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2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund

ZUSAMMENFASSUNG

Der 2012 erschienene Jugendroman Herzsteine beschäftigt sich mit dem Völkermord (Genozid) der Hutu an den Tutsi im Jahr 1994 in dem afrikanischen Land Ruanda und die anschließende Aufarbeitung unter Ruandas Präsidenten Paul Kagame.

Ruanda unter Paul Kagame

Hanna Jansen schrieb im Jahr 2011 ihren Jugendroman Herzsteine. Will man die Verhältnisse in Ruanda zu dieser Zeit angemessen darstellen, muss der Zeitraum zwischen 1970 und 2011 skizziert werden: Ruanda vor und während des Genozids der Hutu an den Tutsi sowie Ruanda nach dem Genozid. In diesem Kapitel wird hauptsächlich der postgenozidale Zeitraum 1994–2011 skizziert. Schilderungen zur Vorgeschichte und Durchführung des Massenmords an den Tutsi finden sich im Materialienteil, 5. Kapitel (ab S. 115).

Der Völkermord an den Tutsi durch die Hutu wütete nach dem Flugzeugasturz von Präsident Habyalimana von April bis Juli 1994. Am 4. Juli 1994 marschierte die von dem Tutsi Paul Kagame militärisch geführte Ruandische Patriotische Front (RPF) in Kigali ein und stoppte das Töten. Tausende Hutu-Killer flohen in den Kongo. Am 19. Juli 1994 konstituierte sich eine Regierung unter dem Hutu Pasteur Bizimungu und Paul Kagame als Vizepräsident. Dieser Regierung gelang mit Hilfe der USA die politische Stabilisierung Ruandas.


Paul Kagame ist seit dem Jahr 2000 Präsident Ruandas.

© picture alliance / Xinhua News Agency | Cyril Ndegeya

1998 erfolgte die Einberufung des Internationalen Strafgerichtshofes für Ruanda (ICTR), womit eine erste umfassende juristische Ahndung des Völkermords eingeleitet wurde. Die heute in Düsseldorf lebende Tutsi und Überlebende Esther Mujawayo zog 2014 eine erste Bilanz:

„Insgesamt hat das Tribunal wenig erreicht. Aber es war als Symbol wichtig. Es hat gezeigt: Wer einen Tutsi tötet, wird bestraft. Das gab es vorher nicht.“[4]

2000 wurde Kagame ruandischer Regierungschef. Er setzte auf eine Politik der Einheit und Versöhnung. Offiziell wurde nicht mehr zwischen Hutu und Tutsi unterschieden, der von der belgischen Kolonialregierung eingeführte Passeintrag „Hutu“ bzw. „Tutsi“ wurde abgeschafft (vgl. Herzsteine S. 63). Eine Schlüsselrolle im Prozess der angestrebten Versöhnung spielte der Umgang mit den aus dem Kongo zurückkehrenden Hutu. Kagame ließ Tausende mutmaßliche Mörder festnehmen und der Justiz übergeben. Untersuchungshäftlinge trugen pinkfarbene Gefängniskleidung, Verurteilte trugen orangefarbene Kleidung. Im Roman begegnet Sam Untersuchungshäftlingen:

„Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, rollt ein Pick-up an, auf dessen großer Ladefläche ein Haufen Männer sitzt, die alle eine Art babyrosa Schlafanzug tragen. […] ‚Das sind Strafgefangene‘, sagt Mum, die Sams Blick verfolgt. ‚Mörder, um genau zu sein.‘“ (S. 113–114)

Um eine Überfüllung der Gefängnisse zu vermeiden, wurden 2005 mit den „Gacacas“ Dorfgerichte eingeführt, die über die Beschuldigten urteilten. Nach dem Absitzen ihrer Strafen kehrten die Mörder in ihre Dörfer zurück.

Kagames Strategie der Versöhnung in Verbindung mit der angestrebten ökonomischen Entwicklung des Landes machte Ruanda bei Geberländern interessant, die in das völlig verarmte Land zu investieren begannen. Damit vollzog sich eine bis heute anhaltende sozioökonomische Transformation des Landes, wovon vor allem der Bauboom zeugt, worauf im Roman häufig angespielt wird (vgl. z. B. S. 165–166). Baufällige Häuser oder solche, die nicht ins Stadtbild passen, wurden im Zuge dieser Gentrifizierung[5] zunächst markiert und, wenn sie danach nicht nach sechs Monaten renoviert worden waren, abgerissen. Dies erzählt auch Jansen, wenn Felicitas ihren Mann bittet, die Renovierungsarbeiten am Haus von Mama Munyemana zu finanzieren, um das Haus zu retten (vgl. S. 182).

Zudem wurde der Dienstleitungssektor ausgebaut und moderne Industrien angesiedelt, sodass sich Ruanda zum IT-Zentrum Ostafrikas entwickelte. Unter anderem entstand in der Hauptstadt das College of Science and Technology, wo Ruandas neue Elite ausgebildet wird. Daneben etablierte sich der Tourismus. Es werden geführte Touren zu den Gorillas im ruandischen Hochland angeboten, die sich zu einem Millionengeschäft entwickelt haben. Jansen verweist im Text darauf, wenn Sams Vater an einer solchen Tour teilnimmt (vgl. S. 180–181).

Die Lebensbedingungen für die Landbevölkerung waren (und sind) allerdings nach wie vor schwierig. Von dem neuen Wirtschaftswachstum ist dort wenig zu spüren. Von der traditionellen Subsistenzwirtschaft[6] können die Menschen kaum leben. Die Lebensumstände sind ungeheuer primitiv (vgl. S. 112). Zwar versucht Kagame, der nach wie vor Regierungschef ist, das Problem mit der Einführung der Plantagenwirtschaft zu lösen, doch diese Landreform würde eine Abkehrung von der Tradition des Ackerbaus, durch die sich die Hutu definieren, bedeuten.

Jugendbücher über den Genozid in Ruanda:

 Über tausend Hügel wandere ich mit dir[7] von Hanna Jansen, erschienen 2002. In diesem Jugendroman verarbeitet Jansen die Erlebnisse ihrer Adoptivtochter Jeanne, die als Achtjährige den ruandischen Genozid überlebte und bei dem Ehepaar Jansen ein neues Zuhause fand.

 Auf der Suche nach Stéphanie von Esther Mujawayo[8] und Souâd Belhaddad, publiziert 2007. Das Buch ist biografisch und handelt von der Suche der Autorin nach den sterblichen Überresten ihrer Schwester und deren Familie zwölf Jahre nach dem Morden. Ein Augenzeuge soll ihr helfen, doch der gibt plötzlich vor, sich nicht mehr zu erinnern.

 Die stummen Schreie von Elisabeth Combres, erschienen 2010. Die fünfjährige Tutsi Emma muss den Mord an ihrer Mutter mitansehen. Sie selbst kann fliehen und findet Unterschlupf bei einer alten Frau. Als Heranwachsende versucht sie das furchtbare Geschehen zu verdrängen. Als ihr das nicht mehr gelingt, beschließt sie, sich mit dem Unfassbaren auseinanderzusetzen.

 Herzsteine von Hanna Jansen, erschienen 2012.

Thematisiert werden die Auswirkungen instrumentalisierten Hasses und die Folgen von schockierender Gewalt in Ruanda.

Herzsteine von Hanna Jansen. Königs Erläuterungen Spezial.

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