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6.Verhältnis zu Art. 140 GG und zu Art. 9 EMRK

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a)Soweit das Grundrecht aus Art. 4 nicht individual-, sondern auch kollektivrechtlich verstanden wird, also z. B. auch den Religionsgemeinschaften selbst zusteht, wird Art. 4 ergänzt durch die institutionellen Garantien in Art. 140 GG i. V. m. den Weimarer Religionsartikeln (Art. 136–139, 141). Zwar ist ein bestimmter Kernbereich des kirchlichen Lebens und Wirkens bereits durch Art. 4 geschützt. Die Kirchenfreiheit in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV ist aber eine „notwendige, wenngleich rechtlich selbstständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Kirchen und Religionsgemeinschaften die zur Wahrnehmung dieser Aufgabe unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung“ hinzufügt.62

b)Das Verständnis, dass ein Kernbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts Ausfluss der Religionsfreiheit ist, liegt auch der Auslegung des Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zugrunde. In dieser Konvention vom 4. November 1950, der die meisten europäischen Staaten beigetreten sind, und die die Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg bildet, ist die Religionsfreiheit ebenfalls umfassend geregelt, in Art. 9 Abs. 2 aber – anders als Art. 4 GG – unter einen Gesetzesvorbehalt gestellt. Art. 9 EMRK lautet:

„(1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen.

(2) Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekennen, darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“

Der Gesetzesvorbehalt des Art. 9 Abs. 2 EMRK zieht aber ebenfalls nur Schranken, die in etwa den Schranken des Art. 4 (Grundrechte anderer und Gemeinschaftswerte im Verfassungsrang) entsprechen. Im zusammenwachsenden Europa wird die Bedeutung vom Art. 9 EMRK sicherlich noch zunehmen und möglicherweise die Gewährleistung von Grundrechten und Grundfreiheiten durch die nationale Verfassung und deren Überprüfung durch die nationalen Verfassungsgerichte zurücktreten lassen. Auch von daher ist bedeutsam, dass mittlerweile geklärt ist, dass der personelle Schutzbereich nicht nur die individuelle, sondern auch die korporative Religionsfreiheit umfasst, die sachlich mit dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften (für das deutsche Religionsverfassungsrecht also Art. 140 GG i. V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) identisch ist.63 Damit können sich auch die nach dem Grundgesetz organisierten Religionsgemeinschaften auf Art. 9 EMRK berufen.64

Evangelisches Kirchenrecht in Bayern

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