein!

Der Kampf mit dem Wasser kennzeichnete sich in der Mehrzahl der Fälle als ein Kampf um die von ihm bedrohten oder unterbrochenen Verbindungen, um Wege, Straßen, Bahnen — um die Erhaltung und Wiedergewinnung dieser elementarsten Vorbedingung der Kriegführung. Aber nicht nur das Wasser war ihr Feind und der einzige Punkt ihrer Verletzbarkeit; dazu fand der auf Schädigung des Gegners bedachte Führer auch an hundert anderen Stellen Gelegenheit. Am schlimmsten wurde es, wenn das Wegenetz vom Frieden her so schlecht entwickelt war, dass es die Ansprüche der Kriegführung nicht in sich aufnehmen konnte — nicht nur hinsichtlich der Zahl der Wege, sondern vor allem auch hinsichtlich ihrer Güte und Bauart.

Wohl bot das hochentwickelte Kulturgebiet Belgiens und Nordfrankreichs, in seiner Straßenentwicklung deutschen Verhältnissen ähnlich, zunächst anscheinend keine Schwierigkeiten. Und doch zeigte sich schon sehr bald, dass die den ortsüblichen Gebräuchen angepassten Nebenwege in ihrer Schmäle für die deutschen Truppenfahrzeuge vielfach schwierig und sogar unbenutzbar waren; es zeigte sich, dass selbst die großen Chausseen in ihrem Unterbau und bei ihren Kunstbauten lediglich den Bedürfnissen leichteren Pferdefuhrwerks früherer Zeit, nicht aber den Ansprüchen der modernen Fahrzeuge der schweren Artillerie und der dauernden Beanspruchung von Kraftwagen gerecht zu werden vermochten. Man muss den jämmerlichen Zustand französischer Staatschausseen schon nach wenig Wochen des Bewegungskrieges gesehen haben, um das ungeheure Maß an Arbeit ermessen zu können, das hier anfänglich den Pionieren allein zufiel. Sobald sich erst die — insbesondere für den Verkehr — ununterbrochen steigenden Bedürfnisse des Stellungskrieges geltend machten, war selbst im Westen eine systematische Vervollständigung des Wegenetzes unter Berücksichtigung der nach Zahl und vor allem nach Gewicht ständig zunehmenden Fahrzeuge und Lasten unvermeidlich. Sehr bald stellte sich die Erkenntnis ein, dass die Pioniere diese Aufgabe neben ihren sonstigen, gewaltig wachsenden Aufgaben nicht allein würden leisten können• Aber wenn auch Straßenbaukompagnien, Armierungsbataillone und schließlich Gefangenenabteilungen in großer Zahl dazu aufgeboten wurden, wenn für die Gewinnung und Zufuhr der Baustoffe die Heimat und Sonderformationen herangezogen wurden, so blieb doch die Anleitung zur Arbeit und vor allem die Ausführung der schwierigsten Arbeiten im feindlichen Feuer dicht an der Front den Pionieren.

Das war im kultivierten Westen. Aber dort waren die Begriffe Chausseen, Straßen, Verbindungs- und Ortswege immer noch den deutschen ähnlich. Wie anders jedoch unterschieden sich Wort und Wirklichkeit, sobald die deutschen Kolonnen die Ostgrenzen überschritten! Wie unterschieden sie sich schon bei dem österreichisch-ungarischen Bundesgenossen! Allerdings hatte die deutsche Heeresverwaltung sich auf einen Krieg in den Karpathen, auf dem Balkan, in der Ukraine und Vorderasien im Frieden kaum einrichten und vorbereiten können; aber selbst das Wegenetz in dem unmittelbar benachbarten Polen, in Litauen und Galizien war im Frieden überschätzt, das deutsche Feldgerät den Wegen, die die Truppe fand, nicht angepasst worden. Die Truppe war auf den Nachschub durch die Armeefahrzeuge angewiesen; wirklich gut ausgebaute Kunststraßen fand sie nur in verschwindender Zahl vor; in den Landwegen der sandigen trockenen Gebiete versanken die deutschen Fahrzeuge fast ebenso tief, wie in den moorigen, sumpfigen Wiesen der Flusstäler und erst recht in den unergründlichen Sümpfen des Pripjet und seiner Nebenflüsse. Die von den Eisenbahntruppen sofort gebauten Feldbahnen vermochten auch nicht den Verkehr der großen Heere zu bewältigen. Der Pionier und seine Hilfskräfte standen vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe — und er löste sie doch. „Pionier sein, heißt angreifen!“ Angreifen im Kampf, aber auch angreifen in der Arbeit — und er griff an, tapfer, zäh und unermüdlich. Bald schon streckten sich durch die wegelosen Gebiete Polens Straßen und Dämme, Faschinen-, Bohlen- und Knüppelwege, die selbst die Lasten der schweren Artillerie und der Kraftwagen (wenn auch teilweise mit verminderter Beladung) zu tragen vermochten. Oft waren die Anstrengungen gewaltig, oft musste die Truppe auch das Koppel ein paar Löcher enger schnallen, wenn sich der Nachschub verzögerte. Aber direkte Not hat sie nicht gelitten, und die Fortführung des Krieges blieb möglich. In Zahlen anzugeben, was dort an Arbeit geleistet worden ist, ist kaum möglich; wie lange sie Bestand haben oder wie bald sie in der polnischen Wirtschaft zugrunde gehen wird — wer vermag es zu sagen?

