Читать книгу Let´s play love: Leon - Hanna Nolden - Страница 8

Оглавление

6: Mausbraun versus Vanille

Am Samstag konnte Vany zumindest eine Stunde länger schlafen und das war notwendig nach einer kompletten Woche mit unterbrochenen Nächten. Auch in dieser Nacht hatte es kein Update auf Deckx´ Seite gegeben. Vany hatte trotzdem eine Stunde vor dem Laptop gesessen und sich Musikvideos angeschaut. Die Musik, die ihr unabhängig davon, wie sie inzwischen zu Deckx stand, immer noch gefiel, hatte sie echt vermisst. Nach Schminktutorials wollte sie am Nachmittag gucken. Am Vormittag ging es erst einmal zu einem Auswärtsspiel mit ihrem Team. Ihre Mutter fuhr sie zum Platz und von dort aus wollte sie mit den Mädchen fahren. Der Trainer hatte vor Jahren einen alten amerikanischen Schulbus gekauft, weil die meisten Mädchen aus Vanys Team aus ärmeren Familien kamen, deren Eltern keine Autos hatten oder sonst eine Möglichkeit, die Mädchen zu Auswärtsspielen zu fahren. Als Vany ausstieg, schleifte der Schwabbelschrank gerade einen Sack mit Bällen zum Bus. Ihm standen Schweißperlen auf der Stirn. Vany schüttelte es innerlich, sie war jedoch entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen. Sie begrüßte die Kolleginnen und den Trainer und der Empfang war genauso herzlich wie beim letzten Mal. Voller Vorfreude auf das Auswärtsspiel stieg Vany in den Bus, setzte sich hinten rechts ans Fenster und schloss kurz die Augen. Es tat gut, hier zu sein! Nichts war so sehr »Vany« wie Fußball und nachdem sie eine Woche lang das Gefühl gehabt hatte, in zwei verschiedene Persönlichkeiten auseinander zu brechen, fühlte sie sich heute zum ersten Mal seit langem vollkommen als sie selbst. Als sie merkte, dass jemand sich neben sie setzte, schlug sie die Augen auf und unterdrückte einen spontanen Brechreiz. Dirk Ahlfeld! Natürlich.

»Na, bist du aufgeregt, Schnegge?«

»Warum?«, knurrte sie. »Ist nicht mein erstes Auswärtsspiel.«

Ihr war Dirks Nähe geradezu unangenehm bewusst. Er strahlte eine unglaubliche Hitze ab und Vany konnte einen leichten Schweißgeruch wahrnehmen, gerade noch überdeckt von Muttis Waschmittel.

»Wie läuft es denn in der neuen Schule?«, fragte sie übertrieben freundlich. »Du hast bestimmt schon viele Freunde gefunden, oder?«

»Klar«, erwiderte er und fixierte sie mit seinen kleinen Schweins­augen. »Aber die Mädchen sind alle nicht so hübsch wie du, mein Schneckchen.«

Er griff in ihr Haar und drehte eine Strähne zwischen seinen Fingern.

»Oder so durchgeknallt«, setzte er nach.

Vany hielt die Luft an. Sie war kurz vorm Platzen. Ein Wort noch und es würde gewaltig knallen. Da ertönte Trainer Burkhardts Stimme: »Dirk, dein Platz ist hier vorne! Antanzen! Sofort!«

Dirk grinste dümmlich und sprang auf. »Bis später, Schnegge!«

Vany holte tief Luft. Sie hatte das Bedürfnis, sich die Haare auszureißen, dort, wo das Ekelpaket sie berührt hatte. Jule setzte sich neben sie.

»Der Typ spinnt echt total! Den müssen wir unbedingt loswerden!«

»Der ist nur meinetwegen hier. Tut mir leid, dass ich ihn euch aufgehalst habe.«

»Der wird schon sehen, was er davon hat«, schnaubte Jule. »Wir können auch anders. Und du bist längst nicht die einzige, die er angrapscht. Widerlicher Kerl!«

Vany sah sie aus großen Augen an. »Er grapscht euch an?«

Jule zuckte die Achseln. »Wann immer er kann. Beim Überreichen der Wasserflasche, bei der Auswechslung. Mal ein Klaps auf den Po, mal eine leichte Berührung am Arm. Nie zu auffällig.«

»Habt ihr dem Trainer davon erzählt? Ich meine, Bälle und Trikots hin oder her. Sowas geht nicht!«

Jule verzog den Mund. »Ich fürchte, dafür ist er nicht weit genug gegangen.«

»Lasst euch das nicht zu lange gefallen. Ehrlich, das spielt ihm bloß in die Hände und ermutigt ihn.«

»Wir passen auf uns auf. Versprochen.«

Vany nickte, aber sie hatte ein ungutes Gefühl dabei. Immerhin war sie Kapitänin gewesen und fühlte sich für ihr Team verantwortlich. Sie konnte nicht zulassen, dass eines der Mädchen von dem Widerling belästigt wurde. Sie nahm sich vor, den Trainer nach dem Spiel abzupassen und darauf anzusprechen.

