Читать книгу Der Aufstieg des Karl Ernst Schober - Hans Ulrich Süss - Страница 5
2. Personalabbau
ОглавлениеHeumann rief seine Mitarbeiter zusammen und verkündete die Vorstellungen des Gremiums. Schlicht zusammengefasst hatte die Firma genau 20% zu viel Personal an Bord, und das galt – überraschenderweise – für alle Bereiche. Wer geglaubt hatte, nur bestimmte Geschäftsgebiete oder interne Dienstleister wären unterbeschäftigt und andere möglicherweise doch nicht überbesetzt, sah sich getäuscht. Der Vorstand ließ die Botschaft verkünden, alle hätten sich in diesen schlechten Zeiten solidarisch zu zeigen, der Personalabbau sei unvermeidlich, allerdings in sozialverträglicher Form durchzuführen. Letzteres sei dem gesamten Vorstand besonders wichtig. In den Abteilungen gab es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie ernst man dieses statement zu nehmen habe. Bei der Diskussion mit seinen Mitarbeitern zeigte sich Heumann sicher, es müsse dieses Zeichen gesetzt werden, es gab sie überall, die zu starke Besetzung mit Mitarbeitern. In der Forschung allerdings, wo man ja für die Zukunft des Unternehmens hart arbeite, da sei es doch sehr schwer Personal einzusparen!
Nur ein älterer Kollege, Dr. Schwalbe, stellte die ketzerische Behauptung auf, die ganze Aktion sei ein Ausdruck von Bequemlichkeit. Er erklärte: "Das ist doch für den Vorstand und alle Chefs auf den Ebenen darunter die einfachste und bequemste Lösung. Wenn überall 20% Personal eingespart werden müssen, spart man sich erstens jede mühsame Analyse des wirklich Erforderlichen und zweitens die unbequeme Diskussion mit den Betroffenen, drittens tritt man niemand von Wichtigkeit auf den Fuß, den man vielleicht noch einmal braucht. Da ist es die einfache Lösung zu sagen, überall müssen 20% weg! Der Vorstand muss jetzt selbst nichts mehr klären oder konkretisieren. Man schiebt einfach den consultant vor, der ist für das Ergebnis verantwortlich! Dessen Analyse darf man auch nicht in Frage stellen. Denn, weil das so eine berühmte Firma ist, kann das Resultat nur über jeden Zweifel erhaben sein. Ich nenn' das clever! Es zeigt wieder mal, wie wenig mühsam die Vorstandsarbeit ist. Kostet ein wenig Geld für den consultant, spart aber jede Menge eigene Arbeit und gibt Zeit, die Vorstandsessen zu genießen!" Nach diesem Ausbruch sah er triumphierend in die Runde, die peinlich berührt schwieg.
Heumann war indigniert und froh, als Schober eine konkrete Frage stellte: "Bei mir ist nach Ihren Ausführungen der Eindruck entstanden, es gehe einzig um die Verminderung des Personals. Geht es hier nur um Köpfe, nicht um Kosten? Sie haben nichts über eine spezifische Kostensenkung erwähnt …?" er ließ den Satz unbeendet, um Heumann die Möglichkeit zur Erläuterung zu geben.
Den Gefallen tat ihm Heumann, der schnell über Schwalbes heikle Ausführungen hinweggehen wollte. "Sie haben völlig Recht", antwortete er Schober. "Der Vorstand möchte die Zahl der Mitarbeiter generell vermindert sehen, deren Gehalt steht als Entscheidungskriterium nicht zur Debatte."
"Das bedeutet demnach, wir müssen nicht eine bestimmte Gehaltssumme einsparen, es ist wichtiger die Anzahl der Personen um 20% zu vermindern?"
"Ha", meldete sich Schwalbe nochmal, "das wäre auch zu einfach, dann wäre es doch damit getan, drei Direktoren zu feuern und 'ne Million wäre gespart!"
"Ich bitte um mehr Sachlichkeit", bat Heumann und fuhr zu Schober gewandt fort: "Man kann es so ausdrücken. Da wir selbstverständlich sozialverträglich Personal abbauen, werden wir ältere Mitarbeiter bitten, in den Vorruhestand zu gehen und eventuell noch diejenigen Mitarbeiter auffordern, eine Abfindung zu akzeptieren, die erst sehr kurz im Hause sind. Ich erwarte von Ihnen eine zunächst unverbindliche Liste mit den Ihrer Meinung nach entbehrlichsten Mitarbeitern", schloss Heumann. Dann fiel ihm doch noch etwas ein: "Für die Fragen der Abfindung und des Vorruhestandes hat unsere Personalabteilung schon klare Regeln erstellt. Einer solchen Regelung wird auch der Betriebsrat zustimmen."
Schwalbe nutze die Gelegenheit, seinen Einwurf zu wiederholen: "Man könnte wirklich bevorzugt Direktoren einsparen, einer ist so teuer, wie drei Mann im Labor!"
Heumann ignorierte ihn, er zuckte die Schultern und sagte: "Die Vorgabe der Kommission ist eindeutig, die Mitarbeiterzahl soll um 20% sinken!" Er beendet rasch die Informationssitzung, die Diskussion der Kosten für Direktion und Leitung war ihm zu heikel, das könnte ihn selbst treffen.
Schober eilte sofort in sein Büro und forderte seine Sekretärin auf, umgehend eine Liste mit Alter und Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiter zu erstellen. Schon kurze Zeit später legte sie ihm diese Liste vor und fragte neugierig: "Wird der Personalabbau viele Kollegen treffen?"
