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Kapitel 6

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Henri Dupont, Chef einer Detektei in Nizza und guter Bekannter des Chefredakteurs Marius Barre, legte stirnrunzelnd den Telefonhörer auf. Barre hatte ihn mit privaten Ermittlungen im Fall Cellier betraut. Es war Henri schon lange klar, dass der Journalist von den Fähigkeiten und besonders von dem Diensteifer und der Moral der Polizei seiner Heimatstadt nicht viel hielt. Leider hatten seine eigenen Recherchen ergeben, dass der Zeitungsmann meist richtig lag, das Journal besaß ja auch einen Nachrichtendienst und seine geschützten Quellen.

Alida, Henris Lebensgefährtin und Mitarbeiterin, sah vom Empfangstisch zu ihm hinüber, bemerkte seine besorgte Miene und fragte: „Was wollte denn der alte Marius von Dir?“

„Ein Mordfall in der Redaktion, ein Lokalreporter namens Cellier, erst vor einer halben Stunde entdeckt. Die Bullen sind schon bei der Arbeit. Barre will, dass wir die Sache in die Hand nehmen. Du weißt ja, er traut der Polizei nicht und er traut ihr auch nichts zu.“

„Was können wir denn in diesem frühen Stadium tun?“ fragte sie zweifelnd.

„Na, wir könnten uns inzwischen seine Wohnung ansehen, ehe die Konkurrenz alles auf den Kopf stellt und uns die Beweisstücke entwendet. Cellier war übrigens Junggeselle und lebte allein. Barre hat mir seine Adresse gegeben.“

Sie wandte sich dem Archiv zu: „Ich hole schon mal die Nachschlüssel.“

Cellier hatte ein Appartement in einem Neubau nahe dem Museum für moderne Kunst. Henri parkte mangels anderer Parkmöglichkeiten auf dem Platz, der nur für Besucher des Kunsttempels bestimmt war, und sah sich um. Von seinem Standpunkt aus konnte man über die Dächer der Altstadt blicken, dahinter erstreckte sich das blaue Mittelmeer, auf dem winzig ein einsames Segelschiff fuhr. Der Anblick weckte Sehnsucht in Henri, ihm war, als schwebe dort seine Jugend vorbei, Freiheit, Weite und der Lockruf der Ferne. Wo war das geblieben? Die Abenteuer waren zur bürokratischen Routine geworden und zur Gratwanderung zwischen finanziellen und juristischen Abgründen. Das hat man davon, wenn man sein Hobby zum Beruf macht, dachte er mit bitteren Gefühlen. Aber besser als sein früheres Leben als Angestellter einer Versicherung war es auf jeden Fall. Da trat Alida zu ihm, sie gab ihm lächelnd den Schlüsselbund in die Hand. Sie war so schön und bezaubernd wie immer, und mit einem Mal waren die schwarzen Gedanken verflogen.

Als sie vor der Tür des Appartmenthauses standen und sich fragten, wie sie unauffällig hineingelangen konnten, öffnete diese sich von selbst und ein blütenweiß gekleideter „Raumpfleger“ kam heraus; er schob einen großen Putzwagen vor sich her. Henri ließ seinen Blick flüchtig über sein Gesicht gleiten: es war ein Araber mit bräunlichem Teint, gebogener Nase, Kinnbärtchen und spähenden schwarzen Augen. Henri trat zum Lift und als er den Knopf drückte, schwenkte er sein Kinn zur Schulter, um Alida auf den Mann aufmerksam zu machen, der seine Utensilien in einem grauen Lieferwagen ohne Aufschrift unterbrachte, sich hinters Steuer setzte und davonfuhr. Der scharfe Blick des Putzmanns hatte Henris Aufmerksamkeit erregt.

Sie fuhren in den vierten Stock, Henri bückte sich, um die Haken ins Sicherheitsschloss einzuführen, während sich Alida, wie gewohnt, vor ihn stellte, um ihn gegen neugierige Blicke abzuschirmen. Es war aber unnötig, niemand zeigte sich im Treppenhaus. Es dauerte auch nicht lange, dann gab die Tür nach, sie schlüpften hinein und schlossen sie leise hinter sich.

Henri hielt den Finger vor den Mund, schlich durch den kleinen Flur, schaute vorsichtig in die Küche, ins Bad, ins Wohn- und ins Schlafzimmer, ehe er das Arbeitszimmer betrat und laut „merde“ rief.

Alida stürzte hinüber, er wies mit dem ausgestreckten Arm in das Büro und dann sah sie die Bescherung: Bücher, Karteikästen und Akten waren aus den Regalen gerissen und Blätter aus den Akten, alles türmte sich in einem wirren Haufen auf dem Teppichboden, jedoch ein Teil der Aktenordner stand noch unberührt im Fach. Henri nahm einen Deckel in die Hand und zeigte ihn seiner Gefährtin: er war beschriftet: 1.1.2003 – 31.12.2003, er zog einen weiteren Ordner hervor, das Datum lautete 1.1.2005 usw.

„Der Ordner von diesem Jahr fehlt“, seufzte sie, nachdem sie alle Konvolute untersucht hatte.

„Er war wohl hauptsächlich darauf scharf“, sagte Henri, „ahnst du, wer das war?“

„Der Typ mit dem Putzwagen, was!?“

Zwischendurch war Alida ab und zu ans Fenster getreten, um die Straße vor dem Haus zu beobachten. Er wühlte in den Papieren, die auf dem Schreibtisch lagen, als sie ihm zurief: „Da sind sie, wir müssen verschwinden.“

Sie liefen zur Wohnungstür, Henri schaute vorsichtig hinaus, sah niemand, hörte schon den Lift schnurren,schloss leise die Tür und setzte sich mit seiner Gefährtin auf Zehenspitzen in den obersten Stock ab. Von dort hörten sie die Stimmen des Kommissars Boulanger und der Kriminalbeamten, die sich am Schloss zu schaffen machten.

Der Diplomatenkoffer

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