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4.Der Zusammenhang von Staatsverfassung, Wirtschaftsverfassung und Arbeitsrechtsordnung
Оглавление8Das Grundgesetz prägt durch zahlreiche Einzelbestimmungen, vor allem durch die Grundrechte aus den Art. 1, 2, 3, 4, 5, 9 Abs. 3, 12, 14 und 15 GG, in einem verfassungsrechtlichen Ordnungsrahmen die Arbeitsrechtsordnung vor. Die Verfassungsgarantien aus Art. 9 Abs. 3 GG wirken auf das Arbeitsrecht und die gesamte Privatrechtsordnung ein (positive und negative Koalitionsfreiheit, Daseins- und Betätigungsrecht der sozialen Koalitionen, Einrichtungsgarantien der Tarifautonomie und des Arbeitskampfes). Die übrigen genannten Grundrechte haben eine mittelbare Drittwirkung über die Generalklauseln des Zivilrechts (§§ 138, 157, 242, 826 BGB). Die Auffassung, dass die Grundrechte mit Ausnahme von Art. 9 Abs. 3 GG im Privatrecht nur „mittelbar“ im Sinne einer objektiven Wertordnung wirken, hat sich auch im Arbeitsrecht durchgesetzt (BAG (GS) NZA 1985, 702; 1986, 643). Zur Bindung der arbeitsrechtlichen Normsetzer (insbesondere der Tarifparteien) an die Grundrechte vgl. Rdnr. 120, 659.
9Zwischen dem Arbeitsrecht und der Wirtschaftsordnung besteht ein unlösbarer Zusammenhang (vgl. dazu Zöllner, NJW 1990, 1). Das Arbeitsrecht kann in seinen umfassenden Steuerungsaufgaben nur als Baustein und Teilbereich der jeweiligen „Wirtschaftsverfassung“ verstanden werden. Unter Wirtschaftsverfassung ist die Summe aller Normen (nicht nur der verfassungsrechtlichen) zu verstehen, welche den Einsatz der Produktionsmittel und die Verteilung der im Wirtschaftsprozess erzeugten Güter regeln (so Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 1 II). Der fundamentale Zusammenhang zwischen Staatsverfassung, Arbeits- und Wirtschaftsverfassung wird in den meisten Lehrbüchern des Arbeitsrechts nicht oder nur am Rande erwähnt. Das geht auf die Fortschreibung eines alten Missverständnisses in der Rspr. des BVerfG zurück. Das Gericht stellte in seiner Entscheidung zum Investitionshilfegesetz (BVerfGE 4, 7, 17 f.) die These auf, das Grundgesetz sei „wirtschaftspolitisch neutral“. Im Mitbestimmungsurteil wurde diese Aussage bekräftigt (BVerfGE 50, 290, 336 f.). Der Irrtum ist offensichtlich. Das Grundgesetz garantiert in Art. 9 Abs. 3 die staatsfreie Tarifautonomie (und zwar nicht nur deren Kernbereich!) und (als Hilfsinstrument derselben) die Arbeitskampffreiheit. Staatsfreie Tarifautonomie und Arbeitskampffreiheit gibt es aber nur in marktwirtschaftlichen Ordnungen (Rüthers, Arbeitsrecht und politisches System, 1973, S. 16 f.).
10In der Bundesrepublik ist das Arbeitsrecht ein Grundpfeiler der Wirtschaftsordnung, die als „soziale Marktwirtschaft“ ausgestaltet ist. Damit ist eine Ordnung gemeint, in der die Kräfte des Marktes sich nicht völlig frei und unkontrolliert entfalten können, sondern in welcher der Staat („Sozialstaat“ Art. 20 Abs. 1; 28 Abs. 1 GG) Rahmenbedingungen und Grenzen der marktwirtschaftlich zu treffenden („privaten“) Entscheidungen festlegt, um so die sozialen Folgewirkungen des freien Marktes zu berücksichtigen und verträglich zu gestalten.