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§ 6Das Evangelium nach Matthäus

Vergleichende Lektüre?

Bei einem modernen schriftstellerischen Werk, das bekanntermaßen nicht nur auf Quellenlektüre basiert, sondern auch Quellen übernimmt, wie dies z. B. bei „Zettels Traum“ von Arno Schmidt der Fall ist, käme wohl niemand auf die Idee, dieses Werk allein aufgrund der Vorlagen zu interpretieren. Allerdings gehört zu einer gründlichen wissenschaftlichen Beschäftigung mit einem solchen Werk sicher außer der Bearbeitung des Textes selbst auch die Beschäftigung mit seinen Quellen. Nun hat ein modernes Werk ein ganz anderes Verhältnis zu seinen Quellen als die Werke der Antike, wie wir u. a. schon bei der Behandlung des synoptischen Problems feststellen konnten. Die Art der wörtlichen Übernahme, die wir hier finden, würde einem modernen Autor unweigerlich den Vorwurf des Plagiats einbringen. Aber gerade wegen dieser eindeutigen Übernahme der Quellen, die deren Bearbeitung im Sinne des Evangelisten einschließt, wird man bei der Interpretation des Matthäus- und Lukasevangeliums mit Sicherheit neben dem Text selbst auch die jeweilige Vorlage mit berücksichtigen müssen, weil der Interpretation damit eine wichtige Verstehenshilfe gegeben ist, die den Blick für allein am Text nicht Erkanntes öffnen kann. Allerdings ist die Frage nach dem genauen Verhältnis von innertextlicher Analyse und Quellenvergleich schwierig und umstritten. So erhellend der Vergleich mit der Markusvorlage auch ist, so wenig wird Matthäus sich Leser vorgestellt haben, die sein Werk immer auf der Matrix des Markusevangeliums lesen. Insofern muss das Evangelium auch in sich selbst lesbar und aus sich selbst verstehbar sein. Der Blick auf die Änderungen an der Markusvorlage kann u. U. auch eine Gefahr bedeuten, insofern die Aufmerksamkeit für die vom Autor gesetzten innertextlichen Signale und für die matthäische Gesamtkonzeption geschwächt wird.

Für das Verständnis des Matthäus- und Lukasevangeliums ist aufgrund der Anlehnung an das Markusevangelium und die Logienquelle Q für das Textverständnis nicht nur eine Beschäftigung mit dem Text selbst, sondern auch eine vergleichende Lektüre mit den Quellengeschichten wichtig.

1. Die sachliche Gliederung des Textes

Die Redeabschlussformel

Schon eine erste Durchsicht des Matthäusevangeliums selbst zeigt, dass der Autor in sein Werk zahlreiche Verstehenssignale eingefügt hat, so z. B. wenn er den Abschnitt 4,23–9,35 mit derselben Formel beginnen und enden lässt und so eine Inklusion schafft. Am deutlichsten ist dieses Signal jeweils am Ende der fünf von ihm geschaffenen Redekomplexe, die der Evangelist mit einer Formel beendet, die im Griechischen viel voller klingt, als dies in der Einheitsübersetzung der Fall ist: „Und es geschah, als Jesus (diese Reden) beendet hatte“ (Mt 7,28; 11,1; 13,53; 19,1; 26,1). Dieses wiederholende Element ist so auffällig und unübersehbar, dass man es als bewusst gesetzt verstehen muss. Deswegen ist es auch immer wieder als Gliederungssignal verstanden und mit Hilfe der Fünfzahl den Reden eine besondere Bedeutung (z. B. Anlehnung an die fünf Bücher Moses, das Matthäusevangelium als neuer Pentateuch) zugewiesen worden. Aber dass der Evangelist trotz der von ihm eindeutig bewusst gewählten Formel damit kein Merkmal zur Gliederung des Stoffes geben will, zeigt zum einen der eher verbindende, denn abtrennende Inhalt dieser Redeabschlüsse und zum anderen die Tatsache, dass eine dieser Formeln innerhalb des durch die gleichen Formulierungen in 4,23 und 9,35 sich als zusammengehörig erweisenden Abschnittes steht. Man wird also gut daran tun, diese Abschlussformeln der größeren Reden, die übrigens nicht bei allen Reden begegnen, nicht in jedem Falle als Gliederungsmerkmale zu verstehen. Ihre Funktion dürfte vielmehr sein, den Worten Jesu, die Matthäus auch sonst, z. B. im Erzählstoff, besonders hervorhebt, Nachdruck zu verleihen. Nicht umsonst legt der Evangelist dem auferstandenen Jesus die Worte in den Mund: „und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (28,20) und nimmt damit auf seine Reden Bezug.

Die Quellen der Reden

Diese Reden sind von Matthäus, wie man leicht durch einen Blick in die Synopse feststellen kann, durch die Zusammenfügung von Material aus der Logienquelle Q, aus dem Markusevangelium und von Sondermaterial zum großen Teil selbst gestaltet worden. Ansätze zu solchen Sammlungen von thematisch zusammengehörigem Material, wie sie sich bei Matthäus in den Reden finden, waren auch schon bei Markus zu erkennen, der in 2,1–3,6 Streitgespräche, in 4,1–34 Gleichnisse und in 4,35–5,43 Wundergeschichten zusammen überliefert und dabei möglicherweise schon auf vormarkinische Sammlungen zurückgreift. Bei Matthäus hat sich dieser Trend zur Bildung von thematischen Blöcken noch verstärkt, wie man durch einen Vergleich seines Gleichniskapitels mit dem des Markus erkennen kann, denn dort fügt Matthäus eine ganze Reihe kleinerer Bildreden in das markinische / vormarkinische Gleichniskapitel (Mt 13/Mk 4) ein. Diese Tendenz ist aber auch an den übrigen Reden erkennbar, stellen diese doch Weisungen Jesu (5–7), die Anweisungen an die Jünger zur Aussendung (10), Gemeindeweisungen (18) und Ausführungen wider die Pharisäer sowie eschatologische Abschnitte (23–25) zusammen. Auffällig ist allein der Umstand, dass Matthäus seine die Reden betonende Abschlussformel nicht auch zwischen Mt 23 und 24 eingefügt oder sonst einen Übergang zwischen diesen beiden Reden geschaffen hat, um die Differenz der antipharisäischen von der eschatologischen Rede zu markieren.

Keine Gliederungssignale

Wirklich gliedernde Signale hat der Autor wohl nicht gesetzt, es ging ihm mehr um den Zusammenhang als um Strukturierung mit Hilfe von Segmentierung. Aufgrund dessen weichen die vorgeschlagenen Gliederungsversuche auch erheblich voneinander ab, lassen sich wie auch schon beim Markusevangelium meistens von inhaltlichen Merkmalen leiten und sind teilweise auch stark am Markusevangelium orientiert. Die bei den Gliederungsversuchen bestehenden Schwierigkeiten kann man sich sehr schön daran verdeutlichen, dass viele solcher Versuche mit 4,17 und 16,21 jeweils einen neuen Hauptabschnitt beginnen lassen, weil in beiden Versen die gleiche Formulierung begegnet. Dabei kann dann der ebenfalls gleichen und eine Inklusion schaffenden Formulierung in 4,23 und 9,35 natürlich nicht die gleiche Bedeutung zugewiesen werden, und das Problem, ob die in 4,17 und 16,21 gewählte Formulierung „Von da an begann Jesus …“ nicht eher verbindenden denn trennenden Charakter trägt, wird überspielt. Immerhin kann dieses Sätzchen exklusiv, also trennend, aber auch inklusiv, also als den Zusammenhang mit dem Vorangehenden betonend, verstanden werden. Aber auch 4,23 und 9,35 sind als Gliederungssignale keineswegs eindeutig, insofern das in 4,23 signalisierte Neue noch nicht unmittelbar in 4,24 f., sondern erst in 5,1 beginnt und der auf 9,35 folgende Text ebenfalls noch deutlich überleitenden Charakter trägt. Das Neue beginnt erst in 10,1.

Die folgende Gliederung des Evangeliums versucht, formale und inhaltliche Merkmale zu berücksichtigen.

1,1–4,16Kindheitsgeschichten und Vorbereitung des Auftretens Jesu
1–2Die Kindheitsgeschichten
3,1–4,11Johannes der Täufer, Taufe und Erprobungen Jesu
4,12–16,20Jesu öffentliches Wirken in Galiläa und Umgebung
4,12–25Der Beginn des öffentlichen Auftretens Jesu und die Berufung der ersten Jünger
5–7Die Bergpredigt
8–9Jesus, der Messias der Tat: Erster Zyklus von Machtaten und Einzellogien
10,1–11,1Die Berufung der Zwölf und die Aussendungsrede
11,2–12,30Zunehmende Auseinandersetzungen, weitere Machttaten und Streitgespräche
13,1–52Die Gleichnisrede am See Genesareth
13,53–16,12In Galiläa um den See Genesareth: Weitere Auseinandersetzungen und Machttaten
16,13–20,34Jesus auf dem Weg von Caesarea Philippi nach Jerusalem
16,13–17,27Das Petrusbekenntnis und die echte Nachfolge
18,1–35Die Gemeinderede
19–20Auf dem Weg nach Jerusalem
21,1–28,20Letzte Tage in Jerusalem, Tod und Auferstehung Jesu
21–22Einzug, Tempelaktion und Auseinandersetzungen mit Jerusalemer Gegnern
23. 24–25Die Pharisäerrede und die Endzeitrede Jesu
26–27Passion, Tod und Begräbnis Jesu
28Die Auffindung des leeren Grabes und die Ostererscheinungen Jesu in Jerusalem und in Galiläa (sog. „Missions- und Taufbefehl“)

2. Gründe für die Abfassung des Matthäusevangeliums

2.1 Kenntnis weiterer Stoffe

Der wichtigste Grund für den Autor des ersten Evangeliums, den wir traditionsgemäß Matthäus nennen, sich an die Arbeit zu machen, dürfte die Kenntnisnahme des Markusevangeliums gewesen sein. Zwar kann die Gattung Evangelium damals auch quasi in der Luft gelegen haben, so dass es nicht unbedingt des Markusevangeliums als Anlass bedurft hätte, aber wahrscheinlicher ist doch, dass das Markusevangelium Matthäus den entscheidenden Anstoß zur Abfassung seines Werkes gegeben hat. Neben der Kenntnis des Markusevangeliums hat für den konkreten Entschluss wahrscheinlich auch die Tatsache eine Rolle gespielt, dass der Autor des Matthäusevangeliums zu einer großen Menge von Material Zugang hatte, das nicht in das Markusevangelium aufgenommen war, das aber seiner Meinung nach die Aufnahme in ein solches Werk verdiente (Q und Sondergut). Außer diesen Anstößen mehr im Formalen gab es auch inhaltliche Gründe, die Matthäus zur Verwirklichung der Evangelienschrift veranlassten.

