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„Das schmeckt aber komisch, probier mal!“

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Dieses Kapitel beschäftigt sich mit einem besonders heiklen Thema, den Reklamationen.

Ob man etwas reklamiert, ja reklamieren sollte, hängt ja von zahlreichen Faktoren ab. Wie vorhin schon angedeutet, gibt es gerade in der Gastronomie, wo der persönliche Geschmack eine sehr große Rolle spielt, eher selten die Gelegenheit, eine Beschwerde auch zu beweisen. Das Steak, das mir vielleicht eine Spur zu blutig gegrillt ist, findet ein anderer Gast vielleicht schon fast zu durchgebraten. Viele lieben Knoblauch, andere dagegen hassen den Geschmack. So mancher Gast wiederum fürchtet bloß die Nachwirkungen am nächsten Tag, wie schlechter Mundgeruch etc.

Sie sehen schon, der uralte Spruch: „Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann!“ stimmt gerade in diesem Umfeld ganz besonders gut.

Auf der anderen Seite sollten Sie aber auch nicht widerspruchslos alles hinnehmen, was Ihnen im Restaurant für teures Geld so aufgetischt wird. Mir ist heute noch gut in Erinnerung, wie ich einmal in einem Hotel für sechzig Pensionsgäste als Vorsuppe eine Tomatencremesuppe zubereitet hatte. Eine Tasse nach der anderen verließ die Küche und kam leer wieder zurück. Erst der vierte Gast wagte den Einwand: „Da ist ja gar kein Salz dran!“

Tatsächlich hatte ich die ansonsten fachmännisch zubereitete Suppe völlig ohne Salz serviert. Ein ärgerlicher Fehler von mir, und er wäre schon nach dem ersten Gast zu korrigieren gewesen. Hätte der etwas gesagt. So blieben noch einige Gäste mehr unzufrieden mit ihrer Suppe.

Sehen Sie, dies wäre eine Reklamation gewesen, die ich als Koch sogar begrüßt hätte.

Auf der anderen Seite ist Geschmack natürlich relativ. Hat ein Gast eine besondere Vorliebe für stark gewürzte Speisen und ist dann nach dem Genuss eines normal gewürzten Ragout enttäuscht, so ist es wenig zweckmäßig, dies dem Kellner mit einem arrogant hingeworfenen „das schmeckt nicht!“ mitzuteilen.

Wenn schon, dann bitte „Das schmeckt mir nicht so gut“.

Noch besser ist es, besondere Geschmackserwartungen schon bei der Bestellung anzugeben. Dann lässt sich doch sehr oft etwas machen, wenn auch nicht immer. Wie schon zuvor beschrieben, gibt es Gerichte, die Stunden zur Zubereitung brauchen wie zum Beispiel ein Wildragout oder ein Rheinischer Sauerbraten, sind also zum Zeitpunkt der Bestellung längst fertig.

Diese dann mit wenig Pfeffer oder ähnlichem zu bekommen, ist schlicht und einfach nicht möglich.

Ich habe schon Gäste erlebt, die auf eine solch abschlägige Antwort ärgerlich erwiderten: „Wieso denn nicht, Sie sind schließlich Koch!“

Na ja, manchmal fand ich es schon ganz angenehm, die Tür zwischen Restaurant und Küche geschlossen zu halten. Wenn gewisse Gäste mal hören könnten, wie Köche auf derartige Kommentare reagieren, na, ich weiß nicht!

Klar, sicher kennen auch Sie das alte Vorurteil

„Köche sind ja sooo empfindlich!

Kaum kritisiert man sie, werfen sie gleich mit Pfannen nach einem!“

Wie in wohl allen Vorurteilen steckt da sicher einiges an Wahrheit drin.

Aber versetzen Sie sich doch mal in die Lage von so einer geschundenen Kreatur. Sie selbst sitzen im angenehm klimatisierten Speisesaal, am festlich gedeckten Tisch und schlürfen erwartungsvoll an ihrem zum bestellten Essen passenden Wein.

Währenddessen versucht der Koch gerade seine 10 - 12 zur gleichen Zeit bestellten Gerichte in seinem Kopf zu speichern. Überlegt, welche der Speisen am längsten brauchen würde. Um diese dann auch als erstes in die Pfanne zu werfen. Ruft seiner aus dem fernen Kroatien oder dem noch ferneren Ghana stammenden Küchenhilfe seinen Wunsch nach mehr Tomaten zu und hofft, dass diese sein aus der Not geborenes Küchenkauderwelsch auch verstanden hat.

Bekommt zur Antwort: „Chefe, nix Tomaten. Keine nix mehr!“

Dumm, dass ihm diese die Information am Samstagabend gibt, ohne Chance, vor Montag eine neue Lieferung bekommen zu können.

Aus der Bratkartoffelpfanne steigen unterdessen unheilvolle Rauchwolken auf. Also ab in den Müll damit und neue aufgesetzt. Wieder fünf Minuten verloren auf dem Weg zum perfekten Bauernfrühstück.

Der Drucker spuckt unerbittlich neue Bestellungen aus. Plötzlich fängt er an zu piepen.

„Nein, bitte nicht jetzt! Bitte lass die Papierrolle nicht ausgerechnet jetzt zu Ende sein!“

Aber was soll´s. Es hilft alles Flehen nichts. Wechselt er die Bonrolle jetzt nicht, bricht die ganze Computerkasse zusammen wegen des Datenstaus.