Das Spiel selbst war ein hart umkämpftes 2:2 und Vany war trotz des Unentschiedens zufrieden mit den Mädchen. Auf der Rückfahrt war Dirk stiller. Die Arbeit am Spielfeldrand schien ihn anzustrengen, obwohl er einzig dafür zuständig war, die Wasserflaschen anzureichen. Das hätte Vany sich sogar mit Krücken zugetraut! Vany setzte sich auf der Rückfahrt neben Cahide, sprach mit ihr ein paar Spielzüge durch und gab ihr Tipps fürs nächste Spiel. Mit jeder Minute gewann sie mehr an Selbstvertrauen. Eigentlich sollte sie Trainerassistentin sein, solange sie nicht spielen konnte, nicht der Schwabbelschrank!

Als ein Großteil der Mädchen gegangen oder abgeholt worden war und sämtliches Material im Vereinshaus verstaut war, fing Vany Trainer Burkhardt ab.

»War ein tolles Spiel heute«, begann sie. »Auch wenn es zum Sieg nicht gereicht hat.«

»Uns fehlt derzeit unsere begabteste Torjägerin«, gab der Trainer schmunzelnd zurück. Vany fühlte sich geschmeichelt, ging aber nicht darauf ein. Bei jedem anderen mochten ihr Worte schwerfallen, doch mit dem Trainer hatte sie stets gut reden können.

»Ich habe mich auf der Hinfahrt mit Jule unterhalten und sie hat mir etwas anvertraut, das mir Sorgen macht.«

Trainer Burkhardt zog eine seiner buschigen Augenbrauen hoch. »Es geht um Dirk, oder?« Er seufzte. »Keine Sorge, ich habe ihn im Blick und ja, ich habe bemerkt, was er tut. Immerhin habe ich die Verantwortung für euch. Ich werde ihn mir zur Brust nehmen.«

Vany atmete erleichtert auf. »Das wäre super!«

»Ich find’s klasse, dass du hier bist. Sehen wir uns nächste Woche?«

»Ich werde da sein«, versprach sie und verließ das Vereinshaus, um zu gucken, ob ihre Mutter schon auf dem Parkplatz stand. Da verstellte der Schwabbelschrank ihr den Weg.

»Na, haben wir ein bisschen getuschelt?«

Wenigstens sparte er sich die Schnegge! Vany ging um ihn herum und sagte abfällig: »Was ich mit meinem Trainer bespreche, geht dich mal so gar nichts an!«

»Ach? Pass bloß auf, was du sagst! Mein Papa ist …«

»Papperlapapp!«, unterbrach sie ihn schnippisch. »Mir egal, was dein Papa ist und wie viel Geld er hat. Das gibt dir lange nicht das Recht, hier den großen Macker raushängen zu lassen. Und behalt in Zukunft lieber deine Finger bei dir. Vergiss nicht, dass ich immer noch an Krücken gehe. Du solltest dich an meine Krücken erinnern, oder?«

Dirks Mund klappte auf und wieder zu wie bei einem fetten Karpfen. Vany indes spazierte einfach davon und stieg zu ihrer Mutter ins Auto, das zum Glück schon auf dem Parkplatz stand.

»Das hat aber gedauert«, wurde sie begrüßt.

»Hatte was mit dem Trainer zu besprechen«, entschuldigte sich Vany. Sie hätte stolz darauf sein sollen, wie sie diese Situation gemeistert hatte, allerdings ging ihr nicht aus dem Kopf, wie das Ekelpaket ihre Haare berührt hatte. Sie fühlte sich schmutzig und angewidert und wollte nur nach Hause.