Schober beruhigte sie: "Wir machen hier wichtige zukunftsorientierte Forschung, da kann erst mal keiner etwas dran drehen." Zuviel Wahrheit auf einmal schadet nur, dachte er. Jetzt musste er zuerst mit seinem offiziellen Chef, dem Prof. Krauth, reden, um dessen Position zu erfragen. Während Heumanns Präsentation hatte der Krauth sich, wie immer, zurückgehalten.
Krauth fand das Thema 'Personalabbau' überhaupt nicht begeisternd: "Lieber Schober, das bedeutet nur Ärger, nichts als Ärger. Stellen Sie sich vor, wir müssten unseren Stab verkleinern! Der wurde mühevoll aufgebaut über Jahre. Wir sind wichtig geworden, weil wir soviel und so intensiv forschen." Er war sichtlich ungehalten. "Ausgerechnet jetzt, wo ich mich auf die Vorbereitung meiner Vorlesung konzentrieren wollte, mir passt das überhaupt nicht. Schon dieser überraschende Termin bei Heumann, eigentlich ein Unding! Mein Zeitplan ist komplett durcheinander!"
Schober ließ einen Versuchsballon steigen: "Ich finde das Thema auch sehr unangenehm, wir sind ja noch nicht einmal in der Mitte unseres Forschungsprojektes und die großen Erfolge werden sich sicherlich bald einstellen. Gerade jetzt stört dieser geplante Personalabbau nun wirklich. Darf ich Ihnen bei dem Thema helfen?"
Krauth war angetan: "Das wäre sehr gut, wenn Sie die internen Dinge vorklären. Wer als Kandidat für den Ruhestand in Frage käme und wie das abzuwickeln ist."
Schober preschte weiter vor: "Darf ich versuchen diese Aktionen voranzutreiben? Ich hoffe, es wird möglich, weniger Mitarbeiter zu verlieren, wenn wir rasch agieren. Dann wird man bei der Anzahl nicht so kritisch sein."
"Ich finde es schrecklich, dass wir uns überhaupt mit solch profanen Dingen befassen müssen," meinte Krauth, "die vornehmste Aufgabe der Forschung ist es Wissen zu mehren, zu patentieren, zu publizieren und Neues zu versuchen!"
Schober dachte: 'mit dieser Sicht der Dinge wärst Du besser an der Uni geblieben'. Laut sagte er: "Ich werde dann in Ihrem Sinne vorgehen, unser Ziel sollte es sein, so wenige Mitarbeiter zu verlieren, wie irgend möglich. Zunächst sollten wir aber pro active handeln." Krauth nickte, er war in Gedanken schon wieder woanders, seine Vorlesung beschäftigte ihn.
Die Liste der achtzehn Mitarbeiter der Gruppe unter Schobers Leitung zeigte nur zwei Mitarbeiter mit für den Vorruhestand passendem Alter, Frau Bauermann und Herrn Wurster. Ein weiterer Mitarbeiter, Trageser, war erst vor einem Jahr nach der Ausbildung übernommen worden. Schober überlegte. Wenn es darum ging, rasch deutliche Zeichen zu setzen, dann musste er den Trageser und einen weiteren Mitarbeiter loswerden und die Bauermann mit dem Wurster in den Vorruhestand schicken. Dann könnte er zu Prof. Krauth und Dr. Heumann gehen und als erster Vollzug melden! Er rief die Personalabteilung an und fragte nach freien Stellen. Es gab noch etwas im Bereich Analytik von Futtermitteln, dort sollte ausgebaut werden, Personalabbau hin oder her. Wenn Schober rasch zugriff und den Trageser überreden könnte dorthin zu wechseln, dann wäre er den ersten Mitarbeiter schon los! Er wies seine Sekretärin an, ihm Tragesers Chef ins Büro zu schicken. Dr. Hofmeister war bei der Sitzung mit Heumann dabei gewesen und hatte schon eine Ahnung des Kommenden: "Wen werden wir denn abbauen müssen? Zwanzig Prozent von uns, das sind vier Kollegen?" fragte er gleich nach dem Eintreten.
"Wie Sie gehört haben, sind zuerst die Möglichkeiten des Vorruhestandes auszuloten. Ich habe aber in unserer Gruppe dafür nur zwei Kandidaten. Deshalb müssten wohl noch zwei weitere Mitarbeiter gehen. Wenn wir es schaffen, den Trageser rasch noch intern zu versetzen, dann besteht Hoffnung, nicht die theoretischen vier, sondern nur drei Mitarbeiter zu verlieren", erklärte Schober.
Hofmeister hatte Bedenken: "Der Trageser ist eine echte Bereicherung für meine kleine Gruppe, der setzt neue Ideen rasch und effektiv um, den zu verlieren wären wirklich nicht gut. Meine anderen Mitarbeiter sind alle schon zwanzig Jahre dabei, die sind nicht wirklich an neuen Dingen interessiert, die kochen alles nur nach Vorgabe runter. Außerdem hatte der Trageser schon vor einem Jahr nach dem Ende seiner Ausbildung auch ein Angebot zur Analytik zu gehen, das hat er abgelehnt. Er findet sowas langweilig. Ich glaube, das wird sehr schwer, den zu überzeugen."
Schober hatte kein Problem diese Einwände wegzuwischen: "Also das hätte ich nicht von Ihnen gedacht, Hofmeister, Sie haben doch das Seminar zur Mitarbeitermotivation schon besucht, oder? Fällt es Ihnen so schwer, Ihre älteren Mitarbeiter anzuspornen? Vielleicht sollten Sie mal versuchen das Gelernte umzusetzen. Ich weiß, es gibt sie, diese alten, sturen Laboranten, denen alles Neue missfällt. Hier liegt es zuerst am Chef, den Laden in Schwung zu halten!"
