Читать книгу Erotisches Rokoko. Literatur der Sinnlichkeit - Hansjürgen Blinn - Страница 27
Die Unschuld
ОглавлениеMutter:
Ja, liebes Kind, bisher hab ich dich selbst bewacht:
Nun bist du sechzehn Jahr, nun nimm dich selbst in Acht!
Flieh aller falschen Schäfer List:
Sie sagen dir, wie schön du bist,
Wie sehr ihr Herz von dir entzündet ist!
Doch darfst du ihnen niemals traun,
Und schwören sie, auf ihren Schwur nicht baun;
Denn wenn man ihnen nur den mind’sten Kuss erlaubt,
So ist uns schon die Unschuld halb geraubt!
Tochter:
So, Mutter? gings euch so? ei warum sagtet ihr
Mir dieses nicht schon längst: was kann ich nun dafür,
Dass sie mir halb geraubet ist?
Denn Damon hat mich, welche List!
Zehnmal, ja hundertmal geküsst.
Schön ist ‘s: o wär es doch erlaubt!
Wie schön muss es erst sein, wenn man sie ganz uns raubt!
Sagt Mutter, wie man ‘s macht; sonst schweig ich etwa still,
Wenn Damon kömmt, und mir sie rauben will.
Christian Felix Weisse