2.2 Inhaltliche Gründe

Trennung vom Judentum

Dazu gehörten nach Ausweis seines Werkes u. a. die Frage des Verhältnisses der Jesusbewegung zum Judentum und das Problem der Heidenmission, der nachlassende Eifer für die Botschaft des Evangeliums und in der Gemeinde vorhandene Spannungen, z. B. über Fragen des Gesetzes und die Trennung der Gemeinde vom Judentum, oder umgekehrt, die Trennung der jüdischen Gemeinde von der des Matthäus. Wie diese Trennung verlief, lässt das Evangelium leider nicht mehr erkennen. Jedenfalls hat diese die Gemeinde des Matthäus in eine tiefe Krise geführt, in der durchaus die Identität der Gemeinde auf dem Spiel stand. Der Evangelist will die Gemeinde durch scharfe Abgrenzung vom Judentum einerseits und Hinweis auf die Überlegenheit des eigenen Tuns andererseits stabilisieren (vgl. Mt 6 und 23). Dass es bei solchen Stabilisierungsmaßnahmen nicht immer fair und gerecht zugeht und dass die Schwächen des Gegenübers dabei gnadenlos überzeichnet werden, ist sowohl aus der Soziologie als auch aus Trennungen im privaten Bereich allgemein bekannt und muss bei der Auslegung der entsprechenden Abschnitte mit in Anschlag gebracht werden, wenn man nicht zu einer völligen Verzeichnung des jüdischen Gegenübers der matthäischen Gemeinde gelangen will. Diese Überzeichnungen der Gegensätze zwischen Israel und der Kirche – Matthäus hat die Trennung keineswegs auf die Gemeinden in seiner Stadt beschränkt, sondern auf die Ebene des Grundsätzlichen erhoben, vgl. 21,43; 27,24 f. – haben aber nicht nur für die Darstellung dieser beiden Größen, sondern z. B. auch für die Darstellung Jesu und für die Bedeutung des Gesetzes im Matthäusevangelium Konsequenzen. Im Zuge dieser Trennung wird es auch in der „christlichen“ Gemeinde durchaus unterschiedliche Ansichten z. B. zum zukünftigen Verhältnis zum Gesetz gegeben haben, und die Auseinandersetzungen um eine adäquate Antwort auf diese Fragen lassen sich teilweise im Evangelium noch erkennen, so dass das Evangelium auch als Teil dieser innergemeindlichen Auseinandersetzung und Stabilisierungsarbeit anzusehen ist.

Nachlassender Eifer

Weitere Anlässe für die Abfassung eines schriftlichen Evangeliums werden das Auftreten von charismatischen Geistpropheten und der zumindest nach Ansicht des Matthäus nachlassende Eifer im Tun des Willens Gottes gewesen sein. Schließlich spricht die Tatsache, dass der Missionsbefehl an alle Völker dem Auferstandenen in den Mund gelegt wird, doch dafür, dass Matthäus hierauf einen starken Akzent legen will.

Heidenmission

Der Grund dafür könnte durchaus darin liegen, dass die matthäische Gemeinde sich noch nicht lange zu diesem Schritt zu den Heiden entschlossen und dass dieser Schritt in der Gemeinde noch nicht die Akzeptanz gefunden hat, die ihr nach Ansicht des Evangelisten gebührt. Aber auch hier sind die Argumente wieder ambivalent. Natürlich erlangt der Missionsbefehl im Munde des Auferstandenen eine besondere Autorität, aber es kann auch andere, viel schlichtere Gründe dafür geben, dass Matthäus den Missionsbefehl hier anführt, z. B. dass Matthäus in der den Juden zugeschobenen Verantwortung für Jesu Tod (27,19–25) und der darin enthaltenen Verwerfung Jesu und seines Heilsangebotes an Israel (10,5 f.23; 15,24) die Wende zum Heil für die Heiden sieht, so dass von daher wirklich erst der Auferstandene den Befehl, zu den Heiden zu gehen, geben kann.

Im Gegensatz etwa zum Lukas- und Johannesevangelium (Lk 1,1–4; Joh 20, 29 f.) erläutert der Evangelist die Intentionen, die er mit seinem Werk verbindet, nicht direkt, sie können nur seinem Werk selbst entnommen werden. Sowohl die Existenz des Markusevangeliums als auch die große Menge an Material über dieses Evangelium hinaus, zu dem Matthäus Zugang hatte, werden ihn zum Schreiben veranlasst haben. Darüber hinaus waren aber auch seine theologischen Ansichten zum Judentum, zur Heidenmission und zum nachlassenden Eifer in den Gemeinden ein wichtiger Anlass für sein Werk.

3. Die alttestamentlich-jüdische Perspektive des Matthäusevangeliums und die Verfasserfrage

3.1 Der alttestamentlich-jüdische Hintergrund

Prophet wie Moses

Stellt man die Frage nach dem Verhältnis zum Judentum sowohl innertextlich als auch mit Hilfe eines Vergleichs mit der Markusvorlage, so stimmen die Ergebnisse weitgehend überein. Schon die ersten Sätze des Werkes heben Jesus als in der Linie Abrahams und Davids stehend heraus und stellen ihn so in den Rahmen der alttestamentlich-jüdischen Erwählungsgeschichte, wobei der Stammbaum nicht bei der allgemeinen Tatsache der Erwählung stehenbleibt, sondern Jesus auch an einer ganz besonderen Stelle dieser Erwählungsgeschichte platziert, gilt doch: „Im ganzen sind es also von Abraham bis David 14 Generationen, von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft 14 Generationen und von der Babylonischen Gefangenschaft bis zu Christus 14 Generationen“ (Mt 1,17). Im weiteren Verlauf der sog. Kindheitsgeschichte in Mt 2 wird dann das Schicksal des neugeborenen Jesus deutlich in Anlehnung an das Schicksal des Moses geschildert und Jesus so als der neue, von Israel nach Dtn 18,15–18 erwartete endzeitliche Prophet wie Moses qualifiziert. Auch diese theologische Aussage weist auf den alttestamentlich-jüdischen Hintergrund des Evangeliums hin.

Die Erfüllungszitate

Darüber hinaus sind vor allem die zahlreichen sog. Erfüllungs- oder Reflexionszitate zu nennen, die sich nur im Matthäusevangelium finden und die betont die Kontinuität des Jesusgeschehens zum als Prophezeiung verstandenen Alten Testament herausstellen, indem sie ausdrücklich eine Handlung Jesu etc. als Erfüllung der alttestamentlichen Prophezeiung bezeichnen (vgl. 1,22 f.; 2,5 f.15.17f.,23; 4,14–16; 8,17; 12,17–21; 13,35; 21,4 f.; 26,31; 27,9 f.). Zwar finden sich auch bei Markus eine ganze Reihe von alttestamentlichen Zitaten, aber ihr Vorkommen ist nicht so häufig wie bei Matthäus, und diese Zitate sind im ältesten Evangelium auch bei weitem nicht mit so viel Nachdruck versehen, wie dies mit Hilfe des Erfüllungsgedankens bei Matthäus der Fall ist.

Alttestamentlich-jüdischer Topos

Den Zusammenhang mit Israel und die besondere Bedeutung des alttestamentlichen Heilsvolkes für Matthäus zeigen darüber hinaus auch jene Worte, die Jesu und der Jünger Tätigkeit ausdrücklich auf Israel beschränken: 10,5 f.23; 15,24. Die Verankerung des Evangeliums im Judentum zeigt auch die große Bedeutung, die das Thema Gesetz im ersten Evangelium hat (vgl. nur 5,17–48). Ebenso zeigt die Perspektive, unter der Gesetzesfragen angegangen werden, die Bedeutung des jüdischen Kontextes für das Evangelium.

Re-Judaisierung des Mk

Stand für Markus bei der Frage der Ehescheidung deren grundsätzliche Erlaubtheit im Vordergrund (vgl. Mk 10,2), so ist dies bei Matthäus nicht mehr der Fall, vielmehr wird die Fragestellung an die Diskussion im Judentum des ersten Jahrhunderts angeglichen und wie in der Diskussion zwischen den Rabbinen ► Hillel und Schammai ausschließlich nach dem zureichenden Grund für die Entlassung der Ehefrau gefragt (19,3). Auch taucht im Gegensatz zu Markus die Möglichkeit der Ehescheidung von Seiten der Frau nicht mehr auf – auch dies eine Angleichung an die jüdischen Möglichkeiten, gibt es doch für die Ehescheidung von Seiten der Frau im Judentum nur ganz wenige Belege, und diese stammen jedenfalls bis zum ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung nicht aus Palästina. Schließlich kann auch noch auf die freiwillige Zahlung der Tempelsteuer in 17,24–27, auf die fast durchgängige Verwendung des rabbinischen Terminus „Himmelsherrschaft“ statt der bei Markus durchweg gebrauchten Gottesherrschaft, auf die Bejahung der Lehrautorität der Pharisäer (23,3) und das Nichterläutern jüdischer Bräuche hingewiesen werden.

3.2 Hinweise auf einen heidenchristlichen Verfasser des Evangeliums?

Ist so das Evangelium zweifellos tief im Judentum verankert und spiegelt viel mehr jüdische Fragestellungen und Perspektiven wider als das Markusevangelium, so ist es doch nicht ganz sicher, dass das Evangelium aus einer judenchristlichen Gemeinde stammt und von einem ehemaligen Juden verfasst ist, denn es gibt auch einige, den dargestellten und eindeutig ins Judenchristentum führenden Linien widersprechende Stellen. In diesem Sinne werden jedenfalls häufig angeführt:

a) Die Kritik am Gesetz, v. a. in den Antithesen der Bergpredigt, und an den Pharisäern sowie die Außerkraftsetzung der Reinheitsgesetzgebung (z. B. in Mt 15),

b) der erkennbare Abstand zu den Sabbatbestimmungen (die angeblich im Judentum nach 12,11 vorhandene Rettungsmöglichkeit ist für uns nicht nachvollziehbar),

c) die Androhung des Heilsverlustes an Israel (8,11 f. und 21,43 f.),

d) die Hinwendung zu den Heiden unter Ausschluss Israels (bei dieser Deutung wird der Terminus „Völker“ in Mt 28,19 in dem für das zugrunde liegende griechische Wort auch häufig belegten Sinn „Heiden“ verstanden und der Missionsbefehl auf diese, also unter Ausschluss der Juden, beschränkt),

e) der Abstand zur Synagoge (z. B. in der Redewendung von „ihren Synagogen“),

f) die Auslassung semitischer Wörter durch Matthäus (diese wird häufig darauf zurückgeführt, dass Matthäus sie nicht verstand),

g) die Kenntnisse des Judentums im Matthäusevangelium lassen zu wünschen übrig (z. B. weil in 22,23 nicht alle Sadduzäer, wie es richtig wäre, sondern nur einige von ihnen die Auferstehung der Toten leugnen),

h) die Benutzung des Alten Testaments nach der LXX und nicht nach dem hebräischen Text,

i) das Missverständnis des Parallelismus membrorum bzw. des ► epexegetischen „und“ in 21,5.

