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ОглавлениеLieferant des Adels und vornehmer Stände
Über den Fortgang seiner Studien hat Bunty in seinem Tagebuch nicht viel Platz verschwendet, genau genommen gar keinen. Aber etwas sehr viel Wichtigeres hat er notiert: »Last night I have decided to establish a business of my own.«
Die Eintragung datiert vom 12. April 1927. Eine Jahreszahl, die sich später auf dem Kopf seiner Briefbögen wiederfand. »Purveyor of Horseless Carriages to the Nobility and Gentry since 1927« konnte man dort lesen. Auf Deutsch: Lieferant pferdeloser Wagen an den Adel und die vornehmen Stände seit 1927.
Dieses von ihm erfundenes Prädikat war im Grunde eine Persiflage auf das berühmte »By Appointment of His Majesty the King«. Königlicher Hoflieferant zu sein und damit das Staatswappen zur Kennzeichnung eines solchen Privilegs führen zu dürfen, war der Stolz eines Kutschenherstellers wie Hooper oder Automobilfabrikanten wie Daimler of Coventry, auch Marmelade-, Seifen- und Limonadenhersteller wie Schweppes gehörten dazu. Bunty verstand es, eine Exklusivität nach seiner für ihn typischen, wirklich individuellen Art zu etablieren, die auf nichts als einer Floskel beruhte. Sie schmeichelte denen, die gar nicht gemeint waren, und erhielt im Laufe der Jahrzehnte sogar den Wert wie etwa der Slogan »Ask the man who owns one« (Packard), »Standard of the World« (Cadillac) oder »Motoring for the million« (Austin).
Man hätte auch sagen können, dass der Neunzehnjährige beschlossen hatte, Gebrauchtwagenvermittler zu werden. Ihm kam es aber darauf an, diese Betätigung vornehm zu umschreiben; das war er seiner Wesensart schuldig.
Buntys Autogeschäft nahm seinen Anfang dergestalt, als er Kommilitonen, die wie er in pekuniären Schwierigkeiten steckten, ihre kleinen Autos abschwatzte. Meist gehörten die schon etwas betagten Fahrzeuge ihnen gar nicht, sondern den jeweiligen Eltern, die ihre Söhne motorisiert hatten, wie sich das für die »Elite« eben gehörte. Nicht etwa mit einem armseligen Motorrad, sondern mit einem kleinen second-hand Auto. Bunty bot für die Kisten – häufig noch aus der Vorkriegszeit stammend – Schleuderpreise von zwanzig, dreißig Pfund und offerierte sie umgehend jüngeren Studenten im ersten Semester, die nicht zu den Privilegierten gehörten, von Haus aus mit einem Auto versorgt worden zu sein. Aber diese Neulinge verfügten fast durchweg noch über genügend Bares, und wenn Bunty ihnen einen Morris, Singer oder Whitlock für (nach ihrem naiven Ermessen) wenig Geld anbot, wurden sie schwach … Ohne die Autos auch nur eine halbe Meile bewegt zu haben, vermochte Bunty seine Opfer davon zu überzeugen, wie wichtig es sei, in Cambridge über einen eigenen Wagen zu verfügen. Zumal er einen solchen durch seine guten Verbindungen schon für fünfzig Pfund besorgen könnte …
So nahm Buntys Betätigung als Autovermittler von Tag zu Tag zu, was natürlich so viel Zeit in Anspruch nahm, dass sein Studium ins Hintertreffen geriet. Und nicht nur innerhalb akademischer Zirkel war er aktiv. Er streifte durch die Pubs der Stadt und versuchte herauszubekommen, wer wohl dringend einen Wagen benötigte – und geriet eines Abends an eine Gruppe rumänischer Geschäftsleute, die zwar keinerlei Wünsche in dieser Richtung geäußert hatten, von Bunty aber so lange malträtiert wurden, bis sie keinen sehnlicheren Wunsch hatten, als sich am nächsten Tag unbedingt ein Auto zu kaufen. Nicht irgendeins, sondern einen älteren Lincoln.
Ein Lincoln musste es deshalb sein, weil Bunty ihnen eingeredet hatte, dass gar kein anderes Fabrikat für sie in Betracht käme. Nur ein amerikanisches Prestigeauto durfte es sein! Denn einen Lincoln hatte Bunty gerade äußerst günstig angeboten bekommen, ein Achtzylinder, für das es in England damals so gut wie keinen Interessenten gab. »Sie haben den Wagen für 500 Pfund genommen und mich bestürmt, ich sollte ihnen vier weitere beschaffen, jeder von ihnen wollte einen Lincoln haben … Es war mein bestes Geschäft bisher …«
Bunty ließ die Begeisterung seiner Kunden – sie befanden sich auf Einkaufstour für Schießgerät – gar nicht erst abkühlen und versprach ihnen, innerhalb von sechs Wochen vier solcher Fahrzeuge für sie zu finden und sogar nach Rumänien zu liefern, gegen Erstattung der Fahrtkosten natürlich. Also machte er sich mit einigen Kommilitonen in London auf die Suche nach weiteren Zweithand-Lincolns, und sie trieben tatsächlich vier Stück auf – vermutlich war damit der gesamte Bestand an Fahrzeugen dieser seltenen Marke in Großbritannien beisammen. Sie existierte ja erst seit 1920. Der Ankauf hatte Buntys gesamte Barschaft in Anspruch genommen; das Geschäft durfte nicht platzen. Niemand hätte ihm diese Autos zu einem vernünftigen Preis noch einmal abgenommen.