Ihre Mutter ging in die Küche, um das Essen vorzubereiten, und Vany schloss sich oben im Bad ein. Sie betrachtete sich im Spiegel und zog an ihren Haaren. Es schüttelte sie vor lauter Ekel und sie huschte schnell in ihr Zimmer, um das Haarfärbemittel zu holen. Wasserstoffperoxid war jetzt genau das richtige, um die Erinnerung an den Schwabbelschrank und seine Wurstfinger in ihrem Haar auszubleichen. Sie las sich die Gebrauchsanweisung gewissenhaft durch und folgte den einzelnen Schritten. Der Geruch brannte in den Augen und Vany riss das Fenster weit auf. Während der Einwirkzeit blieb sie im Bad sitzen und las sich die Beschreibungen all der anderen Dinge durch, die sie am Vortag gekauft hatte. Bei einigen Sachen waren sogar Schminktipps aufgedruckt, die für Vany genauso gut Hieroglyphen hätten sein können. Sie konnte es kaum erwarten, nach dem Mittagessen nach Tutorials zu suchen. Es wurde wirklich Zeit für eine Veränderung! Allerdings war sie auf so eine krasse Veränderung dann doch nicht vorbereitet. Als sie nach dem Ausspülen vor dem Spiegel stand und wie sonst nach dem Föhn griff, fiel ihr beim flüchtigen Blick auf ihr Spiegelbild fast die Kinnlade runter. Sie legte den Föhn zur Seite und fuhr sich mit beiden Händen durch das vanillefarbene Haar.

»Wahnsinn!«, hauchte sie. »Ich bin tatsächlich blond! Ich sehe aus wie Jazz!«

Sie kicherte und schob in Gedanken ein »oder wie Rebekka« hinterher, dass ihr das Lachen in die Kehle zurück stopfte. Rebekka. Ja, ihretwegen hatte sie die Bleiche eigentlich gekauft, nicht um ihre Haare nach dem Kontakt mit Dirk Ahlfelds Fingern zu desinfizieren. Der Gedanke an Rebekka erfüllte sie stets mit gemischten Gefühlen und die waren nur zu einem winzigen Teil gut. Vany schüttelte den Kopf. Für einen klaren Moment dachte sie daran, das Profil zu löschen und Deckx ein für alle Mal in Ruhe zu lassen, aber bei dem Gedanken geriet sie sofort in Panik. Obwohl sie es sich selbst nicht erklären konnte, brauchte sie Rebekka. Brauchte sie so sehr, wie sie Deckx´ Stimme und seine Let’s Plays brauchte.

»Vany! Was machst du denn so lange? Das Essen ist fertig!«, rief ihre Mutter von unten.

»Komme gleich!«

Vany stellte den Föhn auf die höchste Stufe und trocknete rasch ihr Haar. Sie dachte noch darüber nach, eine Mütze aus dem Schrank zu holen, was natürlich Unsinn war, da ihre Familie das helle Haar früher oder später ohnehin zu Gesicht bekommen würde. Die hatte schon angefangen zu essen, weil sie so lange gebraucht hatte, und als sie nun das Wohnzimmer betrat, hätte sie schwören können, dass alle drei, ihre Eltern und ihr Bruder, ihre Gabeln fallen ließen.

»Was ist denn mit dir passiert?«, stieß ihr Vater aus.

»Vany, wow!«, machte ihre Mutter.

Tim starrte nur. Vany setzte sich verlegen an den Tisch und brummte: »Es wurde mal Zeit für eine Veränderung. Mir gefällt’s irgendwie.«

»Ja«, staunte ihre Mutter. »Es ist super geworden und wunderbar gleichmäßig. Als ich meine Haare zum ersten Mal gefärbt habe, sah ich aus wie ein Frischling. Voller Flecken!«

Vany lachte, fuhr sich durchs Haar und fühlte sich selbst ein bisschen stolz. Das Tischgespräch nahm an Fahrt auf und obwohl Tim ihr ab und an irritierte Blicke zuwarf, schien er ihr das Haarefärben zumindest nicht übel zu nehmen.