3.3 Die Gründe für einen heidenchristlichen Verfasser des Evangeliums und die Kritik daran

Interpretationsspielräume

Nun bewegen sich diese Einwände auf unterschiedlichen Ebenen und müssen gewogen, sie dürfen auf keinen Fall nur gezählt werden. Sowohl die Deutung des Missionsbefehls ausschließlich auf die Heiden als auch die Interpretation von Mt 15,11 ist keineswegs eindeutig. Hier bleibt durchaus Interpretationsspielraum, so dass diese Stellen nicht einfach zwingend auf einen Heidenchristen als Verfasser hinweisen. Deswegen braucht die Frage, ob eine solche Ansicht einem Judenchristen absolut nicht zuzutrauen wäre, hier nicht geklärt zu werden. Das Gleiche gilt auch für die Androhung des Heilsverlustes an Israel. Diese wie die übrige Kritik an Israel wird gerade auf der Basis der prophetischen, innerisraelitischen Kritik an Israel gut verständlich, und dies erst recht, wenn die Gemeinde des Matthäus wirklich aus dem Judentum stammt und sich von diesem unter dramatischen Umständen (vgl. 5,10–12) getrennt hat.

Kritik am Gesetz

Das Verhältnis zum Gesetz schließlich darf nicht einseitig aus den Antithesen, sondern muss aus dem Gesamtkontext erhoben werden. Die stark gesetzesbejahenden Sätze in Mt 5,17–20 und die Antithesen sind unbedingt zusammen zu sehen und dürfen aufgrund der einheitlichen Komposition keinesfalls einfach auseinandergerissen und separat interpretiert werden. Auch sollte man hinsichtlich der Kritik am Gesetz, die in einigen Antithesen von verschiedenen Autoren ja direkt auf den historischen Jesus zurückgeführt wird, das, was man Jesus zutraut, auch einem aus dem Judentum kommenden Evangelisten im ausgehenden ersten Jahrhundert zubilligen.

Reiten auf zwei Tieren?

Schwierig scheint mir allein das Verständnis der Stelle 21,5 zu sein, aber auch hier muss die Klassifizierung des Tuns des Matthäus als Missverständnis des alttestamentlichen Textes nicht das letzte Wort sein. Zwar dürfte Matthäus überhaupt erst aufgrund des Zitates aus dem Alten Testament auf die Idee gekommen sein, hier statt des von Markus genannten Fohlens ein Fohlen und seine Mutter anzuführen, so dass der Hinweis auf die exegetische Absicht der wörtlichen Erfüllung hier keine Lösung des Problems darstellt, weil diese Absicht eben in einem Missverständnis des zugrundeliegenden alttestamentlichen Textes ihren Grund hat. Aber zum einen müssen wir festhalten, dass dem Verfasser das Reiten auf zwei Tieren offensichtlich nicht das gleiche Kopfzerbrechen wie den Modernen bereitet hat (vgl. nur den Spott, den D. F. Strauß in seinem Leben Jesu über alle Versuche, mit dieser Schwierigkeit fertig zu werden, ausgießt [II, 288 ff]), zum anderen haben die eingehenden Analysen der Reflexionszitate in der letzten Zeit doch ergeben, dass wir die diesen zugrunde liegende Textgestalt nicht kennen, so dass zu fragen ist, ob dem Verfasser des ersten Evangeliums der Text in einem Zustand überliefert worden ist, in dem er das epexegetische „Und“ erkennen konnte.

Auch die Tatsache, dass Matthäus in 15,2 die markinische Erläuterung des in Frage stehenden Brauches der Händewaschung nicht vollständig aus seiner Markusvorlage übernimmt, wird man kaum als etwas über den Charakter des Evangelisten als

Juden- oder Heidenchristen besagend heranziehen können, da die wichtigsten Elemente der markinischen Verdeutlichung für die heidnischen Leser, nämlich dass es eine jüdische Tradition gab, wonach man sich vor dem Essen (rituell) die Hände wusch, auch bei Matthäus vorhanden sind.

Ähnlich ist der Fall in 23,23, anders ist er in 23,5.27 und 27,6 – hier ist der Leser, der die jüdischen Bräuche nicht kennt, wirklich auf Erläuterungen angewiesen. Dass diese unterbleiben, könnte ein Zeichen dafür sein, dass Matthäus die entsprechenden Kenntnisse bei seinen Lesern voraussetzt. Wie wenig hier aber stringent argumentiert werden kann, zeigt die Tatsache, dass Lukas z. B. mehrfach das in griechischem Kontext vorchristlich nicht belegte Wort „Mammon“ gebrauchen kann, ohne es näher zu erläutern.

Fehlende Erläuterungen des jüdischen Kontextes

3.4 Ein judenchristlicher Verfasser in einer gemischten Gemeinde

Starke Indizien

Sind so die Argumente, die für einen heidenchristlichen Verfasser sprechen, doch weitgehend nicht durchschlagend, so ist aufgrund des in starkem Maße jüdisch geprägten Materials auf einen judenchristlichen Verfasser zu schließen. Sowohl aus dem Missionsbefehl an alle Völker als auch aus 21,43 f. kann geschlossen werden, dass der Evangelist und seine Gemeinde bereits Heidenmission treiben, wie auch 5,17–48 demonstrieren, dass das Verständnis des Gesetzes in der Gemeinde umstritten ist. Dabei fällt auf, dass Matthäus die gegensätzlichen Ansichten zum Gesetz dialektisch vermittelt, indem er auf der einen Seite Jesus ausdrücklich die Auflösung des Gesetzes ablehnen lässt und die Erfüllung des Gesetzes als Jesu Ziel beschreibt, darauf aber auf der anderen Seite sogleich mit den Antithesen fortfährt, deren Einleitungsformel gerade nicht die Kontinuität, sondern eher den Gegensatz zum Gesetz und seinen Interpretationen im Judentum hervorhebt. Ob man aus Mt 5,17 entnehmen kann, dass es in der matthäischen Gemeinde eine Gruppe gegeben hat, die wirklich die Aufhebung des Gesetzes vertrat, ist keineswegs so sicher, wie man gemeint hat, wohl aber, dass es Auseinandersetzungen um das Gesetz gab, die nicht nur durch in Gesetzesfragen laxere hellenistische Juden, sondern auch durch zum „Christentum“ übergetretene Heiden veranlasst sein können.

Jüdisches Milieu

Das jüdische bzw. judenchristliche Milieu des ersten Evangeliums ist eindeutig, es findet sich in allen Schichten, ist also sowohl für die dem Evangelisten zugängliche Tradition (z. B. Mt 2) als auch für ihn selbst zu veranschlagen. Nicht umsonst gleicht er redaktionell die Streitfrage um die Ehescheidung in 19,3b eng an die Problematik im Judentum an und formuliert bei der Frage nach der Weitergeltung des Gesetzes konservativer oder zumindest vorsichtiger als Markus. Auch die Nähe zu Rabbi Johanan ben Zakkai bei der Formulierung der Antwort auf die Frage nach der Ehescheidung spricht für einen eng im Judentum verhafteten Autor. Genaueres über den Verfasser lässt sich dem Evangelium nicht entnehmen, so lässt sich z. B. die Frage, ob er Aramäisch oder gar Hebräisch konnte, nicht eindeutig klären. Allerdings dürften er und seine Gemeinde schon über gewisse Erfahrungen mit dem Heidentum verfügen, wie z. B. die im Judentum nicht übliche Schuldhaft in 5,25 f. (vgl. auch 18,30) und die Ablehnung der heidnischen Praxis in 6,7.32 zeigen.

Gemischte Gemeinden

Wenn hier mit einer gemischten Gemeinde gerechnet wird, zu der Heiden als Vollmitglieder ohne Beschneidung gehören (s. a. oben unter 2), so wird die in jüngster Zeit wieder mehrfach auch im deutschsprachigen Raum vertretene These, die Gemeinde des Matthäus sei noch Teil des Judentums und habe sich von diesem also noch nicht getrennt, abgelehnt. Es sprechen einfach zu viele Indizien dagegen. Mt 21,43 ist alles andere als ein Indiz dafür, dass der Verfasser des Evangeliums Israel noch in seiner Rolle als schlechthinnigen Verheißungsträger sieht, und demgemäß kein Argument für ein Verbleiben der matthäischen Gemeinde im Synagogenverband. Die Rede von „ihren Synagogen“ und „ihren Schriftgelehrten“, die ja implizit auf eigene Synagogen und eigene Schriftgelehrte hinweist, spricht ebenfalls dagegen, von der Haltung, die das Evangelium gegenüber Israel einnimmt, ganz zu schweigen.

3.5 Das Zeugnis des Papias über den Verfasser des Evangeliums

3.5.1 Die Interpretation des Papiaszeugnisses und die Erkenntnisse der Bibelexegese

Hier ist nun der Ort, auf das für die Frage nach dem Verfasser des Matthäusevangeliums viel erörtere Papiaszeugnis näher einzugehen: „Matthäus aber hat in hebräischer Sprache die Reden zusammengestellt; ein jeder aber übersetzte dieselben so gut er konnte“ (Eusebius, Kirchengeschichte III 39,16). Da das Matthäusevangelium aufgrund seiner Abhängigkeit vom griechischen Markusevangelium keine Übersetzung aus dem Hebräischen sein kann, kann das Zeugnis des Papias jedenfalls nicht das Matthäusevangelium meinen. Angesichts dieses Befundes muss man nun aber nicht annehmen, dass die Nachricht des Papias sich auf ein anderes als das uns überlieferte Matthäusevangelium bezog, wie immer wieder und auch jüngst vorgeschlagen wurde (Schmidt).

Verfasserkenntnisse im 2.Jahrhundert

Man wird vielmehr angesichts dieses weiteren unzutreffenden Zeugnisses über den Verfasser eines Evangeliums damit zu rechnen haben, dass in der Kirche des beginnenden zweiten Jahrhunderts keine zutreffenden Kenntnisse über die Verfasser der Evangelien (mehr) vorhanden waren. Das mag vielfältige Ursachen haben, angefangen von der Tatsache, dass die Verfasser aus theologischen Gründen sich selbst nicht namentlich in ihrem Werk erwähnen, bis zu der Frage, ob die Verfasser auch nur annähernd eine solche Verbreitung erwarten konnten, wie sie dann tatsächlich erfolgte. Wenn man dagegen auf Mk 13,10 und 14,9 verweist und daraus einen weltweiten Wirkungsanspruch erhebt, muss man auch zur Kenntnis nehmen, dass der Verfasser dieses Evangeliums trotz der weltweiten Perspektive – nahm er sie wirklich wörtlich? – dennoch offensichtlich keine Notwendigkeit sah, seinem Werk eine autorqualifizierende Überschrift oder sonst einen Hinweis auf den Autor beizugeben. So wie er selbst um des Evangeliums Jesu Christi willen seine Autorschaft nicht betont hat, so wenig hat die Gemeinde damals möglicherweise die Autoren beachtet. Die Frage nach ihnen verdankt sich eventuell erst einer späteren Fragestellung.

