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3. Vom Grüssen
ОглавлениеDer militärische Gruss ist's, der von allen soldatischen Sitten, Gebräuchen und Verrichtungen auch von Nichtkennern der Armee sogleich als militärisch erkannt wird – sogar dann, wenn der Grüssende in Zivil steckt und bloss zum Jux salutiert.
Nur wenige kennen jedoch den Ursprung dieser merkwürdigen Grussgebärde. Es handelt sich, wie so vieles, um ein Relikt aus dem Mittelalter: Die Fingerspitzen der ausgestreckten Hand, grüssend zur rechten Schläfe geführt, ahmen pantomimisch den Ritter nach, der auf der Landstrasse einem anderen Ritter begegnet. Die Höflichkeit gebot, dass sich die beiden Eisengepanzerten beim Grüssen ins Gesicht sahen; dazu war es nötig, das Helmvisier hochzuklappen. Die Ritterhelme sind längst aus der Mode gekommen; die Handbewegung aber, mit der das imaginäre Visier noch immer hochgeklappt wird, ist geblieben.
Ein verwandter Bewegungsablauf ist zuweilen bei älteren Herren zu beobachten, die früher Hut trugen und diesen beim Gruss seinerzeit leicht zu lüften pflegten. Heute sind besagte Herren meist ohne Hut unterwegs; begegnen sie jemandem, begleiten sie ihren mündlichen Gruss aber noch immer mit einer mechanischen Gebärde, die das Lüften des – nicht mehr vorhandenen – Hutes andeutet.
Selbstverständlich ist militärisches Grüssen das erste, was wir in der Rekrutenschule zu lernen haben. Die Unteroffiziere und Offiziere bringen uns die ritterliche Grussgebärde unter Aufbietung all ihres pädagogischen Geschicks bei und bestrafen jene, die den militärischen Gruss nachlässig behandeln oder gar glauben missachten zu können, mit stupide ausgeklügelten Strafen (zehnmal grüssen und dergleichen mehr).
Wir lernen auch, dass es Sonderfälle gibt. Ein militärischer Fahrzeuglenker zum Beispiel grüsst nicht mit angelegter Hand; auch in der Armee gehören aus Sicherheitsgründen beide Hände ans Steuer. Hierzu heisst es in der Grundschulung (GS), Nachdruck vom Dezember 1981, unter Ziffer 21, besondere Fälle, erstens, Gruss des Fahrzeugführers und Radfahrers:
a.) Lenkrad bzw. Lenkstange beidhändig halten;
b.) Oberkörper aufrichten;
c.) geradeaus schauen;
d.) nach der Vorbeifahrt am Ranghöheren die ursprüngliche Haltung wieder einnehmen.
"Das ist fein ausgedacht", sagt Rekrut Jenni. "Stellt euch mal vor, da steht so ein Hoher am Wegrand und will sehen, wie der Fahrer ihn grüsst. Angenommen, es ist ein Fahrer, der stets gerade aufgerichtet am Steuer sitzt. Er sieht nun den Oberst und strafft sich zum Gruss, muss aber davon ausgehen, dass der Oberst nicht unbedingt merkt, dass er gegrüsst wird, weil er, der Fahrer, sich wegen seiner angeborenen aufrechten Haltung kaum noch zusätzlich hat aufrichten können; also muss er den Mangel ausgleichen, indem er nach erfolgtem Gruss theatralisch zusammensackt, damit der Hohe sieht: Aha, Ende Gruss, ich bin also gegrüsst worden."