Hofmeister erschrak, ihm wurde die Konsequenz seiner Aussage klar: "Also so war das nicht gemeint, ich komme mit den Älteren schon gut aus und so unbrauchbar sind sie auch nicht …."
"Hab ich es doch gewusst, Sie kriegen das hin in Ihrer Truppe", antwortete Schober und freute sich innerlich, das war ganz einfach gewesen, ein dezenter Hinweis und schon fraß ihm der Hofmeister aus der Hand! Schober merkte, er konnte gut mit Menschen!
"Aber dem Trageser wird diese Versetzung nicht gefallen", wand Hofmeister erneut ein.
"Das lassen mich mal einsortieren", konterte Schober, "dem werden wir jetzt mal erzählen was Sache ist." Er rief seine Sekretärin und bat sie den Trageser ins Büro zu rufen.
Trageser war überrascht, zum Chef der Gruppe gerufen zu werden. Als er dort seinen Chef sah, wurde ihm klar, hier war etwas im Busch. Schober kam ohne Umschweife zum Thema.
"Wie Sie sicher gehört haben, kommen auf uns alle schwierige Zeiten zu. Unser Vorstand unterstützt den Vorschlag des Programms Total Organizational Progress zur Verminderung der Belegschaft um 20%. Das wurde als essentiell für die Zukunft des Unternehmens beschrieben. Erst nach langer, intensiver Diskussion hat der Vorstand dies akzeptiert. An uns, Ihnen, Ihrem Chef Herrn Hofmeister und mir liegt es jetzt, diesen Plan umzusetzen."
Nach einer bedeutungsschweren Pause fuhr er fort: "Wie Sie sicher schon wissen, genießen ältere Mitarbeiter in unserem Hause selbstverständlich einen Schutz Ihres Arbeitsplatzes. Bei jüngeren Mitarbeitern sieht das etwas anders aus. Da gibt es praktisch keinen Schutz gegen betriebsbedingte Kündigung. Es gibt eine Abfindung, aber die errechnet sich nach der Betriebszugehörigkeit. Da gibt es eine Formel", er schien auf seinem Schreibtisch zu suchen, sprach dann aber weiter: "ein paar Prozent des letzten Gehaltes mal der Monate der Betriebszugehörigkeit. Das ergibt in Ihrem Fall nur eine sehr bescheidene Summe."
Schober pausierte wieder und ließ die Sätze wirken. Dann fuhr er fort, wie es schien, mit einem Themawechsel: "Dr. Hofmeister sagte mir, er ist mit Ihrer Arbeitsleistung sehr zufrieden. Also wir beide würden Sie ungern verlieren. Aber bevor uns so etwas aufgedrückt wird, werden wir – gerade in Anbetracht Ihrer Leistung – uns sehr für Ihren Verbleib in der Firma engagieren. Das wird sicher nicht einfach, aber Sie können dabei auf unsere Unterstützung setzen! Das ist doch so, Hofmeister?" endete er, die Stimme anhebend.
"Ja, sicher doch", beeilte sich Hofmeister zu antworten.
In leicht verschwörerischem Ton fuhr Schober fort: "Ich hab es aus sicherer Quelle, in der Analytik werden noch fähige Mitarbeiter gesucht. Rufen Sie doch mal gleich den Dr. Mühlbacher an, der hat die 3365, und vereinbaren Sie einen Vorstellungstermin, am besten ganz schnell. Je schneller das geht, umso grösser sind Ihre Chancen dort unterzukommen!"
Trageser war völlig überrumpelt, er sagt nur: "Analytik ist eigentlich nicht das, was ich gerne mache, ich weiß nicht, ob ich dorthin wechseln möchte!?"
Schober akzeptierte den Einwand nicht: "Ich denke, jetzt gilt es clever zu sein und diese Chance zu nutzen, um weiter einen Job zu haben. Die Frage 'gern' oder 'ungern' stellt sich in dieser schweren Zeit nicht. Später, wenn dieser Sturm sich gelegt hat, dann stehen Ihnen mit Ihrer Qualifikation doch wieder alle Türen offen und Sie können sich intern wieder verändern. Wir sind ein großes Haus, da gibt es vermutlich schon bald wieder viele Möglichkeiten. Keine Krise dauert ewig. Wir empfehlen Ihnen, gehen Sie in Ihr Labor und rufen Sie gleich an!"
Nachdem Trageser sein Büro verlassen hatte blieb Schober aktiv. Die Sekretärin, Frau Treskow, sollte ihm den Herrn Wurster vorbei schicken und beflügelt vom offensichtlich erfolgreichen Gespräch mit Trageser rief er durch die geöffnete Tür nach draußen: "Schicken Sie mir mal den Hans Wurst herein!" und kicherte über seinen tollen Witz.
"Wen meinen Sie?" fragte Frau Treskow zurück. "Na den Wurster vom Labor." "Der heißt aber Klaus Wurster", war die leicht indignierte Antwort.
"Na, ein Späßchen werden Sie doch verstehen", sagte Schober, er schüttelte den Kopf, diese Frau hatte keinen Humor!
Wurster hatte schon eine Vorstellung von dem was kam. "Guten Tag Herr Dr. Schober, ich denke, Sie werden mir jetzt meinen Vorruhestand erklären", begann er gleich nach dem Eintreten.
"Na ganz so schnell muss es nicht gehen", Schober gab sich jovial, "setzen Sie sich erst mal hin und dann erklären Sie mir doch mal Ihre Sicht vom möglichen Vorruhestand."
