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Albertus Magnus

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Derjenige, der den Reigen der großen Denker, Forscher, Künstler, Religionserneuerer eröffnete, war der Dominikanermönch Albert von Köln, später Albertus Magnus genannt. Er machte die Werke der Philosophen des alten Griechenland, angeführt von Platon und Aristoteles, zum Thema der Theologen seiner Zeit, des 13. Jahrhunderts. Die Werke hatten sich in den Bibliotheken des arabischen Andalusien im Süden Spaniens, vor allem in der Stadt Cordoba, erhalten. Französische Gelehrte hatten sie dort entdeckt und sich in Paris daran gemacht, sie zu übersetzen. Der junge Albert wurde bei einem Studienaufenthalt auf die Arbeit der Franzosen aufmerksam, begeisterte sich für die griechische Philosophie, insbesondere Aristoteles und begann seinerseits ein philosophisches Werk darauf zu gründen. Der Papst hatte die Werke der Griechen zwar auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt, aber hinzugefügt, dass die Wissenschaft aufgefordert sei, die Werke fleißig von Irrtümern zu befreien, die von den Arabern hineingebracht worden seien.

Albertus zögerte nicht, der Aufforderung zu folgen. Er sollte derjenige werden, der die Kirche von einer „Augustinischen“ in eine „Aristotelische Kirche“ umwandelte. Er stellte dem erdrückenden Werk des Aristoteles ein ebenso gewaltiges eigenes Werk mit aristotelischen Gedanken zur Seite, unterstützt von seinem Schüler in Köln, dem Dominikanermönch Thomas von Aquin, der sich an Größe von seinem Lehrer nur dadurch unterschied, dass Albertus zugleich ein, für die damalige Zeit vielleicht der größte, Naturforscher war. Die Kirche hatte dem Gedenkengebäude von Albertus Magnus nichts entgegenzusetzen. Sie sprach ihn und auch Thomas von Aquin heilig. Der Papst ahnte nicht, dass mit seiner Aufforderung, die Texte der Griechen fleißig von Irrtümern zu beseitigen, verbunden mit der Heiligsprechung von Albertus Magnus und Thomas von Aquin, die wissenschaftlich interessierten Zeitgenossen sich frei fühlten, ebenfalls die wissenschaftlichen Werke der alten Griechen wie Euklid, Pythagoras, Archimedes zu studieren. Der zuerst mit naturwissenschaftlichen Werken an die Öffentlichkeit trat, war wiederum Albertus Magnus, allerdings mit biologischen Untersuchungen, die aber auf wissenschaftlichen Prinzipien beruhten, wie sie die Griechen des Altertums entwickelt hatten. Biologische Studien entsprachen seinem Naturell und seinem Lebenslauf.

In Lauingen an der Donau als Albert von Bollstädt geboren, hatte er alles andere im Kopf, aber nicht, einmal Mönch zu werden. Nach allem, was wir wissen, war sein Vater Verwalter einer kaiserlichen „Hofstatt“. Dort wuchs er zwischen Knechten, Mägden, Pferden, Hunden, Kühen und Schafen auf. Und Falken, die er abzurichten verstand; sein Vater war wohl Jäger. Einer später von ihm verfassten Schrift „Von Pferden, Hunden und Falken“ entnehmen wir, dass er diese Tiere besonders mochte und sich in ihrem Verhalten auskannte. Wir wissen weiter, dass er eine Klosterschule in der Nähe besuchte und bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr in der Welt umherwanderte. Er interessierte sich für Gesteins- und Gebirgsarten. In Venedig sah er dem Zersägen von Marmorblöcken zu, bestaunte die dabei zu Tage tretenden Strukturen und farblichen Unterschiede. Er sprach von „Stein gewordenen Dämpfen“, von „Spuren der Schöpfungszeit“.

In Padua besuchte er einen Onkel, der königlicher Beamter war. Dieser nahm ihn für längere Zeit auf und sorgte dafür, dass er an der dort gerade gegründeten Universität das Studium der Rechtswissenschaft aufnahm. Über einen förmlichen Abschluss dieses Studiums wissen wir nichts.

In Padua, er war bereits im 35. Lebensjahr, hatte er eine Begegnung mit dem Ordensmeister der Dominiker, Jordanus von Sachsen. Dieser gewann ihn für den Dominikaner-Orden und schickte ihn nach Köln in die größte deutsche Stadt, um dort diesen in den Anfängen steckenden Orden zu stärken. Vier Jahre später finden wir ihn als Lektor an der dortigen Priesterschule, in den folgenden Jahren auch in Hildesheim, Freiburg und Straßburg.

1242 schickte ihn der Ordensmeister als Lektor zur Universität in Paris.

Albertus Magnus stürzte sich in die Lektüre des aristotelischen Riesenwerkes. Er tat es mit solcher Konsequenz, dass er alsbald nicht nur in der theologischen, sondern auch in der philosophischen Fakultät uneingeschränkte Autorität genoss. In wenigen Jahren wuchs er zu einer wissenschaftlichen Größe heran, die alle Gelehrten in Paris, ja des ganzen Abendlandes überragte. Nach und nach legte er das ganze System aristotelischer Philosophie der wissenschaftlichen Welt zu Füßen. Auch begann er eine Synthese der aristotelischen Philosophie und der christlichen Theologie zu erarbeiten.

Der Name Aristoteles war bis dahin im Abendland kaum bekannt, wenn doch, dann nicht beachtet. Der wohl bedeutendste Philosoph des Altertums war in Zeiten, in denen das Christentum im Römischen Reich Staatsreligion war, in Vergessenheit geraten.

