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5. Zugschule

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Nach dem Antrittsverlesen steht jeden Morgen unfehlbar Zugschule auf dem Programm, das heisst, wir lernen unter dem Kommando unseres kernigen Leutnants, uns der Grösse nach auf ein Glied zu besammeln (auf ein "Glied", das gibt immer wieder zu Witzeleien Anlass), oder in Zweierkolonne, in Viererkolonne, in Kolonnenlinie und im Halbkreis, der sogenannten "Daher-Formation".

Nach den Besammlungsübungen kommt Marschieren im Gleichschritt an die Reihe, mit Richtungsänderungen und Anschritten. "Einmal – Richtung – links!", dröhnt der Leutnant zum Beispiel, wenn er einen rechtwinkligen Richtungswechsel sehen will, oder aber "Zwomal – Richtung – rechts!", wenn wir um 180 Grad wenden sollen. Er bellt im Takt des Gleichschritts, und unsere sogenannten Anschritte, die in Form von Stechschritten jeden vollzogenen Richtungswechsel sowohl optisch als auch akustisch markieren, müssen knallen, die Glieder stets sauber ausgerichtet bleiben. Manchmal verstehen wir, obwohl – oder vielleicht gerade – weil er brüllt, unseren Leutnant schlecht; so kann es vorkommen, dass die Hälfte der Rekruten das Kommando "röchts" als "lönks" interpretiert, worauf sich der Zug zu einem marschierenden Chaos zergliedert.

Das Beste aber sind die Reaktionsübungen, die den Besammlungsübungen und dem Marschieren vorangehen. Diese Übungen stammen zweifellos aus der Zeit, als die Schweizer Armee noch vom preussischen Vorbild geprägt war; sie zielen darauf ab, den Mann durch pausen- und sinnloses Umherhetzen auf dem Kasernenplatz zu "schleifen", das heisst, der Armee gefügig zu machen. Unsere Vorgesetzten drücken sich allerdings anders aus. "Es geht darum, euch frisch und munter zu machen, und ihr könnt dabei zeigen, dass ihr spritzige Kerls seid."

Wenn der Leutnant kommandiert: "Zurücktreten – marsch!", müssen wir synchron in den Knien zusammenzucken, eine halbe Drehung vollführen und nach hinten rennen, was das Zeug hält, bis der Leutnant schreit: "Halt!" Worauf wir wiederum eine halbe Pirouette zu vollziehen und, Front Richtung Leutnant, bockstill in der Ruhnstellung verharrend das nächste Kommando zu erwarten haben.

"Nach links treten – marsch!"

"Halt!"

"Zug – daher!"

"Zurücktreten – marsch!"

"Halt!"

Ganz und gar nicht befriedigt den Leutnant fast jeden Morgen unser lustloses und nur angedeutetes Kniezucken.

"Ich will sehen, dass ihr zuckt", sagt er mit tiefer, röhrender Stimme. "Ich zeige es euch." Er kommandiert sich selber "Marsch!" und zuckt daraufhin, die Füsse im klassischen 60-Grad-Winkel abgedreht, die Beine stämmig gegrätscht, tief in die Knie.

"So will ich das sehen. Nach links treten…" Der Leutnant wartet lauernd, ob sich einer aus Versehen vorzeitig regt, wartet, wartet, dann, unvermittelt: "Marsch!"

Wir zucken, rennen.

"Halt!"

Wir halten.

"Ihr habt noch viel zu wenig gezuckt", sagt der Leutnant. "Ich will vor allem euer Zucken sehen. Es ist egal, wenn ihr nicht allzu schnell rennt; wichtig ist mir das Zucken. Am Zucken sehe ich, dass ihr voll da seid."

Der Leutnant spannt sich, holt Luft.

"Nach rechts treten – marsch!"

Wir zucken, vollführen eine Vierteldrehung, rennen.

"Halt!"

Zwanzig Schuhpaare knallen auf dem Asphalt.

"Nach links treten – marsch!"

Zuck.

"Halt!"

Schuheknallen.

"Zug – daher!"

Zuck.

Tacktacktack.

"Nach rechts treten…" Ein prüfender Blick in die Runde. Alle stehen bockstill. Anspannung in den Beinmuskeln. Gleich muss es kommen… gleich…

"Marsch!" Es tönt wie "Arsch".

Zuck.

Draussen am Gitter stehen ein paar zivile Zuschauer und schütteln den Kopf. Hier, im Welschland, hat man für soldatischen Drill wenig übrig. Würde sich dasselbe in der martialischen Innerschweiz abspielen – uns würde bestimmt beifälliger Applaus umbranden, und man würde uns anschliessend einen Kaffee mit Schnaps spendieren.

Halt oder ich scheisse!

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