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a) Bibel gegen Darwin?

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Die Kreationisten unterscheiden nicht (wie die Bibelwissenschaft) zwischen den religiösen Inhalten der Bibel und den damaligen weltbildlichen Vorstellungen, in die sie eingebettet sind, sondern sie verstehen die Schöpfungstexte am Anfang der Bibel (Gen 1 und 2 f) buchstäblich wörtlich als Tatsachenberichte, missverstehen sie daher als naturkundliche, gewissermaßen naturwissenschaftliche Auskünfte. Sie kennen nur einen Weg, die religiöse Wahrheit der Bibel festzuhalten, nämlich durch die Behauptung, dass die Bibel auch in allen weltbildlichen Anschauungen irrtumslos sei. Der buchstäbliche Wortlaut der Bibel müsse wahr sein, also auch die damaligen Vorstellungen über die Natur, und deshalb seien die alttestamentlichen Erzählungen von Schöpfung, Sündenfall und Sintflut als historische Faktenbeschreibungen zu verstehen. Davon abweichende naturwissenschaftliche Erklärungen, zumal die Evolutionstheorie, werden deshalb entschieden als falsch abgelehnt.

Der vermeintlich bibeltreue Kreationismus (aus dem dann, wie unten dargestellt, durch Strategiewechsel die Creation Science und die Intelligent-Design-Theorie hervorgingen) kennt zahlreiche Gruppen: Die „young-earth-creationists“ verstehen die sechs Tage in Gen 1 als 6000 Jahre, die Erde sei jung (weniger als 10 000 Jahre alt); alle Tiere seien als friedliche Pflanzenfresser geschaffen, nach dem Sündenfall aber teilweise zu räuberischen Fleischfressern geworden; die Sintflut sei ein historisches Ereignis; der Mensch sei in einem eigenen Schöpfungsakt unmittelbar von Gott erschaffen worden. Die „old-earthcreationists“ glauben, dass sich der Schöpfungsakt über mehrere Milliarden Jahre hingezogen habe; die sechs Tage in Gen 1 stünden für ganze Zeitalter („day-age theory“). Eine andere Gruppe nimmt zwischen den Schöpfungstagen lange Zeiträume als Lücken an („gap theory“). Alle Gruppen lehnen eine gemeinsame Abstammung und Evolution der Lebewesen ab; Menschen und Menschenaffen hätten keine gemeinsamen Vorfahren.

Ein derartiges – längst überwunden geglaubtes – buchstäblich-wörtliches Verständnis der biblischen Schöpfungstexte, das (wie in II. 2 gezeigt wird) an ihrem ursprünglichen Sinn vorbeigeht, scheint heute wieder manche Menschen zu faszinieren. Verunsichert durch die gesellschaftlichen Umbrüche und die rasante Veränderung der Lebensverhältnisse, suchen sie nach Sicherheit und Halt an etwas, das sich nicht verändert, und finden es im Wortlaut der Bibel, an dem sie nicht deuteln lassen. Die Anhänger einer solchen buchstäblichen Auslegung der Bibel sind dann durchweg Gegner der Evolutionslehre. Nach ihrer Auffassung kann nur entweder die Bibel oder die Wissenschaft richtig sein: die (buchstäblich zu nehmende) Bibel oder Darwin, nicht die (anders zu verstehende) Bibel und Darwin.

Umfragen aus dem Jahr 2005 zufolge stand damals in den USA fast die Hälfte der Bevölkerung einem Junge-Erde-Kreationismus nahe und lehnte die Evolution offen ab; in den letzten Jahren sinkt diese Zahl zwar (aber auch die Zahl derjenigen, welche die Evolution akzeptieren), dafür steigt der Anteil der Menschen, die unsicher sind, stark an – eine Folge der verwirrenden öffentlichen Debatte. In den meisten westeuropäischen Ländern und in Japan akzeptieren mindestens 70 % der Erwachsenen die Evolution, in den USA lediglich 40 %, nur in der Türkei (dem einzigen an solchen Umfragen beteiligten islamischen Land) sind es noch weniger, nämlich unter 30 % der Erwachsenen. In den deutschsprachigen Ländern meinen noch immer etwa 20 % der Bevölkerung (eher wenig Gebildete), dass der Mensch erst vor wenigen Jahrtausenden durch einen Schöpfungsakt entstanden sei.

Und weil zum einen die Bibelwissenschaft und Universitätstheologie hierzulande medial kaum noch die Öffentlichkeit erreicht, zum andern in den beiden Volkskirchen aus Scheu vor der notwendigen Konfrontation mit sich als bibeltreu gerierenden Gruppen in den eigenen Reihen eine klare Positionierung häufig unterbleibt, entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass die beiden Kirchen die Schöpfungstexte am Anfang der Bibel wortwörtlich nehmen und sie als angeblich historische Tatsachenberichte von der Entstehung der Welt, des Lebens und des Menschen verstehen, also eigentlich nicht mehr ernst zu nehmen sind.

Evolution und Schöpfung in neuer Sicht

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