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2.2. Das Unbehagen einer Gesellschaft

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Es ist nun auch ein Teil des Gerechtigkeitssinns, der – mit Blick auf Wirtschaftlichkeit, Gesundheitsschutz und das Teppichkehren der Volksvertreter – nicht selten in absoluter Hilflosigkeit und sodann in Frust endet, weil aufgrund mangelnder Fachkenntnis auf der einen, aber auch nebelhafter Transparenz und medialer Rechtsverklärung auf der anderen Seite kein Einblick möglich gemacht ist in die Interessen, Entscheidungsprozesse und Verhältnismäßigkeiten der Machtinstitutionen, die unser aller Leben bestimmen, besteuern und bestrafen. Groteskerweise einen sich hier die Pros mit den Kontras in einer vom auslösenden Ereignis erleichterten Kritik bzw. effektiven Stimmung.

Wir hindern uns also nicht nur selbst daran, dem Weltgeschehen einen Sinn zu verleihen, sondern es wird uns auch vermeintlich erleichtert bis vorenthalten. Diesem Kind müssen wir selbst einen Namen geben. Je nach politischer Gesinnung, Glauben oder Einstellung, lässt sich das Verhältnis zwischen Volk und Volksvertretern mit Prädikaten wie „gut“, „gleichgültig“ oder „schlecht“ beschreiben. Von Gefolgschaften über politisch unterschiedliche Ansichten bis hin zur Politikverdrossenheit, dessen Vorwürfe sich z.B. mithilfe von „Machterhalt“, „Lobbyismus“ und „Lügen“ beschreiben lassen, bietet Deutschland ein buntes Politikprofil. Bloß in diesem Deutschland schweigen sich ausgerechnet die Volksvertreter über Ideale und über Ideologien aus. Schade eigentlich. Berichterstattung und Informationspolitik könnten hier – seriös und bürgernah – Abhilfe schaffen, die grundsätzlich ist, d.h. das Prinzip der Aufklärung wieder auf beide Beine stellt. Andere Handhabungen wie interessenverseuchte Formulierungen, Ergebnis-Orientierung oder Quotenentscheidungen forcieren das Unbehagen eher noch. Je mehr politische Entscheidungen Kausalität widerspiegeln, desto besser ist es dem Wähler möglich, diese Entscheidungen zu verstehen. Das hat Einfluss auf die Stabilität der Überzeugung. Und diese Stabilität soll – meiner Auffassung nach im ureigenen Sinne der Aufklärung – den Menschen und seine Systeme nicht eindeutiger sondern authentischer werden lassen. Was meine ich damit?

Werden Entscheidungsprozesse in Bereichen öffentlicher Relevanz auf eine Art und Weise geführt, die eine adäquate Stellungnahme des (dazu gewillten) Bürgers be- oder gar verhindert, dann handelt es sich dabei vorrangig um Handhabungen zu Gunsten der Gegenaufklärung. Ziemlich unempfindlich gegenüber Argumenten und resistent gegenüber Demonstrationen, wird der kooperativ bedachte Einfluss ausgesetzt. Im Prinzip zieht das aber den Gehorsam der Weisheit vor. So erscheint der Gang auf die Straße als unrühmliche Nötigung, besagter Hilflosigkeit zu begegnen und nicht (mehr) als freiheitliche Entscheidung, für ein konkretes Ziel einzutreten. Dieser Verantwortung stehen – in der hier eingenommenen Perspektive – in besonderem Maße die politischen Parteien und Medienanstalten gegenüber, und sie sollten ihr gerecht werden. Als eindeutig aufbereitete und vorgehaltene Informationen ziehen quasi automatisch Spekulationen nach sich, die die gesamte Diskurssituation in der bereits thematisierten Sachlichkeit gefährden. Unseriös, ja geradezu fahrlässig wirken dann die Spitzenpolitiker wie auch die sog. „Nachrichtenmacher“, die sich dieser Versuchung nicht entledigen.

So gesehen ist die grundsätzliche Einheit von Pros und Kontras eben weniger grotesk, denn eher Belegstück dafür, dass über sog. Affären, Vor- und Zwischenfälle hinaus wieder einmal die Politik als Ganzes auf dem Prüfstand steht. Danach fragen sich vermutlich viele Bürger – eben soweit es ihnen möglich ist –, welche Politiker-Typen und steuerfinanzierte Initiativen gewollt sind, und auch prinzipiell, welche der Ziele z.B. von Elektrizität, Vielfalt, Wohlstand oder Frieden es unter welchen Umständen wert sind, angestrebt oder aufgegeben zu werden.

Diese Fragen können in vielfacher Hinsicht große Sprengkraft entwickeln. Und so präzise sich Naturwissenschaften schon der Beschreibung von Explosionen gewidmet haben bzw. widmen können, ist es nicht sympathisch abzusehen, was in sozialer wie kultureller Hinsicht zu verzeichnen wäre, nicht nur wenn sich große Teile der Bevölkerung der Utopie einer „guten Politik“ bewusst werden, sondern zu alle dem die Beherrschung dieser Illusion verlieren.

Der Diskursmensch

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