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Das Jahrfest des ersten Kusses

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Schön, wie die blühende Natur jetzt ist,

Da sie der Frühling lächelnd grüßt,

So schön warst Du, mein Mädchen, an dem Tage,

Als mir Dein Kuss auf meines Kusses Frage

Die schönste Antwort gab. – Dort schlägt die Nachtigall

Im Weidenbusch im bachdurchschlungnen Tal:

Ihr unnachahmlich Lied singt Freude und Entzücken

Ins Herz, und doch dringt keiner Nachtigall Gesang

So tief ins Herz, wie der Kuss drang.

Verschämt, um einer Saat von Küssen auszuweichen,

Bogst du, für mich zum größern Glück,

Mit Mädchenheuchelei den Nacken schlau zurück –

Doch konnten gleich den Mund die Küsse nicht erreichen,

So fiel doch keiner auf ein undankbares Feld –

Sie trafen in das Tal, wo Venus Courtag hält,

Und auf die Hügel, die der Liebe Segen schwellt.

Ein mächtiges Entzücken

Durchschau’rte mich, als ich in deinen Blicken

Ein ›Auch ich lieb Dich‹ schmeichelnd las.

Ha! Mädchen, Deine Wangen blühten

Rot, wie die Lippen, die vom Kusse glühten,

Der Perlenreihen traf, die, wenn Dein Mund mir lacht

Und Amor Dir ins Kinn ein Grübchen macht,

Der Lippen Purpur sanft erheben

Und Deinem Lächeln neue Reize geben.

Schön ist der Mai in seinem Veilchenkranze,

Wenn er für Grazien zum Reihentanze

Gefilde schmückt, warm die mondhelle Nacht

Und liederreich den Morgen macht!

Doch himmlischer, wenn er in Mädchenbusen

Den Keim der Liebe streut, zum Aufblühn treibt,

Und wenn des Jünglings Aug an diesem Busen,

So wie sein Herz gefesselt bleibt,

Wenn er die weiße Brust dann wallen

Und sympathetisch fühlen lehrt

Und bei dem Brautgesang der Nachtigallen

Des Jünglings Mut, des Mädchens Sehnsucht mehrt.

Hör’, wie er träufeld rauscht, der Frühlingsregen,

Sanft zittert unter ihm der Büsche neues Kleid;

So, Mädchen, zittern Deine Locken, wenn der Segen

Entzückender wollüst’ger Zärtlichkeit

Das Balsammoos des Rosentals erfrischet

Und mit dem eignen Tau des Rosentals sich mischet.

Wenn mild der Wolken Schoß die Hügel übergießt,

Dann wird der Rand der Täler blumenreicher

Und auf dem Klee, der dichter sprießt,

Ruht dann der Wanderer erquickender und weicher:

Wenn auf den kleinen Höh’n in Deines Tales Schoß

Der Regen Amors fällt, dann wächst das Moos

Duftreicher, krauser um die heilge Grotte

Und wird zum netten schatt’gen Myrtenhain,

Wo nackte Grazien dem Liebesgotte

Um seinen Altar Blumen streun,

Und wo die ganze Schar, wenn sie sich satt gegaukelt,

Und wo Cytherens loser Sohn,

Wenn ihn in seiner Mutter Phaeton

Die muntern Spatzen müd geschaukelt,

Viel sanfter schläft und sich zum neuen Spiel

Viel eh’r erholt als auf dem weichsten Atlaspfühl.

Himmelvolle Augenblicke,

Wenn die Sonne heitrer Blicke,

Jüngling, Deine Adern schwellt!

Himmelvollre, wenn der Segen

Amors wie ein Perlenregen

Aufs gespaltne Erdreich fällt.

Wie aus dem tiefsten Schlaf und süß’tem Traumgesicht

Des Jünglings Kuss sein Mädchen wecket,

Wie dann, wenn ‘s schönste Aug halb Schlaf, halb Wollust bricht,

Er ihr den Arm sanft um den Nacken flicht,

Das Nachtgewand verschiebt und Schönheiten entdecket,

Die einst Romanos Kunst so lebhaft traf,

So küsst der Frühling aus dem Winterschlaf

Jetzt die Natur. Den dichten weißen Schleier

Hat er ihr längst vom Busen abgestreift,

Er atmet jetzt im blumigen Gewande freier.

Der Mai, der sie mit Küssen überhäuft,

Spielt mit dem Reiz, der ihm entgegen blühet,

Und Zephyr, den ein gleich Gefühl

Magnetisch stark zur Blumengöttin ziehet,

Mischt tändelnd sich mit in ihr Spiel.

Steht denn der Natur und dem Mai

Nur allein das Tändeln frei?

Darf nur dies Paar zärtlich küssen,

Busen sanft an Busen schließen

Und in Zärtlichkeit zerfließen?

Mädchen, nein, die Tändelei

Holder Glut steht uns auch frei,

Auch wir dürfen zärtlich küssen,

Busen sanft an Busen schließen

Und in Zärtlichkeit zerfließen.

Hurtig komm in meinen Arm,

Schlüpf sie ab, die Nachtgewänder,

Schleif sie auf die seidnen Bänder,

Komm und werd in meinem Arm

Wie die Sommerlüfte warm,

Und lass uns ganz in Zärtlichkeit zerfließen.

Ich bin Dein Lenz, ich bin Dein Mai,

Du mein Gefild und meine Maienblume,

In Deinem Grottenheiligtume,

Auf Deinen Marmorhöh’n steht jede Tändelei

Und jede Art des zärtlichsten Genusses

Mir heut am Fest des ersten Kusses

Unwidersprechlich frei.

Hurtig komm in meinen Arm,

Schlüpf sie ab, die Nachtgewänder,

Schleif sie auf die seidnen Bänder,

Komm und werd in meinem Arm

Wie die Sommerlüfte warm,

Und lass uns ganz in Zärtlichkeit zerfließen.

Johann Georg Scheffner

Erotisches Rokoko. Literatur der Sinnlichkeit

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