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Der Bäckerladen

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Der Leser wird mit mir darin übereinstimmen, daß ein Büstenhalter ein Kleidungsstück ist, dessen man sich nicht zu schämen braucht. Man sieht sie zu Hunderten in Kaufhäusern an Ständern hängen oder schön verpackt stapelweise in Regalen liegen – offen, gut sichtbar und nicht etwa unter der Theke. Man sieht sie in Schaufenstern von kleinen Weißwarenläden auf dem Lande oder in eleganten Auslagen von Dessousboutiquen in der Großstadt, ja, man sieht sie sogar auf dörflichen Marktständen an Stangen im Winde baumeln, in allen Größen, Weiten und Farben. Wäre Ihnen je beim Anschauen ein erotisches Gefühl aufgekommen oder ein anderes, dessen Sie sich gar schämen müßten? Und auch das Verführerische, oder gar Verruchte, das einem schmeichelnd in Farbkatalogen von Versandhäusern, auf Plakaten und im Werbefernsehen vorgeführt wird – vermag Sie das zu beeindrucken? Heute noch, in unserem Zeitalter? Doch wohl kaum. Es sei denn, Sie hätten gerade einen Bedarf oder suchten ein passendes Geschenk, zum Hochzeitstag zum Beispiel, oder zu Weihnachten, oder einfach nur so. Und wer, frage ich Sie, wer hätte dann eine Scheu, mit einem neuerworbenen Büstenhalter, im Volksmund einfach BHs genannt, offen zur Kasse zu gehen, um den Kaufpreis zu entrichten?

Warum schreibe ich das eigentlich, werden Sie mich zu Recht fragen. Warum beschäftigt mich ein so banaler Einkaufsvorgang, der sich tagtäglich tausendfach überall auf der Welt vollzieht? Vielleicht liegt es daran, daß neuerdings auch Büstenhalter zum Angebot unserer Bäckerei von nebenan gehören, neben Hefeschnecken, Berliner Ballen und Oberhessischem Landbrot. Dazu noch zu einem außerordentlich günstigen Preis, wie mir schien. Einem Schnäppchenpreis eben, den man sich nicht entgehen lassen darf.

Während ich mir schlicht, da in einem Bäckerladen, ein Brot einpacken ließ, griff eine Dame, gutaussehend, elegant, eine mit Ausstrahlung, ein harmloses BH-Päckchen aus dem Regal. Mit sicherem Blick die passende Größe erkennend, scheu um sich sehend, steckte sie es in ihren Einkaufskorb. Nicht, um etwa ohne zu zahlen zu verschwinden, was man vielleicht zuerst denken könnte. Aber bewahre, welche Dame tut so etwas schon, korrigiert man sich dann sehr schnell. Nein, ich begriff, sie tat das, um dieses Päckchen mit dem BH vor aller Augen verborgen zur Theke zu tragen, dieses Intimteil eben vor den rohen Blicken der Brot kaufenden Umstehenden zu schützen. Dort jedoch mußte sie, gezwungenermaßen, voller Scham, mit aufkommender Röte, ihren Erwerb offen vorweisen, da sich eben nichts in unserer modernen Welt ohne elektronische Hilfe abwickeln läßt. Beim Scanner an der Kasse also bekannte sie Farbe und sich zu ihrem Kaufentschluß. Leise, nur für die Ohren der biederen Bäckersfrau bestimmt, erkundigte sie sich nach den Bedingungen für einen eventuellen Umtausch, ehe sie bar bezahlte und das gekaufte Stück wieder in ihrem Einkaufskorb verschwinden ließ. Spaßhaft könnte man in diesem Zusammenhang auch von einem Körbchen sprechen, nur will ich mir das hier verkneifen. Ohne noch nach links oder rechts zu sehen, verließ sie, einen Gruß murmelnd, den Bäckerladen. Hastig, fast fluchtartig, möchte ich sagen.

Demnächst werde ich mal in unsere Metzgerei schauen. Nur um zu sehen, was die außer Fleisch und Wurst noch so alles zu Schnäppchenpreisen im Angebot haben. Man kann ja nicht wissen. Vielleicht treffe ich dann die Dame mit Ausstrahlung erneut. Mit ihrem Einkaufskorb.


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