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2.3.4. Hypothese: Das Reflexions-Defizit
ОглавлениеUmweltpolitik und -soziologie als Wissenschaften haben die reflexive Modernisierung (Beck 1993, 1999) auf ihre Fahnen geschrieben. Will Umwelterziehung ein bedeutsames Element in diesem Programm darstellen, sollte sich ihre Reflexionsarbeit »auf der Höhe der Zeit« befinden und deren Ergebnisse in die Schwerpunkte von Konzeptbildungs- und Evaluationsansätzen eingehen. Nun lassen sich aber in den programmatischen Beiträgen und Entwürfen drei Momente nicht übersehen:
a. Die Konzeptualisierungsansätze sind nicht darauf ausgerichtet, zunächst Prozesse »einfacher Modernisierung« im umweltpolitischen Rahmen kritisch zu verorten und deren Transformationswege in umweltpädagogische Programmansätze zu verfolgen bzw. – in kritischer Einschätzung dieser Prozesse – nach eigenen Gesichtspunkten (z.B. auf der Grundlage eines bildungstheoretisch abgesicherten Orientierungsrahmens) gestaltete Entwürfe vorzulegen.
b. Evaluation und Forschung scheinen mir eher der Akzeptanz und Legitimation von umwelterzieherisch ambitionierten Institutionen, Initiativen, Projekten und persönlichen Karrieren zu dienen und tragen Merkmale offener oder latenter Auftragsforschung.
c. Distanzierte unabhängige Selbstreflexion – etwa zu den Fragen, welche Funktion etwa die Umwelterziehung in der etablierten Form als kulturelles Element im Rahmen der gesellschaftlich-ökologischen Modernisierungsprozesse hat oder welche Sozialisationswirkungen ihre Vorhaben auf Kinder und Jugendliche langfristig bzgl. Orientierung und Qualifizierung haben – findet i. d. R. nicht statt.
Forschung, Konzeptbildung und Evaluation spiegeln die in den ersten drei Hauptthesen skizzierten Defizite wider, d.h., die genannten »blinden Flecke« der Umwelterziehung sind i. d. R. nicht ihr Gegenstand. Es fehlt der Umwelterziehung deshalb auch an langfristig konzipierten Evaluationsinstrumenten, die die Umsetzungs- und Wirkungsprozesse ihrer Praxis im Kontext realer ökologischer Modernisierungsprozesse reflektieren und kontrollieren könnten. Einige Arbeiten lassen in ihrem Trend die Vermutung aufkommen, dass Forschung und Evaluation in ihrem Kern eine reine Legitimationsfunktion für die jeweiligen Institutionen, Verbände, Projekte und umweltpädagogischen Ansätze übernommen haben. Auf dem Hintergrund der skizzierten Defizite der Umwelterziehung müsste dann überprüft werden, ob Praxis, Theorie, Forschung und Evaluation der Umwelterziehung nicht ideologische Tendenzen in dem Sinne aufweisen, als durch ihre Programme und durch herausgehobene Akteursgruppen (z.B. Modellversuche) Orientierungs- und Handlungspräferenzen gesetzt werden, die einer ausreichenden Fundierung und Reflexion entbehren und sich damit unbegriffenen Tendenzen und Strukturen in affirmativer Weise unterwerfen (Hauck 1992, van Damsen 1995, Pongratz 1995).