Wurster fackelte nicht lange: "Also, wenn ich die Optionen richtig verstanden hab', dann kann ich praktisch gleich aufhören. Mit 63 Jahren kann ich in die Rente gehen, jetzt bin ich 60. Wenn die Vorruhestand-Teilzeitregelung rückwirkend ab 57 gerechnet wird, dann hab ich die Hälfte schon gearbeitet, dann muss mir die Firma das nur noch schriftlich geben."
"Sie würden also gerne gehen?" fragte Schober nach. "Sie wissen, dass wir in den nächsten drei Jahren nur 80% Ihres derzeitigen Gehaltes zahlen werden? Ihre Rente wird auch geringer, wenn Sie vorzeitig gehen, das gleiche gilt für die Leistung Ihrer Pensionskasse!"
"Ich werd' das schon überleben", antwortete Wurster, "Ich hab so viele Ideen, was und wie ich zuhause umbaue, mir wird es schon nicht langweilig. Die Kohle wird schon reichen. Meine Frau arbeitet noch, da kommt eigentlich genug rein. Wenn ich bis 65 bliebe, dann verkürzt das nur meine Zeit als rüstiger Rentner. Wann können wir das bei der Personalabteilung festklopfen?"
"Na, wenn Sie sich schon sicher sind, das zu wollen, dann können wir noch diese Woche einen Termin machen", meinte Schober. Er verabschiedete Wurster und rieb sich die Hände. 'Jetzt fehlt mir nur noch die Bauermann,' dachte er und dann ist das Ziel erreicht. Doch Frau Bauermann erwies sich als schwieriger Fall. Die Überrumpelungstaktik funktionierte nicht.
"Nein, daran hab' ich noch nicht gedacht", antwortete sie auf die Frage nach einer Vorruhestandsregelung mit Gehaltsverzicht. "Ich bin nicht sicher, aber ich denke, ich muss bis zu meinem offiziellen Rentenbeginn arbeiten, sonst reicht es nicht. Als Laborhilfskraft hab ich ja nie viel verdient, da ist auch meine Rente nicht hoch."
"Aber Sie bekommen doch noch zusätzlich etwas aus der Firmen-Pensionskasse", Schober versuchte Frau Bauermann zu ködern.
Das wollte Frau Bauermann aber nicht akzeptieren. "Die ziehen mir für jedes Jahr, das ich früher gehe 5% ab! Da wird das Wenige ja noch weniger! Wenn ich mit 58 gehe, sind dies zehn Prozent Abzug. Nein, das ist mir zu viel. Und zusätzlich noch Abstriche bei der Rente. Das wird nicht reichen für meinen Lebensabend. Da kann ich mir ja gar nichts mehr leisten." Sie sah sich schon betteln und hungern.
Jetzt versuchte Schober es mit sozialem Druck: "Wissen Sie, das Problem ist, wir müssen 20% der Mitarbeiter abbauen, wenn Sie nicht akzeptieren, dann wird einer Ihrer jüngeren Kollegen oder eine Kollegin gehen müssen."
"Aber ich schicke die doch nicht weg, das machen doch Sie!" Frau Bauermann zog sich diesen Schuh nicht an. Schober testete noch eine Weile seine Überredungskünste, dann gab er auf. Er beendete das Gespräch mit der Weitergabe zum Nächsten: "Ich schicke Ihnen mal Ihren Chef, den Dr. Hofmeister vorbei, mit dem können Sie das alles nochmal besprechen. Und bei der Personalabteilung und dem Betriebsrat gehen sie am Besten auch vorbei, die werden Ihnen das mit dem Vorruhestand alles nochmal im Detail erklären."
Bei Schober zuhause war der Personalabbau selbstverständlich ein Thema. Schober fühlte sich in seinem Element, er konnte agieren, manipulieren und ein wenig schwindeln, das war einfach schöner, als Synthesen erdenken oder Verfahrensvarianten systematisch zu optimieren. Deshalb meinte er zu Elsbeth: "Das wird wieder ein Erfolg, endlich mal wieder. Du wirst sehen, der Krauth lässt mich machen und der Heumann kann nichts als mir Beifall klatschen! Das sind die Dinge, die ich am Besten kann, organisieren, Entscheidungen auf dem Weg bringen! Dort liegen meine Stärken, das ist ganz offensichtlich. Das einzige was noch stört, ist diese dusselige Kuh, die Bauermann. Die muss einfach 'ja' sagen."
"Du findest das gut, Leute aus der Firma zu befördern? Also wirklich, Karl, das erschreckt mich!"
Schober fand sein Verhalten überhaupt nicht erschreckend und den Kommentar Elses total daneben. Aber, sie hatte endlich mal wieder 'Karl' gesagt. Das bedeutete, sie nahm ihn jetzt endlich ernst! Er war wichtig! Er erklärte: "Ich übe nur meine Pflicht als Vorgesetzter aus. Es ist im Interesse des Unternehmens, die ausufernden Kosten zu senken. Wieso kann das falsch sein, dabei zu helfen?"
"Ich sehe ja, Du versuchst zu helfen. Dem Trageser hast Du ja auch eine Alternative besorgt. Aber so, wie Du jetzt gerade auf die arme Frau Bauermann geschimpft hast, das finde ich nicht gut."
"Na gut, meine Wortwahl ist eben nicht immer so elegant. Ich bin halt nicht Goethe. Wir dürfen nicht das gesamte Unternehmen gefährden, da sind Abstriche bei kleinen Details ganz einfach unvermeidlich. Wenn man das große Ganze im Auge hat, dann werden diese Kleinigkeiten, wie Frau Bauermanns lächerliche Sicht der verminderten Rente einfach zu einer schlichen Unanehmlichkeit."
