Читать книгу Ray Bradbury - Poet des Raketenzeitalters - Hardy Kettlitz - Страница 7

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2.2 – Frühe Magazinpublikationen

Durch Vermittlung von Robert A. Heinlein konnte Bradbury seine ersten Geschichten an ein professionelles, regionales Literaturmagazin verkaufen. SCRIPT war die nicht ganz so berühmte, aber in Los Angeles trotzdem recht angesehene Version des NEW YORKER. Hier erschienen vier Geschichten, nämlich »It’s Not the Heat, It’s the Hu—« (2. November 1940 in SCRIPT), »To Make a Long Story Much Much Shorter« (5. Juli 1941 in SCRIPT, 1985 in The Best of Rob Wagner’s Script, Hrsg. Anthony Slide, Scarecrow Press), »Wilber and His Germ« (24. Mai 1941 in SCRIPT) und »Skeleton« (28. April 1945 in SCRIPT, 1985 in The Best of Rob Wagner’s Script, Hrsg. Anthony Slide).

Ab Ende 1941 hatte der inzwischen einundzwanzigjährige Bradbury sein Ziel erreicht, und seine Erzählungen erschienen in »richtigen« SF-Magazinen, wenn auch der überwiegende Teil noch nicht unbedingt zu den herausragenden Texten des Genres gehörte.

Damon Knight schrieb 1956 in seinem Buch In Search of Wonder über die frühen Erzählungen:

Es ist sonderbar, wenn man nun auf diese ersten Storys von Bradbury zurückblickt und überlegt, wie weit sie ihren Autor gebracht haben. Viele von ihnen sind gar keine Kurzgeschichten; die meisten sind intensiv ausgearbeitete Fragmente, die mit irgendwelchem Stroh ausgepolstert wurden.


»The Piper«

(Februar 1943 in THRILLING WONDER STORIES; in keinem Sammelband; in Bradburys Biografie wird Henry Hasse als Co-Autor angegeben; 1971 in The Future Makers, Hrsg. Peter Haining; dt. »Der Flötenspieler«)

Kerac ist der letzte überlebende Marsianer des »goldenen Volkes« und wird zurück auf seinen Heimatplaneten gebracht. Der Mars ist von blauhäutigen Jupitanern besiedelt, und während die schönen, harmonischen Marsstädte zerfallen, bauen die Jupitaner ihre hässlichen, stinkenden Städte, sind laut und vulgär und berauben den Mars all seiner Schätze. Kerac ist alt und seine einzige herausragende Fähigkeit ist das Flötenspiel. Er wird von den Jupitanern gezwungen, in üblen Spelunken zu spielen, doch eines Abends macht er sich davon und geht in die Berge. Dort lebt das Schwarze Volk, ebenfalls Marsianer, die jedoch auf dem Entwicklungsstand von Urmenschen sind. Die Jupitaner halten sie für harmlos, deshalb werden sie in Ruhe gelassen. Kerac kann nicht mit ihnen kommunizieren, doch sie sind seine einzige Hoffnung, die Jupitaner zu vertreiben. Er spielt für die schwarzen Wesen auf seiner Flöte, doch er ist zu leise und wird vom Lärm der Stadt übertönt. Am nächsten Tag schleppt einer der blauhäutigen Kneipenbesucher den Marsianer zu einer Radiostation, weil er sich für die Entdeckung des Flötenspielers und dessen betörender Musik eine Belohnung erhofft. Keracs Musik wird aufgenommen und über alle Radiostationen und Lautsprecher der Stadt gesendet, um die Jupitaner mit dem Spiel zu erfreuen. Das hört natürlich auch das Schwarze Volk in den Bergen, es kommt zum Aufruhr, die Schwarzen überrennen die Stadt und töten alle Jupitaner.

Menschen von der Erde werden in der Geschichte gar nicht erwähnt. Jupitaner und das Schwarze Volk spielen in späteren Bradbury-Geschichten keine Rolle mehr, aber dem goldenen Volk begegnen wir ein halbes Jahrzehnt später in den Geschichten der Mars-Chroniken wieder. Daher kann man in dieser Erzählung, die bereits typische Erzählmuster Bradburys zeigt, durchaus einen Vorläufer der Mars-Chroniken entdecken.

Die Erzählung wirkt naiv und ist in ihren Themen dem Pulp-Magazin THRILLING WONDER STORIES angepasst. Es ist verständlich, dass Bradbury den Text später in keinen seiner Erzählungsbände aufgenommen hat, und nur durch den Umstand, dass Peter Haining in der Anthologie The Future Makers Erzählungen aus den »Lehrjahren« berühmter SF-Autoren gesammelt hat, gibt es einen Nachdruck dieser Geschichte.


»The Wind«

(März 1943 in WEIRD TALES; enthalten in Bradbury Stories: 100 of His Most Celebrated Tales, Dark Carnival und The October Country; dt. »Der Wind«)

Die Geschichte erzählt von einem Telefongespräch zwischen Herb Thompson und seinem Freund Allin, der in großer Sorge ist. Allin war während des Krieges im Himalaja und hat dort gesehen, wie viele Menschen im Sturm gestorben sind. Seither fürchtet er sich vor dem Wind und ruft seinen Freund Herb regelmäßig an. Herb war in den letzten Wochen auch schon mehrfach über Nacht bei Allin, um ihm in seiner Angst beizustehen, doch heute kann Herb nicht zu Allin fahren, denn seine Frau und er erwarten Gäste. Immer wieder klingelt das Telefon und Allin berichtet voller Panik davon, dass ein Wind in sein Haus eingedrungen sei und er in den Böen die Stimmen der Toten hören könne. Der Wind verwüstet angeblich nach und nach das ganze Haus, und Allin ist davon überzeugt, dass er von dem Wind lebend gefangen werden soll. Einige Stunden später, als Herbs Gäste gegangen sind, macht er sich Sorgen, weil er nichts mehr von seinem Freund gehört hat. Er ruft an, doch das Telefon gibt kein Geräusch von sich. Herb beschließt, doch noch mitten in der Nacht zu Allin zu fahren. Als er dessen Haus erreicht, hört Herb das typische Lachen seines Freundes. Doch es ist niemand zu finden, nur eine Windböe zerzaust Herb das Haar.

