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Kapitel 9 – Der Lenz erzählt von Schorsch, dem Erblasser

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Das Gericht hatte den am Verfahren beteiligten gesetzlichen Erben, welche durch Happinger vertreten waren, eine Frist gesetzt, innerhalb derer auf den Schriftsatz des Betrucci-Anwalts erwidert werden musste. Den Entwurf der Erwiderungsschrift hatte Happinger schon fertig. Um aber kein wichtiges Detail zu übersehen, bestellte er den Gfäller Lenz nochmals zu sich in die Kanzlei.

„Wir werden die Echtheit des Testaments prüfen lassen, müssen uns aber darauf einstellen, dass es Ihr Onkel Schorsch tatsächlich mit eigener Hand geschrieben hat“, eröffnete Happinger seinem Mandanten.

Nach allem, was bisher bekannt war, erschien es ihm sehr viel wahrscheinlicher, dass die Betrucci eine raffinierte Verstellungskünstlerin und der Erblasser eines ihrer Opfer war.

„Erzählen Sie mir bitte nochmals von Ihrem Onkel, von Ihrer Beziehung zu ihm und von allem, was Sie in den Jahren vor seinem Tod über ihn und über sein Leben auf dem Hof mitbekommen haben!“

„Ja“, meinte der Gfäller Lenz, „do gibt`s freili vui zum Sog`n!

Da Onkel hod drei Briada und fünf Schwestern g`habt. An Hof hod er kriagt. De Andern hom zrucksteh` miassn.“

„I glaab, da Onkel is gern Bauer auf `m Leh`n-Hof g`wen“, fuhr der Gfäller Lenz fort.

„Auf `s Zsammasei mid And`re hod a freili koan Wert g`legt. Er hod si a nia gern heîffa lass`n; ja und so is a hoid oaschichtig blieb`n, woast scho. Und a weng eigenbrötlerisch is a a word`n. Nach sei`m 75sten is dann gor nix mehr ganga. S´Zeig is runtakumma, weil a hoid d`Arbat nimma g`schafft hod, aber vom Hof hätt`nan koane zehn Ross`wegbracht.“

„Und wer machte dann die Landwirtschaft?“ wollte Happinger wissen.

„Ja mei“, antwortete der Gfäller Lenz, „es is hoid nach und nach as Viech weggeb`n worn. Drauf san d`Wiesen verpacht`worn und sonst hob eam hoid i ab und zua g`hoiffa, und vo mei`m Vetter, am Sepp, hod a si a manchmoi heîffa lass`n bei da Arbat.“

„Ja und vo dera Quell‘n glei nebam Leh`n-Hof muaß i a no vazealn. Bei der homs domois de Mariengrott`n baut, de heid a no do is, und do is dann sie scho boid drauf erschiena“.

Happinger stutzte: „Die Muttergottes?“

„Na, de Betrucci!“ beruhigte ihn der Lenz.

„Woher wissen Sie das? Sind Sie ihr begegnet?“ fragte Happinger den Lenz.

„Na, des ned. De is ma sauber aus`m Weg ganga! Aber d` Nachbarn hom g`seng, wias oiwei nach`m Wasserhoin um an Schorsch sei Haus rumg`schlicha is!“

„Die Betrucci will aber den Schorsch nur aus Hilfsbereitschaft besucht haben“, wandte darauf Happinger ein.

Wir müssten schon beweisen können, dass die Betrucci Ihren Onkel systematisch getäuscht und ihn in sittenwidriger Weise dazu gebracht hat, sie im Testament als seine Alleinerbin einzusetzen“. Resümierend fügte er hinzu:

„Was haben wir denn da bis jetzt aufzubieten?

Ihr Onkel war ein geradezu ideales Opfer für eine Erbschleicherin vom Kaliber der Betrucci. Er war alt, schon gebrechlich, hatte keine Frau und keine Kinder, also keine Pflichterben. Er mied den Kontakt zu anderen Menschen und zog sich deshalb in sein Haus zurück. Mit einem langen Leben war bei ihm nicht mehr zu rechnen und vor allem war absehbar, dass er ein beträchtliches Vermögen hinterlassen würde. Da konnte sich doch ein von Geldgier getriebener Mensch durchaus Hoffnung auf eine Erbschaft machen, wenn er es nur richtig anstellte.“

