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c) Neo-mythische Überhöhung der Evolution zur Totaldeutung der Wirklichkeit?

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1) Alles, was wir heute überprüfbar wissen können, nötigt dazu, Evolution als eine Gegebenheit und unbestreitbare Realität anzunehmen. Evolution ist ein Grundmerkmal aller Weltwirklichkeit, ein Grundmerkmal unseres Universums und aller Gestalten und Lebewesen in ihm.

Deshalb können alle möglichen Sachverhalte auch evolutionstheoretisch betrachtet werden: nicht nur die Entstehung der Vielfalt des Lebendigen und des Menschen, sondern auch die Entstehung von geistiger Erkenntnis, von Sprache, Psyche, Moral, Ästhetik, Musik, Kultur, Religion usw. (vgl. H.A. Müller 2008). Und deshalb kann man auch an einer verallgemeinerten Evolutionstheorie arbeiten (vgl. Schurz 2008).

Aber Evolution ist nicht das oberste Erklärungsparadigma (gleichsam die „theory of everything“), nicht das Paradigma schlechthin, von dem her alles in der Welt der Natur und Kultur vollständig zu verstehen ist. Evolution sagt, wie Dinge entstanden sind. Wenn man weiß, wie etwas entstanden ist (z. B. auch ein Kind), weiß man eben noch nicht, was es ist (was sein Wesen ist, welche Bedeutung, welchen Sinn es hat, warum es ist usw.).

Wo also Evolution – weit über den naturwissenschaftlichen Geltungsbereich hinaus – zum Universalprinzip erhoben wird, wo das Paradigma der Evolution weltanschaulich überhöht und umgebogen wird zur Totaldeutung der Wirklichkeit, da hat dies mit Wissenschaft nichts mehr zu tun, sondern wir haben einen pseudo-wissenschaftlichen Neo-Mythos vor uns. Evolution ist weder ein Subjekt (als ob „die Evolution“ dies und jenes gemacht habe) noch der grundlegende Begriff zur Erfassung der Welt, vielmehr ein abgeleiteter Begriff.

2) Für Evolutionstheoretiker gibt es aufgrund ihres methodischen Naturalismus (und damit methodischen Agnostizismus!) keine grundsätzliche Alternative zur natürlichen Kausal-Erklärung durch zufällige Mutation sowie Selektion im zwangsläufigen Überlebenskampf. So kann es für sie nur darum gehen, den kausalen Wirkmechanismus hinter der scheinbaren Zweckgerichtetheit möglichst genau aufzuklären. Wo dieser noch nicht gefunden ist, heißt es intensiv weiterzuforschen. Wenn Naturwissenschaft – etwa im Sinn von Albertus Magnus – ein überprüfbares Unternehmen des menschlichen Erkennens von Naturvorgängen bleiben soll, dann kann man bei biologischen Phänomenen, die momentan noch nicht erklärt werden können, nicht mit naturwissenschaftlichem Recht einen intelligenten Designer ins Spiel bringen.

Umgekehrt überschreiten aber Evolutionsbiologen die Grenzen der Naturwissenschaft und ihrer Aussagekraft, wenn sie aus dem methodischen Naturalismus (und Agnostizismus) unversehens einen weltanschaulich-ontologischen Naturalismus (und dogmatischen Atheismus) machen und – angeblich mit naturwissenschaftlichem Recht – als Missionare des Neuen Atheismus auftreten. Wenn atheistische Naturalisten wie Dawkins oder Kutschera behaupten, naturwissenschaftliche Erkenntnis zwinge zur Annahme der Nicht-Existenz Gottes, dann begehen sie den strukturell gleichen wissenschaftstheoretischen Fehlschluss wie die Kreationisten Behe oder Demski, die sagen, naturwissenschaftliche Erkenntnis zwinge zur Annahme seiner Existenz. Beides ist falsch.

3) Wissenschaftliche Weltbilder sind weltanschaulichreligiös indifferent (sie sagen z. B. nichts über das Wesen der Dinge, nichts über den Zusammenhang des Ganzen, über das Warum und den Sinn; für eine existenzielle Orientierung der gesamten Lebensführung sind sie ungeeignet). Die Natur, die Evolution und wissenschaftliche Weltbilder zwingen weder zu Atheismus noch zu Theismus. Gottesglaube und Materialismus sind alternative weltanschauliche Optionen und (Selbst-)Festlegungen, in keinem Fall aber wissenschaftliche Schlussfolgerungen.

Man kann die wissenschaftlich zugängliche Natur auf verschiedene Weise interpretieren, kann sie durch die atheistische, deistische, theistische, buddhistische und viele andere Brillen betrachten – doch keine davon ist zwingend. So sind auch der Darwinismus und seine wissenschaftlichen Weiterentwicklungen weltanschaulich neutral (offen) und können nicht nur mit Atheismus vereinbart werden, sondern mindestens ebenso gut mit religiösen Überzeugungen und mit Glauben an Gott.

Dann müssen aber beide, der Atheismus wie der Glaube an Gott, als irrtumsanfällige Versuche gelten, mit der Wirklichkeit, die wir erleben, zurechtzukommen. Es müssen die Grenzen menschlichen Erkennens bewusst bleiben, was bedeutet, dass wir in den grundlegenden Fragen des Daseins keine absoluten, unhinterfragbaren und unerschütterlichen Sicherheiten besitzen, sondern bestenfalls nach der Wahrheit Suchende sind. Konsequenterweise folgt daraus eine Bescheidenheit bezüglich der je eigenen Wahrheitsansprüche – und kein fanatischer Eifer. Fanatiker, gleichgültig auf welcher Seite, haben entweder einen beschränkten Horizont oder sie können sich die mit unserer endlichen Erkenntnis gegebene Unsicherheit (eben auch der je eigenen Weltsicht) nicht eingestehen, sondern verdrängen und übertönen die eigene Unsicherheit.

Evolution und Schöpfung in neuer Sicht

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