Ebenso wenig entwickelt war das Wegenetz jenseits der österreichisch-ungarischen Grenzen. Doch schon vorher, in Ungarn, schon in den Karpathen, hatten die deutschen Truppen sehen müssen, wie wenig sich deutsche Verhältnisse zu anderen in Vergleich stellenlassen. Hier halfen, ebenso wie in Galizien, zwar zum Teil die Bundesgenossen durch Hergabe ihrer — diesen Verhältnissen angepassten — Trains und Kolonnen aus. Aber als für den Angriff zur Entlastung der Karpathenfront Linsingens Divisionen neben denen des Bundesgenossen in Bewegung gesetzt wurden, war es doch wieder eigene Kraft, war es doch wieder die Hilfe der Pioniere, die in den verschneiten Talstraßen der Karpathen den Kolonnen und über die vereisten Gebirgshöhen der Infanterie Vormarsch und Angriff ermöglichten; und die ihnen die Bahn schufen durch die Hindernisse und Stellungen der gut verschanzten Russen und sie beim Sturm selbst begleiteten.

Auch durch die transsylvanischen Alpen zwischen Siebenbürgen und der Wallachei, durch die Balkanpässe Serbiens zogen sich wohl einige wenige Straßen mit kühnen Kunstbauten — doch sie waren an den günstigsten, d. h. den schwierigsten Stellen zerstört, die Kunstbauten gesprengt, die Engen mit Maschinengewehren gesperrt. Saumpfade für Esel und Maultiere, auch diese vielfach gesperrt und verteidigt, mussten den Umgehungskolonnen zum Vormarsch dienen, um die Hauptstraßen zu öffnen, zu deren Wiederherstellung in den tiefgründigen, steil abfallenden, von Wildwassern erfüllten Tälern abermals die Kunst und Kraft des Pioniers eingesetzt werden musste. Der Feldzug gegen Rumänien, der Kampf gegen Serbien würden ohne die deutschen Pioniere und ihre zähe Energie überhaupt nicht möglich gewesen sein. Ganz aber hörten die Wege in unserem Sinne auf, als Albanien und Mazedonien Kampfgebiete, als das Hochgebirge des Ostjordanlandes Kriegsschauplatz wurden und durch die Taurus- und Amanusgebirge Kleinasiens, durch die Gebiete des Euphrat und Tigris, ja selbst bis in das Hochplateau Persiens, bis nach Kirmanschah, die Möglichkeit deutschen Lastkraftwagenverkehrs geschaffen werden sollte. Wege deutscher Art sind es nicht geworden, aber ihren Kriegszweck haben sie erfüllt. Und unbegreiflich fast erscheint diese Leistung, wenn man die geringen Kräfte, die mangelhafte Hilfe der Bulgaren und Türken, den völligen Mangel an Rohstoffen und Gerät — und schließlich die Ungewohnheit des Klimas und der Ernährung in Betracht zieht.

