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Van

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Vom Erdbeben war in Van nichts zu sehen, Van hatte aber eine eigene Erdbebengeschichte, die Stadt war 1957 zerstört worden. Van lag als Neugründung ungefähr vier Kilometer vom Seeufer entfernt. Der See war riesig, er hatte eine Länge von hundertzwanzig Kilometern, ein Breite von achtzig Kilometern und war 457 m tief. Er war über siebenmal so groß wie der Bodensee. Die Regulierung des Wasserstandes erfolgte ausschließlich über die Verdunstung, die Höhe des Wasserstands schwankte um bis zu vier Meter. Van war eine große Stadt mit 332000 Einwohnern, sie war Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und wurde zu über neunzig Prozent von Kurden bewohnt. Ich stieg aus dem Bus und hatte zum ersten Mal das Gefühl, allein zu sein. Ich hatte meine „Raichle“ und die „Northface“-Jacke an und lief in die Stadt. Ich war dann ganz im Osten der Türkei, hundert Kilometer von der iranischen Grenze entfernt. Ich kam an ein Reisebüro und überlegte nicht lange. Ich ging hinein und fragte, wie ich denn wohl am besten nach Täbriz käme. Man war sehr entgegenkommend und zeigte mir mehrere Möglichkeiten auf. Die für mich günstigste Möglichkeit wäre der Zug nach Teheran über Täbriz. Es führen aber auch Busse über Saray in den Iran. Ich könnte sofort ein Ticket kaufen und am nächsten Tag in den Iran reisen. Ich könnte aber auch noch einen Tag in Van bleiben, das Ticket behielte seine Gültigkeit. Ich kaufte ein Zugticket.

Es war schon früher Abend geworden und ich fragte nach einem billigen Hotel. Die nette junge Dame vom Reisebüro schickte mich zum Hotel ihres Bruders gleich um die Ecke. Ich sollte nach Birol fragen und sagen, dass Ayse mich geschickt hätte. Birol könnte auch ein paar Brocken Deutsch, Ayse hatte viele Jahre in Deutschland gelebt und eine Ausbildung zur Reisebürokauffrau absolviert. Birol hätte ebenfalls in Deutschland gelebt und bei Thyssen in Duisburg gearbeitet.

Ich dankte Ayse für ihre Hilfe und lief zu Birols Hotel. Es hieß „Hotel Van“ und war klein, aber sehr gemütlich, wie ich schnell feststellen konnte. Birol erwies sich als ausgesprochen gastfreundlicher Mensch und begrüßte mich sehr herzlich. Als ich ihm sagte, dass ich aus Essen käme, war er sehr erfreut. Duisburg wäre Essens Nachbarstadt gewesen, sagte Birol. Er wäre einmal auf einer PKK-Versammlung in Essen gewesen, in Altenessen, um genau zu sein.

Wir kamen schnell ins Gespräch. Birol zeigte mir erst einmal mein Zimmer, er würde auf mich beim Essen warten. Ich war froh, so schnell wieder Anschluss gefunden zu haben. Zum ersten Mal seit längerer Zeit ging ich mal wieder duschen, das tat gut. Dann zog ich frische Sachen an und ging wieder runter in den Gastraum. Da saß Birol schon am Tisch und erwartete mich. Er erzählte sofort von Thyssen, wie gut seine Arbeit dort gewesen wäre und vor allem, wie viel Geld er dort verdient hätte. Das ganze Geld steckte in seinem Hotel, er hätte zehn Jahre in Deutschland gearbeitet, das wäre eine schöne Zeit gewesen. Er hätte in Duisburg-Ruhrort gewohnt, in der Nähe des Friedrichsplatzes und wäre immer mit der Linie 901 bis zum Tor 30 gefahren. Er hätte viele Arbeitskollegen aus der Türkei gehabt, er träfe sich noch mit ihnen, viele kämen nach Van, um Urlaub zu machen und wohnten dann in seinem Hotel.

In der Ecke lief der Fernseher, es wurde eine Statistik gezeigt, wie viele Tote welche Stadt bei dem Erdbeben von vor zwei Tagen zu beklagen gehabt hätte., Bingöl hatte 462 Tote, die Stadt war zu siebzig Prozent zerstört.