„Evangelium nach Matthäus“

Dass dem heute im Kanon an erster Stelle stehenden Evangelium schon im ersten Jahrhundert nach Christus die Überschrift „Evangelium nach Matthäus“ beigegeben wurde und deswegen die Zuweisung dieses Evangeliums an den Apostel Matthäus noch wesentlich älter ist als das Zeugnis des Papias, erscheint mehr als unwahrscheinlich, da der erste Evangelist sein Werk ausdrücklich nicht als Evangelium bezeichnet hat, wenn er auch im Gegensatz zu Lukas und Johannes diesen Begriff durchaus verwendet. Es muss nach meiner Ansicht schon einige Zeit veranschlagt werden, bis sich vom Gebrauch im Markusevangelium her die Bezeichnung Evangelium für diese Art von Werken durchgesetzt hat und auch auf das Matthäusevangelium übertragen worden ist, so dass es als „Evangelium nach Matthäus“ bezeichnet werden konnte. Die Annahme, das Werk habe von Anfang an einen Titel zur Unterscheidung, z. B. vom Evangelium des Markus, gehabt, scheint mir ebenso wenig bewiesen zu sein wie die Behauptung, Matthäus habe Markus nicht verdrängen wollen und sein Evangelium sei deswegen schon sehr früh in den Gemeinden zusammen mit dem Markusevangelium aufbewahrt worden. Die Annahme, dass Matthäus aufgrund des ihm zur Verfügung stehenden viel umfangreicheren Materials der Meinung war, sein Werk sei das vollständigere und sei deswegen z. B. in der gottesdienstlichen Lesung dem des Markus vorzuziehen, scheint mir mindestens ebenso plausibel wie die gegenteilige Ansicht. Insofern ist es vielleicht doch etwas weniger erstaunlich, dass schon in den zwanziger Jahren des zweiten Jahrhunderts keine zutreffenden Kenntnisse mehr über die Autoren der Evangelien vorhanden waren.

3.5.2 Gründe für die Zuweisung des Evangeliums an Matthäus

Die besondere Rolle des Matthäus

Aber unsere Erkenntnis, dass die Nachricht des Papias kaum zutreffen dürfte, wäre wesentlich besser nachzuvollziehen, wenn wir ihr Zustandekommen noch erklären, also deutlich machen könnten, wie es zu der Ansicht des Papias, für die dieser sich ja auf den ► Presbyter stützt, gekommen ist. Deswegen muss wenigstens der Versuch gemacht werden, die Zuschreibung des ersten Evangeliums an den in jeder Zwölferliste genannten Matthäus zu erklären.

Da im ersten Evangelium der von Markus in 2,14 Levi genannte Zöllner Matthäus heißt, Matthäus in der Zwölferliste nur in diesem Evangelium ausdrücklich den Zusatz „der Zöllner“ erhält (10,3) und auf diese Weise sichergestellt wird, dass der in 9,9 an der Zollstätte Berufene mit dem Apostel Matthäus identisch ist, kann die Autorangabe „Evangelium nach Matthäus“ nicht auf Zufall beruhen, sondern muss in einem Zusammenhang mit diesen beiden Angaben stehen. Da ein Augenzeuge Jesu als Verfasser des Evangeliums nicht in Frage kommt und der von der Zollstätte wegberufene Matthäus kaum seine eigene Berufung in enger Anlehnung an das Zeugnis eines Nicht-Augenzeugen verfasst hätte (vgl. Mk 2,13–17 parMt 9,9–13), verweist diese Erwähnung des Matthäus nicht auf den Verfasser des Evangeliums. Welcher Grund auch immer hierfür entscheidend war, in jedem Fall dürfte diese Änderung in einem besonderen Verhältnis des Evangelienautors und / oder seiner Gemeinde zum Apostel Matthäus ihren Grund haben – ob er der Gründer der matthäischen Gemeinde oder gar des entsprechenden Kirchensprengels oder sonst von irgendeiner besonderen Bedeutung für den Autor und seine Gemeinde gewesen ist, wissen wir nicht, müssen es aber aus der Art, wie der Zöllnerapostel nur im Matthäusevangelium behandelt wird, schließen. Die Zuweisung des Evangeliums an diesen Apostel dürfte mit dieser besonderen Bedeutung, die er für das Evangelium und die Gemeinde des Matthäus hat, zusammenhängen.

Der Autor des Matthäusevangeliums ist unbekannt. Zwar haben einige Exegeten in ihm einen Heidenchristen gesehen, er dürfte aber aufgrund der vielfältigen Verknüpfungen seines Werkes mit dem Judentum diesem entstammen. Die dagegen angeführten Argumente lassen sich weitestgehend entkräften.

4. Die Abfassungszeit des Matthäusevangeliums

Wie bei fast allen unseren Fragen gibt das Evangelium auch hier keine direkten Antworten, allenfalls indirekte. Darin liegt auch der Grund für die immer wieder begegnenden Divergenzen in den Antworten auf unsere Fragen. Hier sind besonders auffällig die Frühansetzungen aus der letzten Zeit, die sich nicht darauf beschränken, unser Evangelium vielleicht noch kurz vor dem Jüdischen Krieg entstanden sein zu lassen, sondern dessen Entstehung bis in die 40er Jahre zurückdatieren. Allerdings gibt es auch Datierungen ins 2. Jahrhundert (Sim).

Voreingenommenheit

Es verdient an dieser Stelle noch einmal hervorgehoben zu werden, dass auch eine frühe Entstehung des Matthäusevangeliums nicht zu einer Zurücknahme unserer am Text des Evangeliums gewonnenen Einsichten führen würde. Von diesen Einsichten her ist eine sehr frühe Entstehung der Evangelien zwar nicht besonders plausibel, aber es ist nicht so, dass es etwa ein besonderes Interesse an einer späten Entstehung der Evangelien gäbe, um einen möglichst großen Abstand zwischen das „Geschehen“ und seine Verschriftlichung zu legen und so dessen Nicht-Historizität um so leichter behaupten zu können. Viele der gewonnenen Erkenntnisse sind völlig unabhängig vom Entstehungsdatum des Evangeliums gültig und nicht zwingend auf eine Spätansetzung angewiesen. Die Tatsache, dass man auch als Exeget in einem bestimmten „Milieu“ verankert ist und dieses Milieu eine bestimmte Sicht von den Abfassungsverhältnissen der Evangelien hat, ist noch kein Argument, sondern liefert allenfalls eine zu beweisende Vermutung. Zu den Problemen der Einleitungswissenschaft gehört es allerdings gerade, dass die hier verwendeten Argumente nicht besonders hart sind und offensichtlich Spielräume zulassen. Freilich sollten auch die Autoren, die sich vehement für eine Frühansetzung des Matthäusevangeliums einsetzen, die Tragkraft ihrer Argumente genauso kritisch einschätzen wie die ihrer sogenannten Gegner und z. B. nicht die Regel außer acht lassen, dass Papyrologen für ihre Altersschätzung bei den Papyri in der Regel einen Spielraum von 50 Jahren angeben, so dass der einem exakt auf den 24. Juli 64 datierbaren Papyrus sehr ähnliche p64 durchaus auch zu einer Entstehungszeit zwischen 70 und 110 passt.

Frühdatierung

Obwohl wir hinter unsere Einsicht, dass das Matthäusevangelium von dem nach 70 entstandenen Markusevangelium literarisch abhängig ist, nicht zurück können, sollen doch zunächst die beiden Hauptgründe, die immer wieder für eine Frühdatierung herangezogen werden, einer Nachprüfung unterzogen werden. (Zu den Gründen im einzelnen vgl. Gundry 602.606; Robinson 115 f. und v. a. Schulz 226 ff., der m. E. die Grenze zur Spekulation überschreitet, wenn er formuliert: „Es ist aber nicht einzusehen, warum ein solcher ‚Spitzensatz neutestamentlicher Verkündigung‘ und die umschriebene Praxis, die der von Röm 14,5 ff. und Kol 2,16 f. sehr genau entspricht, bis in die 80 er Jahre warten sollte, um in einem Evangelium Gestalt zu gewinnen“ [234 f.].)

Zu diesen Hauptgründen gehören:

Sadduzäer

a) Der in der Tat auffallende Umstand, dass im ersten Evangelium die Sadduzäer anders als bei Markus und Lukas nicht nur je einmal, sondern gleich siebenmal begegnen, woraus geschlossen wird, dass die Sadduzäer für den Evangelisten noch eine lebendige und sein Interesse auf sich ziehende Größe gewesen sein müssen, was nach 70 wegen ihres Verschwindens mit dem Jüdischen Krieg nicht denkbar ist.

Tempelsteuer

b) Die Gemeinde des Matthäus zahlt nach 17,24–27 freiwillig noch die Tempelsteuer, was nach 70 nicht mehr möglich war, da der fiscus Iudaicus von allen Juden zwangsweise eingetrieben wurde, so dass auch die aus dem Judentum stammenden Mitglieder der matthäischen Gemeinde zwangsweise zu dieser Steuer herangezogen wurden.

Zu a) Dass diese Interpretation möglich ist, kann m. E. nicht bestritten werden. Mindestens ebenso gut möglich ist aber auch eine andere, nämlich die, dass Matthäus die Sadduzäer eher stereotyp und ohne besonderes Interesse an ihnen einführt. Für letztere Deutung spricht sogar, dass von den sieben Belegen einer aus Markus übernommen ist (22,23) und ein zweiter in der Überleitung zur nächsten Perikope das Nomen anstelle des bei Markus vorhandenen Personalpronomens gebraucht (22,34), freilich dabei gutes Gefühl für die Differenzen zwischen den Pharisäern und Sadduzäern erkennen lässt. In den übrigen fünf Belegen werden die Sadduzäer immer stereotyp zusammen mit den Pharisäern genannt, woraus nun doch wirklich nicht auf ein besonderes Interesse an ihnen geschlossen werden kann. Wenn auf der einen Seite dem Matthäus vorgeworfen wird, seine Darstellung der Pharisäer und Sadduzäer (in Mt 16,11 f.) könne kaum von einem Judenchristen stammen (s. oben Nr. 3), dann kann man doch dieser Stelle kaum eine konkrete Auseinandersetzung der Gemeinde des Matthäus mit den Sadduzäern entnehmen – sonst würde er genau über die Kenntnisse verfügen, deren Fehlen an dieser Stelle moniert wird. Deutlicher kann die Tatsache, dass die Einleitungswissenschaft es mit ausgesprochen weichen und deswegen nur mit äußerster Vorsicht zu extrapolierenden Daten zu tun hat, nicht demonstriert werden.