Überall, in allen Ländern und auf allen Fronten tat der Pionier seine Pflicht, bot er seine Hilfe an nicht nur in den ihm eigenen Arbeitsgebieten, sondern auch bei den anderen Waffen. Wenn auch die Eisenbahner in der Regel selbst ihr Bahnnetz schufen, so war der ihnen verwandte Pionier in den Stunden der dringenden Not ein gern gesehener Helfer. An so manchem Bahndamm, so manchem gesprengten Tunnel, so vielen Eisenbahnbrücken hat er gern geholfen und in der Ausgestaltung der vordersten Spitzen des Bahnnetzes, bei den Feldbahnen, Förderbahnen, den Gebirgs- und Seilbahnen oft den größeren Teil der Arbeit übernommen. Der Ausbau der Verkehrswege hatte zwar sofort bei Kriegsbeginn in allen Kampfgebieten begonnen, dann aber beim Übergang aus dem Bewegungs- zum Stellungskrieg einen anderen, intensiveren Charakter angenommen.

Ähnlich verschieden gegen die erste Zeit war auch die Arbeit der Pioniere an der Kampffront geworden. Was dort an technischen Arbeiten sich als notwendig erwies, das hatten allerdings nach dem Inhalt der Vorschriften der Infanterist und der Artillerist selbst machen sollen. Aber wenn der oft ausgenutzte Pionier einmal darauf hinwies, so war er selbst nach den ersten Kämpfen noch ausgelacht worden: „Auf Erd- und Schanzarbeit lassen wir uns nicht ein; unsere Energie, unser gewaltiger Ansturm wird all diese technische Arbeit unnötig machen“. Hatten aber trotzdem nach den ersten blutigen Erfahrungen die Infanteristen hier und dort zu ihrem Kinderspaten gegriffen und sehr schnell schon bedauern gelernt, dass er zu wenig „schaffe“, so hatten in den Septemberwochen selbst die Kavalleristen die Lanze mit dem beigetriebenen Spaten vertauschen müssen. Wohl war von überallher der Ruf nach den Pionieren laut geworden — aber deren kleine Zahl hatte für die Fülle der Ansprüche auch nicht entfernt ausgereicht. Der Zwang des Krieges nahm auf Wünschen und Wollen keine Rücksicht; immer weiter spannten sich die Schützengräben, vom Kanal bis zur Schweiz im Westen und bald darauf von der Ostsee bis zur Moldau im Osten; immer tiefer grub sich jedermann selbst in die Erde — gern aber nahm man den Pionier als Berater, gern bot er sich als Helfer an den schwierigen Stellen.

Der Stillstand sollte, dahin ging der Wunsch aller Gegner, nur vorübergehend sein. So schnell es die Sammlung der eigenen Kraft gestattete, wollte man — unter Ausnutzung der günstigen Stellen — wieder zum Angriff schreiten, an den nicht geeigneten Stellen durch stärkern Ausbau eine Ersparnis an Besatzungstruppen erzielen; an keiner Stelle aber sollte der Gegner zur Ruhe kommen — immer wiederholte Angriffe und Vorstöße sollten ihn mürbe machen, sollten zugleich für den demnächstigen Angriff die notwendigen Grundlagen schaffen.Ebenso stark, wie bei den anderen Waffen, lebte der Drang nach vorn im Pionier, gedämpfter vielleicht, weil sich ihm schneller als den anderen, die Schwierigkeiten offenbarten, die in dieser Neugestaltung der Dinge lagen. Ihnen Rechnung zu tragen, ihnen zu widerstehen, sie zu überwinden, die weitere Entwicklung vorauszusehen und zu beherrschen — das sah er als die ihm obliegende, gewaltige, neue Aufgabe an.

Wie groß sie war und was sie von ihm forderte, vermochte er zunächst nicht zu überblicken. Aber noch während sich die alten Formen verstärkten, die Gräben tiefer, die Hindernisse breiter, die Untertreträume und Unterstände mit der wachsenden Wucht der Artilleriegeschosse stärker wurden, neue Baustoffe verlangten und immer weiter in die Erde versanken, während man durch die veränderte Lage im Gelände und die auflösende Gliederung der Anlagen diese der feindlichen Beobachtung und Zerstörung zu entziehen strebte, wuchs in ihm die Erkenntnis, dass neue Waffen für und durch diese Erscheinungen notwendig sein würden. Der Erkenntnis folgte die Tat — zuerst tastend und unvollkommen, wuchsen sich die neuen Kampfmittel, von ihm planmäßig entwickelt und zur Geltung gebracht, zu stärkster Wirkung aus.

