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Konsumentenverwirrung

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Fragt sich nur, ob dann, auch bei Erwachsenen, der einem zugegebenermaßen schon seit der Aufklärung innewohnende ständige Drang nach Mehr noch als sinnvoll erlebt wird. Das darf vor allem dann hinterfragt werden, wenn wie in diesem 21. Jahrhundert das „Mehr“ in immer kürzeren Abständen erlebt werden soll. Der Soziologe Peter Gross spricht schon 1994 von der „Consumer Confusion“, einer Konsumentenverwirrung, die man heute im 21. Jahrhundert durch sehr spezielle Marketingmethoden zu verkleinern versucht. Werbesprüche, die nicht nur ins Auge stechen, sondern auch gleich jene Hirnareale ansprechen sollen, die vorher bei Testpersonen in Magnetresonanzröhren oder anderen medizinischen Hochleistungsgeräten getestet worden sind. Die Werbebranche überlässt diesbezüglich nichts mehr dem Zufall. Jeder Werbespruch ist genau durchdacht und soll exakt unser Belohnungssystem im Gehirn treffen.

Und dennoch geht die Schere zwischen der Lust auf Neues und dadurch Befriedigung erlangen immer weiter auf. Schon allein deshalb, weil die Vielfalt technischer Geräte nicht mehr bedient werden kann. Wobei die Handhabung ohnehin immer mehr in den Hintergrund tritt. Die „Habung“ genügt. Das aktuelle Smartphone des Jahres zu haben, ist mit Sicherheit für viele schon wichtiger geworden, als es in seiner Komplexität zu bedienen, geschweige denn verstehen zu wollen.

„Das Mobiltelefon ist eine Art Haltegriff der kommunikativen Vergewisserung in der modernen Welt“4, formulierte es Gross 2006. Aber wird dieser Haltegriff auch als sinnvoll erlebt? Interessanterweise findet sich in dem Wort Vergewisserung auch das Wort „Gewissen“ eingebettet. Man darf also fragen, welche Rolle das schlechte Gewissen spielt, wenn der Smartphone-Besitzer nicht „on“ ist. Alle sieben bis acht Minuten, Tendenz von Jahr zu Jahr sinkend, starren wir mitten in einem Gespräch mit einem real vor uns sitzenden oder stehenden Menschen oder während einer anderen Tätigkeit plötzlich auf unser kleines teures Mobiltelefon, ob auf einem der mindestens vier bis sechs Kanäle etwas Neues gekommen ist. SMS, E-Mail, WhatsApp, Signal, Wire und mindestens einem Sozialen Medium (Facebook, Twitter, Instagram, Snapchat, TikTok – was auch immer). In Büros ist es in der Zwischenzeit ohnehin üblich geworden, alle Kommunikationsebenen gleichzeitig geöffnet vor sich zu haben, zu Sitzungen kommt das Smartphone natürlich mit. Die Zahl derer, die nicht mehr fernsehen, ohne gleichzeitig das Smartphone zu bedienen, steigt übrigens dramatisch an. Und wissen Sie, wie oft Jugendliche mittlerweile mit ihren Augenpaaren zwischen den beiden Medien hin und her wechseln? Im Schnitt alle 15 Sekunden.

Kommunikation 2020 – wirklich ein Haltegriff? Oder doch eher nachhechelnde Gewissensberuhigung?

Selbstverständlich ist nichts mehr

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