Читать книгу Erotisches Rokoko. Literatur der Sinnlichkeit - Hansjürgen Blinn - Страница 24
Die Badende
ОглавлениеWie Venus aus des Meeres Wogen
Entstieg dem Bade Dorilis,
Gewandlos, wie im Paradies
Einst Eva stand, noch unbetrogen
Durch den verbot’nen Apfelbiss.
Ein Tuch zum Trocknen in der Rechten
Saß sie auf einem Kanapee,
Ihr braunes Haar, gewirkt zu Flechten,
Floss auf des zarten Busens Schnee,
Sanft wallend stieg er in die Höh’,
Als sie die Reize all’ erblickte,
Die noch kein sterblich Aug’ entzückte,
Und Sehnsucht hob die Lilienbrust.
Ein heller’ Rot umfloss die Wangen,
Im feuchten Auge sprach Verlangen
Noch nicht geschmeckter Liebeslust.
Da kam des Wegs Amint gegangen,
Den sie geliebt, sich ‘s kaum bewusst.
Er trat zu ihr ins Badezimmer
Und sah, – o welche Götterlust! –
Die Nackende im Rosenschimmer
Der Schönheit, und der Liebe Glut
Zuckt durch der Adern rasches Blut,
Er wünscht sich hunderttausend Augen,
Um all’ die Reize, die er sieht,
(Indes vor Scham das Mädchen glüht)
Im süßen Staunen einzusaugen.
Bestürzt bleibt sie erstarret steh’n,
Denn sie vergaß im ersten Schrecken
Verborgne Reize zu verdecken
Und winkt nur stumm davon zu geh’n.
Doch wer entflieht aus solchem Zauberkreise?
Er bleibt, geblendet von dem Schein
Der Grazie; – da öffnet leise
Die Türe sich, die Mutter tritt hinein.
Erschrickt und zürnt, – wie konnt’ es anders sein?
Und ruft: »Wie kann man so sich zeigen,
So zeigte Eva selbst sich ihrem Adam nicht,
Pfui, schäme dich!« – Doch die Gefasste spricht:
»Ach! Mütterchen, es fehlte mir an Feigen.«
Anonym