Ich erzählte Birol, dass ich zum Zeitpunkt des Erdbebens in Bingöl gewesen wäre. Birol sagte, dass es in Van kaum spürbar gebebt hätte, die Hunde der ganzen Stadt hätten wie verrückt gekläfft. Er hätte schon mehrere Berichte im Fernsehen gesehen, das wäre ziemlich schrecklich gewesen, was da in mancher Stadt geschehen wäre. Auch Van läge in einem Erdbebengebiet, er hätte zwar noch nie eines erlebt, rechnen müsste man aber jederzeit damit. Dann wurde das Abendessen serviert, Birol lud mich ein. Das fand ich sehr nett und entgegenkommend. Es gab, wie bis dahin eigentlich immer, reichhaltige Kost, Birol und ich aßen und redeten. Um 20.30 h kam Ayse von der Arbeit vorbei, das Reisebüro schloss um 20.00 h. Ayse setzte sich zu uns an den Tisch und aß mit uns. Sie nickte, wenn Birol erzählte, manchmal ergänzte sie seine Erzählungen. Auch Ayse hatte in Duisburg-Ruhrort gelebt, zusammen mit ihm wohnte sie bei ihrer Familie. Damals waren sie beide noch Jugendliche, das war fünfzehn Jahre her. Ayse wusste auch nur Gutes zu erzählen. Ich wollte wissen, ob sie auch Kontakt zu Deutschen gehabt hätten.

Das wäre zum Teil problematisch gewesen, insgesamt wären die Deutschen aber sehr in Ordnung. Der Fehler, den viele Türken in Deutschland machten, wäre, dass sie die deutsche Sprache nicht lernten. Wenn ich mich längere Zeit im Ausland aufhielte, müsste ich doch auch die Sprache des Gastlandes sprechen können. Wir aßen die leckeren türkischen Speisen und tranken Bier und Raki dazu. Nach zweieinhalb Stunden war unser gemeinsames Abendessen beendet. Wir hatten viel erzählt, ich mochte Birol und Ayse, sie waren so unvoreingenommen ehrlich und aufrichtig. Sie wollten mich beide am nächsten Tag zum Van-See begleiten, ich wollte noch einen Tag bleiben.

Um 22.30 h ging ich auf mein Zimmer und schlief sofort ein. Der nächste Tag war ein Sonntag, Ayse musste nicht arbeiten und Birol nahm sich nach dem Frühstück frei.

Wir frühstückten zu dritt, nicht allzu zeitig. Es würde ein herrlich warmer Tag werden. Ich packte ein Bündel Schwimmzeug zusammen, nahm Sonnenbrille und Sonnencreme mit und wir fuhren gemeinsam zum Van-See. Birol und Ayse waren ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt, besonders Ayse sah sehr gut aus und wusste sich auch in Szene zu setzen. Sie hatte langes glattes Haar, war für eine Türkin relativ groß gewachsen und hatte eine Superfigur. Die kam erst recht zur Geltung, als sie am See im Badeanzug zu sehen war. Ayse hatte eine Sonnenbrille auf und lief am Strand entlang. Alle Männer schauten ihr nach, manche verstummten im Gespräch, das sie gerade führten. Ayse wusste natürlich, dass die Blicke der Begehrlichkeit an ihrem Körper hafteten.

Sie wurde deshalb aber nicht überheblich oder zickig, sondern blieb ganz natürlich. In ihrem körperbetonten Badeanzug wurde ihr Busen stark betont, man hatte Schwierigkeiten, die Augen abzuwenden. Wenn sie lief, schwang ihr Po hin und her, das konnte einen schon verrückt machen. Für die Osttürkei war Ayses Verhalten frivol, alle Frauen, die sich am Strand befanden, waren nicht gerade verhüllt, aber doch in weite umhangähnliche Kleidung gesteckt, sie blickten zornig auf die sich frei bewegende Ayse. Ayse lege sich dann zu Birol und mir auf die Decke. Der Blick über den Van-See war fantastisch, wie ein Meer breitete sich der See vor uns aus. Am Himmel war kein Wölkchen zu sehen. Viele Kinder plantschten im am Ufer knietiefen Wasser. Als ich ins Wasser ging, merkte ich, dass es doch recht kühl war, es aber gut tat. Das Wasser war sehr sauber und wenn man einmal drin war, machte das Schwimmen Spaß. Ayse kam plötzlich hinterher und schwamm mit einem Male neben mir. Sie bespritze mich mit Wasser, was ich erwiderte. Ihr Haar war nass und lag am Kopf an, das unterstrich ihre anmutige Kopfform. Sie lachte und zeigte dabei ihre makellos weißen Zähne. Ich musste sie pausenlos anschauen, das schönste an ihr waren ihre braun-schwarzen Augen. Sie hatte einen ansteckend fröhlichen Gesichtsausdruck. Ich glaubte, ich hatte mich in Ayse verguckt.