Es ist erstaunlich, worüber Bradbury Geistergeschichten ersonnen hat. Der Wind als böser Geist ist eine originelle Idee, und die Umsetzung der Geschichte ist hervorragend gelungen. Bradbury wählt die indirekte Erzählweise durch Telefondialoge, die sehr gut Allins Angst vermitteln. Mit dieser Geschichte löste er sich bereits von den traditionellen Themen und Erzählweisen der Horrorgeschichten, die sonst in WEIRD TALES gedruckt wurden.

Die Geschichte wurde für die Serie THE RAY BRADBURY THEATER verfilmt, jedoch leider sehr langatmig und ohne die überzeugende Stimmung der Erzählung.


»Gabriel’s Horn«

(zusammen mit Henry Hasse, Frühjahr 1943 in CAPTAIN FUTURE, in keinem Sammelband; nicht auf Deutsch)

Die Protagonisten in dieser Geschichte leben in einer Gemeinschaft auf dem technischen Niveau von Urmenschen. Ob sie sich auf der Erde oder einem anderen Planeten befinden, wird in der Geschichte nicht erwähnt. Gabriel – kurz Gab genannt – kehrt von der erfolgreichen Jagd mit erbeutetem Wild zurück und lässt sich gebührend bewundern, vor allem von der schönen Llya. Da findet ein Überfall von Invasoren statt, die regelmäßig die Gemeinschaft terrorisieren und aus Mordlust oder als Sport einige Menschen töten. Gab und Llya verstecken sich, und durch eine List gelingt es Gab, einen der Invasoren zu töten. Außerdem verfügt er über eine Waffe, die ihm einer der alten Männer vermacht hat. Doch Gab weiß nicht, wie er die Waffe anwenden soll – wenn man an dem einen Ende hineinbläst, erzeugt sie einen lauten Ton, doch mit einem Geräusch kann man niemanden töten. Gabs Rivale Muhn, der sonst eher feige war, bringt am Ende jedoch die Rettung: Er stößt in das Horn, und durch die Schallwellen gerät eine Lawine ins Rollen und erschlägt die restlichen Invasoren. Nun hat die Gruppe erst einmal Ruhe und kann sich der Waffen der Feinde bemächtigen. Und wer weiß, vielleicht finden sie sogar heraus, wie das Raumschiff der Bösewichte funktioniert …

Es handelt sich um eine reine Abenteuergeschichte mit einigen Kämpfen und Heldentaten, wie sie dem Magazin entsprechen, in dem der Text erschienen ist. Im Pulp-Magazin CAPTAIN FUTURE sind nicht nur Geschichten erschienen, die direkt mit dem titelgebenden Captain zu tun haben, sondern auch unabhängige Erzählungen.


»Subterfuge«

(April 1943 in ASTONISHING STORIES, in keinem Sammelband, 1954 in Assignment in Tomorrow, Hrsg. Frederik Pohl; dt. »Die Ausflucht«)

Dies ist vermutlich mit Abstand eine der schlechtesten Erzählungen, die Bradbury je geschrieben hat. Die Venusier planen eine Invasion der Erde, weil ihre eigenen Frauen kaum noch fortpflanzungsfähig sind. Die Menschen sind den Venusiern technisch vollkommen unterlegen, und so fasst man auf der Erde den Plan, den Außerirdischen ein Schnippchen zu schlagen, indem ein großer Teil der Weltbevölkerung eingefroren und versteckt wird. Über die Hälfte der Menschheit wird getötet, und die Gehirne der Verbleibenden werden in Hundekörper verpflanzt. Als die Venusier schließlich eintreffen, ist die Erde leer.

Die Geschichte lässt den Leser fassungslos zurück, erschrocken über so viel himmelschreienden Blödsinn. Nichts an der Erzählung funktioniert, weder die Grundidee noch der zeitliche Ablauf. Wieso wollen und können sich Venusier mit menschlichen Frauen fortpflanzen? Wieso kommt man auf die Idee, dass sich die Menschheit fast selbst ausrottet, und wieso lassen sich das die Menschen gefallen? Wieso setzt sich niemand zur Wehr? Und wieso schrieb Bradbury so etwas überhaupt?

Die Geschichte erfüllt jede Menge Klischeevorstellungen, die es gegenüber frühen Pulpmagazinen gibt. Es war eine kluge und richtige Entscheidung, dass der Text nie in einen Erzählungsband Bradburys aufgenommen wurde. Vielleicht wurde sie auch nur deshalb gedruckt, weil Bradbury mit dem Herausgeber von ASTONISHING STORIES, Frederik Pohl, befreundet war und Pohl bekanntlich Probleme hatte, sein Magazin mit Texten zu füllen.


»The Crowd«

(Mai 1943 in WEIRD TALES, enthalten in Dark Carnival, The Small Assassin und The Stories of Ray Bradbury; dt. »Die gaffende Menge«)

Diese Erzählung gehört inzwischen zu den wichtigen Bradbury-Klassikern, auch wenn sie auf Deutsch nur einmal in einer Anthologie erschienen ist.

