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Kein Astloch für einen Karussellpferdarsch

Im Juli des Jahres 1927 ging der Ex-Student der Technischen Wissenschaften nach London und trat eine Stelle bei der Firma Westinghouse, Saxby & Farmer Ltd. an. Was ihn nicht davon abhielt, nach Feierabend weiterhin als Autovermittler aktiv zu sein. Das Unternehmen, bei dem er eine Stelle gefunden hatte, produzierte Autozubehör und bescheinigte dem jungen Bunty, als er es wieder verließ, nur das Beste:

»Ich habe das Vergnügen zu bestätigen, dass Mr. David Scott-Moncrieff vom 15. Juli 1927 bis zum 15. Dezember 1930 in den Clappenham Works unserer Gesellschaft ausgebildet wurde und während dieser Zeit im Formenbau, in der Gießerei, im Maschinenbau, in der Montageabteilung und im Prüflabor beschäftigt war. In den letzten zwei Monaten arbeitete er in unserem Londoner Konstruktionsbüro und war an der Entwicklung von Automobilbremsen beschäftigt. Sein Fleiß und seine Fähigkeiten muss ich loben und bin sicher, dass er sich eingehende Fachkenntnisse erworben hat, die für seinen künftigen Lebensweg sehr nützlich sein werden. gez. D. H. Parker, Geschäftsleitung«

Die freundlichen Worte des Herrn Parker entsprechen nicht ganz denen, die man seitens der Kollegenschaft für Bunty fand. Er habe nichts als Unsinn gemacht und von den Aufgaben, die man ihm stellte, kaum etwas verstanden, sagte ein früherer Arbeitskollege. Und einer seiner Abteilungsleiter soll geschimpft haben: »Scott-Moncrieff, Sie sind so ungeschickt, dass Sie nicht einmal ein Astloch in einem Brett verwenden könnten, um daraus den Arsch für ein Karussellpferd zu machen …«

Zu dieser Aussage würde die Verdächtigung jenes Altkollegen passen, der davon überzeugt war, Bunty habe sich auf einem gemopsten Briefbogen seines Arbeitgebers das Zeugnis einfach selbst getippt. In Buntys Tagebuch finden sich über den wahren Sachverhalt leider keine Hinweise.

Wie es Täter, ganz gleich was sie auf dem Kerbholz haben, bekanntlich an die Stätte ihres Tuns zurückzieht, so ließ sich auch Bunty nach seiner Westinghouse-Zeit immer wieder in Cambridge blicken. Nach wie vor versuchte er, Studenten des Trinity College Autos anzudrehen. Dazu bediente sich Bunty geschickterweise einiger Informanten, die über die Vermögensverhältnisse seiner prospektiven Kunden gut Bescheid wussten.

Ron Kaulbeck war ein solcher Informant, und es war dessen Bruder Bill, dem Bunty im Frühjahr 1930 einen großen französischen Tourenwagen zu verkaufen dachte, einen Achtzylinder-Delage. Die Kaulbecks waren vermögend genug, um Bill den Erwerb eines solchen Autos zu ermöglichen. Es hatte einen berühmten Vorbesitzer: den Gentleman-Rennfahrer Earl Howe.

»Ein wirklich feines Auto, würde es gern selbst behalten,« schrieb Bunty in sein Tagebuch. »Vielleicht ein bisschen lahm … Howe sagte, es würde 100 Meilen machen, tut es aber nicht. Aber wenn man 75 fährt, hat es Charme und Kultur. Federung sehr angenehm, die Vakuum-Bremsen ausgezeichnet. Elastizität des Motors wie bei einem Rolls-Royce. Sitzpolster aber etwas enttäuschend. Warum muten die Franzosen ihren Kunden so minderwertiges Zeug zu?«

Der Handel muss sich zur Zufriedenheit aller Beteiligten vollzogen haben, zumindest steht in Buntys Tagebuch nichts Gegenteiliges drin. Aber auch nichts über die Ereignisse, die sich im Anschluss daran zutrugen; über die hat mir Geoff Douty berichtet – mehr als fünfunddreißig Jahre später.

