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Nur ein flexibler Schlauch.

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Sie kennen doch einen Whirlpool? Oder haben schon von der Annehmlichkeit gehört, sich in einer Badewanne von tausend Luftbläschen, die aus feinen Düsen im Wannenboden emporsteigen, massieren und verwöhnen zu lassen? Zugegeben, das klingt nach Luxus. Wir haben ihn uns geleistet. Wie sagt der Volksmund so treffend: Man gönnt sich ja sonst nichts. Vor 10 Jahren etwa montierte uns ein Badspezialist solch eine Anlage ein. Ein kräftig arbeitender Motor saugt genügend Luft an und bläst sie zur Wonne und zum Wohle des in der Wanne Liegenden durch einen flexiblen Schlauch in die Düsen. Und das nicht nur zu unserem Wohle. Auch unsere Hausmitbewohner erleben jedes Mal unser harmloses Badevergnügen und freuen sich ob des Lärms, den dieses technische Gerät je nach gewünschtem Blaseffekt verursacht. Jetzt aber war der Schlauch defekt. Brüchig, rissig. Die Luft gelangte überallhin, nur nicht mehr in die Düsen. Aus mit dem Badespaß. Irritationen bei denen unter uns.

Ich habe zum Glück noch die Rechnung unseres Badspezialisten von damals. Wähle die angegebene Frankfurter Nummer. “Kein Anschluß unter dieser Nummer.“ Wer kennt sie nicht, diese tonlose Stimme. Die Telekom-Auskunft “von Mensch zu Mensch“, die Hilfe und Beratung und sonst noch allerlei verspricht, kann ihr Versprechen nicht einlösen.

Die Rechnung nennt im Kleingedruckten auch die Telefonnummer der Zentrale in Düsseldorf. „Guten Tag. Was kann ich für sie tun?“ „Bitte die Nummer Ihrer Frankfurter Niederlassung.“ Stille. Dann: „Einen Moment bitte.“ Drei Minuten unterhält mich flotte Filmmusik aus den 50erJahren. Endlich: “Wir haben keine Niederlassung in Frankfurt.“ „Aber Sie haben einen Geschäftsführer!“ „Ja, um was geht es bitte?“ „Dann setzen Sie sich mit unserer Niederlassung in Königstein in Verbindung.“

„Guten Tag, Was kann ich für Sie tun?“ fragt mich diesmal eine freundliche Dame, die, wie sich nach weiterem langen Gespräch herausstellt, ganz in unserer Nähe wohnt. Sie zeigt volles Verständnis für mein Anliegen, notiert brav unsere Telefonnummer und mein Begehr und kündigt einen Rückruf von Frau Dr. Müller-Lauenberger, der Chefin, an. Donnerwetter, sage ich zu mir voller Hochachtung. Ein beachtliches Mittelstandsunternehmen unter akademischer Leitung. Toll!

Ich warte einen Tag, zwei ... schließlich versuche ich es noch einmal (um das schon hier gleich zu sagen, es sollte nicht das letzte Mal sein) “Guten Tag, was kann ich für Sie ... usw usw“ „Frau Dr. wollte mich doch schon vor einer Woche zurückrufen...“, „Das tut mir aber leid, hat sie sich denn nicht gemeldet (nein, rückgerufen hat sie gesagt)? Sie ist in dieser Sekunde aus dem Haus, Moment, vielleicht erreiche ich sie noch.“ Sie war schon weg, auf dem Weg zu neuen Kunden. Alte können es nach meiner bisherigen Erfahrung sicher nicht gewesen sein - die gibt es nicht mehr.

Ich warte einen Tag, zwei ... fünf Tage. Ich versuch es wieder mit meiner freundlichen Nachbarin, mit der aus dem Dorf nebenan. Wir plaudern über dies und das, über den Stand der Obsternte, das letzte Feuerwehrfest, zwischendurch, immer das Ziel im Auge, frage ich auch nach einem kompetenten Monteur. „Hat Frau Dr. denn noch nicht angerufen?“ „Nein, hat sie nicht, die Frau Dr.“ „Verstehe ich nicht, ist doch sonst die Pünktlichkeit in Person, die Frau Dr. Ich lege aber noch einmal einen Zettel hin.“

Dieser Zettel hat seine Wirkung getan. Ich spreche mit Frau Dr. Müller, die mir erklärt, daß sie über keinen Monteur verfüge, der Whirlpools reparieren könne, daß im Übrigen die Herstellerfirma verkauft worden sei und es Ersatzteile nicht mehr gäbe, daß ich die Düsen gefälligst selbst herausschrauben und durchblasen soll, daß für den Motor, sollte er nicht funktionieren, ein örtlicher Elektriker der richtige sei. „Nein, Frau Dr. Müller-Lauenberger, nein, nicht die Düsen sind es, nicht der Motor, der Schlauch ist defekt.“ Ehe ich das letzte Wort gesprochen hatte, war Frau Dr. bereits auf dem Weg zu einem neuen Kunden, vermutlich zu einem, der einen Whirlpool eingebaut haben wollte.