Mr. Spallner hatte einen Autounfall, und sofort sammelt sich eine Menschenmenge, um ihn anzustarren. Jemand hat einen Krankenwagen gerufen und Mr. Spallner, der nun benommen und verwirrt ist, wird in ein Krankenhaus gefahren. Ständig hat er die Gesichter der Menschenmenge vor Augen, die ihn angegafft hat. Zwei Tage später erwacht Mr. Spallner in seinem Krankenhausbett und ist noch immer etwas durcheinander. Er unterhält sich mit dem Arzt darüber, dass man in Ausnahmesituationen wie bei einem Autounfall die Zeit ganz anders wahrnimmt.

Schließlich wird er nach zwei Wochen aus dem Krankenhaus entlassen. Die Menschenmenge am Unfallort geht ihm jedoch nicht aus dem Kopf, und so beginnt er selbst Unfälle zu beobachten und fotografiert die Menschenmenge. Dabei stellt er fest, dass immer wieder die gleichen Gesichter auftauchen und die Personen sogar jedes Mal die gleiche Kleidung tragen. Einige Zeit später hat Mr. Spallner einen weiteren Unfall. Und als er diesmal hilflos auf der Straße liegt und sich eine Menschenmenge um ihn sammelt, wird ihm klar, wer diese Leute sind. Sie entscheiden darüber, wer überlebt und wer stirbt, indem sie Erste Hilfe leisten oder nicht. Dabei können sie anderen gegenüber immer behaupten, sie hätten nicht gewusst, dass man einen verletzten Mann nicht bewegen darf. Und Mr. Spallner hat dieses Mal kein Glück. Er weiß, dass er bald selbst Mitglied dieser Menschenmenge sein wird.

Eine sehr ungewöhnliche und originelle Geistergeschichte, in der das Wort »Geist« noch nicht einmal erwähnt wird.

In der Verfilmung für die Serie THE RAY BRADBURY THEATER (Staffel 1, Folge 3) spielte Nick Mancuso die Hauptrolle, der den deutschen Zuschauern vor allem aus der Serie STINGRAY bekannt ist.


»The Scythe«

(zusammen mit Leigh Brackett; Juli 1943 in WEIRD TALES, enthalten in Dark Carnival, The October Country und The Stories of Ray Bradbury; dt. »Die Sense«)

Im Jahr 1938 ist eine hungrige Familie mit dem Auto unterwegs in eine ungewisse Zukunft. Als plötzlich die Straße endet, ist auch das Benzin ausgegangen. Der Vater Drew entdeckt ganz in der Nähe einen Bauernhof; im Haus liegt ein toter Mann, der ein Testament hinterlassen hat. Er vermacht all seinen Besitz dem, der ihn findet. Der Mann muss erst vor Kurzem gestorben sein, denn er hält einen noch nicht vertrockneten Weizenhalm in seinen Händen. An der Wand lehnt eine Sense, die die Inschrift trägt: Wer mich in Händen hält – hat Macht über die Welt. Drew und seine Familie sind froh, ein Dach über dem Kopf und genug zu essen zu haben. Und so übernimmt Drew die Aufgabe, den Weizen mit der Sense zu mähen. Doch der Weizen wächst seltsam, nicht flächig, sondern nur in Flecken. Und sobald er die Halme gemäht hat, beginnen sie zu verfaulen. Es dauert einige Zeit, bis Drew herausfindet, dass mit jedem Weizenhalm, den er abschneidet, ein Mensch irgendwo auf der Erde stirbt. Er will diese Aufgabe nicht weiter erfüllen, doch seine Frau Molly überzeugt ihn, dass er weitermachen muss. Eines Tages wird Drew klar, dass die Halme vor ihm die Leben seiner Familie sind, und er verschont sie. Kurz darauf brennt das Haus nieder, und er findet seine Frau und die beiden Kinder weder richtig am Leben noch tot. So bleibt ihm keine andere Wahl als die Halme trotzdem zu ernten. Doch der Tod seiner Familie verbittert ihn so sehr, dass er fortan wahllos den Weizen mäht, auch die grünen Halme. Und überall auf der Welt sterben im Jahr 1938 Menschen, deren Zeit noch gar nicht gekommen war – in Kriegen und Konzentrationslagern.

Bradbury und Brackett ist hier eine erschütternde und berührende Geschichte gelungen. Auch wenn die Handlung märchenhaft erscheint, so hat sie doch ihren Bezug zur Realität während der Jahre des Zweiten Weltkriegs. Die Autoren bringen sehr nachdrücklich ihre Erschütterung über das Leiden und die vielen Toten überall auf der Welt zum Ausdruck. Das ist ein Text, den man in einem Horrormagazin wie WEIRD TALES kaum erwarten würde.


»Doodad«

(September 1943 in ASTOUNDING, in keinem Sammelband, 1997 in Wizards of Odd, Hrsg. Peter Haining; dt. »Dingsbums«)

Der Journalist Crowell hat Probleme mit den Bossen der Firma Plastics, die es auf sein Leben abgesehen haben, und muss sich immer wieder verstecken. Da er aber auch Geld verdienen muss, hat er den Auftrag seiner Redaktion angenommen, über einen neuen Laden zu berichten. Bei dem Laden angekommen sieht er ein Schild, das »Dingsbumse«, »Dingsdas«, »Zeugs«, »Apparate« und eine Menge mehr ankündigt. Er betritt den Laden und kommt mit dem Verkäufer ins Gespräch, dem er das Gefühl vermittelt, sich mit »Dingsbumsen« auszukennen. Es stellt sich heraus, dass ein ganz bestimmtes Dingsbums alles Mögliche kann. Der Verkäufer hat in jahrtausendelanger Arbeit den abstrakten Begriff in ein entsprechendes Gerät umgesetzt, das fast alles erledigt, was man sich wünscht. Zumindest wenn man damit umgehen kann. Crowell schafft es mit der »Wunschmaschine« immerhin, sich die Killer vom Hals zu halten und sie sogar zu erledigen, doch am Ende muss er selbst dran glauben.