Ein römischer Philosoph und Politiker, Anicius Boethius, der um die Mitte des Fünften Jahrhunderts n. Chr. lehrte, wagte es, Aristoteles und Platon zu lehren und für das Abendland zu erhalten. Er wurde 524 n. Chr. wegen Hochverrats hingerichtet. Auch dieser Versuch geriet in Vergessenheit.

Fünf Jahre später, 529 schloss Kaiser Justinian I. die einzige und verbliebene Philosophenschule im Römischen Reich. Die dort lehrenden Philosophen zogen nach Persien.

Nach der Eroberung Persiens durch die mohammedanischen Araber sammelten arabische Gelehrte die dort vorgefundenen aristotelischen Schriften und verbreiteten sie, unterstützt durch die Kalifen in Bagdad, im arabischen Raum. Mit größtem Interesse wurden sie auch in Spanien aufgenommen, wo die Araber in Cordoba ein eigenes Kalifat gegründet hatten. Von Cordoba aus verbreiteten sich die Schriften über Europa. Albertus Magnus setzte sich nicht nur mit diesen Schriften auseinander, sondern machte sich auch daran, gestützt auf die von den antiken Griechen erarbeiteten wissenschaftlichen Methoden der Naturbeobachtung, die Natur zu erforschen und zu beschreiben.

„Es genügt nicht, nur im Allgemeinen von den Dingen der Natur ein Wissen zu besitzen, sondern wir müssen jedes Naturding danach untersuchen, wie es sich in seiner eigentümlichen Natur verhält, die Ursache im Naturgeschehen ergründen.“ Dieser Satz lässt erkennen, dass es ihm nicht genügte, ein „Gottesgeschöpf“ vor sich zu haben. Er würde gerne wissen wollen, warum und wie es entstanden ist und wie es sich in seiner Umwelt verhält und zurechtkommt. Es waren schon die gleichen Fragen, die Charles Darwin zur Entdeckung der Evolution geführt haben. Bis zur Entdeckung sollte es noch 600 Jahre dauern, aber die Tatsache, dass diese Fragen überhaupt gestellt wurden, konnte die naturwissenschaftliche Forschung in Gang setzen. Einer der größten Gelehrten der allmächtigen Kirche hatte den Startschuss gegeben.

Über die Tierwelt hatte Albertus in seiner Jugend schon weitreichende Beobachtungen angestellt, die ihm jetzt zugutekamen. Um darüber hinaus in der Pflanzenwelt Erfahrungen zu sammeln, legte er im Dominikanerkloster in Köln für seine Beobachtungen einen Pflanzengarten an. Aber auch auf seinen Wanderungen beobachtete er die Natur am Weg genau. Den Dominikanern war durch Ordenssatzung auferlegt, alle Reisen zu Fuß zurückzulegen. Albertus Magnus ist in seinem Leben wohl mindestens die Strecke einer Erdumrundung gewandert; er war ständig zwischen Deutschland, Frankreich und Italien unterwegs. Hier ein Beispiel für seine Beobachtungsgabe bei der Betrachtung von Mispeln: „Aus gealterten Bäumen wächst oben aus den Ästen eine Pflanze, die auf jeder Baumart dieselbe Gestalt zeigt. Sie haftet sich dem Baume an, hat feste Blätter, die auch im Winter ihre Frische behalten, fast wie Olivenlaub, nur dass sie in der Farbe etwas zitronengelb erscheinen. Im Winter wachsen daran weiße Beeren. Die Struktur der Pflanze ist locker und knotig, wie beim Weinstock. Die innere Haut zwischen Rinde und Holz ist feucht und sehr klebrig. Darum verwenden sie die Vogelfänger als Vogelleim, mit dem sie Vögel fangen.“

Er machte sich auch über Ursache und Wirkung des Naturgeschehens Gedanken. Da er keinerlei naturwissenschaftliche Vorkenntnisse im heutigen Sinne besaß, muten diese Gedanken eigenartig an, sind aber als der Versuch, eine Pflanzen- und Tierkunde zu entwickeln, nicht hoch genug einzuschätzen. Er entwickelte die Theorie, dass es als Ursache für die Belebung der Pflanzen und ihre Formenvielfalt zusätzlich zu den bekannten „irdischen Elementen Feuer, Luft, Wasser, Erde“ ein fünftes Element geben müsse, eine „vita occulta“, deren Wirksamkeit man überall sehen könne. Er nannte sie „Äther“ und „Substanz der Gestirne“. Für die Tierwelt müsse das Gleiche gelten. Er traf die Unterscheidung in Vierfüßler, Zweifüßler, Fußlose, schwimmende und fliegende Tiere. Über die Biene wissen wir, dass er sie anatomisch untersucht hat.

Neben seinem Werk „Von Pferden, Hunden und Falken“ schrieb er ein „Buch der Tiere“ (de animalibus libri). In beiden Büchern stand die Beobachtung im Vordergrund. Über die ungeprüfte Übernahme von Dogmen konnte er sich erregen: „Solche Leute haben den Sokrates umgebracht und den Platon in die Verbannung geschickt.“

Dass die Kirche ihn trotz seiner naturwissenschaftlichen Schriften heiligsprach, hatte wohl folgenden Grund:

Albertus Magnus, glühender Christ, arbeitete die neuen Erkenntnisse über die griechischen Philosophen so in die kirchliche, bis dahin augustinisch dominierte Lehre ein, dass dies nicht als Verstoß gegen diese Lehre angesehen werden konnte, ja als Erneuerung und Gewinn erschien. Sein philosophisches Werk war umwerfend populär geworden, seine Reputation von solcher Größenordnung, dass es opportuner war, seine Schriften über die Natur nicht zu beachten, als ihn zur Rechenschaft zu ziehen.

Die Entfesselung der Abendländer

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