Ich begegnete Geoff auf einem Treffen mehr oder weniger arrivierter Automobilisten, deren Zuneigung vor allem Fahrzeugen der Marke Rolls-Royce galt (und zu welchem ich auf Veranlassung Buntys erschienen war – mit einem Leihwagen der Marke Ford). »Da war die Geschichte mit Gilbert Phillips,« erzählte Geoff. »Bunty und die Brüder Kaulbeck waren nach dem Deal mit dem Delage zu Gilbert gefahren, einem gemeinsamen Freund, der stets über einen Vorrat guter Brandys verfügte. Sie wollten den Handel mit einem guten Schluck auf Gils Kosten begießen. Gil war Amerikaner und fuhr auch einen amerikanischen Wagen, und den mit amerikanischem Nummernschild, was in Cambridge für Aufsehen sorgte. Ich war ebenfalls eingeladen; Gil und ich waren Nachbarn. Aber es kam keine gute Laune auf. Gil war furchtbar wütend, weil er in einem Zeitungsartikel namentlich erwähnt worden war und das nicht gerade schmeichelhaft. Ich weiß nicht mehr, um was es da ging, jedenfalls wollte er dem Verfasser – einem unserer Kommilitonen namens Winyard Brown – einen Denkzettel erteilen. Wir rieten Gil, sich den Burschen vorzuknöpfen und per Duell Satisfaktion zu fordern. Bunty und ich boten uns als Gils Sekundanten an.

Wir überbrachten Winyard noch am gleichen Tag die Aufforderung, sich einem Duell zu stellen. Der sagte sofort zu, fand das dennoch irgendwie komisch. Als Sekundanten benannte er John Davenport und einen anderen Knaben, an den ich mich nicht erinnere. Gil hatte als Beleidigter Ort und Zeit und Waffen zu bestimmen, und so entschied sich Gil für eine Begegnung schon am folgenden Morgen im Madingley Woods Park sowie für Degen.

Bunty instruierte Gil über die Feinheiten eines studentischen Duells, von dem Gil ja keinen blassen Schimmer hatte. Vor allem mussten wir ihm erst einmal einen Degen besorgen. Einen solchen Gegenstand hatte Gil noch nie in der Hand gehabt. Und während wir über all das sprachen, klopfte es an die Tür und John Davenport kam herein. Winyard Brown, so ließ er uns wissen, habe es sich anders überlegt. Er sei schließlich ein immatrikulierter Student und könne es sich nicht leisten, sich an einem Duell zu beteiligen, das sei verboten. Davenport hatte noch eine weitere Überraschung parat: Er wollte an Browns Stelle das Duell ausfechten!

Bunty, Gil und ich fanden das in Ordnung. Davenport zog wieder davon, um Brown dies mitzuteilen.

Am kommenden Morgen um sieben Uhr fanden wir drei uns in Madingley Woods. Bunty hatte über Nacht zwei antike Degen auftreiben können, in einem hübschen Futteral aus Korbgeflecht, und wir waren gespannt, ob die andere Partei nun ebenfalls erscheinen würde. Seit mehr als fünfzig Jahren hatte wohl kein Duell mehr – und schon gar nicht auf Degen – in Cambridge stattgefunden; solcherlei akademische Übungen durften in England längst als ausgestorben gelten.