Dies ist Bradburys früher Versuch, eine satirische Geschichte zu schreiben, die in Ansätzen sogar tatsächlich witzig, allerdings genau deshalb für den Autor untypisch ist. Vermutlich wurde sie auch deswegen nie in einen Sammelband mit Bradburys Erzählungen aufgenommen. Das Besondere ist vielmehr, dass der junge Autor den Herausgeber John W. Campbell mit dem Text überzeugen konnte und ein schon lange gehegter Traum wahr wurde, nämlich dass Bradbury einen Text in dem damals sehr angesehenen Magazin ASTOUNDING unterbringen konnte.

Zu fünf Erzählungen aus dem Jahr 1943 waren leider keine Informationen aufzutreiben, da sie nicht in Bradbury-Sammelbänden nachgedruckt und auch nicht ins Deutsche übersetzt wurden: »Eat, Drink and Be Wary« (Juli 1942 in ASTOUNDING), »The Candle« (zusammen mit Henry Kuttner [ungenannt]; November 1942 in WEIRD TALES, 1976 in The First Book of Unknown Tales of Horror, Hrsg. Peter Haining), »And Watch the Fountains« (September 1943 in ASTOUNDING), »Promotion to Satellite« (Herbst 1943 in THRILLING WONDER STORIES) und »The Ducker« (November 1943 in WEIRD TALES, 1977 in Weird Legacies, Hrsg. Mike Ashley).


»R is for Rocket«

(Dezember 1943 in FAMOUS FANTASTIC MYSTERIES Unter dem Titel »King of the Gray Spaces«, enthalten in R is for Rocket; nicht auf Deutsch)

Die Geschichte erzählt von dem fünfzehnjährigen Jungen Chris, der davon träumt, eines Tages mit einem Raumschiff in den Weltraum zu fliegen. Jeden Sonnabend fährt er zusammen mit seinen gleichaltrigen Freunden mit der Monorail zum Raumflughafen und steht stundenlang vor dem Zaun, um all die wunderbaren Raumschiffe zu bestaunen und zuzusehen, wie die Schiffe gewartet und beladen werden. Die Jungs haben außerordentlich romantische Vorstellungen von der Weltraumfahrt und den festen Vorsatz, Raumfahrer zu werden. Doch man kann sich nicht für diesen Beruf entscheiden, sondern man wird von der Raumfahrtbehörde ausgesucht, oder eben auch nicht. Chris ist ein sehr intelligenter Junge, aber er hat Probleme in der Schule, weil er sich zu oft seinen Tagträumen hingibt.

Doch eines Tages geschieht das Unglaubliche: Ein Hubschrauber der Raumfahrtbehörde landet vor dem Haus von Chris’ Familie, und ein Offizier teilt ihm mit, dass er ausgewählt wurde, zum Raumfahrer ausgebildet zu werden, weil er besonders intelligent und geeignet sei. Doch es gibt eine Bedingung: Er darf niemandem erzählen, dass er einberufen wurde. Das hat zwei Gründe: Erstens werden jedes Jahr zehntausend Jugendliche ausgewählt, aber nur dreitausend bestehen die Prüfungen, und die restlichen müssen in ihr altes Leben zurückkehren. Indem sie ihren Freunden die Wahl verschweigen, machen sie es sich selbst leichter, falls sie versagen sollten. Der zweite Grund ist, dass man sicherstellen will, dass die jungen Männer wirklich zu den Sternen fliegen und nicht nur vor ihren Freunden damit angeben wollen. Nur Chris’ Mutter weiß Bescheid. Es fällt Chris sehr schwer, den Mund zu halten, vor allem gegenüber seinem besten Freund Priory, der natürlich auch davon träumt, zu den Sternen zu fliegen. Doch er schafft es, verbringt die letzten Tage zusammen mit seinem Freund, und am Ende ist er endlich auf der anderen Seite des Zauns, an dem er jahrelang stand, um die Raumschiffe zu betrachten.

Bradbury beschreibt die Sehnsüchte und Zukunftswünsche von Jugendlichen und auf den letzten Seiten der Geschichte das Ende einer Kindheit. Chris ist bewusst, dass seine unbeschwerte Jugend der Vergangenheit angehört, und genießt die letzten Tage der Kindheit in vollen Zügen. Eine wunderschöne Geschichte, und es ist schade, dass sie nie ins Deutsche übersetzt wurde.


»The Sea Shell«

(Januar 1944 in WEIRD TALES, enthalten in Bradbury Stories: 100 of His Most Celebrated Tales; dt. »Die Muschel«)

Während der schönen Sommertage, als alle anderen Kinder in den Gärten spielen, muss der elfjährige Johnny wegen einer Erkältung das Bett hüten. Der Arzt schenkt ihm eine große Muschel, in der Johnny das Rauschen des Meeres und viele andere Geräusche von der Küste hört. Er bittet seine Mutter, mit ihm ans Meer zu fahren, das er noch nie mit eigenen Augen gesehen hat, sobald er wieder gesund ist. Die Mutter wundert sich über die Ungeduld des Jungen und sagt, dass sie in einigen Wochen, wenn der Vater Urlaub hat, für eine Woche fahren könnten. Johnny ist traurig, dass er so lange warten soll.

Am nächsten Morgen ist sein Bett leer, und die Mutter findet nur die Muschel zwischen den Laken. Als sie sie an ihr Ohr hält, hört sie das Meeresrauschen und gleichzeitig die Stimme ihres Sohnes, der anderen Kindern etwas zuruft, und dann das Geräusch eines kleinen Körpers, der in die Wellen springt.

