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c) Umstände

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Wenn weder Vereinbarungen noch gesetzliche Bestimmungen die Leistungszeit regeln, kann sie sich auch aus den Umständen des Einzelfalls ergeben.[7] Beispielsweise kann die Erfüllbarkeit entgegen der Zweifelsregel des § 271 Abs. 2 hinausgeschoben sein, wenn der Gläubiger ein rechtlich geschütztes Interesse daran hat, die Leistung nicht vor Fälligkeit entgegennehmen zu müssen. Ein solches Interesse hat der BGH etwa zugunsten des Käufers von Einbauküchen anerkannt, wenn ein Liefertermin vereinbart ist:[8] Zuvor hat der Käufer oft keine Verwendung für die Küche und müsste sie häufig zu hohen Kosten zwischenlagern.

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In Fall 24 haben G und S eine Leistungszeit vereinbart, nämlich Lieferung in der Nacht von Sonntag auf Montag. Erfüllbarkeit tritt nach der Zweifelsregel des § 271 Abs. 2 aber schon vor diesem Liefertermin ein, so dass S auch schon am Freitag liefern dürfte. G und S könnten insoweit aber konkludent eine abweichende Vereinbarung getroffen haben, wonach die Zweifelsregel des § 271 Abs. 2 nicht gelten soll. Allein aus der Vereinbarung des Liefertermins lässt sich eine solche konkludente Vereinbarung aber nur schwer herleiten. Allerdings könnte sich aus den konkreten Fallumständen ergeben, dass die Zweifelsregel nicht gilt. Gemüse ist eine leicht verderbliche Ware. Für Gemüsehändler ist es wichtig, frische Ware anbieten zu können. Das ist Gemüsegroßhändlern auch bekannt. Just-in-time-Belieferungen sind deshalb im Gemüsehandel verkehrsüblich. Die Lagerprobleme der Großhändlerin sind ihrem Risikobereich zuzuordnen. Daher ergibt sich aus den Umständen, dass die Erfüllbarkeit entgegen § 271 Abs. 2 erst mit dem vereinbarten Liefertermin eintritt. S darf also nicht schon zuvor liefern.

Hinweis: Man könnte – abweichend vom hier eingeschlagenen Lösungsweg – auf Grundlage der §§ 133, 157 auch eine konkludente Vereinbarung bejahen, derzufolge die Zweifelsregel des § 271 Abs. 2 nicht gelten soll. Dabei wären letztlich dieselben Argumente maßgeblich wie im Lösungsvorschlag oben. Es ist in Prüfungsarbeiten aber regelmäßig klüger, in entsprechenden Fällen eine konkludente Vereinbarung abzulehnen und die entscheidenden Sachargumente bei den „Umständen“ unterzubringen. So kann man der Korrektorin auch zeigen, dass man weiß: In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Umstände des Einzelfalls auch ganz unmittelbar – also ohne die Fiktion einer konkludenten Parteiabrede – zu Abweichungen von den Zweifelsregeln des § 271 führen können.

BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil

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