Читать книгу Bunty - Halwart Schrader - Страница 11
ОглавлениеTapfer und des Schwimmens kundig
Buntys Lebensgeschichte beginnt natürlich zu einem Zeitpunkt, an welchem es ihn noch gar nicht gab: an einem schönen, warmen Frühlingsnachmittag des Jahres 1906.
Auf dem Cholmont Walk an der Themse geht eine wohlproportionierte, nicht gerade blutjunge Dame spazieren; sie heißt Grace mit Vornamen und Eustace mit Familiennamen. An jedem Nachmittag, sofern das Wetter es erlaubt, macht sie diesen Spaziergang. Nicht allein; ihr Begleiter ist männlichen Geschlechts und sehr viel kleiner als Grace. Es ist ein braungefleckter Terrier.
Ein ziemlich dämlicher Terrier muss es gewesen sein, denn normalerweise fallen Hunde nicht einfach ins Wasser. Und sollte Grace ihn etwa in den Strom gestoßen haben, mit der Spitze ihres Schuhs, wäre er genauso dämlich gewesen, dies nicht geschickt pariert zu haben. Warum aber hätte sie so etwas Gemeines tun sollen?
Wir wollen Grace nichts Arges unterstellen, denn Niedertracht war keine ihrer Eigenschaften. Aber es würde gut in den Ablauf der Geschichte passen, hätte die attraktive Lady im besten – um nicht zu sagen: allerbesten – heiratsfähigen Alter dem Hundchen mal eben ein wenig bei einer Mutprobe nachgeholfen, zum Beispiel, um canines Schwimmverhalten zu studieren. Dann wäre der Terrier nur ein Mittel zum wissenschaftlichen Zweck gewesen, und falls dem so gewesen sein sollte, war dieser Zweck zugleich eine Prüfung ganz anderer und doch derselben Art: Miss Eustace hatte möglicherweise nichts anderes im Sinn, als die Spontaneität, das Reaktionsvermögen und vielleicht zugleich auch die Schwimmkünste eines Retters zu ermitteln, der auf ihren Hilferuf sofort herbei eilte, als ob er darauf gewartet hätte, sich seines Jacketts entledigte und in die schon damals recht trüben Fluten der Themse sprang – um den pudelnassen Terrier an Land zu bringen.
Auch wenn der Hund das Bad ganz freiwillig oder vielleicht doch nur aus reinem Versehen genommen haben sollte, hätte sich der junge, adrette Ägyptologe Phillip Scott-Moncrieff nur allzu gerne ins Wasser begeben, um Grace endlich einen Gefallen erweisen zu können, in einem Moment, auf den er schon lange gewartet hatte – schon einige Male war er ihr hier begegnet, hatte ihr schöne Augen gemacht, aber nicht den Mut gefunden, das Wort an sie zu richten … Diese einmalige Gelegenheit, eine Beziehung einleiten zu können, obendrein in der Rolle eines Helden, durfte er sich jetzt einfach nicht entgehen lassen.
Fortan hatten die beiden einen guten Grund, das eine oder andere Themsestündchen gemeinsam zu absolvieren: Sie passten zu zweit auf den Terrier auf, um zu verhindern, dass er jemals wieder versehentlich ins Wasser stürzte. Was jetzt ja auch sinnlos gewesen wäre.
Natürlich stellte Phillip seiner verehrten Grace schon bald einen Heiratsantrag (das soll sie angeblich sehr überrascht haben), was aber sowohl von der einen als auch von der anderen Familie mit einiger Zurückhaltung aufgenommen wurde. Graces Eltern hatten es aufgegeben, sich um einen Heiratskandidaten für sie zu bemühen, und Phillips Eltern hatten sich für ihren Sohn eine etwas jüngere Partie gewünscht. Denn Grace war knapp zwanzig Jahre älter als ihr Anbeter.
Gleichwohl wollte sich Miss Eustace den Antrag des jungen, dynamischen Rettungsschwimmers und Hundefreundes gut überlegen, und wie es damals in feinen Kreisen Englands üblich war, buchte sie zu diesem Behufe erst einmal eine Reise nach Indien.
Als sie nach drei Monaten nach Richmond zurückkehrte, gab sie dem ungeduldig Wartenden nach weiteren sechs Wochen Bedenkzeit das Jawort. Dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger war, verriet sie niemandem. Für ein Neinwort wäre es also ohnehin zu spät gewesen. Das glückliche Paar ließ sich im Londoner Vorort Egham, wo die Scott-Moncrieffs wohnten, trauen, und am 1. Juli des Jahres 1907 brachte Grace Scott-Moncrieff einen gesunden Sohn zur Welt: David William Hardy.
Dass sich diese drei schönen Namen schon bald auf das Kürzel »Bunty« reduzierten, schrieb man Phillips Bruder Bill zu. Angeblich soll er es gewesen sein, der den Knaben von Anfang an so und nicht anders zu nennen pflegte, und bald nannte ihn jeder so. Bunty vermochte sich nicht zu erinnern, in der Familie jemals anders gerufen worden zu sein. Sein Leben lang behielt er diesen Namen bei, denn er gefiel ihm selbst sehr gut.
Bunty, nicht Bounty. Auch wenn es ein berühmtes Schiff dieses Namens gegeben hat, auf dem es bekanntlich in der Südsee eine wilde (und später mit Charles Laughton grandios verfilmte) Meuterei gegeben hat. Die Assoziation liegt nahe, denn Bunty hatte Seemannsblut in seinen Adern. Sein Großvater war nämlich kein Geringerer als jener Schiffsbaumeister Scott aus Glasgow, der als Partner von Hercules Linton 1869 in Dumbarton den Shanghai-Teeclipper »Cutty Sark« auf Kiel gelegt hatte (als Museumsschiff erlitt es 2007 am Kai von Greenwich einen schweren Feuerschaden). Dass dieser Name später zu einer bekannten Whiskymarke avancieren würde, konnte im 19. Jahrhundert noch niemand ahnen, aber Bunty war dies natürlich schon recht. Wenngleich er kein großer Whiskyfreund war; Brandy, einen guten Port und französische Rotweine mochte er lieber.