Der Gfäller Lenz verzog angewidert das Gesicht und Happinger fuhr fort: „Zum anderen wissen wir nun schon einiges über die ausgesprochen raffinierte, arbeitsteilige Vorgehensweise dieser Frau Betrucci und ihrer Helfer. Sie selbst spielte die Rolle der liebenswürdigen, hilfsbereiten Frau; einer Frau, die selbst im Laufe ihres Lebens viel Bitteres erleiden musste und die daher würdig erscheinen sollte, durch ein ganz unverhofftes Erbe noch ein wenig Glück zu erfahren. Damit bereitete sie den fruchtbaren Boden vor, auf den nur noch von geschickten Helfern der Same ausgestreut werden musste, aus dem dann das Testament hervorsprießen sollte. Ja und da traf es sich doch gut, dass die Betrucci gleich mehrere Bekannte hatte, die skrupellos genug waren, ihr bei dem Vorhaben zu helfen, indem sie den Schorsch vollends darauf einstimmten, der Betrucci sein gesamtes Hab und Gut zu überlassen. Sie waren es schließlich auch, die ihm die Anleitung zur Erstellung eines gültigen Testaments gaben, damit die Sache nicht am Ende noch wegen eines Formfehlers scheitern musste. Irgendwie schafften sie es, dass der Schorsch sie in das Haus ließ und in ihrer Gegenwart das zu Papier brachte, was sie ihm einredeten.

Die Helfer der Betrucci waren natürlich schlau genug, den Schorsch dazu zu bringen, dass er ihnen das Testament zur Verwahrung mitgab. Dadurch verhinderten sie, dass ein Verwandter des Schorsch noch vor dessen Tod auf das Dokument stößt, und überdies erreichten sie, dass der zunehmend demente Schorsch das Testament vergaß und dass es keiner mehr durch einen dummen Zufall wieder in die Hand bekommen konnte.“

Der Gfäller Lenz nickte zustimmend. Schon wieder lag er mit verschränkten Armen vom Gürtel aufwärts über Happingers Schreibtisch.

Happinger beherrschte sich und fuhr fort:

„Helfen kann uns, dass sich die Betrucci bereits in diverse Widersprüche verstrickt hat.

Aber, wie schon gesagt, fehlen uns die Beweise dafür, dass diese Frau und ihre Helfer den Schorsch durch massive Beeinflussung und Täuschung dazu gebracht haben, das Testament zu schreiben.“

Dem Gfäller Lenz platzte schon fast der Kragen. „Wos braucht`s denn do no Beweise?

De war doch nur scharf auf den Hof“, legte er los und hob bedrohlich den Arm.

Es fehlte nicht viel und seine Holzfäller-Faust wäre auf die fein polierte Schreibtischplatte niedergesaust, die Happinger bisher stets vor derlei Bedrohungen hatte schützen können.

Er war bemüht, seinen aufgeregten Mandanten zu beruhigen.

„Wir brauchen Beweise“, wiederholte er, „da führt kein Weg dran vorbei.“

Der Gfäller Lenz war davon aber nur schwer zu überzeugen. „Beweise – Beweise“, brummelte er vor sich hin und kam dann wieder auf Betruccis Gier zu sprechen.

„S`Bauernhaus is oid und baufällig, aber do san an de dreihundert Doogwerk Grund dabei. Gschätzt worn is ois mitnand auf mindestens zwoa Milliona. De Betrucci, de Matz, war hinter oade Männer mit so vui Zeig her. Des is bekannt, weil sa si scho öfter oin greit und dann be`rbt hod.“

Happinger spitzte die Ohren. „Wie? - Andere auch?“ fragte er.

Jetzt rückte der Lenz mit dem Allerneuesten heraus. Er hatte mit dem Verwandten eines Bergbauern, namens Lichtl aus der Traunsteiner Gegend gesprochen und der hatte ihm erzählt, wie auch dort die Frau Betrucci zugeschlagen hatte.

Die Aufregung war dem Lenz richtig anzusehen.

„Beim Liachtl wars wia beim Schorsch. Oid war a, oaschichtig, an Haufa Zeig hod a ghabt, und a er hod ned gspannt, dass des Weib bloß auf sei Sach scharf war.

Sie hod eam g`hoiffa wiara am Rand von da Straß` neba seim Radl g`leng is, weil`s eam highaut hod, und wias g`spannt hod, dass da Liachtl an schena Hof hod, war`s hinter eam her, wia da Deifi hinter da arm Seel`.Ja und z`letzt hod sie sein Hof g`erbt, glei drauf vakafft und s`Geld war dann a schnell weg.

