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Die fliegenden Augen von Graz

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Die zartbesaiteten unter den geneigten Lesern mögen dieses Kapitel bitte überblättern.

Es ist mir aber wichtig, auch solche Erlebnisse niederzuschreiben, zeigen sie doch den enormen Kulturschock, der mich, den Schüler eines humanistischen Gymnasiums traf, eben noch mit dem Auswendiglernen lateinischer und altgriechischer Vokabeln beschäftigt, jetzt täglich dem eher rauen Klima und der derben Sprache der Gastronomie ausgeliefert.

Während man heutzutage fertig zugeschnittene Edelteile von Kalb, Schwein und Rind geliefert bekommt machten wir diese Arbeit damals selbst.

Einmal pro Woche bekamen wir vom Schlachthof einige Kalb- und Schweinehälften sowie zwei Rinderviertel.

Diese wurden von einem Gesellen der sich besonders gut damit auskannte und auch über die nötige körperliche Robustheit verfügte zuerst von den Knochen befreit und dann in die zur Zubereitung nötige Form geschnitten.

Der Kalbskopf war jedoch ein Fall für uns Lehrlinge. Anders als die Kalbshälfte war er noch ganz im Urzustand, das heißt, zuerst musste er vom Fell befreit werden Dazu rieben wir ihn mit dem sogenannten „Saupech“ ein und legten ihn dann für einige Zeit in kochendes Wasser. Danach ließ sich das verklumpte Fell mit einem Löffel mühsam abschaben.

Lag dann der „nackte“ Kalbskopf endlich vor uns, gingen wir an die etwas gewöhnungsbedürftige Aufgabe heran, die Augen herauszuschneiden. Danach kam die Zunge dran, eine als „Rahmkalbszüngerl“ sehnlichst erwartete Spezialität für einige Stammgäste.

Anschließend wurde -ich habe Sie gewarnt!- mit dem Hackbeil der Kopf in der Mitte zerteilt und daraus das vor der BSE-Krise heißbegehrte Kalbshirn gewonnen.

Doch noch ist nicht genug der unappetitlichen Vorgänge. Wir waren schließlich junge, abgebrühte Burschen (ich eher nicht ) und da juckte es einem halt in den Fingern, mit den Augen, dem Einzigen das nicht „verwendet“ wurde, irgend einen Schabernack zu treiben.

Ein Kollege bewarf einen anderen mit einem der Augen, der warf zurück und da wir alle natürlich reaktionsschnell den „fliegenden“ Augen auswichen, klatschten die eines nach dem anderen an die Wände, zerplatzen und liefen in blauen Streifen die Wand herunter.

Schon war die „schönste“ Augenschlacht im Gange. Ich weiß, die Tierfreunde unter Ihnen werden entsetzt sein, Gott sei Dank ist die Sache inzwischen verjährt.

Ebenso entsetzt war allerdings auch die Köchin, die, unserem fröhlichen Kreischen folgend, in den Keller kam, um nach dem Rechten zu sehen.

Kurze Zeit später standen wir alle stramm, dem Anlass entsprechend aber doch ziemlich kleinlaut im Büro des Restaurantbesitzers, einem überaus seriöser Mann, den ich in drei Jahren niemals ohne schwarzen Anzug, weißes Hemd und Krawatte gesehen hatte, und ließen die selbst in unseren Augen verdiente Gardinenpredigt über uns ergehen.

Nach diesem Erlebnis bekam der Begriff „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ eine neue Bedeutung.

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