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Die Katzenwelt

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Ein an dieser Stelle von - seiner Ansicht nach - ungebührlicher Darstellung von vorwiegend sexuell erscheinenden Erlebnissen genervter Leser verliert vielleicht folgenden wichtig erscheinen­den Kontext aus den Augen. Diese “Abenteuer” sind keine Fiktion, sondern geschahen wirklich, eben in Zusammen­hang mit jener mög­licherweise abstrus erscheinenden Abenteuer-Philosophie, ein wenig à la Homer, im Rahmen eines nicht gerade durch­schnitt­lichen privaten und auch öffent­lichen Lebens. Bis auf die Unkenntlichmachung der Orte und Akteure des privaten Teils handelt es sich trotz animalischer Verfremdung, welche auch mögliche “sinnvolle Rückentwicklung” anreißen mag, um unverfälschte Reality-Show.

In der Nachbarschaft der Raben-Bohème hatte sich zu jener Zeit ein neuer Hot Spot gebildet, ein Garten­lokal, in welchem sich zunehmend gerne schräge Vögel und im allgemeinen domestizierte Katzen trafen. In einer Nacht vom Samstag zum Sonntag blieb es in diesem Gehege erstaunlich ruhig. Aus dem Krächz­sprecher drangen hämmernde Töne, die wenig zur Läufigkeit der wohlange­passten Tierchen passten. Sie nagten an Knöchelchen, wie es sich gehört. Als die Starkatze Paulina schlachtreif herein geschli­chen kam, drehten sie sich nur kurz um und warfen der Konkurrenz einen verächtlichen Blick vor die Füße. Die Kater zogen ihre Schwänze ein und verzichteten auf jegliches Gejaule.

Worüber sollten sie auch hässliche Laute ausstoßen? Sie fühlten in ihren verdunkelten Herzen, dass das weder Gefallen noch Erregung auslöste, schluckten einmal tief die angenehme Abendluft und dann ein zweites Mal das landesübliche Bier, welches als gutes Schmiermittel für stromlinien­förmige Unter­hal­tung hingenommen wurde. Die stark gekurvte Bedienung interessierte dieses lang­weilige Spektakel herzlich wenig und sie vergaß daraufhin den Rest aller nur möglichen Herz­lich­keit.

Ihr faulen Hunde, wollt ihr nicht verstehen? Die anderen Tiere zogen die Schwänze ein, soweit das möglich war. Die Katzen schienen darin geübt zu sein. Manch eine von ihnen schlich sich davon. Anders die Vögel, die das Einziehen der Schwänze nur sehr begrenzt zustande bringen. Ein Angry Bird kennt das Problem zum Beispiel durch laufenden Kontakt mit der Steuerung durch program­mierte Medien. Ein Rabe tut sich damit schon viel schwerer, kann und will seinen Schwanz gar nicht ein­zie­hen, und wird daher leicht zum Ziel von Katzen, bei denen in solchen Situationen immer wieder Raub­tier-Tendenzen durchbrechen. Haben die Tiere keinerlei humane Ansätze, welche posi­tive Entwick­lung in Gang bringen könnten? Oh lasst uns mit dem dämlichen Positivismus in Ruhe, stöhnen sie und sind nur äußerst schwierig zu weiteren Gesprächen zu bewegen. Ist es denn unmög­lich, Tieren Kultur beizu­bringen? Sie kennen dieses Wort offensichtlich überhaupt nicht. Statt dessen klang es wie im Chor: Kommt euch mit eurem humanen Gequatsche doch nicht besser vor! Im Zweifelsfalle werden wir einfach entsorgt oder wie ihr das auch immer nennt, und an unsere Seelen denkt kein Mensch.

