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2.1. Im Dschungel der Debatten

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Was das Verhalten der „betroffenen Bürger“, der Politiker wie das vieler Medienmacher angeht, so die hier formulierte Diagnose, treten oft schon am Rand dieses Wechselspiels Mängel auf, die dann nicht weniger oft zu einem Pseudo-Diskurs führen, der in Pöbeleien, Schuldzuweisungen und verhärteten Fronten enden muss. Sich auf diese Schauplätze zu begeben ist zumeist ein Zeichen dafür, dass demjenigen die sachlichen Argumente ausgegangen sind und sich zuviel Tradition, Ignoranz und Macht breitgemacht hat. Die authentische Absicht zur Aufklärung ist vielleicht nicht verloren, wird aber oft zu schnell geopfert. Eine Diskussion hat dann schon keine Chance auf Erfolg mehr.

Selbst die „gewöhnliche Unterhaltung“, die eigentlich nicht nur von fremden Meinungen, sondern auch von unterschiedlichen Sprachen und andersartigem Sprechen essenziell belebt wird, ist dann davon belastet. Doch soweit sollte man es vielleicht gar nicht kommen lassen, will sagen: einer politischen oder auch redaktionellen Entscheidung liegen auch zwischenmenschliche Handhabungen zu Grunde. Eben dieses zwischenmenschliche Restrisiko gilt es aber vernünftig zu beherrschen, wenn wir – beim Politisieren wie beim Berichten wie auch bei der Mündigwerdung – besagte Unverhältnismäßigkeiten mehr vermeiden wollen. Macht das alles komplizierter? Nun, nicht unbedingt; es sei eher gefragt: wie kompliziert wollen wir es denn haben?, und: welchen Preis sind wir bereit für unsere Antwort zu zahlen?

Sachlichkeit und Argumentationen, auch wenn das vermeintlich mehr Zeit und Mühe kostet, können – über den rationalen Erklärungsbeitrag hinaus – einem nicht nur das Gefühl von Gerechtigkeit, Authentizität und Ruhe bescheren, sondern auch den möglichen Missbrauch dieser Werte präziser offen legen. Dieses Tun allein sorgt nämlich schon dafür, die öffentliche Auffassung des Redners von Problem und Lösung recht deutlich veranschaulichen zu können. Damit wäre der Weg, selbstmächtig Politik zu betreiben, Idyllen zu bedienen und ernstlose Wahlversprechen abzugeben, zumindest erschwert. Soweit zum Prinzip, das im Kontext – über Parteienkalkül, Situationslogik und Schauspielkunst hinweg – immer wieder jede demokratische Gesinnung herausfordert. Politik aber sollte klarer entschieden mit einem aufgeklärten Menschenbild in Erscheinung treten, anstatt die stete Studie moderner Menschlichkeit bloß als theoretischen Anspruch der Kulturwissenschaften zu marginalisieren, und damit hinter der sog. Systemrelevanz einen Muster-Menschen mondän zu mystifizieren.

Sachlichkeit an sich schließt provokante Formulierungen, das Stammtisch-Zanken und die altbekannte Wahrhaftigkeit nicht aus, sondern steht schlicht für die andere Seite der Medaille. Beide Seiten unter einen Hut zu bringen, d.h. sachliche Darstellung und subjektive Meinung sozusagen koexistieren zu lassen, ist infolgedessen auch einer der Ansprüche, den wir Menschen uns selbst auferlegen und auch als Bürger unseren Rollenanforderungen des Politikers bezüglich von Tatsache und Bedeutung angedeihen lassen können.

Max Weber sagt in seinem „Objektivitätsaufsatz“ von 1904, dass es wichtig sei, „[…] den Lesern (und – sagen wir wiederum – vor allem sich selbst!) jederzeit deutlich zu machen, daß und wo der denkende Forscher aufhört und der wollende Mensch anfängt zu sprechen, wo die Argumente sich an den Verstand und wo sie sich an das Gefühl wenden.“4 Als Bewusstmachung zum Einstieg in eine Stellungnahme, erscheint das hervorragend geeignet.

Der Diskursmensch

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