Das zentrale Thema dieser Erzählung ist die Ungeduld der Kinder. In einer langen Passage in der Mitte des Textes unterhalten sich Mutter und Sohn darüber, und die Mutter erzählt, dass sie als Kind ebenso ungeduldig war.


»Reunion«

(März 1944 in WEIRD TALES, enthalten in Dark Carnival; dt. »Das Wiedersehen«)

Der elfjährige Waisenjunge Malcolm, Mal genannt, lebt bei seiner Tante und seinem Onkel. Am montäglichen Waschtag zieht er sich auf den Dachboden zurück und stöbert in den alten Sachen, die niemand mehr braucht und die die Erwachsenen längst vergessen haben. Dabei findet er auch Dinge, die seinen Eltern gehört haben, und er fragt sich, was für Menschen sie wohl gewesen sein mögen. Tante Opie ist später am Tag sehr gemein zu Mal und sagt ihm, dass sie ihn nicht gern um sich hat und er mit den anderen Kindern spielen gehen soll. Stattdessen nimmt er aber seine Lieblingssachen und verkriecht sich auf dem Dachboden, ohne Bescheid zu sagen. Er holt dort die Kleidung seiner toten Eltern aus den alten Kisten und hält Zwiesprache mit den Verstorbenen. Er wünscht sich aus ganzem Herzen, dass sie zu ihm zurückkommen. Er kann ihre Anwesenheit fast spüren, wenn er den Geruch der Kleider wahrnimmt und die anderen Habseligkeiten befühlt. Erst nach vier Tagen findet Tante Opie den Jungen auf dem Dachboden und zerrt ihn hinunter ins Haus. Und dann kommt der Frühjahrsputz, alle alten Dinge vom Dachboden werden weggeworfen und die Kleidung in die Waschmaschine gestopft. Damit verfliegt der Zauber der Kleider, und sie hängen nur noch auf der Leine wie Kadaver.

Bradbury schildert hier den Schmerz und die Trauer eines einsamen Jungen, dem die letzten Besitztümer genommen werden, die ihm etwas bedeuten. Eine sehr berührende Geschichte.


»I, Rocket«

(Mai 1944 in AMAZING STORIES, in keinem Sammelband, 1987 in Amazing Science Fiction Anthology: The War Years 1936–45, Hrsg. Martin H. Greenberg; dt. »Ich, die Rakete«)

Die Geschichte ist aus Sicht eines Raumschiffs erzählt, dessen Wrack einsam auf einem Geröllhang liegt und das sich an seine Vergangenheit erinnert. In skizzenhaften Szenen wird die gesamte Biografie des Schiffs erzählt, seine erste Besatzung und der wagemutige Captain Lamb werden vorgestellt und eine vereitelte Sabotage sowie ein 14 Monate dauernder Krieg gegen den Mars werden geschildert. Danach war das Schiff fünf Jahre lang als Frachter unterwegs, bis es abstürzte und die Frachterbesatzung tödlich verunglückte. Am Ende taucht Captain Lamb wieder auf, der inzwischen Inspektor ist, und verspricht, das Schiff wieder flottzumachen und erneut in Dienst zu stellen.

Die Erzählung ist keines der Glanzlichter aus Bradburys frühem Schaffen, aber es ist erstaunlich zu beobachten, mit welch knappen Worten er Stimmungen und Emotionen erzeugt und in wenigen Sätzen den Figuren der Geschichte Kontur verleiht. Er verliert kein Wort darüber, wieso das Schiff seine eigene Geschichte erzählen kann und warum es über eine eigene Intelligenz verfügt. Das spielt hier aber auch keine Rolle.


»The Lake«

(Mai 1944 in WEIRD TALES, enthalten in Dark Carnival, The Small Assassin und The Stories of Ray Bradbury; dt. »Der See«)

Der zwölfjährige Harold ist mit seiner Mutter am See zum Baden. »Es war September. In den letzten Tagen, wenn die Welt grundlos traurig wird.« Mit Erlaubnis seiner Mutter läuft Harold ein Stück den Strand hinunter und ist plötzlich ganz allein. Als er sich dessen bewusst wird, ruft er nach seiner Freundin Tally, die vor einiger Zeit im See ertrunken ist. Die Kinder hatten sich in der Schule gegenübergesessen, und am See bauten sie gemeinsam Sandburgen, jeder eine Hälfte der Burg.

Zehn Jahre später, nachdem Harold die Schule absolviert und sein Studium beendet hat, kommt er mit seiner jungen Frau Margaret in den Flitterwochen in seine Heimatstadt und besucht am letzten Abend den See. Da kommt ihm der Bademeister mit einem grauen Sack entgegen. Er hat eine Mädchenleiche gefunden, die schon mindestens zehn Jahre alt ist. Und tatsächlich ist es der Körper von Tally. Harold geht zu der Stelle, wo der Bademeister sie gefunden hat, und da steht eine Sandburg, nur zur Hälfte gebaut. Der Schluss der Erzählung lautet:

Ich ging am Strand entlang zurück zu der Stelle, wo eine fremde Frau namens Margaret auf mich wartete und lächelte …

Dies ist eine der traurigsten frühen Geschichten Bradburys, der hier den Verlust der unschuldigen Jugendliebe und der Kindheit betrauert.

Bradbury betrachtet den Text als eine seiner ersten wirklich gelungenen Geschichten. Vielleicht auch deshalb, weil sie auf einer Kindheitserinnerung basiert. Das Mädchen, das damals tatsächlich ertrunken ist, hatte er persönlich nicht gut gekannt, aber er konnte sich laut seiner Biografie gut an die Stimmung am Strand erinnern.

Die Geschichte wurde für die Serie THE RAY BRADBURY THEATER verfilmt.


