Читать книгу Ray Bradbury - Poet des Raketenzeitalters - Hardy Kettlitz - Страница 9
Оглавление3. – Der Durchbruch als Magazinautor
3.1 – Erzählungen 1946
Im Jahr 1946 konnte Bradbury nicht nur Geschichten an die Pulpmagazine verkaufen, sondern auch mehrfach an die großen , überregionalen Zeitschriften, die nicht nur von Phantastik-Fans gelesen wurden.
»The Traveller«
(März 1946 in WEIRD TALES, enthalten in Dark Carnival, The October Country, From the Dust Returned und The Stories of Ray Bradbury; dt. »Die Reisende«)
Diese Geschichte wurde ein halbes Jahrhundert später in den Roman From the Dust Returned integriert. Lesen Sie dazu Kapitel 9.1.
Vier Erzählungen aus der ersten Jahreshälfte von 1946 wurden später in keinem Sammelband nachgedruckt und auch nicht ins Deutsche übersetzt: »Final Victim« (zusammen mit Henry Hasse; Februar 1946 in AMAZING STORIES), »Defense Mech« (Frühjahr 1946 in PLANET STORIES), »Rocket Skin« (Frühjahr 1946 in THRILLING WONDER STORIES) und »Her Eyes, Her Lips, Her Limbs« (Pseudonym William Elliott; Juni 1946 in CALIFORNIAN).
»The Miracles of Jamie«
(April 1946 in CHARM, enthalten in Bradbury Stories: 100 of His Most Celebrated Tales und Long After Midnight; dt. »Die Wunder des Jamie«)
Jamie Winters kann Wunder bewirken, zumindest glaubt er das. Er wünscht sich etwas, zum Beispiel dass seine Mannschaft in der Schule gewinnt, und das passiert auch. Wenn ein Wunsch mal nicht funktioniert, dann glaubt Jamie, dass er sich insgeheim das Gegenteil gewünscht hat, und findet eine Rechtfertigung dafür. Die anderen Kinder bewundern ihn für seine Unerschrockenheit, auch wenn er niemandem von seinen geheimen Kräften erzählt hat. Jamies Mutter jedoch ist schwer krank. Als es ihr besonders schlecht geht, wirkt Jamie wieder ein Wunder, nämlich dass seine Mutter gesund wird. Doch als er nach Hause kommt, liegt sie gerade im Sterben. Nach dem Tod der Mutter ist Jamie wie ausgewechselt, ein vollkommen anderer Junge. Denn er weiß, dass er seine Fähigkeit verloren hat.
Eine sehr traurige Geschichte über die Machtphantasien kleiner Jungen, die früher oder später immer zerstört werden.
»One Timeless Spring«
(13. April 1946 in COLLIER’S, enthalten in Long After Midnight; dt. »Zeitloser Frühling« bzw. »Ein zeitloser Frühling«)
Der zwölfjährige Douglas ist sich sicher, dass seine Eltern und seine Lehrer ihn vergiften wollen, und er fürchtet nun den Verlust seiner Kindheit. Seine Eltern geben ihm regelmäßig Essen, und Douglas weiß, dass er durch das Essen wächst und bald kein Kind mehr sein wird. Die Lehrer in der Schule geben ihm Wissen, wodurch seine kindlichen Träume in den Hintergrund geraten und er sich mit Problemen der Erwachsenen auseinandersetzen muss. Als das Mädchen Clarisse ihn in einer malerischen Schlucht zum ersten Mal küsst, weiß Douglas, dass er endgültig verloren ist. Und es ist ihm ab diesem Zeitpunkt egal, denn jetzt gibt es Clarisse.
Eine romantische Geschichte über das Erwachsenwerden, die Angst vor dem Verlust der Kindheit und den Zauber des ersten Kusses.
»The Smiling People«
(Mai 1946 in WEIRD TALES, enthalten in Bradbury Stories: 100 of His Most Celebrated Tales, Dark Carnival und The Small Assassin; dt. »Die Lächelnden«)
Diese Geschichte ist ein kurzes Psychogramm des Mörders Mr. Greppin, der die Stille seines Hauses über alles liebt.