Zu b) Dass die Gemeinde des Matthäus noch die Tempelsteuer zahlt, kann der Perikope keineswegs mit Sicherheit entnommen werden, so sehr diese Problematik auch die Entstehung der Perikope veranlasst haben dürfte. Der Autor des ersten Evangeliums kann die Perikope ebenso gut wegen der in ihr zur Sprache kommenden grundsätzlichen Freiheit der „Söhne“ übernommen haben, ohne dass die Frage der Tempelsteuer für ihn und seine Gemeinde noch aktuell gewesen sein muss.

Erste Rezeption

Sind die Argumente für die Frühdatierung keineswegs zwingend, so kann nun eine Datierung des ersten Evangeliums nach der Ausarbeitung des Markusevangeliums, die den frühesten Zeitpunkt für die Abfassung des Matthäusevangeliums bildet, versucht werden. Den zweiten Pol, auch als ante quem („vor dem“ das Evangelium entstanden sein muss) bezeichnet, bilden eine Reihe von Dokumenten aus der Alten Kirche: Der Erste Petrusbrief, der noch im ersten Jahrhundert verfasst sein dürfte, nimmt nach einer neueren Untersuchung auf das Matthäusevangelium Bezug (Metzner; vgl. auch Luz, Matthäus I 76; I 103 f.). Das Gleiche gilt für die schon genannten Briefe des Bischofs Ignatius von Antiochien, die mit großer Wahrscheinlichkeit eine Kenntnis des Matthäusevangeliums widerspiegeln, deren Abfassungszeit um 110 inzwischen aber häufig zugunsten einer zumindest etwas späteren Datierung (z. B. 130, aber auch später) aufgegeben wird. Auch die in Syrien angesiedelte, in der Regel auf das auslaufende erste oder das beginnende zweite Jahrhundert datierte ► Didache, die z. B. das „Vater unser“ mit ganz geringen Abweichungen in der matthäischen Form bietet und dabei ausdrücklich wie auch an anderen Stellen auf „das Evangelium des Herrn“ Bezug nimmt, kann hierfür herangezogen werden. Der Einwand, das „Vater Unser“ der Didache sei erst in der handschriftlichen Überlieferung an das des Matthäusevangeliums angeglichen worden, trifft nicht zu. Dagegen sprechen die eindeutig stehen gebliebenen Abweichungen! Die Abfassungszeit muss also in der Zeit nach 70 und vor dem ausgehenden ersten (1 Petr) oder spätestens zu Anfang des zweiten Jahrhunderts (Didache) liegen.

Dieser Zeitraum wird häufig noch mit Hilfe von Angaben aus dem Evangelium selbst etwas eingeschränkt. Dabei greift man vor allem auf 22,7; 23,38 und 21,41 zurück, Angaben, die allesamt die Zerstörung Jerusalems widerspiegeln sollen. Obwohl das nicht unbestritten ist (vgl. Schulz, 225, der Mt 22,7 aus der Rückschau der Jahre 80–100 für nicht befriedigend erklärbar hält und für einen vorausschauenden Charakter des Wortes plädiert, das in der Erregung über die Verstocktheit der herrschenden Kreise des jüdischen Volkes seinen Grund hat. Schöner kann man m. E. nicht demonstrieren, wie stark der subjektive Faktor bei den vorausgesetzten Plausibilitäten ist. Anders z. B. Theißen, 285), erübrigt sich an unserer Stelle eine Auseinandersetzung mit diesen Argumenten, da die Abfassung nach der Zerstörung Jerusalems sich aus der Benutzung des Markusevangeliums schon zwingend ergibt. Da das Markusevangelium eine Zeitlang gebraucht haben wird, bis es bei Matthäus angekommen ist, wird man kaum mit einer Abfassung des ersten Evangeliums vor 80 rechnen können. Ob es aber nun eher um 80 oder eher um 90 verfasst worden ist, lässt sich nicht mehr feststellen, da Argumentationen mit Hilfe theologischer Entwicklungen angesichts der unterschiedlichen Entwicklung der Gemeinden und ihrer Theologie im ersten Jahrhundert kaum zu überzeugen vermögen.

Das Matthäusevangelium ist aufgrund seiner Abhängigkeit vom Werk des Markus nach 70 entstanden. Da es zu Anfang des 2. Jahrhunderts bekannt ist, dürfte es zwischen 80 und 100 entstanden sein.

5. Der Abfassungsort des Matthäusevangeliums

Eine Griechisch sprechende Gemeinde

Der Evangelist schreibt ein griechisches Werk für Griechisch sprechende Leser und lebt damit offensichtlich auch in einer Griechisch sprechenden Gemeinde und nicht im sog. palästinischen Mutterland. Wegen der starken jüdischen Prägung des Evangeliums wird in der Regel auf eine nicht allzu große Entfernung zu Palästina geschlossen und der Abfassungsort deswegen sehr häufig nach Syrien verlegt und ebenfalls häufig mit Antiochien identifiziert.

Diese am 22. Mai 300 v. Chr. offiziell gegründete und nach dem Vater des Seleukos I. Nikator, Antiochus, benannte Stadt am Ufer des Orontes, die in der Antike oft „die Schöne“ genannt wurde, beherbergte seit ihrer Gründung eine jüdische Gemeinde in ihren Mauern, deren Größe unter Augustus zwischen 22.000 und 45.000 Mitglieder betragen haben soll. Andere Schätzungen gehen noch höher und rechnen mit bis zu 65.000 Juden in Antiochien.

Nach Ausweis der Apostelgeschichte und von Gal 2 gab es in Antiochien schon früh auch eine Gemeinde der Jesusbewegung. Von daher bietet Antiochien gute Voraussetzungen, dass das Matthäusevangelium dort entstanden sein kann, ohne dass einige Gründe, die in jüngster Zeit als eindeutig für Antiochia sprechend wiederholt worden sind, als durchschlagend angesehen werden können. Die herausragende Rolle des Petrus im Matthäusevangelium und seine von den Kirchenvätern bestätigte Bedeutung für die antiochenische Gemeinde sprechen nicht zwingend für eine antiochenische Entstehung des Matthäusevangeliums.

Gründe gegen Antiochien

Allerdings gibt es auch Gründe, die gegen Antiochien sprechen. Der wichtigste resultiert aus Apg 11,19–26. Wenn diese Angaben zuverlässig sind, dann ist die Gemeinde in Antiochien schon ziemlich von Anfang an auch auf die Heidenmission ausgerichtet, was für die Gemeinde des Matthäus so nicht gelten wird. Der Nachdruck, mit dem der Evangelist den Auferstandenen den Missionsbefehl an alle Völker sprechen lässt, und die Beschränkung der Wirksamkeit des irdischen Jesus auf Israel dürften ein Hinweis darauf sein, dass die Entscheidung für die Heidenmission noch nicht sehr alt und vor allem noch nicht allgemein akzeptiert ist. Aber man kann diese Schwierigkeit insofern umgehen, als man in der großen Stadt Antiochien natürlich mit einer Vielzahl von (Haus-)Gemeinden rechnen kann, die keineswegs alle gleichzeitig den Schritt zur Heidenmission gemacht haben müssen. Aber dass in derselben Stadt die eine Gemeinde den Schritt zur (gesetzesfreien) Mission schon sehr früh gegangen ist und eine andere sich diesem Schritt lange Zeit vollkommen versagt und sich auf Israel mit seiner Mission beschränkt hat, ist auch nicht sehr wahrscheinlich, wenn auch nicht unmöglich. Insofern scheint Antiochien doch nicht die größte Wahrscheinlichkeit für sich zu haben.

Neben Antiochien gibt es auch noch eine Reihe von anderen Städten, die für die Gemeinde des Matthäus vorgeschlagen worden sind (Alexandrien, Damaskus, Caesarea am Meer, Caesarea Philippi, Edessa usw.). Für Antiochien hinwiederum spricht, dass der älteste Zeuge für das Matthäusevangelium aus dieser Stadt stammt, nämlich Ignatius, der Bischof von Antiochien, der sich in seinen Briefen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Matthäusevangelium bezieht und dieses deswegen gekannt haben wird. Da er sich in Smyrn. 1,1 auf einen redaktionellen Vers des Matthäus stützt, kann diese Übereinstimmung kaum auf die Kenntnis einer gemeinsamen, dem Matthäusevangelium und dem Ignatiusbrief zugrundeliegenden Tradition, sondern muss auf das Werk des Evangelisten selbst zurückgeführt werden (vgl. dazu Köhler, 73–96; vorsichtiger Trevett und Schoedel; aber auch Meier, Ignatius). Aufgrund dieser Argumente kann die aus dem Evangelium zu erschließende Nähe zum Judentum mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf den syrischen Raum und hier vielleicht auf Antiochien konkretisiert werden. Diese These erfreut sich zur Zeit jedenfalls zunehmender Beliebtheit.

Eindeutige Hinweise auf den Abfassungsort liefert das Evangelium des Matthäus nicht. Es gibt aber eine Reihe von Anhaltspunkten, die Antiochien als Abfassungsort des Werkes wahrscheinlich machen.

6. Sprache und Stil des Evangelisten Matthäus

Matthäus verbessert eindeutig die Sprache seiner markinischen Vorlage. Als Beispiel dafür lässt sich der Ersatz der griechischem Sprachgefühl nicht entsprechenden Parataxe durch Partizipialkonstruktionen nennen. Man hat die Sprache des Matthäus deswegen im Vergleich mit der des Markus zu Recht als gehobener bezeichnet. Das bedeutet freilich nicht, dass der erste Evangelist mit seiner Sprache schon in die Nähe der klassischen Autoren geriete. Im Gegenteil, auch er schreibt noch ein semitisierendes Griechisch mit unverkennbaren Anklängen an die LXX und verwendet sprachliche Figuren in einer Weise, wie sie in der klassischen Literatur auf keinen Fall angewendet worden wären, aber damals in volkstümlicher Literatur nach Ausweis der Papyri offensichtlich verbreitet waren.