»There Was an Old Woman«

(Juli 1944 in WEIRD TALES, enthalten in Dark Carnival, The October Country und The Stories of Ray Bradbury; dt. »Es war einmal eine alte Frau«)

Die alte Tante Tildy bekommt Besuch von einem Mann in Schwarz, der von vier anderen Männern begleitet wird, die einen großen Weidenkorb mit sich führen. Tante Tildy erklärt, dass sie nicht an den Tod glaubt, doch kaum ist sie einen Moment eingenickt, da sind die Männer auch schon wieder gegangen … mit Tildys Körper. Doch das lässt sich die alte Dame nicht gefallen. Die junge Emily, die Tildy regelmäßig besucht, bekommt einen Schreikrampf, als sie Tildys Geist vor sich stehen sieht. Als sie sich beruhigt hat, bleibt ihr nichts weiter übrig als Tildy ins Leichenschauhaus zu fahren, wo die alte Tante so lange Ärger macht, bis man ihr wieder ihren Körper aushändigt und sie hineinschlüpfen kann.

Es handelt sich um eine witzige und beschwingt erzählte Geistergeschichte, in der die Protagonistin durch ihre unerschütterliche Entschlossenheit und Starrköpfigkeit dem Tod ein Schnippchen schlägt und schließlich unbehelligt weiterlebt, weil sie eben nicht an den Tod glaubt.

Die Geschichte wurde für THE RAY BRADBURY THEATER im Jahr 1988 verfilmt, hier mit einem deutlich düstereren Ton. In der Hauptrolle ist eine umwerfend gute Mary Morris zu sehen, die bereits 1940 an der Seite von Conrad Veidt in Der Dieb von Bagdad spielte und die tatsächlich fünf Monate nach der Erstausstrahlung der Folge im Alter von 72 Jahren starb.


»Bang! You’re Dead!«

(September 1944 in WEIRD TALES, enthalten in Bradbury Stories: 100 of His Most Celebrated Tales; nicht auf Deutsch)

Hier erzählt Bradbury die Geschichte von Johnny, einem jungen Soldaten im Zweiten Weltkrieg, der die Gefahren des Krieges nicht erkennt und die Gefechte als Spiel ansieht. Wenn er einen deutschen Soldaten getroffen hat, ruft er »Bang! I gotcha!« oder Ähnliches, und er begreift nicht, dass die getroffenen Leute tatsächlich tot sind. Selbst seine eigenen Kameraden hält er nicht für tot und fordert sie auf, wieder aufzustehen, nachdem sie getroffen wurden. Seine Freunde versuchen ihm die Realität klarzumachen, müssen aber erkennen, dass Johnny vermutlich seine verdrehte Weltsicht hat, um nicht verrückt zu werden. Die Geschichte geht glücklich aus: Johnny wird zwar verwundet, am Ende jedoch zu seiner geliebten Mutter nach Hause geschickt.

Bradbury wollte hier sicher darauf hinaus, dass die meisten Soldaten im Krieg noch viel zu jung sind, um die Konsequenzen ihrer Handlungen voll zu erfassen.

Zu fünf Erzählungen aus dem Jahr 1944 liegen leider gar keine Informationen vor, da sie nie übersetzt wurden und auch in keinem Sammelband enthalten waren: »The Monster Maker« (Frühjahr 1944 in PLANET STORIES), »Morgue Ship« (Sommer 1944 in PLANET STORIES), »And Then – The Silence« (Oktober 1944 in SUPER SCIENCE STORIES), »Lazarus Come Forth« (Winter 1944 in PLANET STORIES) und »Undersea Guardians« (Dezember 1944 in AMAZING STORIES, 1992 in Combat! Great Tales of World War II, Hrsg. Bill Pronzini & Martin H. Greenberg).


»The Jar«

(November 1944 in WEIRD TALES, enthalten in Dark Carnival, The October Country und The Stories of Ray Bradbury; dt. »Das Glas«)

Auf einem Jahrmarkt entdeckt Charly ein faszinierendes Ding, das in einem Glas mit Spiritus ausgestellt wird. Er schwatzt es dem Schausteller für 12 Dollar ab, um zu Hause seine Freunde zu beeindrucken. Er stellt es auf sein Regal, und die Nachbarn, die ihn nun regelmäßig besuchen, stellen Vermutungen an, was das Ding im Glas sein könnte. Nur Charlys Frau Thedy ist skeptisch. Sie behauptet ein paar Tage später, dass sie den Schausteller aufgesucht hat und er ihr verraten hat, dass es sich nur um Müll und Draht handelt. Doch Charly will das nicht glauben. Er weiß, dass seine Frau schon lange nicht mehr zu ihm hält. Dass Charly seine Frau später umbringt, wird in der Geschichte nur angedeutet. Am Ende sitzen wieder alle Nachbarn um das Glas und stellen weiter ihre Vermutungen an, was wohl darin sein könnte.

Im Grunde handelt es sich um eine Horrorstory, wenn auch eine sehr stille und besinnliche. Bradbury verrät nicht, was sich tatsächlich in dem Glas befindet und ob Thedy vielleicht recht gehabt hat mit ihrer Behauptung.

Die Geschichte wurde für die Serie THE RAY BRADBURY THEATER verfilmt.


»The Poems«

(Januar 1945 in WEIRD TALES, enthalten in Bradbury Stories: 100 of His Most Celebrated Tales; nicht auf Deutsch)

David ist Dichter, und endlich ist ihm der große Durchbruch gelungen. Er ist mit seinem neuen Gedicht sehr zufrieden und liest es seiner Frau Lisa vor. Danach unternehmen die beiden einen Spaziergang, und Lisa stellt dabei fest, dass all die Dinge, die David beschrieben hat, verschwunden sind. Vor allem die Blumen im Tal. Bei jedem neuen Gedicht passiert etwas Ähnliches und Lisa fürchtet sich, dass David etwas wirklich Wichtiges in seinen Gedichten beschreiben könnte. Doch David ist wie im Rausch und fest davon überzeugt, nun einer der ganz Großen zu werden.

