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Vorwort

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Das mit der Erforschung der Geschichte des Schweizerischen Generalstabs zwischen 1945 und 1966 betraute Projektteam hat sich auf ein Konzept geeinigt, gemäss welchem der Forschungsgegenstand aus drei Perspektiven beleuchtet werden soll: aus der «Innensicht», aus der «Sicht West» und aus der «Sicht Ost». Mit dieser Dreiteilung wollte man einerseits der Komplexität des Themas gerecht werden und andererseits die Polarität des Kalten Kriegs spiegeln. Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) bewilligte für diese drei Projekte je eine befristete Assistentenstelle sowie die Kosten für die notwendigen Archivforschungen.

Die «Innensicht», die klassische Generalstabsgeschichte im Sinn der Reihe, übernahm Dr. phil. Roland Beck mit seinem Assistenten lic. phil. Peter Braun zur Bearbeitung. Die von der Universität Zürich approbierte Dissertation Brauns ist 2006 als Doppelband X der Generalstabsgeschichte erschienen.1 Für die «Sicht West» zeichnete Dr. phil. Jürg Stüssi-Lauterburg mit seiner Assistentin lic. phil. Stefanie Frey verantwortlich. Frau Frey hat ihre Dissertation im Jahr 2002 erfolgreich am King’s College in London eingereicht.2

Die «Sicht Ost» kam in meine Verantwortung. Als Assistenten konnte ich dipl. Phys. ETHZ Daniel Alexander Neval3 gewinnen. Er brachte ideale sprachliche Voraussetzungen mit, indem er die wichtigsten slawischen Sprachen beherrschte. Neval übernahm die Nachforschungen in schweizerischen, russischen und tschechischen Archiven. In seiner Studie «Mit Atombomben bis nach Moskau»,4 die er 2003 mit Erfolg als Dissertation in osteuropäischer Geschichte am Historischen Seminar der Universität Zürich bei Prof. Dr. Carsten Goehrke abschloss, wählte er einen sehr breiten Ansatz, sodass seine Arbeit nicht wie bei der «Innensicht» vollumfänglich als Band der Generalstabsgeschichte übernommen werden konnte. Lic. phil. Matthias Wild,5 auch er ein Spezialist der osteuropäischen Geschichte, und ich übernahmen die ausserordentlich anspruchsvolle Aufgabe, die Forschung Nevals weiterzuführen, zu ergänzen und den Bedürfnissen der Generalstabsgeschichte anzupassen. Neval wandte sich wieder seinen unterbrochenen theologischen Forschungen in Prag zu,6 blieb aber dem Projekt weiter informell verbunden. Leider konnte er seine grossen Pläne nicht beenden. Am 3. Juni 2005 setzte der Tod seinem engagierten und kraftvollen Wirken ein unerwartetes Ende.

Das Studium der militärischen Akten in östlichen Archiven und die Erarbeitung des schweizerischen Feindbildes übernahm ich. Matthias Wild – in einer Spezialfrage unterstützt durch Dr. phil. Stefan Wiederkehr – konzentrierte sich auf den ideologischen Unterbau und die Umarbeitung beziehungsweise Ergänzung der für die Generalstabsgeschichte relevanten Teile der Grundlagenforschung Nevals.

Die Vermittlung der Ergebnisse der «Sicht Ost» ist erfahrungsgemäss kein leichtes Unterfangen. Immer wieder verfallen bei uns «Kalte Krieger» in die alten Denkmuster – nach dem Schema: Alles, was von Osten kommt, ist sowieso gelogen und will unsere freiheitliche Ordnung zersetzen und schwächen. Zur Illustrierung der andauernden Kraft dieses Denkschemas seien an dieser Stelle zwei aktuelle Beispiele angeführt:

Einseitigkeit, Vertrauensseligkeit und fehlende kritische Distanz wurden Peter Veleff vorgeworfen, der nach jahrelangen Recherchen die Tätigkeiten der DDR-Geheimdienste gegen die Schweiz untersucht und als Erster dargestellt hat.7 Veleff wurden nicht die quellengestützten Wertungen und die Aussagen von Zeitzeugen zum Vorwurf gemacht, sondern das freimütige Eingeständnis, dass er unter den Stasi-Offizieren sogar Menschen und Freunde gefunden habe.8

Die Referate von zwei hohen DDR-Geheimdienstoffizieren anlässlich einer von Dr. Dieter Kläy und mir organisierten Tagung der «Gesellschaft für militärhistorische Studienreisen» (GMS) an der ETH Zürich im November 2006 wurden von einzelnen Zuhörern grundsätzlich abweisend aufgenommen. Man kritisierte, den «Verbrechern» überhaupt ein Podium gegeben zu haben, und signalisierte Peter Veleff gegenüber, dass man froh sei, dass «seine beiden Freunde» wieder abgereist seien.

Der antikommunistische Reflex war und ist also in der Schweiz weiterhin allgemein verbreitet und teilweise immer noch höchst militant. Ein hoher Nato-Vertreter soll Ende der 1950er-Jahre einmal gesagt haben, er wünschte sich alle Nato-Staaten so «neutral» wie die Schweiz.9 Vieles deutet darauf hin, dass diese gesinnungsmässige Einschätzung der Schweiz ihre Gültigkeit noch nicht verloren hat.

«Ihr müsst lernen, in gefährlichen Wassern zu schwimmen», wurde uns vom Arbeitskreis zur Aufarbeitung der Geschichte des Schweizerischen Generalstabs 1945–1966 mit auf den Weg gegeben. Wir haben die Herausforderung angenommen.

Alle roten Pfeile kamen aus Osten - zu Recht?

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