An Liachtl seine Erben san laar ausganga. S`Prozessiern homs dann bleib`n lass`n, weil`s ghoaßn hod, d`Betrucci is pleite, und do waradn dem Liachtl seina Vawandtschaft dann bloß an Hauffa Prozeßkosten entstand`n.“

„Bleiben Sie da dran und liefern Sie mir bald Tatsachen und handfeste Beweise, falls sie mehr über diesen Fall und vielleicht noch von anderen Betrügereien der Frau Betrucci erfahren“, riet Happinger dem Gfäller Lenz. „Vielleicht wissen wir beim nächsten Mal schon mehr.

Die Sache wird sich ja voraussichtlich noch lange Zeit hinziehen.

Für unseren nächsten Schriftsatz habe ich jetzt jedenfalls genug beieinander.“

Mit diesen Worten verabschiedete Happinger seinen Mandanten, der eigentlich noch gerne ein Weilchen geblieben wäre.

Während er ihn bis zur Kanzleieingangstüre begleitete, schob er noch nach:

„Kopf hoch, Herr Gfäller! Werd` scho werd`n!“

Als Happinger wieder allein an seinem Schreibtisch saß und über den Gfäller Lenz, die Frau Betrucci und den besonderen Fall nachdachte, spürte er die Herausforderung, die da auf ihn, den Anwalt, zukam. Nicht zuletzt von seinem Fleiß, seiner Hartnäckigkeit und von seinem Können würde es abhängen, dass die Richter, die in der Sache zu entscheiden hatten, genau das zu hören und zu sehen bekamen, was seinem Mandanten nützte.

Er hatte Respekt vor dem Gfäller Lenz, der so anständig und geradeheraus war. Dieser Mann hatte ein gutes Gespür dafür, dass es bei dem Testament seines Onkels nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann. Happinger bewunderte auch den Mut, ja das geradezu Draufgängerische an seinem Mandanten, dem er solche Sprüche hatte sagen müssen, wie: „Recht haben und Recht bekommen ist Zweierlei!“ oder „Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand!“.

Das waren in diesem Fall keine leeren Floskeln, denn die Frau Betrucci hatte nun einmal das Testament und unbestreitbar stand da drin, dass sie allein die Erbin ist.

Absehbar war, dass sie es mit allen Mittel und bis zur letzten Instanz verteidigen würde. Zu einer gütlichen Einigung würde man sie nicht bewegen können. Damit ging sein Mandant ein großes Kostenrisiko ein.

Happinger hatte dem Gfäller Lenz das Risiko schonungslos aufgezeigt. Der aber gab nicht klein bei. Den Nachlass seines Onkels, mit dem er sich bis zuletzt gut verstand, wollte er nicht kampflos der Betrucci überlassen.

Mehrmals hatte der Onkel zu anderen gesagt, dass er einmal ihm, seinem Neffen, alles geben wolle.

Die schlaue Frau Betrucci freilich hatte das bald herausgefunden, weshalb sie äußerst raffiniert – sozusagen prophylaktisch – gegensteuerte und bis zum Tod des Schorsch das Gerücht streute, der Schorsch habe ein Testament gemacht und darin den Lenz als seinen Erben eingesetzt, und ihr habe er das im Vertrauen gesagt.

„Betrug vom Feinsten“, hatte Happinger sich gedacht, als ihm der Gfäller Lenz das bei der ersten Besprechung erzählt hatte.

Alles deutete darauf hin, dass die Betrucci das Testament gleich nach der Niederschrift am 1.5.1994 an sich genommen hatte und nicht erst, wie behauptet, durch das Gericht von dessen Existenz erfahren hatte. Mit dem von ihr gestreuten Gerücht, dass der Neffe erbt, schützte sie das von ihr ergaunerte Testament. Sie wusste, dass niemand an einem Testament zugunsten seines Neffen Lenz Anstoß nehmen würde und sie hoffte, dass wegen der von ihr verbreiteten Lüge niemand nachfragen würde und am Ende der verwirrte Schorsch vielleicht selbst glauben könnte, seinen Neffen Lenz als Alleinerben bestimmt zu haben.

Und tatsächlich war ihr Plan aufgegangen.

Bis zum Tod des Schorsch hatte sie sich so die Verwandten des Schorsch vom Hals gehalten und der Testamentseröffnung in aller Ruhe entgegengesehen.

Kein Verdacht war aufgekommen. Alle waren überrascht, als das Testament nach Schorschs Tod eröffnet wurde und die Betrucci darin als Alleinerbin genannt war.

Bei Happinger regte sich der Kampfgeist.

Dieser Frau Betrucci wollte er das Handwerk legen. Ihr durfte das Erbe nicht zufallen.

ANWALT HAPPINGER

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