"Möchtest Du Dich nicht in ihre Lage versetzen? Vielleicht ist es leichter, ihr entgegen zu kommen, wenn Du verstehst, was sie drückt." Elsbeth war nicht überzeugt durch Schobers Worte. Sie hatte offensichtlich Recht mit ihren Zweifeln, denn Schober reagierte unwillig: "Wo kommen wir denn hin, wenn ein Chef sich in seine Mitarbeiter versetzt. Da kann ich ja gleich alles erlauben, was denen so einfällt. Nein, das geht nicht."
Tragesers Versetzung war nach zwei Tagen sicher. Schon zum Monatsende konnte er wechseln. Es gefiel ihm zwar nicht wirklich, Routineanalysen zu überwachen, aber besser einen uninteressanten Job, als keinen, dachte er.
Nach drei Tagen meldete sich Hofmeister telefonisch bei Schober. "Ich ruf an wegen der Frau Bauermann. Es sieht jetzt gut aus mit dem Vorruhestand. Wir haben ihr alles im Detail erklärt und jetzt sieht sie, dass es nur wenig Unterschied gibt bei der Rente, wenn sie vorzeitig geht. Sie hat ja schon ewig lange Jahre eingezahlt. Wir können morgen zur Personalabteilung und das Paket schriftlich fixieren." Schober war begeistert, das hatte er toll eingefädelt, das würde den Heumann beeindrucken!
Der zuständige Mitarbeiter der Personalabteilung, Aberle, hatte bei Schobers Sekretärin darum gebeten beide, Schober und Hofmeister, sollten bitte 15 Minuten vor Frau Bauermann erscheinen, um die Sache vorab noch einmal zu besprechen. Als sie in Aberles Büro kamen wurden Sie mit einer Frage konfrontiert: "Diese Frau Bauermann hat doch bei Ihnen im Labor als Spülfrau gearbeitet, warum hat die so eine hohe Einstufung bei ihrem Entgeld?"
Schober blickte Hofmeister an und dieser erklärte: "Ja, eigentlich hat sie fast keine Spültätigkeit mehr durchgeführt, wissen sie, für unsere Glasgeräte gibt es heutzutage Spülmaschinen. Wir habe Frau Bauermann zunehmend zur Dokumentation, zu Kopierarbeiten zur Aktualisierung der Ablage und zu Botengängen eingesetzt. Das hat sie auch sehr gut gemacht, und das wird uns künftig sicher sehr fehlen, denn einen Ersatz wird es ja nicht geben." Er sah vorwurfsvoll auf Schober, der das ignorierte.
"Darüber wollen wir jetzt nicht sprechen", warf Schober rasch ein, "wie soll ich Ihre Frage verstehen?"
"Nun ja, wir in der Personalabteilung haben ja immer das Interesse der gesamten Firma zu vertreten, diesem muss sich das Abteilungsinteresse unterordnen. Und bei mir ist jetzt eine Anfrage von der Dentalabteilung auf den Tisch gelangt. Die suchen jemand, der deren steigende Anzahl von Kleinaufträgen verpackt, die an Zahntechniker ausgeliefert werden. Das wird natürlich nicht so gut bezahlt. Die Entgeltgruppe ist nur bei 3 und Sie zahlen Frau Bauermann Gruppe 6."
Nun mischte sich Hofmeister ein: "Diesen Vorschlag halte ich für ganz unpassend. Wir haben drei Tage gebraucht, um Frau Bauermann den Vorruhestand schmackhaft zu machen und Sie wollen das jetzt kippen? Ich sage Ihnen jetzt schon, das wird dann nichts mit Frau Bauermanns Unterschrift. Sie hat sich mit dem Gedanken Vorruhestand nur ganz langsam angefreundet. Dieser Schritt zu etwas ganz anderem wird für sie den Eindruck erwecken, wir schubsen sie hin und her, ohne Plan und Ziel, sondern so, wie es gerade passend erscheint!"
"Na und", rief Schober, "Ich lass mir doch von einer Spülfrau nicht auf der Nase herumtanzen was soll das! Das ist ein tolles Angebot, das nützt der Firma, ich steh’ hinter diesem Vorschlag! Eigentlich wollte die Bauermann doch sowieso nicht in den Vorruhestand."
Frau Bauermann war, wie von Hofmeister vorhergesagt, total perplex, als sie mit der Idee zu einer Versetzung konfrontiert wurde: "Was soll ich denn nun von Ihnen halten," sagte sie zu der versammelten Gruppe der Chefs, "Sie ändern doch Ihre Meinung mit der Uhrzeit, ich unterschreibe hier gar nichts! Ich will zuerst mit dem Betriebsrat sprechen, was stellen sie sich denn vor, was sie mit mir machen können?" Es half nichts, kein Zureden, Frau Bauermann war zu keiner Entscheidung bereit. Sie ging direkt von der Personalabteilung zum Betriebsrat, um sich erneut beraten zu lassen.
Schober war sauer. Er motzte den Vertreter der Personalabteilung an: "Ihre Hauruck-Aktionen ohne Vorbereitung bringen uns nur in Schwierigkeiten. Sie haben doch vorhin Herrn Dr. Hofmeister deutlich gehört, der hat dieses Resultat vorhergesagt!"