Zwei Wochen zuvor kam er nach Hause und verkündete den Familienmitgliedern – Tante, Onkel und deren Kindern –, dass er bald heiraten werde. Die puritanische Familie nahm die Nachricht nicht mit Begeisterung auf und glaubte Mr. Greppin noch nicht einmal. Greppin wurde wütend und wollte die griesgrämige Familie endlich einmal zum Lächeln bringen.
Jetzt, zwei Wochen später, sitzen immer noch alle am Esstisch, sprechen aber nicht mehr mit Mr. Greppin. Sie sitzen einfach nur bewegungslos da und lächeln. Schließlich kommt die Polizei und findet Mr. Greppin, dem langsam klar wird, dass er niemals heiraten wird, inmitten seiner Familie. Und sie sehen das künstliche Lächeln der Leute unterhalb des Kinns – die aufgeschlitzten Kehlen.
Die Geschichte ist ungewöhnlich grausam, allerdings beschäftigt sich Bradbury nicht mit dieser Grausamkeit, die erst im letzten Absatz der Geschichte klar wird, sondern vielmehr mit der kruden Gedankenwelt des Mr. Greppin, dem es offenbar sehr wichtig ist, dass das Haus besonders still ist, und der über den Hass auf seine Familie nachdenkt.
»Lorelei of the Red Mist«
(zusammen mit Leigh Brackett; Sommer 1946 in PLANET STORIES, in keinem Sammelband, 1989 in Echoes of Valor II, Hrsg. von Karl Edward Wagner; dt. »Die Venus-Hexe«)
Diese Novelle ist ein romantisches Abenteuer, dazu gedacht, die Augen von zwölfjährigen Jungen zum Leuchten zu bringen und ihnen bunte Träume zu bescheren. Das Besondere an diesem Text von beinahe Romanlänge ist, dass er in Zusammenarbeit mit Leigh Brackett entstand. Erzählt wird von Hugh Starke, einem kleinen Gauner, der einen Geldtransport überfallen hat, nun auf der Flucht ist und mit seinem Schiff auf der Venus abstürzt. Als er nach langer Ohnmacht wieder zu sich kommt, befindet er sich in einem fremden Körper. Er ist nicht mehr der schmächtige kleine Gauner, sondern ein hünenhafter Recke mit stahlharten Muskeln, der Conan genannt wird. Allerdings hat dieser Conan außer der Statur mit dem Howard’schen Helden nichts gemein. Starke liegt in Ketten und muss feststellen, dass der ehemalige »Bewohner« seines neuen Körpers als Verräter gilt. Nach und nach erfährt er vom Krieg zwischen Crom Dhu, dem Reich, für das Conan unter der Führung von Faolan kämpfte, und Falga. Die mächtige Widersacherin ist Rann, die Hexe, die auch über ausreichende Kräfte verfügt, um Starke in einen anderen Körper zu versetzen. Rann versucht, die Kämpfer weiter zu entzweien. Starke kann fliehen und erreicht den Roten Ozean der Venus, den auch später Eric John Stark durchqueren wird (einer der Serienhelden von Leigh Brackett). Da dieser Ozean aus atembaren Gasen besteht, kann sich Starke darin frei bewegen. Er begegnet den Hirten, fremdartigen Wesen, die die Macht besitzen, Tote für kurze Zeit zum Leben zu erwecken. Sie schmieden einen teuflischen Plan: All die gefallenen Helden des Krieges sollen scheinbar unversehrt in ihre Heimat zurückkehren, und wenn sie dort von den arglosen Verwandten aufgenommen werden, ihre Heimatstädte verwüsten. Starke muss mitansehen, wie Falga untergeht. Als sich die Armee der Zombies Crom Dhu nähert, gelingt es ihm, den Plan zu durchkreuzen und dabei die Hexe Rann zu besiegen. In dem Bewusstsein, dass außerhalb der Venus Raumschiffe fliegen und eine moderne Welt existiert, bleibt er gern beim Venusvolk, denn er hat dort als Held seinen Platz gefunden.