Als Beispiel für seine Nähe zum Semitischen kann etwa auf die Bevorzugung des Parallelismus, der z. B. in den alttestamentlichen Psalmen in allen Formen begegnet, hingewiesen werden. Auch die Vorliebe für die direkte Rede könnte mit dieser Nähe zusammenhängen. Matthäus hat eine Vorliebe für bestimmte Formeln und Wiederholungen, mit denen er u. a. Inklusionen schafft. Diese dienen teilweise der Hervorhebung, teilweise sicher auch der besseren Einprägsamkeit. Es ist ja auffällig, dass Matthäus sich gegen Ende des ersten Jahrhunderts trotz der von den Christen längst reklamierten Überlegenheit Jesu über den Täufer, auf die auch Matthäus Wert legt (3,14), nicht scheut, diesem und Jesus wörtlich die gleiche Verkündigung in den Mund zu legen: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“ (3,2 und 4,17, vgl. auch 10,7 den Predigtauftrag der Jünger). Auf den Zusammenschluss der Bergpredigt mit den folgenden Wundertaten durch 4,23 und 9,35 wurde schon oben unter 1 hingewiesen, ebenfalls auf die die einzelnen Redekomplexe abschließenden Verse 7,28; 11,1; 13,53; 19,1; 26,1 (vgl. darüber hinaus noch 5,3–11 die Gleichförmigkeit der Seligpreisungen, 5,21–48 mit den jeweils genau abgestuften Einleitungsformeln der Antithesen, 6,1–18 und die Wehe in Kap. 23).

Diese sprachlichen Signale sind ein deutlicher Hinweis, dass der erste Evangelist bewusst mit seiner Sprache umgeht und dass die Exegese deswegen seine sprachlichen Eigenheiten und seinen Stilwillen auch beachten muss. Dass das mit einer Übersetzung nicht gelingt, muss nicht eigens hervorgehoben werden.

7. Die theologischen Anschauungen des Evangelisten Matthäus

7.1 Die Hauptthemen der matthäischen Theologie

Die Bedeutung Jesu

Unter den Gründen für die Abfassung des Evangeliums haben wir gesehen, dass neben der Kenntnisnahme des Markusevangeliums die Auseinandersetzungen mit der Synagogengemeinde am gleichen Ort und die davon für die matthäische Gemeinde ausgehende Verunsicherung ein wesentliches Motiv für den ersten Evangelisten gewesen sein dürften, sich ans Werk zu machen. Wenn es bei diesen Auseinandersetzungen auch vordergründig um die Frage des Stellenwertes des Gesetzes gegangen sein dürfte, so stand dahinter doch eine ganz andere und für die Gemeinde des Matthäus viel zentralere Frage, nämlich die nach der Bedeutung des Jesusereignisses überhaupt. Dies ist die Grundfrage, die zwischen der Synagogen- und der matthäischen Gemeinde auf der anderen Straßenseite kontrovers ist und auf die Matthäus mit seinem Werk antworten will. Dass diese Beobachtung zutrifft, zeigen schon der Anfang und der Schluss seines Werkes, die die besondere Bedeutung Jesu herausstellen. In 1,1 betont Matthäus, dass er das „Buch von der Abstammung Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams“ schreiben will und stellt so Jesus in die Kontinuität mit Abraham, dem Erzvater Israels und der Verkörperung des Gesetzesgehorsams (Sir 44,19 ff.; Jub 6,19), und David, als dessen Sohn der Messias erwartet wurde (2 Sam 7,12–16; ► bSanh 97 f).

Ist damit die heilsgeschichtliche Relevanz Jesu nur mehr angedeutet, so wird sie im folgenden Stammbaum zur vollen Klarheit erhoben, indem mit Hilfe des Schemas von den dreimal 14 Generationen deutlich gemacht wird, dass der Platz Jesu in der Heilsgeschichte die Bedeutung Davids und die des Babylonischen Exils noch übertrifft. Am Ende des Evangeliums erscheint Jesus als der Auferstandene den Elf in einer unvergleichlichen Machtstellung, die aber nicht durch einen christologischen Hoheitstitel verdeutlicht wird, und befiehlt ihnen, sein Wort allen Völkern als Lebens-Maßstab zu verkündigen. Stellte der Anfang Jesus in Relation zu Israel dar, so ist am Ende von dieser Relation nicht mehr die Rede, sondern nur noch von den Völkern. Das Evangelium stellt den Weg Jesu und seiner Botschaft zu Israel und nach dessen Verweigerung, die nach Matthäus in der Kreuzigung Jesu kulminiert, den Weg zu den Völkern ohne spezifischen Israelbezug dar.

Durch die Worte des Erhöhten wird der Hörer und Leser des Evangeliums nicht nur auf die Worte Jesu im Evangelium zurückverwiesen, sondern diese Worte erhalten auch große Autorität: Treue zu Jesus bedeutet Treue zu seinen Worten und, das steht dahinter, diese Worte Jesu werden von „den“ Juden nicht anerkannt, weswegen die matthäische Gemeinde in Treue zu diesen Worten ihren eigenen Weg zu den Völkern gehen muss. Damit sind die wichtigsten Themen matthäischer Theologie intoniert, es geht um die Bedeutung Jesu für seine Anhänger und die aus der Jesusbewegung entstehende Kirche, das Gesetz als Lebensregel und das Verhältnis zum Judentum. Diese Themen stehen nicht selbständig nebeneinander, sondern sind großenteils miteinander verschränkt.

7.2 Jesus Christus

Erfüllungszitate

Das wichtigste Faktum, unter dem Matthäus die Existenz Jesu sieht, ist das der Erfüllung des Alten Testaments. Mit Hilfe der sog. Erfüllungszitate (vgl. nur 1,22 f.; 2,15.17 f.23; 4,14–16; 8,17; 12,18–21 usw.) bringt er zum Ausdruck, dass in Jesu Schicksal und Wort zahlreiche Prophetenworte in Erfüllung gegangen sind, und betont so die Kontinuität des Jesusereignisses mit der als Prophetie verstandenen Heiligen Schrift, die zu seiner Zeit ja nur aus dem später so genannten Alten Testament bestand.

Zahlreiche Hoheitstitel

Deswegen stellt Matthäus auch nicht einen Hoheitstitel in den Vordergrund, sondern überträgt alle bei Markus vorhandenen Hoheitstitel auf Jesus, fügt weitere hinzu (z. B. Immanuel und die Zeichnung des Jesusschicksals in Mt 2 als neuer Moses) und verändert teilweise deren Verständnis. Gab es schon bei Markus eine Tendenz, die Hoheitstitel nebeneinander zu gebrauchen (vgl. nur Mk 8,27–33; 14,61 f.), so liegt diese Tendenz bei Matthäus noch verstärkt vor, wie man u. a. an den Heilungswundergeschichten sehen kann, die Matthäus in der Regel mit den Titeln Kyrios, Davidssohn und Messias verbindet, die er aber auch mit dem Gottessohn-Titel versehen kann.

Gottes Sohn durch Zeugung

Es ist immer wieder erstaunlich festzustellen, welche Nuancen in den Quellen dem Evangelisten aufgefallen sind und wo er wegen Nichtübereinstimmung mit seiner Theologie in seine Vorlagen eingegriffen hat, während er an anderer Stelle solche Spannungen zu seiner Theologie in seinen Quellen übersieht. So bemerkt Matthäus offensichtlich, dass das Schema einer Adoption Jesu zum Gottessohn in der Taufe mit seinen theologischen Anschauungen von der Gottessohnschaft, die in der Zeugung durch den heiligen Geist wurzeln, nicht übereinstimmt und ändert deswegen die Adoptionsformel bei der Taufe in eine Proklamationsformel (3,17 parMk), wie sie das Markusevangelium in der Verklärungsszene bietet. Nach seinem Verständnis steht Gott so sehr hinter dem Jesusereignis, dass er sogar zu dessen Existenzermöglichung in besonderer Weise eingegriffen hat, so dass Jesus von Beginn seiner Existenz Sohn Gottes ist und dazu nicht erst durch Adoption werden kann bzw. muss. Allerdings wird man deswegen nicht gleich sagen können, das Verständnis Jesu als Gottes Sohn sei für den Evangelisten besonders zentral und überrage die anderen Hoheitstitel, selbst wenn er einige Aussagen vom Gottessohn redaktionell geschaffen und diesen dabei ein besonderes Profil verliehen hat.

Das Lernen des Gotteswillens

Gerade für den heutigen Menschen aufschlussreich ist das Gottessohnverständnis der Versuchungsgeschichte, die Matthäus zwar aus der Logienquelle Q übernommen, die er sich aber aufgrund seiner Übernahme dieses Abschnittes auch zu eigen gemacht hat, so dass sie auch für ihn und seine Theologie in Anspruch genommen werden kann. Der matthäische Gottessohn ist offenbar nicht jener süße, temperament- und geschlechtslose, über alle Fragen erhabene, überaus angepasste Mensch früherer dogmatischer Vorstellungen, sondern er kennt Versuchungen, muss sich gegen diese wehren und den von Gott gewollten Weg in der Auseinandersetzung mit dem Satan finden, wobei allerdings nicht das Finden besonders hervorgehoben wird, sondern das Wissen und die Urteilskraft.

Diese Kenntnis des Willens Gottes ist ein Charakteristikum des matthäischen Gottessohnverständnisses, das auch im Zusammenhang mit der Gottessohnproklamation bei der Taufe in 3,15 eine Rolle spielt.

Innerer Kampf

Solche Kenntnis des Willens Gottes begegnet im ersten Evangelium auch unabhängig vom Gottessohn-Titel (z. B. in 5,17–7,26), die Gethsemane-Perikope aber zeigt, dass der Wille Gottes Jesus nach Ansicht des Matthäus nicht in jeder Situation einfach und klar vor Augen steht und wie von selbst von ihm erfüllt wird, sondern dass das Sich-Einfügen in diesen Willen auch für Jesus inneren Kampf bedeuten kann (26,39.42). Jesus benutzt zwar bei seinem zweiten, von Matthäus eingefügten Gebet in Gethsemane die Formulierung des Vaterunsers „Es geschehe dein Wille“ (26,42), aber welche inneren Schwierigkeiten ihm dies nach dem Verständnis des Matthäus bereitet, deutet der Evangelist durch den zweimal vorangestellten Halbsatz an: „wenn dieser Kelch an mir nicht vorübergehen kann“. Sowohl in der Versuchungsgeschichte als auch in der Szene unter dem Kreuz (27,40.43) setzt Matthäus sich mit einem ganz anderen Verständnis der Gottessohnschaft auseinander und lehnt dieses ab. Zwar könnte der von Matthäus gezeichnete Jesus sicher vom Kreuz herabsteigen (vgl. nur 26,53), tut dies aber gerade nicht, weil er in Gethsemane gelernt hat, dass das Kreuz der Wille seines Vaters ist. – Insofern das Tun des Willens Gottes auch die von Jesus den Menschen zugewiesene Aufgabe ist (7,21; 12,50), hat der Jesus des Matthäus hier auch eine Vorbildfunktion. Allerdings sind Matthäus unsere Vorstellungen vom Gottessohn, die diesen dem Menschsein entheben, auch nicht ganz fremd, wie man daran sehen kann, dass er eine Reihe von Gemütsbewegungen etc., die im Markusstoff vorhanden waren, ausgelassen hat (vgl. Mk 1,41 par; 3,5 par; 6,5 f. par). In dieser Hinsicht ist er freilich nicht konsequent gewesen, einige solcher Züge hat er Jesus durchaus belassen (vgl. 9,36; 14,14; 15,32 u. ö.)

