Читать книгу Al Qanater - Hannes Führinger - Страница 7
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ОглавлениеLisa fand, dass meine Reise nicht zu unserer Lebensplanung passte. Wir wollten es ruhiger angehen und an unserem halbfertigen Haus weiterbauen. Für mich bedeutete das, sesshafter zu werden. Büroarbeit statt Auslandseinsätze. »Du bist doch erst vergangene Woche aus Saudi-Arabien zurückgekommen«, sagte sie.
Es war früh am Morgen. Wir lagen noch im Bett und ich rieb mir die Augen. »Oman«, sagte ich.
»Wie bitte?«
»Ich war im Oman, nicht in Saudi-Arabien.«
Sie verschränkte die Arme. »Spielt das eine Rolle?«
»Tut es nicht.« Ich bemühte mich, zu lächeln. »Ich bin übermorgen wieder da und dann mache ich die Isolierung fertig. Okay?«
Ich verstand Lisa. Ich hatte es ihr versprochen. Ich würde die Einsatzteams nicht mehr begleiten, sondern nur noch koordinieren. Von daheim aus. Die Organisation machen. Den Bürokram erledigen. Den Überblick über alles bewahren. Sobald wir das Haus meiner Großeltern im Burgenland fertig umgebaut hatten, würden wir aus unserer Wohnung in Wiener Neustadt dorthin ziehen. Ins Grüne. Das war in Ordnung für mich. Es würde ein besseres Leben sein. Ich freute mich darauf, auch wenn Lisa mir das manchmal nicht glaubte.
Wirtschaftlich würde sich das alles ausgehen. Meine Firma war inzwischen den meisten großen Reedereien ein Begriff und lief dementsprechend gut. Die Idee dafür hatte ihren Ursprung auf einer siebzig Quadratkilometer großen Insel im Persischen Golf, im Emirat Abu Dhabi. Im Auftrag des dortigen Königshauses hatte ich Polizei- und Militäreinheiten ausgebildet. Mein Stil, den ich von meiner früheren Tätigkeit beim österreichischen Bundesheer mitgebracht hatte, fiel einem meiner Kollegen auf, einem Briten. Als ich wieder zurück in Österreich war, rief er mich an. Eine Reederei hatte ihn angeheuert, um einen Lastkahn vor Piraten zu schützen. »Ich brauche einen Profi«, sagte er. »Die Bezahlung ist gut.«
Ich wusste damals nicht genau, was ich beruflich als nächstes machen wollte. Nun lag dieser Vorschlag auf dem Tisch. Piraten. Die Sache hörte sich immerhin spannend an. Ich überlegte nicht mehr lange. »Ich bin dabei«, sagte ich.
Das knapp 180 Meter lange Schiff mit 33.000 Tonnen Tragfähigkeit legte im Hafen von Maskat mit dem Ziel Aden im Jemen ab. Die Fracht war nicht gerade wertvoll. Stahlrollen. »Warum braucht dieses Schiff Schutz?«, fragte ich Edward, meinen neuen Partner.
»Es geht selten um die Fracht, sondern meist um die Crew«, sagte er. Er nickte dem Kapitän des Schiffs zu. »Als Geiseln sind die ein paar Millionen Dollar wert.«
Der Kapitän lächelte unsicher.
Wir waren vier Sicherheitsleute auf dem Schiff. Edward, ich und noch zwei andere, Marko und Ethan, die in ihren Kabinen schliefen, während wir uns auf der Brücke unterhielten. Edward und ich hatten die erste Schicht übernommen. Als ich dort oben an der Reling lehnte und den Hafen immer kleiner werden sah, wurde mir klar, dass ich mich an den Job gewöhnen könnte.
Etwa 180 nautische Meilen südöstlich des Jemen griff Edward nach seinem Funkgerät. »Marko, Ethan, bereitmachen. Wir erreichen die rote Zone.«
Diese Gegend war auf den Karten als gefährlich markiert. Hier häuften sich Piratenangriffe.