Die Geschichte beinhaltet eine Menge Versatzstücke klassischer Fantasy und kann als typisches Beispiel für Sword & Sorcery gelten. Sie ist handlungsreicher als die meisten anderen Brackett-Geschichten, allerdings für Ray Bradbury vollkommen untypisch. Brackett hatte die erste Hälfte der Erzählung geschrieben, jedoch aufgrund anderer Projekte keine Zeit, sie zu beenden, und fragte Bradbury, ob er Lust dazu hätte. Er hatte.
»The Million-Year Picnic«
(Sommer 1946 in PLANET STORIES)
Dies ist die allererste Geschichte, die später in den Episodenroman The Martian Chronicles aufgenommen wurde, und sie erschien in der gleichen Ausgabe von PLANET STORIES wie »Lorelei of the Red Mist«. Die Geschichte bildet dabei eines der letzten Kapitel im Roman. Lesen Sie dazu das Kapitel 4.1.
»Chrysalis«
(Juli 1946 in AMAZING STORIES, enthalten in S is for Space; nicht auf Deutsch)
Es gibt eine gleichnamige Geschichte, die in The Cat’s Pajamas enthalten ist. Beide Erzählungen wurden um die gleiche Zeit geschrieben. Bradbury gefiel der Titel so gut, dass er ihn zweimal verwendet hat.
Obwohl diese Erzählung nie nachgedruckt wurde, ist sie trotzdem die Vorlage für einen Spielfilm, der im Jahr 2008 gedreht wurde (siehe Kapitel 12.2).
»The Night«
(Juli 1946 in WEIRD TALES, enthalten in Dark Carnival, The Stories of Ray Bradbury und The Small Assassin; verändert enthalten als Kapitel 10 in Dandelion Wine; dt. »Die Nacht«)
Die Geschichte spielt 1927 in einer kleinen Stadt, und die Hauptperson ist ein achtjähriger Junge. Er wird von seiner Mutter ausgeschickt, um Eiscreme zu holen. Nachdem er heimgekehrt ist und andächtig seine Portion gegessen hat, wird es langsam Nacht. Vater ist noch nicht zu Hause, aber auch sein zwölfjähiger Bruder Skip ist nicht vom Spielen heimgekehrt. Die Mutter macht sich Sorgen und nimmt ihren Jüngsten mit, um Skip zu suchen. Die beiden erreichen eine Schlucht, die sehr gespenstisch ist, und sie befürchten, dass Skip etwas Schreckliches zugestoßen sein könnte. Doch zum Glück kommt ihnen der große Bruder zusammen mit zwei Freunden quer durch die Schlucht entgegen. Er bekommt von der Mutter Prügel angedroht, aber schließlich kehren alle wieder heim, und der Vater ist inzwischen auch eingetroffen. Alles ist wieder gut.
Die Szene in der Schlucht ist Bradbury ganz außerordentlich gut gelungen. Sie ist unheimlich und geradezu beängstigend. Besonders intensiv wirkt die Geschichte, weil sie in der zweiten Person Singular geschrieben ist. Der Anfang der Story lautet: »Du bist ein Kind in einer kleinen Stadt. Du bist, um genau zu sein, acht Jahre alt, und es wird spät des Nachts.« Später hat Bradbury die Geschichte umgeschrieben. Sie war dann nicht mehr in der Du-Form verfasst, und der Autor hat sie als zehntes Kapitel in den Roman Dandelion Wine integriert. Trotzdem ist sie in ihrer ursprünglichen Form in drei Erzählungsbänden nachgedruckt worden, und das zu Recht.
»The Electrocution«
(Pseudonym William Elliot; August 1946 in THE CALIFORNIAN, enthalten in Quicker than the Eye; dt. »Auf dem elektrischen Stuhl«)
Diese Geschichte spielt auf dem Jahrmarkt unter Schaustellern. Eine Frau lässt sich Abend für Abend von ihrem Mann auf einen elektrischen Stuhl fesseln und wird dann unter Strom gesetzt. Ein junger Mann taucht mehrere Abende nacheinander im Publikum auf, offenbar hat er sich in die Frau verliebt. Doch der Ehemann nimmt Rache an beiden.