Der so Angesprochene reagierte erstaunt: "Aber Sie selbst haben doch vorhin zugestimmt ...." Schober schnitt ihm das Wort ab: "Das haben Sie vollkommen falsch interpretiert, mein Mitarbeiter hat unsere Bedenken deutlich formuliert! Dieses Theater hätten wir uns schenken können!" Er wand sich an Hofmeister: "Wir gehen!"
Auf dem Rückweg zum Forschungsgebäude schärfte er Hofmeister ein: "Sehen sie zu, mit Frau Bauermann sofort zu reden, wenn sie vom Betriebsrat zurück kommt. Wir müssen diesen Mist einfangen, bevor er alles vollstinkt, denn wenn das groß rumerzählt wird, schadet es uns allen! Sie hatten vollkommen Recht, vor diesen Personalabteilungs-Fuzzi zu warnen, so geht man nicht mit Mitarbeitern um. Ich fass es nicht, mitten im Strom die Pferde wechseln, auf so eine blöde Idee kommt nur die Personalabteilung. Informieren Sie mich bitte gleich, wenn Sie mit Frau Bauermann gesprochen haben."
Hofmeister rief Schober schon kurze Zeit später an: "Sie können es sich denken, Frau Bauermann ist stinksauer. Aber ich hab den Eindruck, nicht auf uns, mehr auf die Personalabteilung, zum Glück. Die Herren vom Betriebsrat werden sicher mit dem Herrn Aberle ein Hühnchen rupfen."
Schober fragte nach: "Das ist gut für uns, aber was wird aus dem Personalabbau?"
Hofmeister antwortete: "Na ja, so sauer wie sie auf den Typ von der Personalabteilung ist, bei uns will sie auch nicht länger bleiben, weil wir ihr das ja eingebrockt haben. Wenn ich Frau Bauermann richtig verstanden habe, dann hat ihr der Betriebsrat gesagt, den Vorruhestand müsse sie nicht akzeptieren, da müsse sie nichts unterschreiben. Die haben ihr zu einer betriebsbedingten Versetzung geraten. Wenn ich nicht ganz falsch liege, dann will sie inzwischen einfach nur weg."
"Nun das wäre ja nicht so schlecht. Wir müssen drei Mitarbeiter abbauen, wenn sie jetzt gehen möchte, dann soll sie gehen."
Hofmeister glaubte noch mehr Information weitergeben zu müssen: "Die Stimmung in der Abteilung ist ziemlich mies. Die Leute reden nur noch darüber, wie wenig der Einzelne hier zählt und dass man einfach wie 'ne Schachfigur hin und her geschoben wird, wie es den Chefs halt so gefällt."
"Na gut, das ist wohl im Moment nicht zu vermeiden", antwortete Schober, "ich werde da gegensteuern müssen, aber nicht gleich. Die gute Nachricht ist zunächst, Frau Bauermann will weg. Vielleicht geht sie doch zu unserer Dentalabteilung?!"
"Das könnte gut sein", meinte Hofmeister, "Ich werde aber bis morgen warten, bevor ich noch einmal frage. Frau Bauermanns Kollegen reden ihr zu, hier zu bleiben, da kommt doch Solidarität auf."
Beim Abendessen kommentierte Schober das Geschehen: "Stell Dir vor, was heute wieder für ein Mist passiert ist. Wir hatten mit unserer Frau Bauermann einen Termin zur Unterzeichnung ihrer Vorruhestandsvereinbarung. Da kam der Aberle von der Personalabteilung mit einem bizarren neuen Vorschlag, 'ner Versetzung zu Dental. Ich hatte gleich so ein mulmiges Gefühl. Es hatte ja lange gedauert, bis sich unsere Frau Bauermann mit dem Vorruhestand angefreundet hat. Und jetzt so eine Kehrtwende. Das ist zu viel Änderung für so eine arme Frau. Das verkraftet die nicht."
Er holte Luft, um seiner Beschreibung Nachdruck zu verleihen. Er kam aber nicht gleich dazu weiter zu reden, Elsbeth nutzte die Pause sich einzuschalten: "Du meinst, die Frau Bauermann soll nicht in den Vorruhestand, sondern auf eine andere Stelle? Das ist aber komisch."
Schober nahm das Wort auf: "Komisch, genau, komisch, das ist der richtige Begriff. Da redet man tagelange auf die arme Frau eine, wie auf eine kranke Kuh, erklärt ihr die Vorzüge des Ruhestandes und dann fällt einem die Personalabteilung in den Rücken. Du sagst es, komisch!" Er überlegte kurz und fuhr fort: "Da hab ich aber ernsthaft widersprochen! So nicht, sag ich, das geht zu weit, mein lieber Herr Aberle! Aber leider war der nicht zu bremsen. Der Aberle bestand auf seiner Idee und wir haben gegenüber der Personalabteilung leider keine Weisungsbefugnis. Da nahm das Unheil seinen Lauf. Frau Bauermann hat natürlich abgelehnt und ist jetzt sehr böse mit alle Beteiligten."
"Auch mit Dir, obwohl Du ihr doch helfen wolltest?" fragte Elsbeth.
"Ja, das ist leider so. Da gilt dann doch das alte 'mitgegangen, mit gefangen, mit gehangen", Schober bemitleidete sich selbst etwas. Er war sich sicher, er hatte alles versucht um jedem nach Möglichkeit gerecht zu werden! Er schloss mit der Aussage: "So schön es ist, Führungsaufgaben zu übernehmen, so schwer wird es, das Gute, das Richtige zu tun, ohne dass einem jemand dumm in den Arm fällt!" Er seufzte. Elsbeth sah ihn bewundernd und bedauend an, er hatte es schwer!