Wenige Minuten später standen unsere Kollegen in ihren kugelsicheren Westen neben uns. Wir suchten mit unseren Ferngläsern das Meer ab, jeder den ihm zugeteilten Bereich. Keiner von uns hatte viel Erfahrung mit maritimer Security. Keiner hatte je einen Piratenangriff erlebt. Es herrschte angespannte Stille.
Wir befanden uns noch keine halbe Stunde in der roten Zone, als auf dem Radar kleine Signale auftauchten. »Vier Kilometer Entfernung«, sagte Edward. »Haltet die Augen offen.«
Marko lächelte nervös. »Vielleicht sind es nur Wellenbrecher. Oder Fischer.«
Niemand antwortete.
Die Signale hielten ihre Position. Einige Minuten vergingen. Ich konnte noch nichts am Horizont erkennen. Ich wollte Marko schon zustimmen, als sich alle Punkte gleichzeitig in Bewegung setzten. Sie hielten direkt auf uns zu.
»Keine Wellenbrecher«, sagte Edward und stellte sein Fernglas ab. »Keine Fischer.«
Wir gaben dem Kapitän ein Zeichen. Er drückte auf den Alarmknopf. Sirenen heulten am ganzen Schiff.
Wir folgten dem Plan, den wir uns für diesen Fall zurechtgelegt hatten. Marko brachte alle Mitglieder der Crew, die wir nicht für die Steuerung des Schiffes benötigten, in einen Schutzraum. Dort würden sie selbst dann einigermaßen sicher sein, wenn die Piraten das Schiff kapern würden. Beim Betreten des Raumes mussten sie auf einer Anwesenheitsliste neben ihren Namen unterschreiben.
Die Punkte auf dem Radar wurden schneller. Edward wies den Kapitän an, ebenfalls die Geschwindigkeit zu erhöhen.
»Okay, alle drin«, sagte Marko über Funk.
»Maximum Speed«, sagte Edward.
Der Kapitän schob den Geschwindigkeitsregler bis zum Anschlag nach oben.
Ethan hatte inzwischen unsere Ausrüstung aus einem abgesperrten Lagerraum geholt und vor uns ausgebreitet. Er setzte einen Funkspruch ab, um alle militärischen Schiffe in unserer Nähe zu informieren.
Ich war in unserem Team der Waffenoffizier, also bat ich den Kapitän um Erlaubnis, die Waffenkoffer zu entsperren. Er sah mich irritiert an. »Do what you are here to do«, sagte er.
Die Piratenabwehr war international genau geregelt. Deshalb hielt ich mich ans Protokoll. Der Kapitän und ich schlossen die Waffenkoffer auf und vermerkten die Öffnung schriftlich mit Uhrzeit und Begründung. Danach händigte ich Edward, Marko und Ethan gegen Unterschrift je ein Gewehr samt Munition aus. »Hat jeder seine Weste gesichert und überprüft?«, fragte ich, während ich mir selbst ein Gewehr nahm. Ich sah in die Runde. Alle nickten stumm. »Okay, dann los.«
Marko und ich nahmen links und rechts von der Brücke unsere Abwehrpositionen ein, während Edward auf der Brücke blieb und Ethan im Heck des Schiffs Stellung bezog. Ich kauerte mich hinter die Reling, die mit Stahlplatten verstärkt war.
So warteten wir. Niemand sagte ein Wort. Die Funkgeräte blieben still. Wir wussten nicht, ob sich die Piraten eine Taktik überlegt hatten, oder ob sie einfach auf uns zustürmen würden. Unser Schiff, die nach der Reederei benannte Warnow Star, war einigermaßen gut ausgerüstet. Wir hatten Wasserwerfer an Bord und Leuchtkugeln, die wir ebenfalls zur Piratenabwehr einsetzen konnten.
Ich überprüfte noch einmal, ob meine Waffe richtig geladen war. Ich hatte uns mit großkalibrigen Gewehren ausgerüstet, um die kleinen, wendigen Schnellboote der Piraten rasch außer Gefecht setzen zu können. Mit so einer Waffe reichte dafür ein einziger Treffer in den Motor.