Die Pointe lässt sich schnell erahnen: Lisa bleibt keine andere Möglichkeit als David dazu zu bringen, sich selbst in einem Gedicht zu beschreiben. Als einige Zeit später der New Yorker Verleger den jungen Dichter besuchen will, ist nicht nur dieser verschwunden, sondern auch sein Haus und sämtliche Vegetation im Tal. Zumindest konnte Lisa ihren Mann davon abhalten, ein Gedicht über die Erde oder das ganze Universum zu schreiben.


»The Tombstone«

(März 1945 in WEIRD TALES, enthalten in Dark Carnival, The Small Assassin und The Toynbee Convector; alternativer Titel »Exit Mr White«; dt. »Der Grabstein«)

Das Ehepaar Walter und Leota ist auf einer Reise und nimmt sich unterwegs ein Zimmer zum Übernachten. Mitten im Zimmer finden sie einen Grabstein. Leota will nicht das Zimmer mit einem Toten teilen, doch der Hausbesitzer erzählt, dass der Vormieter ein Steinmetz war, der ausgezogen ist und den Grabstein zurückgelassen hat, weil der Name darauf falsch geschrieben ist. In der Nacht fürchtet sich Leota, weil sie Geräusche hört, die sie einem Geist zuschreibt. Irgendwann klopft es an der Tür, und der Steinmetz kommt, um den Grabstein abzuholen. Walter ist erleichtert, denn nun ist klar, dass Leota nicht die Nacht im selben Haus mit einem Toten verbringen muss. Doch kurz darauf belauschen sie, wie der Steinmetz den Grabstein in der Wohnung unter ihnen abliefert, denn der dort gerade verstorbene Mann hatte zufällig genau den Namen, der auf dem Grabstein eingemeißelt ist.

Die Geschichte wurde für die Serie THE RAY BRADBURY THEATER verfilmt.

»The Watchers«

(Mai 1945 in WEIRD TALES, enthalten in Bradbury Stories: 100 of His Most Celebrated Tales; dt. »Die Beobachter«)

Der Erzähler der Geschichte, die im Sommer 1944 spielt, ist Sekretär bei Mr. Tinsley, einem Möbelfabrikanten, der eine ungewöhnliche Abneigung gegen Insekten hat. Tinsley hat bereits große Mengen Geld für Insektenvernichtungsmittel ausgegeben und ordert ständig neue Gifte. Er hält sich nur in Räumen auf, die er vorher ausführlich nach Insekten abgesucht hat. Der Sekretär ist besorgt und bittet eine Bekannte, die von Beruf Psychologin ist, um Hilfe. Gemeinsam finden sie heraus, dass Tinsley glaubt, dass die Insekten ihn belauschen und ihm nach dem Leben trachten. Als Tinsley noch ein Junge war, ist sein Vater bei einem Jagdunfall gestorben, und als Tinsley endlich mit anderen zum Unfallort zurückkehrte, war die Leiche des Vaters von Insekten bedeckt. Seither hat Tinsley seine Besessenheit. Die Psychologin will den Mann heilen und schlägt ihm vor, für einige Zeit die Insekten zu ignorieren. Noch in der gleichen Nacht dreht Tinsley durch, denn er hat herausgefunden, dass es gar nicht die Insekten sind, die ihn umbringen wollen, sondern die Mikroben. Tinsley stirbt auf der Flucht in seinem Auto. Und da der Erzähler der Geschichte nun auch von der Gefahr durch die Mikroben weiß, machen diese sich über ihn her. Noch während er die letzten Zeilen des Manuskripts tippt, schält sich bereits die Haut von seinen Fingern.

Die Erzählung ist recht typisch für das Magazin WEIRD TALES und enthält zwei drastische Szenen, die für Bradburys Texte eher untypisch sind. Die Pointe jedoch ist lediglich dem Effekt geschuldet und weder plausibel noch sonderlich originell.


»The Dead Man«

(Juli 1945 in WEIRD TALES, enthalten in Bradbury Stories: 100 of His Most Celebrated Tales, Dark Carnival und The Small Assassin; dt. »Der tote Mann«)

In einer Kleinstadt machen sich die Besucher des Friseurladens über Mr. Martin lustig, der von sich selbst behauptet, tot zu sein. Während einer großen Flut ist Martins Ranch überschwemmt worden und seine Familie ertrunken. Seither hält sich der Mann selbst für tot, ist obdachlos, isst nicht und wäscht sich nicht mehr. Nur Miss Weldon, über die sich auch viele lustig machen, weil sie nicht gerade die Klügste ist, kümmert sich zuweilen um Martin. Schließlich beschließt Martin, Miss Weldon zu heiraten. Die Kleinstadtbewohner sind höchst amüsiert und helfen ihm sogar, sich für die Hochzeit herzurichten. Martin erzählt, dass er ein Grundstück für sich und seine neue Frau gekauft hat. Doch am nächsten Tag sind beide verschwunden, und der Makler der Stadt hat ihnen kein Grundstück verkauft. Aber ein Mann hat die beiden gegen Mitternacht Richtung Friedhof gehen sehen …

Die Erzählung ist außerordentlich stimmungsvoll und ein Juwel unter Bradburys Horrorgeschichten. Es ist schade, dass sie auf Deutsch in keiner der bekannten Sammlungen vorliegt, sondern lediglich in der recht unbekannten Anthologie Der Besucher aus dem Dunkel von 1972.

Die Geschichte wurde für die Serie THE RAY BRADBURY THEATER verfilmt.

