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2.4 Ein voreiliges Resumée

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Ich sprach von Sachlichkeit, deren Bedeutung für eine Diskussion und darüber, dass gerade Politiker doch eigentlich die Pflicht haben, Argumente auf den Tisch zu legen. Doch wie wahrscheinlich ist denn das Szenario „Argumentieren im Bundestag“? Könnte es unterschiedliche Qualitäten der Rhetorik geben, und welche wäre demnach am ehesten zu erwarten? Welche Anreize und Möglichkeiten hat der Politiker heutzutage, echte Sachbezogenheit an den Tag zu legen, und sich dadurch in relativ erhöhtem Maße angreifbar zu machen? Und wie viel Sachlichkeit und sprachliche Präzision ist der Politiker, geschweige denn der „Normalbürger“ im Stande aufzubringen, wenn es darum geht, über öffentliche Themen und deren Abhängigkeiten zu diskutieren bzw. getroffene Entscheidungen nachzuvollziehen? Welche Bezüge und Stellenwerte verleihen wir der Überzeugungsarbeit? Wie macht man Sachlagen und Personen erträglich? Soll Politik einfach oder kompliziert sein und für wen?

Viele Politiker zeigen sich geradezu virtuos darin, direkte und argumentativ stabile Fragen schlicht nicht zu beantworten. So etwas wie eine schleichend schlechte Angelegenheit, die sich in alle Abteilungen der Politik endemisch ausgebreitet zu haben scheint. Eine Grundsatzdebatte wird beharrlich verschwiegen und verdrängt. Das zeigt sich beispielhaft daran, dass viele Diskursteilnehmer, ob Bürger oder Spitzenpolitiker, bei sachbezogenen Kritiken und der impliziten Aufforderung, Beweislasten zu stemmen, ins „rhetorische Straucheln“ geraten und sich dann zumeist in konkret irrelevante Detailfragen, Nebensächlichkeiten und letztlich Subjektivitäten flüchten. Wenn dann auch gleich die offenbarten Fakten und Studien zum Thema in ihren schwachen Sinnigkeiten angezweifelt werden, dürfte schon der einfache Wille zur Verständigung noch vor dem zur Problemlösung erodiert sein. Alles, was schwer politisierbar ist, wird von Politikern gemieden. Wie (also) kommt eine Gesellschaft dazu, eine Politik zuzulassen, die scheinbar gar nicht die Werterealisationen ermöglichen kann, wie man sie sich eigentlich vorstellt? Nun dafür hat man in einer funktionierenden Demokratie einige Möglichkeiten, wie ich versucht habe und versuche zu zeigen. Aber wie können wir unseren Vertretern helfen – von schwarzen Schafen abgesehen – gegen wahltaktische Berufsinteressen, Pathos und Lobbyismus einen echten Fortschritt zu erzielen?

Ich möchte mich so ausdrücken, dass die politische Diskussion – im Sinne der hier vertretenen Bedürftigkeit – seit viel zu langer Zeit zu schlecht läuft. Und wenn diese Einschätzung der akuten Bedeutungen nicht ganz falsch ist, dann lassen sich darüber vielleicht auch Entgleisungen und Entscheidungen derart erklären, dass es bisher – über die verkraftbaren Verfehlungen hinaus – versäumt wurde, die Atmosphäre in der Politik zu schaffen, die mehr den diskursiv engagierten Politiker hervorbringt und so ungewollten und unvereinbarten Sinnhaftigkeiten von vorneherein ihre geringe Erfolgsaussicht vor Augen führt.

Das Diskursverhalten der Politiker wie auch das der Bürger lässt sich nicht nur in Abhängigkeit vermuten, sondern kann auch am prestigeträchtigen Status ihrer Absichten rütteln.

Kurz: Aus dieser – hier dezidiert kulturwissenschaftlichen – Sicht heraus, die für die aufgeklärte Entwicklung nach weiteren Erklärungen sucht, gibt es mehr als einen Beteiligten an der politischen Lage, … nicht zuletzt ca. 61 Millionen Wähler bzw. Nicht-Wähler in Deutschland.

Der Diskursmensch

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