Kaum waren wir unserem Auto entstiegen, teilten sich Büsche, und heraus trat ein Polizeiinspektor. Höflich fragte er uns, was wir um diese frühe Morgenstunde hier im Wald wohl zu tun hätten, und noch ehe einer von uns antworten konnte, kamen auch John Davenport und seine Genossen auf den Schauplatz der Handlung. Natürlich war es Bunty, der als erster reagierte und sagte: Herr Inspektor, wir wollen hier ein gemeinsames Picknick machen! Was uns aber der Mann in Uniform offenbar nicht glaubte, denn mit wenigen Schritten war er an unserem Auto und öffnete den länglichen »Picknickkorb«, der natürlich zwei Degen und keinerlei Frühstücks-Lebensmittel enthielt, nicht einmal einen Teekocher hatten wir dabei, das war besonders verdächtig. Natürlich wusste der Polizist, was hier gespielt wurde. Was sonst hätte ihn denn zu dieser Stunde im Wald Streife gehen lassen! Er konfiszierte die von Bunty organisierten Degen samt Futteral, wies uns auf die Folgen unseres sträflichen Vorhabens hin und verschwand mit der höflich vorgetragenen Empfehlung, es sei das beste, sich wieder zu vertragen statt danach zu trachten, sich gegenseitig zu ermorden.

Weg war er, und wir standen etwas ratlos da. Bunty und ich und Gil wollten die Sache gern ordentlich zu Ende bringen, auch wenn schändlicher Verrat – wer immer ihn begangen haben mochte – uns um ein aufregendes Abenteuer gebracht hatte. So einigten sich Gil und John, dass Winyard Brown sich in einem zweiten Artikel für alle niederträchtigen Äußerungen entschuldigen sollte, und eigentlich waren wir alle froh, dass kein Blut geflossen war. Wir hätten ja nicht einmal Verbandszeug zur Hand gehabt. John machte den Vorschlag, nun hätten wir alle ein gutes Sektfrühstück verdient, und es wurde wirklich ein schöner Tag …«

Als ich Bunty später auf diese Story ansprach, wusste er sie noch zu ergänzen: »Geoff hat dir zu erzählen vergessen, wie ich wieder in den Besitz der Degen kam! Wir sind nämlich auf dem Rückweg in die Stadt erst zu Winyard gefahren, um ihn beim Frühstück dabei zu haben, denn er war es ja gewesen, der den ganzen Wirbel ausgelöst hatte, und dann bestand ich darauf, dass wir an der Polizeistation vorbeiführen, um auch den Inspektor zu unserem Frühstück einzuladen, wobei ich ihn natürlich dazu bewegen wollte, die Degen wieder herauszurücken, die ich mir ja nur geliehen hatte. Der Inspektor schlug das Anerbieten mit den Worten aus, er sei im Dienst und dürfe sich solche Extravaganzen nicht erlauben. Ich bat ihn darauf hin, mit uns wenigstens eine Tasse Tee zu trinken, und selbstverständlich verfügt jede Polizeistation über eine Teeküche. Er spendierte uns sechs Burschen tatsächlich Tee, aber da er um diese Zeit allein im Büro war, konnte er schließlich seine Augen nicht überall haben – auf uns, auf dem Teekessel, auf Milch und Zucker und die Teetassen, die er zusammensuchte, und dann schellte auch noch das Telefon in einem Nebenzimmer, so dass er eilends hinüber hastete, während ich längst entdeckt hatte, unter welchem seiner Tische mein Degenfutteral deponiert war. Noch während er seine Anweisungen nebenan in den Telefonhörer rief, entfernten wir uns ohne Hast aus dem Stationsgebäude, ließen den Tee stehen, das Futteral aber mitgehen – gerade rechtzeitig genug, denn beim Verlassen des Hauses betraten es zwei weitere Kollegen unseres Ordnungshüters. Es war neun Uhr geworden, ihr Dienst begann. Wir grüßten sie höflich, ohne uns auf ein Frage-und-Antwort-Spiel mit ihnen einzulassen, bestiegen unsere beiden Autos uns fuhren davon.«

Bunty muss damals bereits älter – und damit seriöser ausgesehen haben als er war. Den »Purveyer of Horseless Carriages to the Nobility and Genrty since 1927« zierte ein gepflegter Schnauzbart, und er liebte es, obwohl bei voller Sehkraft, ein Monokel zu tragen. Seine Anzüge waren makellos, sein Auftreten das eines Weltmanns, wenn es sein musste. Wenn es nicht sein musste, war er ein verrücktes Huhn, ein Clown, ein Parodist, ein Possenreißer.

Bunty

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