Читать книгу Evolution und Schöpfung in neuer Sicht - Hans Kessler - Страница 7
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1. Zu Fragestellung und Aufgabe
Der Glaube an einen Schöpfer und das Verständnis der Welt als Schöpfung (der Dinge, Lebewesen und Menschen als Geschöpfe) sind grundlegend für Bibel und Christentum. Alles baut darauf auf.
Sind dieser Glaube und dieses Verständnis nicht mehr haltbar oder mit der Vernunft nicht mehr vollziehbar, so rutscht das Fundament des Christlichen weg. Wie soll man dann noch an ein Heil von Gott her glauben, an ein göttliches Wirken, an Versöhnung und Erlösung, an Rettung auch der Toten, an eine Gerechtigkeit und an Vollendung, wenn man redlich keine Instanz mehr annehmen kann, die das Ganze der Welt und unseres Daseins begründet, die Ur-Grund, Halt und Ziel von allem ist? Mit schlechtem Gewissen weiterglauben, schizophren in zwei Welten leben, die Fragen einfach wegschieben und ausblenden: Das ist auf Dauer nicht durchzuhalten. – Ein missverstandener und nicht mehr mit unserem heutigen Naturwissen vermittelbarer Gottes- und Schöpfungsglaube ist eine der Hauptursachen für die schwindende Akzeptanz der christlichen Botschaft, für Verunsicherung, für neuen Atheismus oder auch für die Suche nach scheinbar plausibleren religiösen Alternativen.
Denn genau in diesem Grundlegenden, dem Gottes- und Schöpfungsglauben, gibt es massive Missverständnisse, die alles verstellen, verfälschen und blockieren. Missverständnisse einerseits bei ganz normalen Gläubigen und insbesondere bei religiösen Fundamentalisten (Kreationisten), die in der Evolutionslehre einen Widerspruch und eine Konkurrenz zur biblischen Schöpfungsgeschichte, wie sie diese verstehen, sehen. Missverständnisse andererseits bei anti-religiösen szientistischen1 Fundamentalisten (fanatisch-atheistischen Naturalisten), welche die Schöpfungsvorstellung der Kreationisten gleichsetzen mit dem authentischen biblisch-christlichen Schöpfungsglauben, den sie dann ebenfalls – nur mit umgekehrter Stoßrichtung – für unvereinbar mit der Evolutionstheorie halten.
Kreationismus und atheistischer Naturalismus sind feindliche Zwillinge. Sie schaukeln sich gegenseitig hoch. Dazwischen bleibt oft kaum noch Platz für eine sachgerechte Darlegung des originären Schöpfungsgedankens. Dieser erfordert ja auch viel mehr und differenziertere gedankliche Anstrengung als die einfachen, griffigen und meist platten Formeln von Kreationisten wie von Naturalisten, die oft auch deswegen so ankommen, weil sie vielfältigen Frust (an ärgerlicher Kirche oder an kalter Wissenschaft) bedienen. So wundert es nicht, wenn sich neuerdings in manchen Medien vermehrt Beiträge finden, die nur das kreationistisch-fundamentalistische Zerrbild von Schöpfungsglauben bieten, es mit Bibel, Christentum, Schöpfungsglauben überhaupt gleichsetzen und diese dann für unvereinbar erklären mit evolutivem Denken (das für sie identisch ist mit rein naturalistisch-atheistischem Denken).
Da fehlt es schlicht an der nötigen Basisinformation, die für ein rationales Urteil erforderlich ist. Um beides, um nötige Information und um argumentativ begründetes, rationales Urteil, soll es hier gehen.
2. Zum Vorgehen
Im Folgenden werde ich deshalb zuerst (I.) die Positionen der Kreationisten einerseits und ihrer evolutionsbiologisch-naturalistischen Kontrahenten andererseits darstellen sowie die daraus sich ergebenden Probleme skizzieren. Darwin, so wird sich zeigen, war viel umsichtiger als manche seiner atheistischen Epigonen bis heute.
Sodann soll (II.) gezeigt werden, wie die biblischen Schöpfungstexte – nicht nach der naiven Wahrnehmung des unkundigen Lesers, sondern – nach den Erkenntnissen der bibelwissenschaftlichen Forschung ursprünglich zu verstehen sind und wie sie sich zum Evolutionsdenken verhalten, das es, wie wir sehen werden und was man meist nicht weiß, schon bei frühen christlichen Theologen gibt.
Ferner soll (III.) herausgearbeitet werden, inwiefern seriöse Naturwissenschaft und Evolutionsbiologie auf einen methodischen Naturalismus verpflichtet sind, sich daraus aber keineswegs ein harter weltanschaulicher oder metaphysischer Naturalismus (d. h. Atheismus) ergibt, die Wirklichkeit vielmehr mehrdimensional ist und eine Schichtentheorie der Wirklichkeit nahelegt, die für unterschiedliche Weltdeutungen oder Metaphysiken offen ist. Dabei ist auch zu bedenken, was die Wissenschaft eigentlich erklärt und warum sich die Frage nach Gott und Schöpfung nicht erübrigt.
Erst dann kann (IV.) unter Bezugnahme auf die kosmische und biologische Evolution und die damit gegebenen Verstehensprobleme (von Materie und Geist bis hin zu Zufall und Zielgerichtetheit) der Gottes- und der Schöpfungsgedanke in seinen verschiedenen Aspekten dargelegt, können ein Panentheismus und Grundzüge einer Schöpfungstheologie jenseits von Kreationismus und weltanschaulichem Naturalismus entwickelt werden.
Abschließend werde ich dann (V.) zeigen, dass und inwiefern die Schöpfungstheologie einen umfassenden Rahmen entwirft, der die Grundvoraussetzung aller Evolution thematisiert und in dem die Evolution zugleich ihren unverzichtbaren Platz hat. Gäbe es keine Evolution, so wäre es angesichts der naturbedingten Übel viel schwerer, an Gott zu glauben. Eine wichtige Frage wird deshalb sein, inwiefern und in welchem Sinne von einem Wirken Gottes in der Evolution und über sie hinaus gesprochen werden kann.
Jedes der fünf Kapitel ist so angelegt, dass es auch für sich verständlich und lesbar ist.2