Als Schnellfeuergewehr und Maschinengewehr trotz der Nähe der Kampflinien versagten, griff er zur Handgranate, anfangs von ihm behelfsmäßig aus Feldmitteln geschaffen, dann aber zu einer Wirkung gesteigert, die sie nahezu gleichberechtigt neben die Schusswaffen stellte. Und als die Menschenkraft nicht auszureichen schien, um mit ihr in die etwas entfernteren Gräben zu wirken, entwickelte er den Gebrauch der Gewehrgranate und bald auch des wirkungsvolleren Granatwerfers.

Wieder war es die geringe Entfernung der beiden vordersten Stellungen, die den Einsatz der Artillerie zu lähmen drohte; und wieder fand er eine Waffe, die in ihrer Wirkung die Artillerie teilweise zu ersetzen vermochte. Den für bestimmte, eng umgrenzte Aufgaben des Festungskrieges von ihm gebauten schweren Minenwerfer schuf er in zäher, folgerichtiger Arbeit zu einer Waffe um, die der — der Übermacht der Weltindustrie unterlegenen — deutschen Artillerie das Gleichgewicht im Stellungskriege wiederzugewinnen versprach und die, schließlich auch für den Bewegungskrieg umgemodelt, bestimmte Aufgaben erfolgreich löste.

Die erste Wirkung dieser neuen Steilfeuerwaffen drängte als Gegenmaßregel anfangs beim Feinde, und als dieser zu ähnlichen — aber nie erreichten — Kampfmitteln griff, auch bei uns zu einem nochmaligen tieferen Hinabtauchen aller Grabenbauten in die schützende Erde. Gefasst und bekämpft werden musste der Gegner aber auch trotz dieses stärkeren Schutzes; das Mittel dazu fand sich im Einsatz des Gases. Wohl ist die erste Kriegsverwendung von giftigem Kampfgas von französischen Pionieren ausgegangen; aber ihre kleinen Gasgranaten zeigten sich so gering an Wirkung, dass man auf feindlicher Seite zunächst auf die Verwendung von Kampfgas verzichtete. Den Deutschen blieb es vorbehalten, die Wirkungsbedingungen des neuen Kampfmittels erkannt zu haben; und dem deutschen Pionier blieb es vorbehalten, es zuerst mit wirklich großem Erfolg, der bei tatkräftiger, zielbewusst vorbereiteter Ausnutzung auch entscheidend hätte werden können, bei Ypern verwendet zu haben.

Das Blasverfahren blieb eine vorübergehende Erscheinung; zu viele, vom Menschen nicht zu beherrschende Einflüsse hinderten seinen Einsatz. Als das Schießverfahren• allmählich immer mehr und schließlich ganz an seine Stelle trat, lag es in der Natur der Kampfwaffen, dass ein Teil des Gaskampfes von den Pionieren auf die Artillerie übergehen musste. Soweit sein Einsatz aber auf nähere und mittlere Entfernungen notwendig war, blieben die Pioniere der Gasbataillone energische und erfolgreiche Träger dieses neuen, dauernd verbesserten Kampfmittels, für das sie in den eigenartigen Gaswerfern eine wirkungsvolle Waffe schufen.

Den stärksten Ausdruck deutschen Angriffswillens zeigte aber eine andere Waffe, zu der der deutsche Pionier ein bisher nur als Nebenerscheinung benutztes Element dem Kampfe dienstbar machte — das Feuer. Die erste Verwendung der Flammenwerfer und ihre Entwicklung zu einem kampffähigen Werkzeug entsprang dem Verlangen, im Grabenkampf dem hartnäckigen Gegner ein Kampfmittel entgegenzutragen, dem auch die stärkste Moral nicht standzuhalten vermochte. Wie überall, so versuchte er auch diese gefürchtete Waffe nachzuahmen; und es gelang ihm, der über alle Hilfsmittel des Erdballs verfügte, bis zu einem bestimmten Grade. Aber alle seine Fortschritte in technischer Beziehung, die zweifellose Hingabe seiner Flammenwerferträger haben es nie vermocht, der deutschen Waffe und ihren Totenkopfpionieren gleichzukommen oder gar sie zu übertreffen.

