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Der Kameramann

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Auf dem Heimweg von einer Ausstellung im Brandhorst Museum, die ganz Andy Warhol gewidmet war, setzte ich mich im Café Adria an einen Tisch, an dem schon ein älterer Mann saß. Ich legte eine Information über die Ausstellung auf den Tisch. Mein Nachbar warf einen Blick auf meine Information und sagte: „Ah Du warst bei Andy.“

Ich antwortete arrogant: „Kennen Sie Andy.“

„Ja“ antwortete er: „Ich war ein paar Jahre lang sein Kameramann.“

Ich schaute mir jetzt meinen Nachbarn genauer an. Er hat eine verwegene Kappe auf, die gut in einen späten Western passen würde und den Eindruck macht, dass er sie auch im Bett nicht abnimmt. Er hat wache helle Augen und ein Gesicht, das viel erlebt hat.

„Erzähle“, forderte ich ihn auf. „Das interessiert mich.“

„Ich war in New York und wusste nicht so recht was ich machen soll. Ich habe Drogen genommen und landete in der Fabrik von Warhol. Andy brauchte einen Kameramann, nachdem ich gerade da war, wurde ich sein Kameramann. Ich habe vier Jahre lang die Entstehung seiner Werke mit der Kamera dokumentiert und war auch in einigen seiner Filme der Kameramann.

Ich habe alle Sorten von Drogen genommen, die es damals gab, auch Heroin.

Eines Tages kam eine Frau in die Fabrik, zog einen Revolver und schoss Andy in den Bauch.

Das war das Ende der Fabrik. Ich machte eine Entziehung und studierte. Nach dem Studium arbeitete ich als Sozialarbeiter. Zuerst in New York, dann in LA und in Sidney

Und Du, wo auf der Welt warst Du schon?“

Ich wurde etwas verlegen, denn meine persönliche Kenntnis der weiten Welt ist sehr begrenzt.

Mein Nachbar bemerkte meine Verlegenheit und nahm mir die Antwort ab: „Du bist hier im Viertel geboren und warst schon mehrmals in Italien. Liege ich da richtig?“,

kleinlaut antwortete ich: „Ja so ungefähr.“

Ich treffe den Kameramann manchmal, wenn ich um den Kleinhesseloher See laufe. Er sitzt dort auf einer Bank in der Morgensonne. Er wohnt seit Jahren in einem Hotel in der Nähe. Er hat sich mit den Raben angefreundet. Manchmal sitzt ein grässlicher, aggressiver Rabe auf seiner Schulter. Er erzählt, dass der Rabe ihn von Hinten anfliegt und mit einem Flügel versucht ihm die Kappe vom Kopf zu stoßen, wenn er ihn zu füttern vergisst.

Wir plaudern immer ein bisschen. Ich sehe ihn auch öfter mit einer Dame in seinem Alter, die in einer Mode gekleidet ist, die lange zurückliegt.

Vor einem Jahr traf ich ihn. Er ging etwas sonderbar und machte einen verwirrten Eindruck. Ich sprach ihn an und fragte: „Was ist passiert.“

Er hatte gerötete Augen und sagte: „Meine Freundin ist auf der Straße umgefallen und gestorben.“

Ich hatte ihn leicht am Ärmel gefasst. Er machte sich los und ging mit unsicheren Schritten weiter.

Geschichten aus der Maxvorstadt

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