Vorbildfunktion

Autoritativer Lehrer

Matthäus betont so die heilsentscheidende Rolle Jesu, der als der von Gott gesandte und bevollmächtigte Lehrer den Willen Gottes autoritativ ausgelegt hat. An der Befolgung dieser Lehre hängt das Schicksal der Menschen. Aber diese besondere Sendung hat Jesus nicht einfach allem Menschlichen enthoben, Jesus blieb versuchbar und hat in Gethsemane das Sich-Einfügen in den von ihm sonst so autoritativ verkündigten Willen Gottes selbst mühsam lernen müssen. Obwohl sich bei Matthäus auch Ansätze einer Herrlichkeitschristologie finden lassen, so hat er doch Jesu Not in Gethsemane über Markus hinaus verstärkt und auch den Verzweiflungsruf des Gekreuzigten aus Markus übernommen und so die Gefahr einer zu starken Betonung der Herrlichkeitschristologie durchaus gebannt.

Das Verständnis Jesu als Gottessohn ist dem Menschen allerdings nicht von sich aus möglich. Jedenfalls hebt Matthäus in 16,17 hervor, dass Petrus die in 16,16 ausgesprochene Erkenntnis nicht aus sich heraus, sondern aufgrund einer Offenbarung hat. Dazu passt, dass die Jünger in 14,33 aufgrund eines erfahrenen Wunders sich zu Jesus als Gottessohn bekennen, während das Bekenntnis Jesu zu seiner Gottessohnschaft vor dem Hohen Rat nur Spott, Verhöhnung und das Todesurteil auslöst.

7.3 Das Gesetz

Von Gott autorisierte Interpretation der Tora

Die These, der historische Jesus habe das alttestamentlich-jüdische Gesetz außer Kraft gesetzt, hat wesentlich in den Antithesen des Matthäusevangeliums ihren Grund. In diesen wird der Gegensatz zum Gesetz schon durch das (variierte) Schema „Ihr habt gehört, dass (den Alten) gesagt worden ist …, ich aber sage euch“ stark hervorgehoben, obwohl eine Außerkraftsetzung des Gesetzes in den Antithesen inhaltlich m. E. bislang noch nicht plausibel nachgewiesen werden konnte. Die aus einer solchen Außerkraftsetzung gezogenen Konsequenzen für die Rolle und das Selbstverständnis Jesu dürften ohnehin kaum zutreffen. Denn im Judentum der damaligen Zeit konnte durchaus als Wille Gottes verstanden werden, was dem Wortlaut des Gesetzes jedenfalls zu widersprechen schien (vgl. K. H. Müller). Ob Matthäus nun die Antithesen und vor allem ihr Schema in Anlehnung an rabbinische Redeweise selbst gebildet oder diese vorgefunden hat, in jedem Falle ist zu berücksichtigen, dass Matthäus diesen einen auf äußerste Weise die Verbindlichkeit des Gesetzes betonenden Text (5,17–20) vorangestellt hat, so dass die Antithesen nur zusammen mit diesem Vorspann interpretiert werden dürfen. Diese Zusammenstellung zeigt aber gerade, dass der Autor unseres Evangeliums keineswegs nur am Gegensatz Jesu zum Gesetz interessiert ist, sondern dass er die gesetzeskritischen Wendungen in den Antithesen als Erfüllung des Gesetzes verstanden wissen will. Jesus bringt nach Matthäus nicht die messianische Tora des Judentums, die es dort als Vorstellung gar nicht gegeben hat, sondern er bringt im Rahmen des damals im Judentum durchaus weiter verbreiteten Ringens um die gültige Interpretation des Willens Gottes die von Gott autorisierte Interpretation der alttestamentlichen Tora. Matthäus geht sogar so weit, die Autorität und Geltung dieser Weisung in der Person Jesu zu verankern – die von Jesus ausgelegte Tora gilt aufgrund seiner Weisung als des von Gott gesandten Erlösers.

Gesetz und Situation

Gleichwohl betrachten Matthäus und wohl auch seine Gemeinde diese Weisung ihres Herrn nicht als sakrosanktes, in seinem exakten Wortlaut stets zu bewahrendes göttliches Gesetz. Einem solchen Verständnis widerspricht die von allen urgemeindlichen Zentren geteilte Tendenz, die Worte Jesu nicht dem Wortlaut nach zu überliefern, sondern dem Sinne nach, und sie zugleich auf die die Gegenwart bedrängenden Fragen hin zu fokussieren. Bei Matthäus haben wir in den Eheweisungen ein schönes Beispiel dafür, dass er sich genauso verhalten hat. Denn Matthäus überliefert hier eindeutig nicht das ursprüngliche strenge Eheethos des historischen Jesus, wie er es bei Markus vorfand (Mk 10,6–10 parMt 19,4–9; vgl. auch Mt 5,32), sondern erlaubt eine Ausnahme vom absoluten Ehescheidungsverbot. Offensichtlich waren er und seine Gemeinde der Meinung, dass diese Ausnahme vom Eheethos des historischen Jesus durchaus gedeckt wird, und sie hielten eine Überlieferung des Sinnes für wichtiger als das sklavische Festhalten am Wortlaut. Den Maßstab für die Anpassung der Gesetzes-Vorschriften an die Gegenwart nennt Matthäus in seinem Evangelium häufig. Mit Markus nennt er das Liebesgebot zusammen mit dem der Gottesliebe als höchstes Gebot (22,35–40 par Mk), stärker als Markus stellt er das der Gottesverehrung dem der Nächstenliebe gleich (22,39) und betont beide als Summe und Angelpunkt des Gesetzes (22,40). Über Markus hinaus führt er (in 9,13 und 12,7 mit einem Zitat von Hos 6,6 „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“) die Barmherzigkeit als Maßstab ein, und schließlich lässt er die exakt gegliederte Reihe der Antithesen im Feindesliebesgebot gipfeln (5,43–48).

Gnade und Werke

Häufig wird in der Literatur die Frage gestellt, wie es denn im Matthäusevangelium mit dem Verhältnis von Gnade und Werken sei, gelegentlich wird sogar der Gedanke der zuvorkommenden Gnade der späteren kirchlichen Tradition bereits im Matthäusevangelium gefunden. Aber es begegnet auch das Verdikt, Matthäus lege Jesus immer wieder Worte von der Verdienstlichkeit der Werke in den Mund und insofern bestehe ein unüberbrückbarer Gegensatz zu Paulus und seiner Lehre von der Rechtfertigung allein aus Glauben, die als die Mitte der Schrift über die Zugehörigkeit zum Kanon zu entscheiden habe. Wenn der Verfasser des ersten Evangeliums auch später schreibt als Paulus, so sind ihm die Paulusbriefe doch nicht bekannt gewesen, zumindest wird deren Kenntnis in seinem Evangelium an keiner Stelle erkennbar, und man tut gut daran, sein Werk nicht mit Hilfe fremder Kategorien zu vermessen, wenn natürlich auch hinter der Frage ein ernsthaftes Anliegen steht. Dieses besteht nicht nur in der Frage nach dem Verhältnis zur paulinischen Theologie – nicht notwendig als Kanon im Kanon verstanden – und der Einheit der Schrift, sondern z. B. auch darin, ob Matthäus so etwas wie Gnade kennt. Dass bei Matthäus die Werke stark betont sind, kann nicht bezweifelt werden; man vergleiche nur 5,19; 7,15–27; 25,31–46. Aber auch Paulus fordert ja das Wirksamwerden des Glaubens in der Liebe (Gal 5,6) und spricht von der Erfüllung des Gesetzes (Röm 13,8–10) bzw. des Gesetzes Christi (Gal 6,2) – insofern kann nicht schon die Forderung nach Erfüllung des Gesetzes, zumal wenn die Liebe der Maßstab dafür ist (Mt 7,12; 22,39 f.), den Gegensatz zu Paulus konstituieren, sondern erst der Stellenwert dieser Werke. Erst wenn der Mensch nach Matthäus von sich aus in der Lage wäre, sich selbst durch gute Werke das Heil unabhängig vom Christusereignis zu beschaffen, wäre ein Gegensatz zu Paulus gegeben. Dass es Stellen im Evangelium gibt, die so verstanden werden können, kann nicht bestritten werden (vgl. Mt 25,31–46). Hier spielen der Glaube und das Christusereignis keine Rolle für das zuzusprechende Heil, außer dass der Menschensohn mit dem Richter identifiziert wird. Allerdings kennt auch Paulus eine Überordnung der Liebe über den Glauben (1 Kor 13,13) sowie das Gericht nach den Werken (Röm 2,13; 14,10; 1 Kor 4,5; 2 Kor 5,10), was noch einmal zu demonstrieren vermag, dass die Frage komplex angegangen werden muss und man sich nicht einfach auf einzelne Formulierungen stützen darf.

Liebe

Seligpreisungen

Es ist in diesem Zusammenhang auf die Seligpreisungen hinzuweisen, deren bloß ethisches Verständnis eindeutig ein Missverständnis der matthäischen Intention darstellt, da diese primär Zuspruchs- und erst sekundär auch Forderungscharakter tragen, ebenso auf die Sprüche vom Salz der Erde und Licht der Welt (5,13–16), wo dem Befehl zum Salzen und Leuchten die indikativische Aussage „Ihr seid …“ vorausgeht, und schließlich auf die Parabel vom Verzicht auf das Prinzip von Leistung und Gegenleistung (18,23–35), die in ihrer Aussagespitze gerade von dem Missverhältnis von empfangener Gabe und eigener Gebebereitschaft lebt, sowie auf die Parabel von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1–16). Auch Mt 26,28 ist hierfür ebenso in Rechnung zu stellen wie die Tatsache, dass Matthäus Judenchrist ist und die paulinische Sicht dem Judentum sicher nicht in jeder Hinsicht gerecht wird. Wenn also Matthäus auch den paulinischen Begriff für Gnade nicht kennt, so gibt es doch wenigstens eine Reihe von Ansatzpunkten für die Ansicht, dass Matthäus nicht einfach mit den judaistischen Gegnern des Paulus in einen Topf geworfen werden darf, wenn vielleicht auch die Aussage von 24,20 dafür spricht, dass die matthäische Gemeinde noch den Sabbat feiert.