Nach dem Essen ging Vany in ihr Zimmer und holte den Laptop aus dem Kleiderschrank. Sie ließ die Tür offen, denn sie wollte durchaus, dass ihre Familie mitbekam, dass sie nicht Let’s Play-süchtig und durchaus in der Lage war, ihren Computer auch für andere Dinge zu nutzen. Sie reihte ihre neuen Kosmetikartikel auf dem Schreibtisch auf und schaltete die Kamera des Laptops ein, um sie als Spiegel zu benutzen. Dann ging sie auf die Suche nach Schminktipps für Anfänger. Drei Mädchen klickte sie weg, da sie ihr zu schrill und quietschig waren. Schließlich blieb sie bei einer Dame hängen, die in ihrer Infobox angab, dass sie Kosmetikerin war. Sie hatte eine angenehme Stimme, erklärte ausführlich und nicht so hektisch wie die jungen Mädchen aus den vorherigen Videos. Konzentriert folgte Vany den Anweisungen und obwohl ihr Ergebnis nicht ganz so akkurat war wie das der Fachfrau, war sie damit zufrieden. An Smokey Eyes traute Vany sich noch nicht heran. Das hier war etwas, das die Dame als »Alltags-Make-up« bezeichnete und Vany fand, für den ersten Versuch war es ihr gelungen. Durch das blonde Haar und den dunklen Mascara bekam ihr Gesicht viel mehr Ausdruck. Bisher hatte sie sich selbst immer blass und farblos gefunden, außer vielleicht, wenn sie erhitzt vom Platz kam. Jetzt sah sie richtig lebendig aus. Sie schoss ein Selfie mit dem Handy und schickte es Jazz per WhatsApp. Die Antwort kam prompt per Telefonanruf.

»Boah, Vany, Wahnsinn! Was hast du gemacht? Ich hätte dich fast nicht erkannt! Du siehst fantastisch aus!«

Vany lachte. »Jetzt übertreib mal nicht. Ich habe bloß was ausprobiert. Und meine Haare mit Bleiche desinfiziert, weil das Ekelpaket Dirk Ahlfeld da heute drin rumgewühlt hat.«

Jazz gab Würggeräusche von sich. »Dieser Widerling! Wie hast du reagiert?«

»Hab’s dem Trainer gesteckt. Geht ja mal gar nicht, dass der meine Mädchen und mich belästigt.«

»Deine Mädchen?«, wunderte sich Jazz. »Wow. Du scheinst ja wieder voll auf Fußball abzufahren.«

Jazz klang ein wenig enttäuscht und irgendwie versetzte Vany das einen Stich. Ihre unterschiedlichen Interessen waren bisher kaum ein Thema zwischen ihnen gewesen. Sie hatten den anderen trotzdem so respektiert, wie er war.

»Hab sie lange genug im Stich gelassen«, entgegnete Vany und versuchte, sich die Verletzung nicht anmerken zu lassen. »Kommst du morgen zum Lernen rum? Dann kannst du dir meine Haare in echt ansehen.«

»Und Make-up!«, trällerte Jazz begeistert. »Jaaaa, das mache ich glatt!«

»Super. So um drei?«

»Klingt gut. Machen wir.«

Vany verabschiedete sich und drückte Jazz weg. Sie öffnete WhatsApp und betrachtete ein weiteres Mal Leons Profilbild. Kurz dachte sie darüber nach, auch ihm das Selfie zu schicken, dann traute sie sich doch nicht. Sie schaltete das Handy auf lautlos und wandte sich wieder dem Laptop zu. Sie war versucht, einen winzigen Blick in Deckx´ Kanal zu werfen. Sie sah sich sogar bereits um, ob auch niemand im Flur war, aber dann ließ sie es bleiben. Die Gefahr, erwischt zu werden, war einfach zu groß. Also fuhr sie den Laptop herunter und holte ihre Schulsachen heraus. Bestimmt gab es irgendwelche Zusatzaufgaben, die sie erledigen konnte. Solange der Laptop allerdings in ihrem Sichtfeld war, spürte Vany, wie er ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie wollte es eigentlich nicht, aber sie konnte nicht aufhören, über Rebekka und ihre Hobbys nachzugrübeln. Sie hatte so viele stimmungsvolle Fotos gesehen, während sie nach passenden Bildern für diese Fantasiegestalt gesucht hatte. Vielleicht mussten es gar nicht Billard und E-Gitarre sein. Vielleicht würde etwas Künstlerisches viel eher zu ihr passen. Melancholische Gedichte Schreiben zum Beispiel oder eben auch Fotografieren. Je mehr Vany darüber nachdachte, desto besser gefiel ihr die Idee. Rebekka brauchte einen glaubwürdigen Hintergrund. Vany musste ihren Kanal mit etwas füllen, das sie interessant machte. Das funktionierte mit Billard nicht und obwohl Vany sich bestimmt eine Gitarre aus der Schule würde leihen können, war sie dadurch noch lange nicht in der Lage, sie zu spielen und irgendwelche Coversongs hochzuladen. Fotografieren traute sie sich jedoch zu und wenn sie nachmittags oder abends spazieren ging, war sie zumindest beschäftigt und nicht genötigt, ihrer Familie andauernd etwas vorzuspielen. Vany nahm sich vor, ihren Vater beim Abendessen nach der Digitalkamera zu fragen. Die Aussicht darauf gab ihr den nötigen Impuls, doch noch mit der Arbeit zu beginnen und richtig reinzuhauen. Als ihre Mutter zum Abendessen rief, hatte sie Zusatzaufgaben in Mathe und Englisch erledigt und war mit sich zufrieden. Dass sie sich geschminkt hatte, hatte sie völlig vergessen und wunderte sich über die Blicke ihrer Familie am Abendessentisch.