Also die sechs Pfannen sich selbst überlassen, auch auf die Gefahr eines weiteren Bratkartoffel Malheurs.

Das Papier des Druckers mag die Behandlung mit den fettigen nassen Fingern des Kochs überhaupt nicht gerne. Es verheddert sich im Einzugsschacht und wirft nur noch unleserliche Papierschnipsel aus.

Und ausgerechnet jetzt hat ein Kellner eine Bestellung von der Menge einer mittleren Hochzeitsgesellschaft eingegeben.

Schweißperlen tropfen von seiner Stirn. Angstschweiß. Er weiß, was gleich passieren wird.

Der Geschäftsführer wird in die Küche kommen und schauen warum die Computerkasse keine Getränke mehr annimmt. Und er wird stinksauer sein, wenn er erkennt, wer ihm dieses Übel eingebrockt hat.

Und in diesem Moment ist es soweit.

Ihr Kellner erscheint in der Küche.

Wirft ein kurzes „Der Gast von Tisch 11 hat gesagt, das Ragout schmeckt nicht!“ in den von Dampfschwaden gefüllten Raum und verlässt sofort wieder die Küche, in ängstlicher Erwartung dessen, was nun kommen könnte.

Da steht er nun, unser Koch. Das Ragout schmeckt also nicht.

Wohin mit der Kritik? Kann er dem Gast erklären, warum das Ragout so und nicht anders schmeckt, ja schmecken soll?

Nein, der Gast sitzt ja im Restaurant. Kann er sich wenigstens dem Kellner gegenüber rechtfertigen?

Nein, denn dieser hatte es ja vorgezogen, Erfahrung macht klug, den sicheren Hafen seines Speisesaals aufzusuchen.

Also wohin mit der Kritik, mag sie berechtigt sein oder nicht?

Runterschlucken, das ist die einzige Möglichkeit.

Ich weiß nicht, welchen Beruf Sie ausüben. Aber stellen Sie sich mal vor, sie würden jeden Tag an die zwanzigmal kritisiert. Und hätten keine Möglichkeit sich zu rechtfertigen.

Wundern Sie sich immer noch, dass Köche auch mal mit Pfannen schmeißen?

Nun denn, im Allgemeinen haben Sie als Gast ohnehin nicht die Möglichkeit, ihre Kritik beim Koch loszuwerden. Ihr Übermittler ist in der Regel der Kellner.

Der hat, das muss ich aus leidvoller Erfahrung sagen, selten viel Ahnung von der Zubereitung der Speisen, mit deren Verkauf er letztendlich sein Geld verdient.

Also wird er sich ihre Beschwerde anhören. In seltenen Fällen vielleicht sogar kompetent beantworten oder das Missgeschick zu erklären versuchen. Vielleicht gibt er sie auch an den Geschäftsführer weiter.

Das erkennen Sie am besten, wenn sich dieser unterwürfig mit einem Glas Grappa oder ähnlichem auf dem Tablett ihrem Tisch nähert. Aber meistens wird der Kellner sich, lapidare Entschuldigungen murmelnd, schnell entfernen.

Kein Wunder, es steht ihm ja noch der ungeliebte Gang in die Küche bevor, wo er mit angstschlotternden Beinen das zu erwartende vorhin beschrieben Szenario hinter sich bringen muss. Am besten rückzugsbereit in der halb geöffneten Küchentür stehend.

Das mit dem Entschuldigungsschnaps „auf Haus“ hat sich mittlerweile herumgesprochen. Nicht wenige Gäste ersparen sich mit einer dezent vorgebrachten, aber schwer überprüfbaren Reklamation die Ausgaben für den edlen Digestiv nach dem Mahle.

Ich selbst habe mich ehrlich gesagt am meisten aufgeregt über die Aussage: „Das schmeckt nicht!“

Was glaubt der gute Mann, wer er ist? Der Erfinder des Ragouts oder ähnlichem?

Es muss heißen:

„Das schmeckt M I R nicht!“

Das ist der entscheidende Unterschied!

Man kann meinetwegen etwas als versalzen oder angebrannt reklamieren, dies ist überprüfbar. Aber wie schon Tim Mälzer sagt

„Schmeckt nicht, gibt´s nicht!“

Ein alter Bekannter, finanziell nicht auf Rosen gebettet und deshalb kein häufiger Kunde der Gastronomie erzählte mir einmal von seiner ersten Städtereise nach Berlin.

Zur Feier des Hochzeitstages war man im teuren First Class Hotel abgestiegen und hatte zum Frühstück unter anderem Spiegeleier bestellt.

„Der Koch konnte nicht einmal Spiegeleier braten!“,

berichtete er, immer noch sichtlich empört.

„Und das in einem Luxushotel!“

Was war geschehen? Der gute Mann liebte seine Spiegeleier knusprig gebraten, mit deutlich sichtbarem Rand und das Eigelb ziemlich durchgegart. Seine Frau hatte sich in jahrzehntelangem Kampf mit ihm auf diese Art Spiegeleier zu braten, geeinigt.

Aber der Koch des Vier Sterne Hotels? Er muss sich am durchschnittlichen Geschmack seiner Gäste orientieren.

So wie es die meisten gerne mögen, so wird das gekocht. Und weniger gebräuchliche Zubereitungsarten sollten Sie dem Koch mitteilen, wenn Sie diese wünschen. Er kann schließlich nicht hineinschauen in seine Gäste.

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