Matthäus bejaht also das Gesetz, lässt es Jesus freilich eigenständig interpretieren. Der Maßstab für diese Interpretation ist das Liebesgebot, wobei die Anwendung des Liebesgebotes auf das jesuanische absolute Ehescheidungsverbot Matthäus zu etwas anderen Konsequenzen führt, als Jesus sie gezogen hat. Diese Einbindung des Gesetzes in die jesuanische Interpretation und eine Reihe von Einzelstellen sprechen dagegen, dass Matthäus das vertritt, was man in paulinischer Theologie mit „Werkerei“ bezeichnet.

7.4 Die Kirche

Nur zweimal „Kirche“

Dass das Thema Kirche für das Evangelium wichtig ist, kann man nicht unbedingt der Häufigkeit des Wortes entnehmen, das bei Matthäus nur zweimal begegnet – allerdings steigt das Gewicht dieser zwei Belege enorm, wenn man sich vor Augen hält, dass das Wort Kirche in den übrigen Evangelien überhaupt nicht begegnet. Darüber hinaus gehören zu diesem Wortfeld auch Begriffe wie das „Reich des Menschensohnes“ (16,28), so dass sich auch die Zahl der Belege noch erhöht. Schließlich ist das erste Evangelium das einzige im Neuen Testament, das eine Kirchenstiftung durch den historischen Jesus überliefert.

Situative Polemik

Das Thema Kirche als einer eigenständigen, von Israel unabhängigen Institution des Heils ist für Matthäus von besonderer Bedeutung, und diese Tatsache kann angesichts der dargestellten Situation seiner Gemeinde nicht verwundern. Diese Situation lässt aber zugleich auch erwarten, dass das Verhältnis von Israel und Kirche von Matthäus nicht neutral und objektiv, sondern polemisch und vielleicht auch karikierend beschrieben wird. Jedenfalls darf man sicher nicht z. B. 8,11 f. einfach im Sinne der Summe eines Traktats über Israel und die Kirche verstehen, sondern muss diesen Satz von der Auseinandersetzung zwischen Judentum und Kirche her deuten. Zwar handelt es sich dabei um ein Wort aus der Logienquelle, aber offensichtlich passt dieses auch noch in die Situation des Matthäus. Das gleiche gilt für 21,43 – dies sind nicht einfach Sätze, die im 20. Jahrhundert zur Basis der Beschreibung des Verhältnisses von Judentum und Christentum genommen werden dürfen, wenn freilich auch nicht einfach die furchtbaren Ereignisse des 20. Jahrhunderts – um nur diese zu nennen – den Maßstab für die Auslegung der Schriften aus dem ersten Jahrhundert abgeben dürfen. Am ehesten wird diesen Sätzen eine Deutung aus ihrer Entstehungssituation gerecht (womit noch einmal die Einleitungswissenschaft und ihre Fragen gerechtfertigt werden), die auch die Tatsache zu berücksichtigen hat, dass Matthäus in dieser Kontroverse rhetorische Figuren der jüdischen Polemik gebraucht. Diese stellen im Kontext des Evangeliums zwar eine Kritik Israels von außen dar, zum Zeitpunkt ihrer Entstehung aber dürften sie Teil einer innerjüdischen Auseinandersetzung gewesen sein, da keineswegs alle diese Äußerungen als von Matthäus selbst redaktionell in der Zeit nach der Trennung von der jüdischen Gemeinde verfasst angesehen werden dürfen. Aber auch Matthäus wird sich selbst als Judenchrist nach der Trennung noch solcher Redemuster bedient haben, ohne sich Rechenschaft darüber abzulegen, dass solche Rede in einem nicht-jüdischen Kontext zu Fehlschlüssen führen kann und muss. Freilich bleibt trotz dieser Abhängigkeit von den Mustern jüdischer Polemik die Frage bestehen, wie mit diesen polemischen Aussagen heute umzugehen ist. Denn polemische Aussagen eines Autors enthalten durchaus einen wahren Kern, der auch außerhalb der Polemik Gültigkeit besitzt – es sei denn, es handelt sich um Polemik um ihrer selbst willen. Insofern darf man es sich mit den antijüdischen Aussagen des Matthäus auch nicht zu leicht machen.

Fragt man von daher nach der Bedeutung von Mt 8,11 f. und 21,43 für ein heutiges Kirchenverständnis und für die Frage nach dem Heil der Juden, so wird man unbeschadet der Tatsache, dass Matthäus die traurige Geschichte von Juden und Christen noch vor sich und nicht bereits hinter sich hat, darauf hinweisen müssen, dass 8,11 f. ein aus dem Ringen der Q-Gemeinde um Israel stammendes Drohwort ist und dass Mt 21,33–42 parMk das Verhältnis der Juden bzw. der jüdischen Obrigkeit zu Jesus mit Sicherheit aus nachösterlicher Sicht verzeichnet. Ob Matthäus dies freilich bei der Übernahme in sein Evangelium gesehen hat und beachtet wissen wollte, ist eine ganz andere Frage. Das Verhältnis des Matthäus zu Israel wird im Übrigen derzeit sehr breit diskutiert und z. T. positiver gesehen als in der Vergangenheit, bis dahin, dass der vollständige Übertritt zum Judentum incl. Beschneidung als angemessene Konsequenz des Bekenntnisses zu Christus angesehen wird (Sim) – ein Beispiel, das die Leserorientierung m. E. doch erheblich übertreibt.

Die Versuche, die in der Regel israel-kritisch gedeuteten Stellen des Matthäusevangeliums, z. B. 21,43 und 27,24 f., nicht israel-kritisch zu deuten, sind zwar aller Ehren wert, dürften aber den Tenor des ersten Evangeliums kaum treffen. Denn wenn es zum Beispiel in 21,43 nur um die Ablösung der jüdischen Autoritäten geht, an deren Stelle die Jünger treten sollen (Konradt), die die geforderten Früchte bringen, so fragt man sich unwillkürlich, warum Matthäus diese Aussage so kompliziert zum Ausdruck bringt und nicht statt vom Volk gleich von den Jüngern spricht. Die Deutung des „ganzen Volkes“ in Matthäus 27,25 auf Jerusalemer Volkshaufen wird zwar der historischen Perspektive durchaus gerecht, nicht aber dem besonderen Sprachgebrauch des Matthäus in 27,24f., der in seinem redaktionellen V. 25 nun einmal, statt die Bezeichnung „Volk“ aus V. 24 zu übernehmen, einen anderen, in der Septuaginta häufig für das Heilsvolk Israel gebrauchten Terminus verwendet. Dies gilt umso mehr, wenn es sich hier um einen „Schlüsseltext des Matthäusevangeliums“ handelt (Luz). Desweiteren ist auch auf den Fortgang des Evangeliums mit dem Missionsbefehl zu verweisen. Die Weisung der Jünger zu den Völkern durch den Auferstandenen im Unterschied zu dem nach Mt 15,24 ausschließlich zu Israel gesandten Jesus hat nach dem Duktus des Evangeliums in der Ablehnung der Botschaft Jesu durch „das ganze Volk“ in 27,25 seinen Grund.

Für das Verständnis des Verhältnisses von Israel und Kirche nach Matthäus ist wichtig, dass auch letztere unter dem Gericht steht. Die Glieder der Kirche haben nur eine Chance auf das Heil, wenn sie der Gottesherrschaft würdige Früchte bringen (21,43). Matthäus setzt das Heil in eine enge Beziehung zur Praxis (der Barmherzigkeit 9,13; 12,7). Matthäus verlagert die Gründung der Kirche in das Leben des historischen Jesus (16,18 f.), liefert die Begründung dafür aber mit seinem Gesamtwerk, das mit Jesu Tod und seiner Auferweckung endet. Der irdische Jesus wusste sich nach Matthäus ausdrücklich nur zu Israel gesandt (10,5bf.23; 15,24) und die Ablehnung Jesu durch Israel, die sich vor allem in der Szene vor Pilatus (27,24 f.) und in der trotz der eindeutig bezeugten Auferstehung erfolgten Verleumdung der Oberpriester und Ältesten (28,11–15) manifestiert, ist der Grund für die Gründung der Kirche und für die Hinwendung zu den Heiden. Deswegen kann erst der Auferstandene den Missionsbefehl zu den Heiden verkündigen. In der Situation von Mt 16,18 f. ist von den Heiden noch nicht die Rede.

Die Vollmacht der Kirche

Der Kirche ist die Befolgung der ihr von Jesus übergebenen Weisung aufgetragen, sie hat aber auch selbst die Vollmacht, den Willen Gottes zu interpretieren, was Matthäus faktisch am Ehescheidungsverbot demonstriert und theoretisch mit der Vollmacht zum Binden und Lösen in 16,19 und 18,18 verdeutlicht. Diese Vollmacht ist noch nicht an ein Amt gebunden, da Matthäus mit Ausnahme von christlichen Schriftgelehrten noch keine Ämter in der Kirche kennt. Im Gegenteil, in 23,8–12 betont er stark die Bruderschaft in der Gemeinde. Dementsprechend stellt er die Jünger auch nicht als Vorbild und ideale Christen dar, sondern lässt sie für die Christen seiner Zeit mit allen ihren Stärken und Schwächen transparent werden. Nicht umsonst nennt er sie mehrfach Kleingläubige und verweist so darauf, dass sie zwar schon den Glauben haben, dass dieser aber noch nicht die angemessene Tiefe besitzt.

Matthäus hat so aufgrund der schmerzvollen Trennung von der jüdischen Synagoge die Selbständigkeit der Kirche auf Kosten des Judentums stark hervorgehoben, eine besondere heilsgeschichtliche Rolle Israels ist für ihn nicht mehr gegeben. Allerdings ist die Kirche nicht einfach schon im Heil, sondern steht selbst noch unter dem Gericht, das aufgrund der Werke erfolgt. Welche Werke gefordert sind, hat der Jesus des Evangeliums kraft der ihm von Gott gegebenen Autorität festgelegt, aber auch die Gemeinde als Ganze partizipiert an dieser Vollmacht und hat die Aufgabe, den von Jesus interpretierten Willen Gottes je neu auf die konkrete geschichtliche Lage anzuwenden. Dabei rechnet Matthäus nicht mit fehlerfreien und sündlosen Menschen, sondern zeichnet bereits die Jünger in der Nachfolge Jesu als auf dem Weg, aber eben noch nicht am Ziel.

Das Evangelium des Matthäus spiegelt den Weg der nachösterlichen Gemeinde aus dem Judentum heraus zur beschneidungsfreien Heidenmission und legitimiert diese. Indem die Gemeinde diesen Weg geht, bleibt sie ihrem Herrn und seinen Weisungen treu. Matthäus bringt Jesus in ein so intensives Verhältnis zu Gott, dass er seine natürliche Herkunft auf den Heiligen Geist zurückführt. Deswegen kennt Jesus auch den Willen Gottes, was ihn aber von Problemen mit dem Willen Gottes nicht enthebt. Weitere Themen der matthäischen Theologie sind das Gesetz und die Kirche.

Literatur

1. Kommentare

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Einleitung in das Neue Testament

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