Hier verarbeitete Bradbury eigene Erlebnisse aus seiner Kindheit, als ihn Jahrmärkte nicht nur faszinierten, sondern ihm auch Angst machten.
»Frost and Fire«
(Erstveröffentlichung als »The Creatures that Time Forgot«, Herbst 1946 in PLANET STORIES, enthalten in: R is for Rocket und The Stories of Ray Bradbury; dt. »Die Achttagemenschen«)
Auf einem fremden Planeten leben Wesen, die offenbar von auf dieser Welt gestrandeten Menschen abstammen. Nach vielen Generationen haben sie zwar die Fähigkeit der Telepathie entwickelt, jedoch leben sie im Schnitt nur acht Tage. Aufgrund dieser kurzen Lebensspanne haben sie keine Möglichkeit, sich mit anderen Dingen als dem Überlebenskampf zu beschäftigen. Die Geschichte erzählt den Lebensweg von Sim, der nach seiner Kindheit entdeckt, dass es Wissenschaftler gibt, die sich mit der Herkunft der Menschen und dem sagenumwobenen Raumschiff beschäftigen. Sim gelingt es, zusammen mit seiner Freundin Lyte das Raumschiff zu erreichen, und er entdeckt, dass man innerhalb des Schiffs viel länger überleben kann als in der Außenwelt. So hat er vermutlich die Rettung für sein ganzes Volk ermöglicht.
Man kann wohl lange darüber diskutieren, ob diese Geschichte vollkommen missglückt oder eventuell ein surreales Meisterwerk ist. Aus wissenschaftlicher Sicht ist der Text kompletter Mumpitz, die stilistische Umsetzung lässt ebenfalls zu wünschen übrig. Bradbury hat Mitte der 40er-Jahre deutlich bessere Texte verfasst, andererseits lässt die Geschichte der Achttagemenschen viel Raum für Interpretationen und Spekulationen. Vermutlich war das auch die Absicht des Autors, obwohl er sich sicherlich bewusst war, dass er für eines der eher simplen Pulp-Magazine schreibt.
»Homecoming«
(Oktober 1946 in MADEMOISELLE)
Diese Geschichte wurde später in den Roman From the Dust Returned integriert. Lesen Sie dazu Kapitel 9.1.
»Let’s Play Poison«
(November 1946 in WEIRD TALES, enthalten in Bradbury Stories: 100 of His Most Celebrated Tales, Dark Carnival und The Small Assassin; dt. »Spielen wir ›Gift‹«)
Mr. Howard, der eigentlich Lehrer von Beruf ist, kann Kinder nicht ausstehen. Er misstraut ihnen und hat sie schon als »Invasoren aus einer anderen Dimension« bezeichnet. Als ein paar Kinder an der Straße spielen, fragt er sie, was sie dort tun. Sie sagen, sie spielen »Gift« und springen von einer Gehwegplatte zur anderen. Einige Platten tragen einen Namen, und die Kinder behaupten, dass darunter jeweils ein Toter liegt. Wer die falsche Platte betritt, ist vergiftet. Howard jagt die Kinder weg, ebenso ein Mädchen, das »Himmel und Erde« spielt; er bezeichnet sie als Hexe und ihre Kreidezeichen auf der Erde als Pentagramme. Einige Tage später werfen Jungen etwas gegen Howards Fenster, und als er sie verfolgt, stürzt er in eine Fallgrube. Niemand weiß, was aus Mr. Howard geworden ist, aber es gibt auf dem Gehweg eine Platte, die nun die unscheinbare Beschriftung »Mr. Howard – R. I. P.« trägt.
Erstaunlicherweise sind die Kinder in dieser Geschichte einmal nicht die Sympathieträger. Ein typisches Bradbury-Thema ist es trotzdem, denn er mystifiziert hier die Kindheit als etwas Außergewöhnliches und Fremdartiges, dem die Erwachsenen kein Verständnis entgegenbringen können.
Die Geschichte wurde für die Serie THE RAY BRADBURY THEATER verfilmt.