Wie der Pionier zu den technischen Kampfmitteln den Anstoß und die Vollendung gab, so auch zu unzähligen Hilfsmitteln, die den Tapferen im Schützengraben das Aushalten im jahrelangen Kampf ermöglichen sollten. Die von den Pionieren geförderte Entwicklung der Signalmittel bot den Nachrichtentruppen die letzte Hilfe, wenn ihre eigenen zahlreichen Mittel schließlich doch dem überwältigenden feindlichen Feuer zum Opfer gefallen waren. Von ihnen geschossene Lichtsignale in verschiedener Bauart traten als optische Verbindungen neben die akustischen der Nachrichtenverbände; Leuchtzeichen, aus Leuchtpistolen, Signalwerfern, als Leuchtgeschosse oder Leuchtminen verschossen, haben wiederholt in den Minuten höchster Gefahr die letzten Rufe um Hilfe nach rückwärts getragen.

Eine Eigenart des Stellungskrieges, die ununterbrochene, auch in der stärksten Gefahr nur schwankende, niemals ganz aufhörende Dauer der Kampftätigkeit forderte schließlich Hilfsmittel, um auch in den nächtlichen Kämpfen sehen zu können. Wieder sollte der Pionier helfen — und wieder half er. Das von ihm geschaffene und bediente Scheinwerfergerät hat — in verschiedenster Ausstattung — dem auf Posten stehenden Infanteristen die ihm obliegende Sicherung der ungeheuren Fronten ermöglicht. Mit diesem Kampfmittel war es schließlich auch dem Pionier vorbehalten, in das legte Kampfgebiet entscheidend einzugreifen, das sich ihm sonst versagte: in den Luftkampf. Hier war ihm allerdings keine offensive Tätigkeit beschieden; sie blieb den Fliegern vorbehalten, in deren Reihen aber auch selbstredend Pioniere erfolgreich kämpften. Als Gehilfe der Flugabwehrbatterien hat der Pionier mit den im Luftschutzdienst eingesetzten Flakscheinwerfern stärkster Abmessungen und Reichweiten und unter Einsatz kunstvoller Horch- und Richtungsinstrumente im Felde und im Heimatschutz erfolgreich mitgewirkt. — Die Elektrizität zur Wirkung zu bringen und ihre ungeheure Kraft in den Dienst des Heeres zu zwingen, sei es zum Betreiben der zahllosen Maschinen, sei es zur Lichtgewinnung für alle Unterkunftsräume in und hinter der Front, sei es endlich zur Schaffung elektrisch geladener Hindernisse, wurde im Lauf der Jahre so wichtig, dass für diesen Dienst abermals eine Sonderart, die Starkstrompioniere, aufgestellt werden mussten.

Zu diesen Abwehrmaßnahmen gesellte sich schließlich eine solche rein passiver Art, die infolge der reißenden Entwicklung der Flieger und ihrer fotografischen Kammer notwendig wurde, als sich das deutsche Heer auf den letzten großen Endkampf vorbereitete. Sollte der beabsichtigte Durchbruch gelingen, so mussten angesichts des aufs höchste gesteigerten Widerstandes der Feinde alle Vorbereitungen, vor allem der Aufmarsch der Artillerie und die Versammlung der großen Truppenmassen, dem Erkennen durch die gegnerische Kamera entzogen werden. Die bisher nie notwendige, also auch nie geübte Kunst des Verbergens, des Versteckens, des „Tarnens“ (um ein gut altdeutsches Wort an Stelle des fremdsprachigen Camouflage zu setzen), wurde unter steter Kontrolle durch die eigenen Flieger unter Anleitung der deutschen Pioniere zu einer solchen Meisterschaft gebracht, dass in der Tat die ersten gewaltigen Angriffsvorbereitungen dem Gegner verborgen blieben — eine Überlegenheit, die von diesem widerwillig zugestanden werden musste.

Die ununterbrochene Entwicklung des Stellungskrieges in seinen technischen und taktischen Formen zwang die Pioniere zu Abwehrmaßregeln in stärkerem Maße, als es ihrem Angriffswillen entsprach. Sie blieben die Träger des Angriffsgedankens auch in dieser Zeit des Stillstandes.