Voller Zuversicht in Bezug auf Buntys Verkaufstalente kutschierten drei junge Engländer unter seiner Leitung die vier großen Achtzylinder diagonal über den europäischen Kontinent und hatten dabei nicht nur eine gute Zeit, sondern waren finanziell bestens dabei weggekommen.
»Bunty bestand bei unseren Abnehmern auf Bezahlung in britischer Währung,« erinnerte sich Jahrzehnte später einer der Expeditionsteilnehmer. »Doch offiziell waren in Bukarest keine Pfunde zu bekommen. Also zahlten die Herren Waffeneinkäufer einen Überpreis in rumänischen Lei und überließen es uns, das Geld auf dem Schwarzen Markt zu wechseln. Das taten wir auch, wenn der Kurs auch schlecht war. Schauerliche Gestalten waren es, die man uns andiente. Ich hätte gewettet, sie würden uns Falschgeld geben. Bunty meinte, er besäße genügend Menschenkenntnis; diese Gangster seien von der ganz ehrlichen Sorte … Wir hatten nichts Eiligeres zu tun, als die so begehrten Sterling-Pfunde noch am selben Tag, aber in einer anderen Kneipe, wieder in rumänisches Geld einzuwechseln, dadurch hatten wir zwanzig Prozent mehr Lei als vorher! Und die haben wir dann in London auf der Bank ganz offiziell wieder in Sterling gewechselt, denn die rumänische Währung wurde offiziell gar nicht so schlecht bewertet. Wir hatten die Banknotenbündel nur sicher nach England bringen müssen, und wir konnten von Glück reden, dass uns bei der Zugfahrt nach Hause niemand gründlich kontrollierte, denn Barmittel in dieser Höhe hätten wir deklarieren müssen. Wir hatten die Scheine zwischen nach Knoblauch stinkenden Wurstpaketen versteckt, die zwar das ganze Abteil verpesteten, aber als Proviant niemand weiter interessierten …«
Bunty und seine Kumpane hatten ein gutes oder sogar sehr gutes Geschäft und die nach Lincoln-Achtzylindern süchtigen Rumänen glücklich gemacht – so what?
Für Autos der Marke Lincoln und für das ferne Rumänien hatte Bunty von jetzt an besonderes Faible. »Ein Lincoln war stets ein außerordentlich solide konstruierter Wagen,« schrieb er in seinem Buch »The Thoughbred Motor Car«. »Woraus aber auch sein hohes Gewicht resultierte. Selbst als Zweisitzer karossierte Exemplare brachten mit ihren 3,45 m Radstand mehr als zwei Tonnen auf die Waage, obschon Motor- und Getriebegehäuse aus Aluminium bestanden, wie auch die Motorhaube. Die Verarbeitung eines Lincoln war perfekt, sogar die Schmiernippel wiesen vernickelte Schutzkappen auf. Mein 1939er Lincoln Zephyr, mit dem ich viel unterwegs war, bewies seine hervorragenden Eigenschaften selbst auf den miserabelsten Straßen Ungarns. Ich hatte den Wagen für 40 Pfund in London gekauft. Tausende von Meilen trug er mich ohne irgendwelche Probleme durch die Lande. Ich hatte das Auto Abraham genannt.«
Sein Studium am Trinity College musste Bunty aus zwei Gründen abbrechen. Zum einen war er seinen Pflichten nicht mehr nachgekommen; bei den Vorlesungen hatte er immer häufiger gefehlt. Zum anderen waren seine Eltern nicht mehr in der Lage, ihrem Sohn Geld zu schicken. Das Scott-Moncrieffsche Vermögen war dahingeschmolzen, und Bunty hatte trotz seines einträglichen Autohandels noch immer einen hohen Bedarf an familiärem Zuschuss. Was seine Nebenbeschäftigung ihm einbrachte, wurde stets sofort ausgegeben, meist auch wieder in Autos investiert, deren Weiterverkauf sich nicht in jedem Falle über Nacht durchziehen ließ. Also verließ Bunty sein geliebtes Cambridge – leider ohne akademischen Titel.