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Schon sehr bald stellte ich fest, dass es großer Quatsch war, dem Okapi die Sporen zu geben. Denn es gehörte ja zu den aufgeschriebenen Gesetzen, dass ein solches Reittier sich niemals bewegte, wenn gleichzeitig ein Ministerpräsident und ein Affe auf ihm saßen. Es war entweder eine reine Frage der Vernunft oder eine Frage der reinen Vernunft. Doch Okapis ließen darüber bekanntlich nicht mit sich diskutieren. Sie hielten lieber die Hand auf, am liebsten beide und mit den Handflächen nach oben wegen der kosmischen Strahlung. Das Materielle war ihnen, so gesehen, fremd. Ich nahm also die aufgehaltene, und mir so bereitwillig hingestreckte rechte Hand des Okapis und las ihm aus den Linien seiner Hand die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Es gab keine Überraschung. Es war ein Okapi, es ist ein Okapi und es wird ein Okapi sein. Jetzt wussten wir beide wieder, wie es weiter ging. Mit mir ging es wieder herunter. Ich begab mich auf meinen langen Rückmarsch durch mein braves Mittelgebirge, das so verschlafen auf mich gewartet hatte. Auch die Pilger waren bereits eingeschlafen.

Unten regnete es. Da konnte der Häuptling nicht weit sein. Schon lange hatte ich seine Füße vermissen müssen. Endlich würde ich wieder in den Genuss ihres Genusses kommen. Da erblickte ich ihn. Er stand vor dem Bahnhof der großen Gefühle und ließ es regnen. Es wurde gerade sehr viel rangiert. Es quietschte und kreischte so leidenschaftlich, dass ich schon überlegte, meine Mission für eine ausreichende Zeit an einen südlichen Nagel zu hängen und mitzumachen. Aber das wäre genau so ein Quatsch gewesen, wie dem Okapi die blanken Sporen der heiligen Eile zu geben, während gleichzeitig ein Affe und ein Ministerpräsident auf ihm saßen. Ich machte lieber alles so emotional wie immer. Da wusste keiner mehr, woran er war, und alle waren so unzufrieden, wie sonst auch. Änderungen der Routine waren nämlich sehr problematisch, wenn das Wahlvolk richtig wählen sollte.

Ich begrüßte den Häuptling wie üblich, indem ich seine Füße küsste. Sie waren ganz nass. Dann küsste er meine Füße. Auch sie waren ganz nass. Deshalb gingen wir zu einer Paarbehandlung gemeinsam in die Bahnhofsmission. Sie warben gerade mit makaberen, bunten Plakaten für ihre Mission „Trockene Füße.“ Das Plakat hatte nicht übertrieben. Es war eine makabre Mission in unendlich vielen Farbstufen. Als sie erledigt war, rauchten wir. Wir entschieden uns gegen eine Friedenspfeife wegen der Umwelt mit ihrem grenzwertigen Luftgehalt und griffen lieber zur Zigarre aus meinen sonnenverwöhnten, englischen Provinzen.

„Was machst du hier?“ fragte mich der Häuptling.

„Ich ermittle“, antwortete ich.

„Was ermittelst du denn?“ wollte er wissen.

„Ich ermittle Minister“, sagte ich.

„Das ist ein scheues Wild“, meinte er nachdenklich vor sich hin brummend.

„Ja“, sagte ich.

„Wieviele brauchst du denn?“ fragte er interessiert.

„Die ganze Mannschaft, ich brauche die ganze Mannschaft mit hochkarätiger Reservebank und einen kompletten Satz Staatssekretäre“ erklärte ich ihm.

„Das dürfte nicht schwer sein“, meinte er erleichtert, als er meine bescheidenen Wünsche hörte, „ich frage den Medizinmann.“

Wir gingen zum Medizinmann. Der Häuptling fragte ihn. Der schüttelte nur den Kopf. Dann sah der Häuptling mich an und schüttelte ebenfalls den Kopf. Daraufhin schüttelte auch ich, wie es die Tradition verlangte, den Kopf. Ab da gab es kein Halten mehr. Immer mehr Häuptlinge und Medizinmänner gesellten sich zu uns und schüttelten den Kopf. Nur einer von ihnen versuchte ohne jedes Kopfschütteln aus der Nummer heraus zu kommen und sich am Staub vorbei zu schleichen. Blitzschnell griff ich zu mit der eisernen Hand des einzig wahren Ministerpräsidenten. Ich hatte richtig gelegen. Es war ein verkleideter Minister, der gerade abhauen wollte. Doch er hatte den Duft seiner Hormone unterschätzt. Der hatte ihn verraten. Er hatte sich aber so aufwendig maskiert, dass ich nicht sofort feststellen konnte, um welchen Minister es sich hier handelte, der da in meinen muskulösen Armen herum zappelte. Ich würde ihm später noch eine LNB-Probe entnehmen, um das Ministerium exakt bestimmen zu können.

Ich hielt ihn an den Ohren fest. Er ergab sich widerstandslos. Wir tauschten unsere Ohren und fragten nicht nach dem Warum. Dann machte ich ihm eine genaue Skizze und schickte ihn zur Ministerdeponie. Er sollte sich bei der Leiterin der Deponie melden und dort so lange warten, bis die anderen auch da waren. Er musste ein erfahrener Mann sein, denn er kannte sowohl die Deponie als auch die Leiterin und freute sich auf ein Wiedersehen. Das gab mir Anlass zu höchster Wachsamkeit. Vorsichtshalber warnte ich ihn bei seinem Abflug mit der gesamten Autorität eines autoritären Ministerpräsidenten vor unbedachten Handlungen, wenn er hinterher nicht im Regen stehen wollte. Er hörte sich alles mit großer Anteilnahme an, aber schweigend. Dabei bohrte er tief und erfolgreich in seiner Nase. Ich wertete das als Zustimmung.

Trilogie der reinen Unvernunft Bd. 2

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