Sie waren es, die in Anlehnung an die Flammenwerfertrupps diese zunächst für kleine Angriffsunternehmungen zu Stoßtrupps ausgestalteten und in dieser Form für die Infanterie Mittelpunkt und Träger des Angriffs wurden. Sie waren es, die aus den Stoßtrupps allmählich die Sturmbataillone entwickelten, die — aus den beherztesten Freiwilligen aller Waffen ergänzt — zum Einsatz an den Brennpunkten bestimmt, dort die Entscheidung erzwingen sollten. Diese Organisation wuchs also schließlich über die eigene Kraft und Zahl der Pioniere hinaus, wenn diese auch die Träger der schärfsten Waffen in ihr blieben.

Ein anderer Angriffskampf aber blieb ihnen unbestritten, der in seiner Eigenart nicht ohne weiteres von den anderen Kameraden aufgenommen werden konnte: der Minenkrieg unter der Erde. — Auch ihn nahm der Pionier nicht freudig und freiwillig auf sich; das Angriffsvermögen und der Angriffsgedanke würden, so hatte man jahrzehntelang im deutschen Heere geglaubt, auch dieses Kampfverfahren überflüssig machen. Aus dem durch die gesamte Entwicklung hervorgegangenen Stellungskrieg aber entstand auch der Minenkrieg zu neuem Leben und wuchs an manchen Frontstellen zu einer mitentscheidenden Bedeutung. Der Angriffsgedanke durfte und sollte nicht einschlafen. Als es über der Erde, als es mit Sappengräben in der Erdoberfläche nicht mehr vorwärts ging, da versuchte es der Pionier-Mineur, unterirdisch ihn zu erzwingen. Und er setzte den Gedanken in die Tat um. Von den Schrecknissen dieses, in den Eingeweiden der Erde sich abspielenden, geheimnisvollen Kampfes hat nur selten der Heeresbericht gemeldet — er entzog sich den Blicken und der Bewunderung der Mitkämpfer. Aber was die Flieger an gewaltigen Kämpfen im freien Luftmeer, unter den Strahlen der Sonne vollbrachten, das kann nicht größer sein, als das stille, bescheidene Heldentum der Mineure, die drunten in Nacht und Dunkel, von Luft und Sonne abgeschnitten, von erstickenden Gasen umlauert, nie dem Gegner Auge in Auge in zähen! Angriff gegenübertreten durften und doch ständig dem schlimmsten Tode des Lebendigbegrabenwerdens sich vollbewusst preisgegeben sahen. Schlicht und ruhmlos führten sie ihren zähen Angriff, der sich schließlich in gewaltigen Kratern vor der Westfront entlud, mit solcher Energie, dass England 40 000 seiner Bergleute aus den heimischen Stollen und Schächten zu Hilfe rief, um sie in Flandern den deutschen Pionier-Mineuren entgegenzustellen. Blieb den Pionier-Mineuren, weil das Verständnis für diesen Kampf an den meisten Stellen fehlte, äußere Anerkennung versagt, so tröstete sie das Bewusstsein erfüllter höchster Pflicht, wenn sie einander mit dem Bergmannsruf „Glückauf“ begrüßten.

