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Polyamory

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So musste das ramponierte Ego abwarten und verfiel entgegen allen Vorsätzen wieder einmal in solch nutzlose Gedankenspiele, ob denn nun die Starkatze dem Beautykätzchen vorzuziehen sei. Die beiden Prachtexemplare stritten sich zwar nicht, weil sich nie ihre Wege gekreuzt hatten. Dennoch bestätigte sich mal wieder die infame Regel, dass wenn zwei sich streiten, eine lachende Dritte auftaucht. Die Quatschmühle schrillte auf und das nicht in Vergessenheit geratene Geheul einer oder DER Löwin ließ sich zwischen anderen unklaren Geräuschen vernehmen. Sie sei aus der Savanne zurückgekehrt und wolle in einer Stunde kommen. Das neugierige Ego vereinbarte zwei Stunden, ihre Majestät das Raubtier kam nach drei Stunden.

Welch sumpfiges Land ist die Kommunikation! Katzen bewegen sich in ihm mit vorsichtigen Pfoten, doch das dumme Ego versinkt nur allzu leicht im Schlamm. Dass beim Rückzug in die Savanne wochen­lang keinerlei Rauchzeichen zu sehen gewesen war, wurde mit einem Pfotenstrich aus dem Bewusstsein verbannt, während das schwache Ego es nicht sein lassen konnte, vom Beautykätzchen zu plaudern, die Starkatze aber schlicht und einfach auszublenden. Die Löwin leckte die überflüssigen Worte mit scharfer Zunge. Auf die dumme Frage hin, ob sie das Beauty­kätzchen respektieren wolle, brüllte sie zunächst mit wildem Mähnenschwung ihren ablehnenden Stolz hinaus, machte dann aber bald eine unerwartete Kehrtwendung, indem sie die Pfoten schein­bar friedlich streckte. Ja, warum nicht gemeinsam wie Dali's Löwe am abstrakten Meeresstrand promenieren?

Und wieder bimmelte die Quatschmühle. Das nichts ahnende Beautykätzchen wollte in dieser Situa­tion mal wieder sofort-sofort kommen. Wegen der fauchenden Geräusche der Löwin versuchte das Ego genauso wie einst jene selber in ihrer scheinbar offenen, doch tatsächlich auf strikter Geheim­haltung bedach­ten Art den Stillen Ort für verschwiegenes Gespräch zu nutzen, doch leicht­sinnigerweise, ohne die Tür fest zu ver­schließen. Kaum waren wenige Worte gewechselt, da stürmte das fauchende Raubtier herein und machte auf seine emanzipierte weibliche Anwesenheit aufmerk­sam. Die böse Absicht, das Beauty­kätz­chen am anderen Ende des Äthers zu verscheuchen, gelang ihr schnell. Doch genauso schnell wurde sie aus der Bohème heraus­ gejagt, ohne irgend­welches Futter zwischen die Zähne bekommen zu haben.

Das sicher nicht unschuldige Ego saß nun zwischen allen Stühlen. Das Beautykätzchen bremste in üblicher Manier den Schwung seiner Quatschmühle. Ein müder Versuch der Löwin mit eben dem­ selben Gerät versiegte im Meer einer niedrigen Klangqualität. Verordnete Ruhe oder auf der Mauer, auf der Lauer? Ging es nicht ohne ein Objekt der Begierde oder war erneut Meditation angesagt? Die nicht anerkannte Seele lechzte nach Massage, welche in scheinbar perfekter Form mit orange­nem T-Shirt in begrenzter Form angeboten wurde. Kam es dabei auf Oi-L an? Diese Frage mutete fast transzendental an und ließ sich offensichtlich nicht in Raum und Zeit lösen. Oder war die Star­katze gar nicht so stromlinienförmig und verweigerte die Verdauung von Raum und Zeit nur wegen zu guter Erziehung? Ging es wieder um Kommunikation im schwer durchquerbaren Sumpf?

Ein regelrechtes oder, besser gesagt, regelloses Katzen-Durcheinander schien sich anzubahnen. Verließ das Ego zu weit die ungeschriebenen Regeln der gar nicht immer so geselligen Gesell­schaft? Dass das sogar Absicht oder zumindest gerne akzeptierbar war, wurde am nächsten Tag schnell deutlich, aber wohlweislich verheimlicht. Zu guter Mittagszeit ließ sich Löwengeheul vor der Schutz gewährenden Stahltür der scheinbar so idyllischen Bohème unter dem Mangobaum vernehmen. Waren es brünstige Töne der Löwin oder ein hungriges Aufheulen oder gab es eine dritte Möglichkeit? Diese kam dem wenig Geldbewusstsein besitzenden Ego nicht in den in dieser Hinsicht mangelhaft entwickelten Sinn. Um Hunger handelte es sich ebenso wenig. So erhielt die Brunst nicht nur freien Lauf, sondern wurde auch noch durch wenig kulinarischen Genuss einer kleinen Kleinigkeit offen gefördert und brachte nach einer Stunde viel Lust, aber wenig Orgasmus zum Vorschein.

Für ihr Geheul hatte sie eine ganz andere Erklärung, mal wieder eine ganz andere, ohne dass das dumme Ego merkte, dass es immer wieder dieselbe war. Ihr vor kurzem operierter jetzt noch einzi­ger Sohn, nachdem der andere vor nicht langer Zeit alkoholisiert bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war, hatte, wie sie unter Tränen sagte, nach zu früher Wiederaufnahme der Arbeit einen Schock erlitten. Sie wollte ihm so schnell wie möglich zur Hilfe eilen und brauchte wie üblich Kohle. Es entspann sich wieder einmal eine schon wohlbekannte Diskussion um die Kommuni­ka­tion mit Löwen bei deren Rückzug in die Savanne. Die Zusicherung, dass Besserung erfolgen werde, wurde gut entlohnt. Sie trollte zufrieden davon.

Dem Ego blieb zu wenig Zeit, sich bewusst zu machen, dass vermutlich besagte Besserung ein Wolken­kuckuckskind blieb. Denn schon eine Viertelstunde später miaute in scheinbar geziem­licherer Art das Beautykätzchen vor jenem grauen Stahltor. Wow, welche jugendliche Schönheit! Die sprachlichen Schwierigkeiten, sie zu verstehen, wurden überdeckt von der offensichtlichen Fähigkeit zum inversen Verständnis. Dank dem bereits erfolgten Genuss jener Kleinigkeit bot sich sehr schnell Gelegenheit zum Genuss von Lust, diesmal mit vollem eigenen Orgasmus. Das schöne Kätzchen ließ sich auch gehen, doch spürbar mit etwas weniger Erregung als zuvor, und ohne deut­lichen Orgasmus. Aber wen interessieren schon die Orgasmen von anderen Leuten?! Die Löwin verschwand übrigens von der Bildfläche. Mit diesem populären Ausdruck ist gemeint, dass es in diesem durch vier Wände beschränkten Raum in der eigenen knappen menschlichen Zeit zumindest lange keine Wechselwirkung mehr gab. Nur was heißt schon “lange”?

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