Nach zwei Tagen Denkpause akzeptierte Frau Bauermann den sofortigen Wechsel zur Dentalabteilung, denn bei der Personalabteilung war ihr der Fortbestand ihrer Einstufung bei der Entlohnung garantiert worden. Sie verabschiedete sich weder von Hofmeister noch von Schober. Der nahm das hin, nur Hofmeister war betroffen. Er sagte zu Schober: "Jetzt haben wir eine gute Kraft verloren, ohne Ersatz zu bekommen, das reißt eine Lücke und das Arbeitsklima in der Abteilung ist auch ruiniert."
Schober nahm es gelassen: "Die Abteilung ist jetzt konsolidiert. Wir haben ein wenig Federn gelassen, aber mehr ist nicht passiert. Wenn wir drei Mitarbeiter abbauen, sind das fast die geforderten 20%, da traut sich jetzt keiner, von uns noch mehr zu fordern."
"Aber die Stimmung in der Belegschaft ist sehr schlecht", meinte Hofmeister. Das war Schober egal: "Mein lieber Hofmeister, wir sind hier in der chemischen Industrie, nicht im Gesangverein, hier ist Harmonie eine Zugabe, aber keine Voraussetzung. Wir sind hier, um zu arbeiten, um Geld zu verdienen für unseren Arbeitgeber und für uns. "
Hofmeister hatte noch ein Problem: "Wir haben jetzt Frau Bauermann verloren, ohne Ersatz. Der Typ von der Personalabteilung hat mir gerade gesagt, die Differenz in der Entgeltgruppe wird vom neuen Arbeitgeber nicht übernommen. Er meinte, die bliebe bei uns liegen. Ist das richtig?"
"Ja, das ist ein kleiner Wermutstropfen", Schober reagierte etwas zögernd, "wir werden in den kommenden zwei Jahren diese Differenz als Abteilungs-overhead verbuchen müssen."
Hofmeister war baff: "Aber diese Kostendifferenz von Entgeltgruppe 3 zu Gruppe 6 ist fast so hoch wie die Gesamtkosten einer Kraft für Gruppe 3! Das heißt, wir bezahlen künftig die Hälfte von Frau Bauermanns Gehalt weiter, haben aber nichts davon?"
"Sie sehen das viel zu eng", war Schobers Reaktion, "unser Ziel muss es sein, dem Vorstand zu zeigen, dass wir rasch, zielgerichtet und erfolgsorientiert handeln. Diese Kleinigkeiten, wie leicht erhöhte overheads sind einfach nicht zu ändern. Und was die Stimmung unter der Belegschaft angeht, da machen wir mal ein Motivationsseminar oder einen Betriebsausflug, da wird das schon wieder!"
"Ja, aber das sind ungefähr 30.000 DM, die wir weiterhin zahlen müssen, ohne eine Gegenleistung zu erhalten!" Hofmeister kam über diese Tatsache offenbar nicht so leicht hinweg.
"Sie verlieren das Ziel aus dem Auge", sagte Schober, "der Vorstand will 20% Personalabbau, wir bauen von 18 Mitarbeitern nur drei ab, nicht die geforderten dreieinhalb. Allein dies sehe ich schon als Gewinn! Da macht das bisschen Geld nichts aus."
Hofmeister hatte einen anderen Vorschlag zur Kostensenkung: "Können wir nicht an unseren internen Kosten drehen? Es ist fast schon unverschämt, was uns die Serviceabteilungen für ihre Dienste in Rechnung stellen. Für ein Telefon im Büro wird uns ein höherer Betrag in Rechnung gestellt, als ich zu Hause für den Netzanschluss an die Telekom zahle. Die Umlagen für den Service ums Gebäude herum sind so hoch, da könnten wir uns einen eigenen Hausmeister leisten. Die Mieten für die Laborflächen sind auch erschreckend hoch. Der Standort behauptet, er benötigt diese Summen ...."
Schober unterbrach Hofmeisters Redefluss: "Da bleiben Sie mal ganz ruhig, lieber Hofmeister, es hat nämlich keinen Sinn sich zu erregen. Diese Kosten sind allesamt berechtigt. Da wird nur umgelegt, was an echten Kosten entstanden ist."
Hofmeister blieb nicht ruhig, er fuhr fort: "Also Sie wollen mir doch nicht sagen, dass eine Telefon bei uns teurer sein muss, als mein Anschluss zu Hause?"
"Selbstverständlich. Bei uns sind auch die Serviceabteilungen angewiesen für ihre erbrachten Leistungen und Kosten die Rendite zu erwirtschaften, die bei allen Investitionen erforderlich ist."
"Gegen eine leistungsorientierte Kostenstruktur ist nichts zu sagen, nur hab' ich den Eindruck, diese internen Abteilungen haben ein Monopol und nutzen es ganz unverschämt aus!"
"Das sehen Sie völlig falsch. Ich habe mit Dr. Heumann darüber gesprochen und der hat mir versichert, unsere Kostenstruktur sei vom Vorstand geprüft und genehmigt worden."
Hofmeister murmelte: "Da werden offenbar jede Menge versteckter Kosten einfach umgelegt." Zu mehr Protest konnte er sich nicht aufraffen. Schober war zufrieden Hofmeister so einfach losgeworden zu sein. Er war doch nicht verrückt und legte sich mit den Herren der Serviceabteilungen an! Die hatten alle beste Kontakte zum Vorstand und dort waren die Kosten abgesegnet worden. Da konnte man ja gleich dem Unterholzer öffentlich widersprechen!? Der hatte keine Ahnung, der Hofmeister, wie schnell dadurch eine Karriere versaut war. Schober schüttelte über so viel Naivität den Kopf. Das Gute war, mit dieser Einstellung würde der Hofmeister nie ein Konkurrent.
