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6.Arbeitsrecht und Rechtspolitik

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15Aus den geschilderten Verknüpfungen des Arbeitsrechts mit der jeweiligen Staats- und Wirtschaftsordnung folgt, dass es für diese Rechtsdisziplin keinen fertigen Endzustand geben kann. Es ist niemals „abgeschlossen“, sondern wird von den zuständigen Normsetzern (Gesetzgebung, Tarif- und Betriebsparteien, Arbeitsgerichtsbarkeit) fortlaufend den sich wandelnden technischen und ökonomischen Fakten sowie den wechselnden gesellschaftlichen und politischen Zielen („Sozialidealen“) angepasst.

Daraus erklärt sich, dass der permanente, nicht selten mit politischer Leidenschaft geführte „Kampf ums Recht“ (Jhering, Der Kampf um’s Recht, 20. Aufl., 1921) im Arbeitsrecht seit jeher eine besondere Aktualität hat, verursacht durch sehr unterschiedliche materielle Interessen und weltanschauliche Vorverständnisse der Arbeitsmarktparteien. Es gibt kein wertfreies oder weltanschauungsfreies Arbeitsrecht.

16Die Besonderheit der Rechtspolitik im Arbeitsrecht besteht darin, dass sie im Vergleich zu anderen Rechtsdisziplinen in einem außergewöhnlichen Umfang von der Arbeitsgerichtsbarkeit geleistet wird. Das BAG wie auch die Landesarbeitsgerichte werden dadurch, dass wichtige Materien überhaupt nicht gesetzlich geregelt sind (Arbeitnehmerhaftung, Koalitionsrecht, Arbeitskampfrecht) und dass das vorhandene Gesetzesrecht oft veraltet, widersprüchlich und von Generalklauseln durchsetzt ist, zu den „eigentlichen Herren des Arbeitsrechts“ (Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 388). Aus Dienern des Gesetzes sind einflussreiche Gestalter der Arbeitsrechtsordnung – mit gelegentlich schwankenden Regelungszielen und -ergebnissen – geworden (zum Selbstverständnis des BAG als Ersatzgesetzgeber, wenn die Gesetzgebung untätig bleibt, vgl. für das Arbeitskampfrecht BAG (GS) AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = RdA 1971, 185; BAG AP Nr. 64 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; NZA 1984, 393; 1988, 846). Kritisiert wird diese Machtposition, wenn veränderte Vorstellungen zur Rechtspolitik entgegen der Rspr. des Großen Senats unter Verletzung der Vorlagepflicht (§ 45 Abs. 2, 4 ArbGG) durchgesetzt werden, so etwa, wenn der „ultima-ratio“-Grundsatz und die Kampfparität im Arbeitskampfrecht nahezu vollständig liquidiert werden (BAG NZA 1988, 846; BAG JZ 2010, 254 m. Anm. Rüthers/Höpfner; kritisch dazu Henssler, Festschrift Wank, 2014, S. 136, 148).

17Die von den politischen Parteien betriebene Politisierung der Arbeitsgerichtsbarkeit – nicht zuletzt bei der Besetzung wichtiger Richterstellen – wird durch die in vielen Bundesländern anzutreffende Ressortierung der Arbeitsgerichte außerhalb der Justiz- oder Rechtspflegeministerien und die Normsetzungsfreude der letztinstanzlich entscheidenden Gerichte maßgeblich gefördert (vgl. auch Rdnr. 20 ff.).

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