»Wie eine richtige Dame«, stellte ihre Mutter mit glänzenden Augen fest und Vany fiel das Make-up wieder ein. Erschrocken hob sie die Hände ans Gesicht und hielt sich gerade noch in letzter Sekunde davon ab, sich die Augen zu reiben.

»Krasse Veränderung«, kommentierte Tim, aber anders als bei den letzten Veränderungen, die er an Vany festgestellt hatte, schien ihm diese zu gefallen. »Total erwachsen siehst du aus.«

»Und so gesund«, legte ihr Vater noch obendrauf. Vany spürte, dass sie errötete. So viel Aufmerksamkeit von ihrer Familie mochte sie nicht, ganz gleich, ob sie positiv oder negativ war.

»Ist ja schon gut«, murmelte sie. »Hab halt mal was ausprobiert.« Sie angelte sich die Schale mit den Kirschtomaten und legte sich drei auf den Teller, als ihr einfiel, wie sie das Thema wechseln konnte. »Apropos Ausprobieren: haben wir nicht eigentlich eine Digitalkamera?«

»Ja, die müsste im Schrank sein«, antwortete ihr Vater nach kurzem Zögern. »Wozu brauchst du sie?«

Vany zuckte die Achseln, betont lässig, um sich nicht anmerken zu lassen, wie wichtig ihr Rebekkas Hobby war.

»Ich kann im Moment nicht Fußball spielen, nicht joggen gehen, keinen Kraftsport machen und ich brauche eine Auszeit von Let’s Plays. Außerdem sagt Kerstin, dass ich viel spazieren gehen soll, um meine Muskulatur zu kräftigen. Da dachte ich, ich versuch’s mal mit Fotografie. Ist doch ein schönes Hobby, oder?«

»Warum nimmst du nicht dein Handy?«, schlug Tim vor.

»Das macht längst nicht so gute Fotos«, rechtfertigte sich Vany. »Wenn ich etwas mache, will ich es richtig machen. Und dafür brauche ich zunächst einmal eine richtige Kamera.«

»Von mir aus kannst du sie gerne haben«, stimmte ihr ihr Vater zu. »Ich habe sie damals für den Spanienurlaub gekauft und nachdem keiner aus meiner Familie fotografiert werden wollte, verstaubt sie im Schrank.«

Er warf allen nacheinander einen vorwurfsvollen Blick zu und ihre Mutter kicherte. Er hatte nicht Unrecht. Sie waren tatsächlich alle ziemlich fotoscheu.

»Super, danke!«

Ihr Vater hielt Wort und kramte die Kamera hervor, während Vany mit ihrer Mutter den Tisch abräumte und sich dabei sogar traute, die Krücken einmal stehenzulassen. Es war großartig, wieder ein bisschen selbstständiger zu werden. Schließlich ging sie mit dem Kamerakarton nach oben und las sich auf dem Bett liegend die Gebrauchsanleitung durch. Die Kamera machte ziemlich viel automatisch, bot aber auch die Möglichkeit, Einstellungen selbst vorzunehmen. Als Vany damit durch war und für morgen den Akku auflud, ging sie noch einmal an den Rechner und verbrachte eine gute Stunde damit, sich Fototipps für Anfänger im Internet durchzulesen. Anschließend fuhr sie den Rechner wieder herunter und machte sich bettfertig. Sie beschloss, den Laptop heute auf dem Schreibtisch stehen zu lassen und sich keinen nächtlichen Wecker zu stellen. Rebekka hatte für heute genug getan und durfte einmal eine Nacht durchschlafen. Deckx würde wahrscheinlich eh keinen neuen Part hochladen und erstaunlicherweise schlief Vany sofort ein.

Let´s play love: Leon

Подняться наверх