Bald tauchten sie am Horizont auf. Ich zurrte meine kugelsichere Weste enger, während ihre Silhouetten größer wurden. Ich konnte schon das Brummen der Motoren hören.
Ich hatte die erlaubte Vorgehensweise im Abwehrfall, die sogenannten Rules of Engagement, im Kopf. Jeder Verstoß dagegen war strafbar. Zu dieser Vorgehensweise gehörte es, dass wir nicht als erste das Feuer eröffnen durften. Wenn die Angreifer bewaffnet waren und selbst schossen, durften wir Warnschüsse abgeben, um zu zeigen, dass wir zurückschießen konnten. Wenn sie weiterschossen, durften wir auf die Boote zielen, nicht auf die Piraten selbst. Erst wenn wir alle nicht tödlichen Abwehrmaßnahmen ausgeschöpft hatten und die Piraten weiterschossen, durften wir das Feuer auf sie selbst eröffnen.
Ein Surren übertönte das Brummen der Motoren. Ich hob den Kopf lang genug, um die Raketen auf unser Schiff zukommen zu sehen. »Deckung!«, schrie ich in mein Funkgerät.
Treffer.
Der Aufprall der Rakete riss mich von den Beinen. Meine Kollegen gaben Warnschüsse ab. Ich sah zur Brücke. Sie war unversehrt. Die Rakete war in einen Kran-Ausleger eingeschlagen und hatte dort wenig Schaden angerichtet. Ich stand wieder auf, gab ebenfalls einen Warnschuss ab und lud durch.
Unter lautem Geschrei eröffneten die Piraten das Feuer. Das Rattern ihrer Schnellfeuergewehre zerfetzte die Luft, gefolgt vom metallischen Trommeln der Einschläge auf unserer Bordwand. Ich hörte Edwards Stimme aus dem Funkgerät. »Backbord! Zurückfeuern! Los!«
Er sprintete heran und warf sich neben mich. Auch Marko und Ethan kamen zu uns an die Backbordseite und gingen hinter der verstärkten Reling in Deckung. Edward nickte uns zu. »Jetzt!«
Wir standen auf und feuerten.
Die Durchschlagskraft unserer Gewehre überraschte die Piraten offenbar. Unsere Kugeln rissen Löcher in die Wände ihrer Boote. Ich hörte sie durcheinander schreien. Neben mir dröhnte Edwards Stimme.
»Laden, Feuer!«
Die nächste Salve unserer Gewehre prasselte auf die Schnellboote nieder.
Die Maschinengewehre der Piraten verstummten. Die Motoren ihrer Schnellboote brüllten auf.
Nach wenigen Minuten, in denen wir alle verschwitzt und verstaubt hinter der Reling gekauert waren, klopfte mir Edward auf die Schulter und grinste. »Gut gemacht, Leute. Gut gemacht.«
Der Kapitän streckte zaghaft den Kopf aus der Tür zur Brücke. »Are they gone?«
Edward nickte. »Yes, they are gone.«
In Aden hörten wir, dass die gleichen Piraten drei Stunden später ein anderes Schiff gekapert hatten.
Während ich jetzt die letzten Vorkehrungen für meine bevorstehende Reise nach Suez traf, dachte ich daran, wie ich damals aus Aden kommend am Flughafen in Wien gelandet war. Lisa hatte auf mich gewartet, mit Leonie, ihrer Tochter aus einer früheren Beziehung, die ich liebte wie mein eigenes Kind. Ich hatte auch eine eigene kleine Tochter, Melissa, doch sie lebte in Tirol. Ihre Mutter und ich hatten uns nicht gerade im Guten getrennt, weshalb ich Melissa selten sah. »Geht es dir gut?«, hatte Lisa bei meiner Heimkehr gefragt. »Bist du verletzt?«
Ich war glücklich gewesen, wieder bei meiner kleinen Familie zu sein. Sie war das Wichtigste für mich und ich wollte uns allen ein schönes, unbeschwertes Leben ermöglichen.