Jahre hatte das zähe Abringen in den Stellungen gedauert. Die feindlichen Durchbruchsversuche waren gescheitert; Russland war zu Boden gerungen. Und als im Frühjahr 1918 die deutsche Oberste Heeresleitung zum entscheidenden Angriff rüstete, da wussten die Pioniere, dass ihnen ein Hauptteil der zu erwartenden Kämpfe zufallen würde. Über das Trichterfeld vor St. Quentin ging der erste Stoß, durch die wasserdurchzogenen Wiesen Flanderns zum Kemmel der zweite, über die steilen Hänge des Chemin des dames bis zur Marne der dritte und, trotz des vernichtenden Feuers der Artillerie und der Bombengeschwader, über die Marne hinweg, der vierte — letzte. Immer und überall Pioniere in unwiderstehlichem Angriffssturm an der Spitze der Kämpfer, immer und überall Pioniere dicht hinter den vordersten Wellen, um Wege für Mann und Tier, für Geschütz und Kraftwagen zu schaffen, die den unaufhaltsam vordringenden Tapferen neue Kräfte, neue Munition, neue Verpflegung zuführen, den Angriff im Fluss halten sollten. Immer und überall Pioniere mit ihren Sonderwaffen, um die letzten Widerstandsnester der überrannten Feinde zu überwältigen. Ging in diesen gewaltigen Stoßmassen auch der einzelne Pionier und der Stoßtrupp, gingen selbst die Sturmbataillone darin unter, so waren und blieben sie doch auch diesmal die stärksten Träger des Angriffs. Eine letzte Heldentat endlich, von keiner übertroffen, vollbrachten sie in der Erzwingung des gewaltsamen Überschreitens der Marne, dem tagelangen Aufrechthalten des Verkehrs über die hundertmal zerschossenen und trotz des Höllenfeuers und schwerster Verluste auch hundertmal wiederhergestellten Brücken. Wehrlos den feindlichen Geschossen preisgegeben, mit zerreißenden Nerven, aber unbeugsamer Zähigkeit, hielten sie qualvolle Tage und schlaflose Nächte hindurch aus, bis auch die letzten deutschen Verbände das Nordufer des schicksalhaften Flusses wiedergewonnen hatten.

Der letzte große Abwehrkampf begann und nahm unter der Last der ungeheuren feindlichen Überlegenheit seinen rückschreitenden Verlauf. Das Unheil schritt seinen langsamen Gang, bis das Verzweifeln der Heimat zum Waffenstillstande zwang. Da trat, in diesen Stunden des Zusammenbruchs, an die Pioniere noch einmal ein Ruf, eine Bitte, ein Befehl, der Übermenschliches von ihnen forderte. Für den vom Feinde aufgezwungenen kurzfristigen Rückmarsch der Millionenheere galt es, Über-gänge über den Rhein in solcher Zahl zu schaffen, dass die zurückflutenden Massen ohne Hemmung und Störung das rettende Ufer erreichen würden. Millionen Deutscher galt es vor der vom Gegner erstrebten schimpflichen Gefangenschaft zu retten. Noch einmal bot sich dem deutschen Pionier Gelegenheit zu zeigen, dass selbst da, wo alles andere zusammenbrach, seine Kraft und seine Energie, sein technisches Können und sein menschliches Wollen auch jetzt noch der schwersten Aufgabe gewachsen seien.

Vier Jahre erbittertsten Kampfes und erschütternder Verluste, gewaltiger Großkämpfe und tapfersten Einzelringens, zähen Aushaltens und blitzschnellen Angriffs waren vergangen, seitdem die deutschen Pioniere dem Heere den Weg über die Maas und durch die Festungswerke von Lüttich als Einleitung des deutschen Ringens gegen die feindliche Welt bahnten, bis jetzt, wo ein ungeschlagenes, aber von der Heimat zerbrochenes, müdes Heer von ihrer Hilfe die Rettung vor den nachdrängenden Feindmassen erwartete.

Auch diese letzte Großtat bestanden sie, wie jene erste. Zwischen der Schweiz und Holland erbauten sie zwischen den wenigen festen Brücken aus verschiedenstem, örtlich gefundenen: Material, in unermüdlicher Arbeit, Tage und Nächte schaffend, die rettenden Brücken und hielten sie besetzt, bis der unaufhörliche Strom der Kolonnen das schützende Ufer erreichte, um dann, vorbildlich in ihrer Pflichterfüllung bis zum äußersten, als die letzten deutschen Kämpfer am Feinde die Brücken — um sie dem Gegner zu entziehen — abzubauen und abzuschwenken und mit den letzten Pontons den anderen nachzufolgen. Die Nächsten am Feinde beim hoffnungsfrohen Angriff, die Nächsten am Feinde beim erschütternd-traurigen Rückmarsch, die Ersten im siegreichen Kampf, die Ersten bei der schützenden Arbeit, schlicht und pflichttreu als starke Hilfe der anderen Waffen, treu bis zum Tode, treu aber auch bis zum Zusammenbrechen nach der letzten, erfolgreich erfüllten Aufgabe: so bewiesen sie durch die Tat die Wahrheit ihres Trutzliedes:

Pionier, das schwarze Korps,

Tut sich unter allen andern vor!

Und die Kameraden der anderen Waffen gaben ihnen Recht.

Im Felde unbesiegt

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