Wir liefen wieder zurück zu Birol. Die Strandbesucher schauten zu uns herüber, sie fanden es wohl unerhört, wie eine Muslimin in einem so knappen Badeanzug und dann auch noch mit einem fremden Mann ins Wasser gehen konnte. Ayse bemerkte die Blicke und provozierte die konservativen Strandgäste noch mehr, indem sie sich lasziv auf dem Badelaken räkelte. Das wurde dann aber selbst Birol zu viel und er ermahnte seine Schwester, sich doch züchtiger zu benehmen. Es war sehr warm geworden, nicht heiß, die Temperatur war sehr gut zu ertragen. Gegen Mittag kamen Verkäufer mit ihren Wagen an den Strand gefahren, sie hatten Sesamkringel, Süßigkeiten und Wasserflaschen. Ich kaufte für uns Drei von jedem etwas, wir aßen und tranken und waren guter Dinge. Birol hatte einen Ball dabei und wir spielten ein halbe Stunde lang Volleyball. Schnell schlossen sich einige junge Leute an und wir hatten zwei Mannschaften zusammen. Es gab am Strand ein Volleyballnetz und wir spielten, bis sich eine Mannschaft eindeutig als Sieger herauskristallisierte. Wir spielten bestimmt über eine Stunde lang. Ich musste immer wieder Ayse ansehen, wie sie sprang, welche grazilen Bewegungen sie vollführte, wie sich ihr Busen und ihr Po bewegten, nur mit Mühe konnte ich woanders hinschauen. Nach dem Spiel rannten wir ins Wasser.

Wir waren zu Acht und hatten den Ball dabei, den wir uns im Wasser zuwarfen, wir tollten herum. Als ich einmal Ayse den Ball abnehmen wollte, umklammerte ich sie von hinten und berührte ihren Busen, ein Zucken ging durch ihren Körper und sie errötete leicht. Ich ließ sofort von ihr ab und schwamm ein Stück zur Seite, sie blickte mir nach und warf mir den Ball zu. Am späten Nachmittag verließen wir den Strand und fuhren in die Stadt zurück. Wir setzten uns in eine Teestube am Kreisverkehr, wo die Sikhe Caddesi und die Melen Caddesi zusammentrafen, genau im Stadtzentrum. Wir saßen im Schatten, auf den Straßen herrschte am Sonntagnachmittag viel Verkehr. Es umgab uns eine warme Ruhe, wir tranken Cay, aßen Baklava und redeten nicht viel. Birol war ein starker Raucher, Ayse rauchte schon mal eine mit. Ich war noch nie Raucher gewesen, ich hatte natürlich mal welche gequalmt, mir aber noch nie eine Schachtel Zigaretten gekauft. Es war sehr entspannend, so da zu sitzen und in die Gegend zu stieren, die Augen halb geschlossen, aber nicht zu schlafen. Plötzlich sagte Birol, dass wir zum Hotel zurück müssten, er müsste beim Abendbrot helfen. Also fuhren wir zum „Hotel Van“. Birol ging sofort in die Küche und vertröstete mich auf später. Ayse und ich standen allein im Gastraum, als ich Ayse sagte, dass ich noch einmal auf mein Zimmer müsste. Ayse schlug vor, dass ich ihr doch mal mein Zimmer zeigen könnte und blickte mich mit ihren braun-schwarzen Augen an. Wir gingen zusammen hoch. Als wir in meinem Zimmer waren, fiel Ayse sofort über mich her. Wir küssten und umarmten uns lange. Ich streichelte Ayses angenehm weichen Körper, ihre Brüste und ihren Po. Ayse fuhr mit ihren Händen über meinen Rücken und streichelte meine Wangen. Beide dachten wir daran, miteinander zu schlafen, ließen das aber dann. Ungeschützter Sex war zu gefährlich, weder Ayse noch ich hatten Kondome dabei. Außerdem hätte eine Liebschaft zwischen Ayse und mir doch erhebliche Verwerfungen hervorgebracht. Ayse ging in mein Badezimmer und duschte, dann zog sie sich frische Sachen an. Ich tat das gleiche. Ich sagte Ayse, dass ich mich in sie verliebt hätte, sie war zwar fünf Jahre älter als ich, das machte aber nichts. Wir küssten uns wieder innigst. Es wäre sehr schade, dass ich am nächsten Tag wieder wegführe, sagte Ayse. Sie wollte sehen, dass sie einmal nach Deutschland käme, sie wollte mich dort besuchen. Dann gingen wir wieder runter in den Gastraum, wo inzwischen die Tische gedeckt worden waren. Birol kam und brachte Getränke. Es würde mit dem Essen noch einen kleinen Moment dauern, sagte er, wir könnten schon mal etwas trinken. Ayse und er rauchten eine Zigarette, mein Gott, wie schön Ayse doch war! Warum konnte ich nicht einfach dort bei ihr bleiben?