Empört schicke ich ein Fax an die in Düsseldorf, mit so strengen Worten wie „ Service“ und „Kundendienst“ und „Freund- und Pünktlichkeit“. Meine Trompetenstöße haben gewirkt. Die faxen zurück und nennen mir die Anschrift einer Firma in Bochum, die den Whirlpool Hersteller aufgekauft haben soll. „Guten Tag, was kann ich für...usw. usw..?“ „Da sind Sie aber ganz falsch. Diese Firma gibt es nicht mehr. Wir haben sie übernommen und die Whirlpool-Abteilung verkauft. Rufen Sie wegen des Schlauchs doch die Firma.......ich lege auf und telefoniere wieder mit Düsseldorf.

„Ach, die in Bochum gibt es nicht mehr? Das kann doch nicht sein. Entschuldigen Sie. Aber so sind die Zeiten heute. Sie wissen ja, Globalisierung, Euro, Teilzeit. Auf nichts ist mehr Verlaß. Ich melde mich wieder,“ sagt er und legt auf. Hoffentlich, denke ich. Er tut’s, tatsächlich und nennt mir einen freundlichen Herrn, der angeblich in der Lage sein soll, einen passenden Schlauch zu schicken. Per Nachnahme. Er ist noch nicht eingetroffen. Es sind ja auch erst acht Tage vergangen seit dem letzten Auflegen. Ich weiß nicht, ob er noch kommt.

Wenn man verzweifelt ist und Hilfe dringend braucht, dann hat man das Bedürfnis, sich anderen anzuvertrauen. Man redet über seinen Kummer und tauscht Erfahrungen mit Nachbarn und Freunden. “Ruf doch mal unseren Sanitärklempner hier im Ort an, der kann vielleicht helfen.“ „Der, ausgerechnet der soll das können, was Frau Dr. Müller-Lauenberger und ihr gesamtes Fachteam bis hin ins ferne Nordrhein-Westfalen nicht vermag? Aber warum nicht, versuchen kann man es ja mal.“ Wir kennen doch unseren Sanitärspezialisten! Da muß schon ein Rohrbruch gemeldet werden, um ihn schnell aus seinem in unser Haus zu kriegen. Diesmal aber ging’s flotter. Nach mehrmaligen Umschaltungen mit dezenter Wartemusik und mehrmaligen Erklärungen unseres Schlauchproblems nahm sich der Chef energisch der Sache an. Vielleicht reizte ihn diese technische Schlauchmontage. Er entsandte Herrn Meier, ja, schlicht Meier, zur Ortsbesichtigung. “Oh“, sagte der, „das ist ein Problem, nicht einfach. Oder warten Sie mal, ich hab’s, schneiden wir doch einfach das schadhafte Schlauchstück heraus und fügen die beiden Enden zusammen. Lang genug ist der Schlauch ja.“

Ist Ihnen so etwas auch schon einmal passiert? Haben Sie solche Erfahrungen auch schon gemacht? Man fährt weit ins Land, in die nächste Stadt vielleicht, um etwas zu erstehen, was es mit Sicherheit im engen Umkreis nicht geben kann. Es gibt’s eben nicht, Punktum. Und fährt und fährt weite Strecken, versucht es hier und da - und dann, dann bleibt man in unserer Nebenstraße vor einem kleinen Schaufenster stehen und der Blick fällt genau auf das lang Gesuchte. Denken Sie doch nur an Ihre letzte Operation, so Sie eine solche hinter sich haben sollten - was Gott verhüte. In welchem Krankenhaus sind Sie gelandet? In dem etwa, das Sie von Ihrer Wohnung aus sehen und gut erreichen können? Nein, beileibe nicht - weit weg sind Sie gefahren, weil Ihnen das Naheliegende doch zu simpel erschien.

Der Whirlpool funktioniert wieder. Mit Hilfe unseres Sanitärklempners, hier nebenan, nur zwei Häuser weiter.


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