»The Big Black and White Game«

(August 1945 in THE AMERICAN MERCURY, enthalten in The Golden Apples of the Sun, Twice 22 und The Stories of Ray Bradbury; dt. »Das große schwarzweiße Spiel« bzw. »Das große Schwarz-Weiß-Spiel«)

In dieser nicht phantastischen Geschichte geht es um ein jährlich stattfindendes Baseballspiel, bei dem die schwarzen Angestellten eines Hotels gegen eine weiße Mannschaft antreten. Schon bei den Vorbereitungen des Spiels wird dem jungen (weißen) Douglas klar, dass die schwarzen Spieler viel fitter, fröhlicher und trainierter sind als die weißen. Und tatsächlich liegen die Schwarzen schnell nach Punkten vorn. Als ein weißer Spieler den schwarzen Favoriten foult, ist dieser zunächst nachsichtig, verpasst dem Weißen aber im weiteren Spielverlauf einen Ball gegen den Kopf. Die Weißen – insbesondere die Ehefrauen – sind erbost, obwohl die Schwarzen ausschließlich nach den Regeln gespielt haben. Abends geht keiner der Weißen zum alljährlichen Jamboree der Schwarzen. Nur der kleine Douglas schaut heimlich und wehmütig von draußen durch das Fenster zu.

Bradburys Auseinandersetzung mit dem Rassismus findet in einer für ihn typischen Weise statt, und er bezieht dabei eindeutig Stellung gegen die Spießigkeit und Unfairness der Weißen.

Diese Erzählung war Bradburys erster Erfolg, als er versuchte, neue Märkte für sich zu erschließen und nicht nur für die typischen Genre-Pulps zu schreiben. Doch der Text wurde nicht nur in einem »richtigen« Magazin gedruckt, sondern kurz darauf sogar in der Anthologie The Best American Short Stories of the Year, was der junge Autor nie zu hoffen gewagt hatte. Bis auch seine phantastischen Geschichten außerhalb der Genrepublikationen erschienen, sollte jedoch noch einige Zeit vergehen.


»Skeleton«

(September 1945 in WEIRD TALES, enthalten in Dark Carnival, The October Country, The Vintage Bradbury, The Stories of Ray Bradbury und Skeletons; dt. »Das Skelett« bzw. »Das Skelett des Mr. Harris«)

Mr. Harris hat häufig Schmerzen in den Knochen, doch sein Arzt kann keine Ursache dafür finden und hält ihn für einen Hypochonder. Harris findet einen anderen Arzt namens Munigant, der angeblich Knochenspezialist ist. Doch Munigant sagt Harris, dass er für eine Behandlung noch nicht bereit sei. Nach und nach empfindet Harris sein eigenes Skelett als einen Fremdkörper, nimmt es als ein fremdes Wesen und am Ende sogar als Feind wahr. Harris fürchtet sich vor Skeletten, die etwas Faszinierendes, aber auch Fremdes sind. Schließlich, als er schon ganz abgemagert und Harris’ Skelett bereits beinahe zu sehen ist, ruft er doch Mr. Munigant. Und dieser seltsame Mann hat die richtige Behandlung.

Am Ende der Geschichte sieht Mrs. Harris einen Mann auf der Straße, der einen langen weißen Gegenstand isst, der wie ein Knochen aussieht. Als sie nach Hause kommt, findet sie ein quallenähnliches Wesen, das ihren Namen ruft. Offenbar wurden ihrem Mann alle Knochen aus dem Körper entfernt …

Diese absonderliche Horrorgeschichte ist auf eine seltsame Weise faszinierend, vor allem durch ihren absurden Schluss. Sie wurde nicht umsonst in fünf Bradbury-Storysammlungen nachgedruckt und für die Serie THE RAY BRADBURY THEATER verfilmt, und zwar mit einer außerordentlich gut gelungenen Folge, die die Stimmung der Erzählung durch filmische Mittel noch verstärkt.

Von vielen Kritikern wird sie als eine der wesentlichen Horrorstorys der 40er-Jahre angesehen.

»The Invisible Boy«

(November 1945 in MADEMOISELLE, enthalten in S is for Space, The Golden Apples of the Sun, The Vintage Bradbury, Twice 22 und The Stories of Ray Bradbury; dt. »Der unsichtbare Junge« bzw. »Unsichtbarer Junge«)

Die einsame Old Lady wünscht sich Gesellschaft, und so überredet sie den jungen Charly, zu ihr zu kommen, indem sie ihm Zaubertricks verraten will. Als sie verspricht, ihn unsichtbar zu machen, wird er neugierig. Sie täuscht einen Zaubertrick vor und erklärt ihm, dass er nun unsichtbar sei. Charly ist skeptisch, aber die Old Lady kann glaubhaft lügen. Vor allem erzählt sie ihm, dass er nun nicht mehr zu seinen Eltern nach Hause zurückkehren kann, weil ihn schließlich niemand sehen könnte. Er würde seine Familie zu Tode erschrecken. Angeblich dauert es sehr lange, bis er wieder von selbst sichtbar wird. Charly ist erst betrübt, aber dann beginnt er, allerlei Schabernack mit der Old Lady zu treiben, weil er glaubt, dass sie ihn nicht sehen kann. Als es ihr zu bunt wird, behauptet sie, dass er wieder sichtbar wird, und Charly kann zu seiner Familie zurückkehren. Die Old Lady ist am Ende doch lieber einsam als so einen wilden Jungen zu beherbergen.

Die Geschichte ist witzig und unterhaltsam, und offenbar ist sie beim Publikum auch sehr gut angekommen, denn sie wurde gleich in fünf Storysammlungen Bradburys aufgenommen.

Ray Bradbury - Poet des Raketenzeitalters

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