Dann begannen wir zu essen. Ich aß nicht so viel, wie am Abend zuvor, ein bisschen Cebab, ein wenig Joghurt mit Gurke und Paprika und etwas Lokum (türkischer Honig). Dafür trank ich aber viel Bier, auch den Raki ließ ich nicht stehen. Um 9.00 h würde mein Zug losfahren, es wäre der Istanbul-Teheran-Express, ob er pünktlich sein würde, dass wusste aber niemand. Um 23.00 h verabschiedete ich mich von Ayse und Birol und ging auf mein Zimmer, beide würden sie mich am nächsten Morgen zum Zug bringen. Ich war ziemlich angeheitert und fiel in mein Bett, ich schlief ausgezeichnet. Im Halbschlaf bekam ich noch mit, wie Ayse in mein Zimmer kam und mich küsste, dann wurde es dunkel um mich herum. Um 6.00 h war ich wach und stand auf, ich hatte noch drei Stunden in Van, Ayse und Birol waren auch schon auf. Ich stand mit meinem Rucksack im Gastraum und wartete auf die beiden. Wir setzten uns an einen Tisch und frühstückten, ein letztes Mal zusammen. Nachdem Birol eine Zigarette geraucht hatte, standen wir auf und gingen zu seinem Wagen. Wir fuhren wortlos zum Bahnhof und waren um 8.00 h auf dem Bahnsteig. Vom Zug war noch nichts zu sehen. Er kam gegen halb neun. Ich hatte einen reservierten Platz und brachte meinen Rucksack hinein. Dann stieg ich wieder aus und verabschiedete mich, Birol gab mir die Hand und einen Freundschaftskuss. Dann ging er, ohne sich umzudrehen. Ayse fiel mir um den Hals, ich sollte doch bleiben. Sie weinte, küsste und umarmte mich, ich sollte doch bleiben! Ich küsste sie heftig, wir erregten Aufsehen auf dem Bahnsteig, das war uns egal. Ich stieg ein und der Zug setzte sich in Bewegung, ich stand am Fenster und rief Ayse zu, das ich ihr schreiben würde. Ayse wischte sich die Tränen aus den Augen und winkte mir mit ihrem Taschentuch zu. Ich fuhr in Richtung Iran. Das war schon sehr traurig, Ayse verlassen zu haben.

Aber ich musste meine Reise machen, sie würde mich zu mir selbst führen. Ich hatte in Van ein Ticket direkt bis nach Teheran gekauft. Ich hatte umgerechnet 25 Euro bezahlt, was extrem wenig war. Ein Touristenvisum hatte ich mir natürlich längst in Deutschland besorgt, ohne Visum brauchte man gar nicht erst an die Grenze zu kommen. Die Zugfahrt von Van bis Teheran würde 25 Stunden dauern, das wäre also schon ein ganz schöner Streifen!

In Van startete ein rein iranischer Zug, das Personal sprach nur Farsi, es wurde nur iranische Geld genommen. Das wusste ich vorher und hatte in Van Rials getauscht. An der Grenze gab es einen kleinen Aufenthalt, wir mussten den Zug verlassen und uns in einer Reihe aufstellen, um einen Ausreisestempel in den Pass zu bekommen. Wir stiegen wieder in den Zug, um eine Stunde später von den iranischen Offiziellen geweckt zu werden. Wir mussten aber nicht aussteigen. Die iranischen Zöllner nahmen unsere Pässe für zwanzig Minuten mit, um sie dann gestempelt zurückzubringen. Die Gepäckkontrolle fand erst in Täbriz statt, wo der Zug zum ersten Mal auf iranischen Boden hielt. Kein einziger der wenigen Touristen im Zug musste sein Gepäck öffnen. Bei einigen Iranern wurden Waren konfisziert und obwohl wir als Touristen nicht durchsucht wurden, würde ich dringend davon abraten, Alkohol oder sogar Drogen in den Iran zu schmuggeln, die Strafen waren sehr hart! Die Fahrt von Täbriz nach Teheran war lang, aber man hatte sich ja darauf eingestellt und der Zug war ganz gemütlich. Das Essen im Zug blieb weit hinter dem türkischen Essen, an das ich gewöhnt war, zurück. Die Zugpassagiere waren extrem freundlich und wenn man ein Kartenspiel, Domino oder Backgammon spielte, wurde man von iranischen und türkischen Passagieren umzingelt. Frauen mussten eine Kopfbedeckung tragen, das war eine Sache, an die man sich im Iran erst gewöhnen musste.

Die wenigen Touristen im Zug kamen aus Frankreich und England. Ich kam mit ihnen ins Gespräch, sie waren sehr erstaunt zu hören, dass ich die Seidenstraße entlang wollte. Sie wollten in den Süden des Iran und über Pakistan nach Indien. Ich holte meine Kladde aus dem Rucksack und schrieb meine Erlebnisse auf.

Paulo bereist die Seidenstraße (4)

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