Immer mehr realisierte der Rabe, wie grausam das Leben sein kann und mancherorts auch ist. Musste man sich nur abschotten, hinter eine sichere Wand oder ins eigene Nest zurückziehen? Nur kurz blitzte in seinem Hirn der Gedanke auf, dass das Nest gar nicht sein Eigentum war. Die Grau­sam­keit drang in sein Gefühlsleben ein. Er mochte die Katzen, zwar nicht alle gleichermaßen, aber eine von ihnen jetzt ganz besonders und vielleicht sogar mehrere. An dieser Stelle schaute er sich besorgt im Gehege um, wusste er doch schon, wie wenig geschätzt solch eine Einstellung war. Wie sehr mochte er welche und was würde frau dazu sagen. Mit frau meinte er in diesem Moment die junge proletarische Beautykatze, die in sein Nest gekommen war, scheinbar ohne ihn sofort auf­fressen zu wollen. Aber sie wollte Futter haben, und zwar im Laufe der unerbarmlichen Zeit mehr, als er mit seinen nicht mehr ganz jungen Flügeln herbei­schaffen konnte. Wurde sie nun gefährlich oder würde sie auf Futtersuche einfach weiter schleichen und ihn allein lassen, nachdem sie kahl gefressen hatte, was bei ihm zu ergattern war? Besorgt schaute er, wie seine Vorräte sich inzwi­schen schon redu­ziert hatten. In der Tat hatte sie sich schon ein oder zwei­ mal auf und davon gemacht, war aber jeweils hungrig wiedergekommen. Musste sich das wiederholen, bis die angeb­liche Liebe gestorben war?

In das bedeutungslose Gemurmel jenes schnurrend dahin plätschernden Geheges schrillte der auf­peit­schende Ton des samtenen Songs der transgalaktischen kleinen schwarzen Quatschmühle. Eine strei­chelnde Bewegung brachte hässliche Straßengeräusche an die Klangoberfläche, welche die eigent­lich kristallklaren Laute des unüberhörbar schnurrenden Beautykätzchen schwer verständ­lich machten. Doch soviel war mal wieder sofort mehr als super-klar, dass sie sofort fort wollte. Wenn sie doch die Kulisse der herum­sitzenden anwesenden Gesellschaftskatzen gesehen hätte! Deren Anwe­senheit musste ihr nun mit dürren Worten ins nur wenig empfindliche Ohr geraunt werden.

Das hinterließ offensichtlich nur wenig Eindruck. Sie beharrte zunächst noch etwas auf sofort-sofort und gab sich dann aber mit mit einem Arrangement für den nächsten Morgen zufrieden. Das Ego fühlte sich gestreichelt und realisierte nur wenig die eigene Einstellung auf Sparflamme, verursacht durch Virenbefall im eigenen Body-Betriebssystem. Während dieses in den pseudo-biederen Sus­pend-­Zustand über­ging, amüsierten sich die übrigen mäßig lustigen Geister in einem glatt-lackierten Hotel der Ober­klasse, wo lockerer Umgang mit Kohle erwartet wurde, aber nicht unbedingt erfolgte.

An jenem nächsten Morgen blieb alle Vorbereitung umsonst und die Bohème unerwartet still, - so still, dass nicht einmal eine Antwort aus der bimmelnden Quatschmühle drang. Das Beautykätzchen wollte nicht. War es am Abend zuvor noch an eine Kette gelegt worden oder hatte irgendetwas sei­nen Sinn bene­belt? Das Ego besann sich auf seine Nachdenklichkeit und fing wieder einmal an, auf die Tasten seines Notebooks zu hauen, um eben diese hier und jetzt zu lesenden gequälten Worte zu drechseln. Könnte drechseln Kunst sein, rann es arroganter­ weise durch sein nur langsam wach­sen­ des Selbstvertrauen. Gedrechselte Worte konnten kaum fähig sein, die wunderbare Schönheit dieses teuren Wesens einzu­fangen. Zu viele Ein­drücke beeinflussten das nicht nur optische Bild. Die Optik komponiert sich aus Grenzen, Volumen und reflektierender Oberfläche, doch die Trans­optik über­strahlt alles mit ihren Möglichkeiten, Gren­zen zu überschreiten, Volumen zu fühlen und unter die verführerische Oberfläche einzudringen. Auch wirklich persönlich und nicht nur mit dürren Worten zu erfahren, dass Schönheit eine teure Angelegenheit ist, mag Bedeutung haben.

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