Читать книгу Bon Courage - Band 2 - Hannelore Gottschalk - Страница 11
14 D Ein Streifzug durch das Pays basque
ОглавлениеLe Pas de Roland
Im Baskenland gibt es noch überall die Schönheit einer unberührten Natur. Der Lebensrhythmus seiner urwüchsigen Menschen hat der Hektik unseres Jahrhunderts bis jetzt erfolgreich widerstanden. Um so eher werden wir an vielen Orten von der Geschichte eingeholt. Wir brauchen nur von St-Jean-Pied-de-Port aus dem romantischen Pas de Roland, dem Rolandspfad, zu folgen, der bis ins bereits spanische Roncesvalles führt, und schon sind wir im 8. Jahrhundert, in der Zeit Karls des Großen und seines Paladins, des Grafen der Bretagne, der in der Sage als der tapfere Roland weiterlebt. Er fiel 778 im Tal von Roncesvalles mit der Nachhut des fränkischen Heeres, das auf dem Rückzug aus Spanien in einen Hinterhalt der Basken geriet, deren Freiheitsliebe gegen die fremden Eindringlinge gerichtet war. Die unglückliche Schlacht wird in dem berühmten chanson de Roland, dem um 1100 entstandenen altfranzösischen Heldenepos besungen, jenem »Rolandslied«, das aus den Basken allerdings fälschlicherweise Sarazenen machte.
Die im westlichen Teil der Pyrenäen siedelnden Basken tauchen schon im 3. vorchristlichen Jahrhundert als Vascones in römischen Urkunden auf. Von den Westgoten verfolgt, flüchteten sie im 6. Jahrhundert über die Pyrenäen in die römische Provinz Aquitania. Bis heute hat dieser vorindogermanische Volksstamm, dessen Herkunft dunkel ist, seine eigenständige Kultur, seine Sprache, Tradition und Folklore bewahrt. Die Basken waren stets große Seefahrer und tüchtige Fischer, im Landesinneren aber auch ebenso zäh an Scholle und Brauchtum festhaltende Bauern. Beharrlich und mit den äußersten Mitteln kämpfen sie vor allem in Spanien um ihre Autonomie. Aber auch in Frankreich sind seit den achtziger Jahren Unruhen zu verzeichnen.
Heute gibt es sieben baskische Provinzen, von denen jedoch nur drei zu Frankreich gehören: Basse-Navarre, die größte, reiht sich südöstlich an die Provinz Labourd und hat ihr Zentrum in St-Jean-Pied-de-Port; Labourd umfaßt die baskische Küste, die an die Côte d’Argent in der Gascogne anschließende Côte basque mit ihrem Hinterland; und Soule schließlich ist die gebirgigste Provinz mit fruchtbaren Ebenen im Norden. Etwa 200.000 Basken leben in diesen französischen Landesteilen, in den vier spanischen Provinzen fast zehnmal so viele. Doch bei diesen Zahlen ist Vorsicht geboten; die Statistiken widersprechen sich erheblich.
Besonders interessant ist die baskische Sprache, das Euskara. Mundartlich stark unterschieden, ist es die einzige noch lebende nicht indogermanische Sprache Westeuropas. Für den Nichtbasken ist sie so schwierig, daß selbst der Teufel an ihrer Erlernung scheiterte. Aus Verzweiflung darüber, so will es die Legende, stürzte er sich in Bidarray (Provinz Basse-Navarre) über die schöne alte Bogenbrücke, die seitdem Pont d’Enfer (baskisch Infernukozubia), Höllenbrücke, heißt.
Une partie de pelote
Die Basken lieben gepflegte Häuslichkeit. Deshalb fühlt man sich auch in ihren heimeligen kleinen Hotels so gut aufgehoben. Das Straßenbild der meisten Baskenorte wird durch die regelmäßigen Fronten der dicht aneinandergereihten Häuser bestimmt, von deren weißgekalkten Fassaden sich die ochsenblutfarbenen Türen und Fensterläden abheben. Von eigenartiger Stimmung sind die Dorffriedhöfe mit ihren scheibenförmigen Stelen und navarrischen Kreuzen. Besonders schöne Scheibenkreuze, die an uralte kosmische Symbole erinnern, haben wir in Espelette gefunden, einem Dorf zwischen St-Jean-Pied-de-Port und Biarritz. Aber auch an anderen Orten träumen sie vor sich hin, in Ainhoa etwa, in Sare oder in Bidarray.
Man spricht vom »grünen, feuchten« Baskenland, dem saftigen Weideland, dem grasende Rinder und Pferde Akzente eines geruhsam-ländlichen Lebens verleihen, eingerahmt von Wäldern, Hügeln und Bergen. Die wendigen Pferde, die uns auf den Weiden von Espelette begegnen, werden auf ihre sportliche Karriere im Polospiel vorbereitet. Auf baskisch heißen sie pottoks. Man züchtet sie überall im Baskenland, und auf keinem Fest dürfen sie fehlen.
Und die Basken feiern gern! Feste tun ihrer sprichwörtlichen Frömmigkeit, in die aber auch ein nicht zu übersehendes Quentchen Heidentum sich mischt, keinen Abbruch. Da gibt es Fronleichnamszüge, die als lärmendes und burleskes Theater in der Kirche enden, Maskeraden und Schäferspiele, folkloristische Tänze, kraftvolle Springer, die sich geschmeidig in die Höhe schnellen, und, wie hier in Sare, das Tauziehen – le tir à corde –, einen typisch baskischen Kraftsport, der immer sein Publikum findet. Auch Spezialitäten der Region werden auf dem Festplatz angeboten: gâteau basque, baskischer Kuchen, und fromage de chèvre, Ziegenkäse. Über allem aber steht das Pelotaspiel.
Nicht nur um das Rathaus oder die Kirche sind die Dörfer angeordnet, sondern manchmal auch gleich um den fronton, den Pelota-Spielplatz bzw. die Pelotawand für das traditionelle Ballspiel. Ein lederbezogener Gummiball wird gegen die hohe Wand geschlagen, wobei sich ein blitzschnelles Balltempo entwickelt, das alle Kraft und Aufmerksamkeit der Spieler erfordert. Zuweilen wird die Punktansage sogar auf baskisch gesungen. Zum Schlagen benutzen die Männer einen aus Weiden geflochtenen, hornförmig gekrümmten Schläger, der auf baskisch chistera heißt. Ballspiele werden schon bei den alten Griechen und Römern, von Homer, Horaz und Vergil, erwähnt, in Frankreich später wieder von Philippe le Bel (Philipp dem Schönen), François Ier (Franz I.) und Henri IV (Heinrich IV.). Das Pelotaspiel nach den heutigen Regeln entwickelte sich im 19. Jahrhundert. In Anglet bei Bayonne gibt es den kleinen Betrieb von Monsieur Gonzales, der in Handarbeit die Pelotaschläger herstellt. Ein solcher chistera kostet um die 2.000 Francs. Kein Wunder: an die 25 Arbeitsstunden werden auf ihn verwandt. Wohin wir auch kommen in dem so eigenartigen Baskenland, noch im kleinsten Dorf stoßen wir auf den fronton, treffen wir auf Pelotaspieler. Im Pays basque, bei den Euskaldunak, wie die Basken sich selbst nennen, verblaßt sogar König Fußball vor dem jeu de pelote.
Das Fest in Sare geht noch weiter. Doch wir verlassen das kleine Dorf, um uns der baskischen Küste zuzuwenden. Merci à vous et à bientôt!