Binnen einer weiteren Woche waren die drei Mitarbeiter versetzt oder auf dem Weg zur Versetzung. Schober bat um einen Termin bei Heumann, Prof. Krauth hatte seine Vorlesungswoche, den konnte er leicht übergehen. Er stellte seinen Erfolg vor, nicht ohne über den deutlichen Aderlass zu klagen, der es selbstverständlich sehr erschwere, die gewünschten Forschungsziele zu erreichen. Sein Wissen um die große Unwahrscheinlichkeit eines positiven Resultats erleichtere ihm das prophylaktische Lamentieren.
"Ich gehe davon aus, der Verlust des erfahrenen Mitarbeiters Wurster und noch mehr der des jungen, dynamischen Trageser, wirft uns beim Vorantreiben der Forschung erheblich zurück. Ich versuche mich noch mehr in die tägliche Laborarbeit einzubringen, aber Sie werden verstehen, die Experimente und deren Auswertung kann ich nicht noch zusätzlich persönlich durchführen!"
Dr. Heumann war von der Geschwindigkeit des Personalabbaus beeindruckt: "Ich werde ihre Erfolge bei meinem nächsten Gespräch mit Prof. Unterholzer lobend erwähnen. Es wäre schön, auch meine anderen Mitarbeiter würden ähnlich pro active mit diesem Problem umgehen. Von denen höre ich meist nur Klagen und dass es nicht möglich sei, verdiente Mitarbeiter wegzuschicken!"
Elsbeth wird sich freuen, wenn ich ihr das erzähle, dachte Schober auf dem Weg nach Hause. Augen würde die machen. Seine Begrüßung war entsprechend: "Stell Dir vor, meine zügige Arbeit am Problem mit dem Personalabbau wird von Heuberger dem Vorstand vorgestellt!"
Elsbeth freute sich doch nicht so, wie angenommen. "Zuerst mal guten Tag", war ihre Antwort.
"Klar, guten Tag! Alles in Ordnung?" Schober war irritiert. "Ist was mit Jasmin? Das klappt doch in der Vorschule?" fragte er nach. "Nur das übliche", war die Antwort. Schober dachte, ach so, das ist nur der normale Anfall von gefühlter Missachtung. Gut, das geht vorbei. Er lenkte ein: "Also gut siehst Du aus. Dieser Kurs mit den Fünf Tibetern, der bekommt Dir sichtbar! Sagtest Du nicht, das entspannt?" Auch Elsbeth wollte keinen Streit, deshalb ging sie auf ihn ein. Er hat ja gemerkt, dass mich das verletzt, wenn er ständig nur von seiner Firma redet. Gerade so, als wenn es nicht Wichtigeres auf der Welt gäbe. So hörte sie zu, als Schober seinen Erfolg erklärte.
Am Ende fasste er zusammen: "Bei dieser Geschichte hat sich wieder ganz deutlich gezeigt, wo meine Stärken liegen. Nicht in der Forschung, nein, im management. Ich kann sehr gut mit Menschen! Das ist es!" Elsbeth war etwas skeptisch, musste aber zugeben, beim Vorstand positiv erwähnt zu werden, das hatte was!
Unterholzer war sehr erfreut über Schobers Aktivität: "Heumann, da haben Sie wirklich einen exzellenten Mitarbeiter. Wie rasch und zielgerichtet der das schwierige Thema Personalabbau in seinem Bereich gelöst hat, das findet meine Hochachtung! Den Namen Schober müssen wir uns merken, der hat ganz offensichtlich Führungsqualitäten. Nicht lang fackeln, sondern Resultate vorlegen, das ist es was wir brauchen, in diesen schwierigen Zeiten."
Heumann nickte und dachte an die anderen, noch ungelösten Personalabbauprobleme in seinem Bereich. Das Thema 'erfolgreich und rasch' wollte er deshalb nicht vertiefen; es könnte unangenehm für ihn selbst werden. Wenn der Unterholzer so weiter schwärmte, dann war möglicherweise die Frage nicht weit weg: 'Und wann sind Sie bei Schobers Kollegen endlich auch soweit?' Nein, das wäre unschön. Er hatte von Dr. Schwalbe schon wieder einen Kommentar zum Personalabbau und der Restrukturierung erhalten, der definitiv nicht gefallen hatte.
Schwalbe hatte sich zu der Aussage verstiegen: "Mir ist das ganz klar, wir werden außer wertvoller Arbeitskraft im Labor nichts verlieren. Die Herren Direktoren wechseln höchsten Mal die Position. Das wird am Geldverschwenden kaum etwas ändern. Ob einer als Chef der Hauspost, der Dampferzeugung oder der Personalabteilung sein Geld verdient, ist unterm Strich doch egal. Das ist wie vor einer Voliere, man klatscht in die Hände, alle fliegen hoch, sitzen aber gleich wieder, nur möglichweise etwas mehr oben, oder links oder rechts! Man kann von Glück sagen, wenn mal einer tot von der Stange fällt. Dumm nur, selbst dann wird der meist sofort ersetzt."
Heumann konnte sich den Hinweis nicht verkneifen: "Sie reden sich um Kopf und Kragen, mein lieber Schwalbe. Mässigen Sie sich bitte im Interesse unserer Abteilung!" Den Hinweis auf einen möglichen Schaden für Schwalbes Karriere verkniff er sich, er wusste so gut wie Schwalbe, da kommt nichts mehr, in seinem Alter. Heumann dachte, 'der hat's im Prinzip gut, der kann frei reden!'