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2.2. Schritte zur Verankerung der Umwelterziehung 2.2.1. Konferenzen und administrative Vorgaben

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Umwelterziehung kann mittlerweile auf eine über 40 Jahre andauernde Geschichte ihrer Verankerung verweisen. Im internationalen Kontext reicht diese Entwicklungsgeschichte von der UNO-Konferenz »On the Human Environment« in Stockholm (1972) über die »Intergovernmental Conference on Environmental Education« in Tiflis (1977) bis hin zu der UNES-CO/UNEP-Konferenz in Moskau (1987) und dem »Erdgipfel« (United Nations Conference for Environment and Development – UNCED) von Rio de Janeiro (1992). Im nationalen Rahmen stellen der Beschluss der Kultusminister-Konferenz (KMK) zum Naturschutz (1952), das Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971, das Gutachten über den Zusammenhang von Umweltpolitik und Umwelterziehung des Sachverständigenrates für Umweltfragen (1978), die Empfehlung der KMK zu »Umwelt und Unterricht« (1980), die daraufhin verstärkt einsetzenden Initiativen der Bundesländer, Umwelterziehung in den Curricula aller Bildungseinrichtungen zu verankern, das »Arbeitsprogramm Umweltbildung« des BMBW (1987) sowie der Beschluss der Bund-Länder-Kommission (BLK) für Bildungsplanung und Forschungsförderung über einen Kriterienkatalog zur »Einbeziehung von Umweltfragen in das Bildungswesen« (1987) herausragende Eckpunkte dar. Dabei muss vermerkt werden, dass das Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN) in Kiel bereits die erste Nachfolgekonferenz von Tiflis in München organisiert hatte und in der Folge eine zentrale Rolle und Verantwortung für die Entwicklung der schulischen Umwelterziehung in der BRD übernahm.

Inhaltlich charakteristische Trends lassen sich an jenem bildungspolitisch bedeutsamen Dokument ablesen, das die KMK auf ihrer 200. Plenarsitzung als grundlegenden Beschluss – in enger Anlehnung an die Beschlüsse der Tiflis-Konferenz 1977 (Kleber 1993) – zu »Umwelt und Unterricht« verabschiedete:

»Die Schule soll durch Vermittlung von Einsichten in die komplexen Zusammenhänge unserer Umwelt die Probleme aufzeigen, die aus ihrer Veränderung entstehen. Der Mensch ist sowohl Verursacher als auch Betroffener von Umweltveränderungen. Da die von ihm verursachten Belastungen auf ihn zurückwirken, ist er auch verantwortlich für die Folgen der Eingriffe in das System der Umweltbedingungen. Er darf seine Eingriffe nicht allein am kurzfristigen Vorteil für den heute lebenden Menschen orientieren. Er muß in der Verantwortung für die nachfolgenden Generationen die Ausgewogenheit zwischen Aneignung und Nutzung der Naturgrundlagen einerseits und Erhaltung und Schutz der Naturgrundlagen andererseits gewährleisten (…). Erziehung zu Umwelt-Bewusstsein und Umweltschutz kann damit Verständnis und eine positive Einstellung für die zu lösenden Probleme gleichermaßen fördern. Es soll dem Schüler dabei auch deutlich werden, dass zum Schutz der Lebensgrundlagen der Anspruch des einzelnen, sich individuell zu entfalten, mit dem Anspruch der allgemeinen Wohlfahrt in Einklang gebracht werden muß« (KMK 1980).

Der Text weist deutliche Spuren des umweltpolitischen Konflikts zwischen »Verursacher- und Gemeinlastprinzip« auf. Dabei nimmt die KMK eine inhaltlich folgenreiche Umdefinition vor: Verursacher zunehmender Umweltgefährdungen ist »der Mensch«; zugleich ist er aber auch »Betroffener«. Eine solche Betrachtungsweise könnte zu der Schlussfolgerung führen, dass »die Menschen« durch Verzicht, höhere Preise und Steuern zur Verantwortung gezogen werden können. Auf diesem Wege könnten Legitimationslücken staatlicher (Umwelt-)Politik verschleiert und verlagert werden:

»Das produktionsverursachte und produktionsgefährdende Problem zunehmender Umweltbelastungen wird umdefiniert: Produktion von Umwelt-Bewusstsein statt umweltverträglicher Produktion« (Becker 1987, S. 12). An dieser Stelle muss die grundsätzliche Frage gestellt werden, welche impliziten Funktionen administrative Vorgaben zur Umwelterziehung übernehmen.

Kahlert (1993) setzt sich mit den Prozessen und Funktionen umweltpädagogischer Kommunikationsformen auseinander. Er geht aus von der Feststellung, dass die Umweltauswirkungen des Handelns nicht dort bearbeitet werden, wo sie entstehen. Mit Ulrich Beck (1986) umschreibt man diese Verschiebung mit der »organisierten Unverantwortlichkeit«:

– Wissenschaft und Technik steigern die Fähigkeit zur Nutzung und Manipulation natürlicher Ressourcen, entwickeln aber selbst keine allgemein akzeptable Antwort auf die Frage, welche Möglichkeiten und welches Können auch verantwortbar sind.

– Das Wirtschaftssystem nutzt nach eigenen Prinzipien Rohstoffe, Arbeit und Kapital und produziert nach Wachstumsgesichtspunkten ein (unersättliches?) normiertes Bedürfnispotenzial bei den Menschen. Es gelingt diesem System aber nicht, aus sich heraus eine nachhaltige Bewirtschaftung und Weiterentwicklung sicherzustellen.

– Umweltpolitik macht sich zwar bemerkbar durch symbolische Inszenierungen und Krisenmanagement (»nachsorgender Umweltschutz« durch Installierung von »End-of-Pipe«-Technologien, die am Ende der Produktionskette nur symptombezogen wirken). Sie treibt die »ökologische Modernisierung« im Rahmen des vorgegebenen industriellen Entwicklungsmodus voran, ist aber unfähig, die Gestaltung eines Rahmens für die Entwicklung eines rationalen gesellschaftlichen Naturverhältnisses mit demokratischen Mitteln voranzutreiben.

»Wer Probleme produziert, sie aber selbst nicht lösen kann oder nicht will, der schaut sich gerne woanders um … Und eine Art Generalinstanz für die Bearbeitung von Problemen, die woanders erzeugt sind, scheint das Bildungs- und Erziehungssystem zu sein (…). Vom Kindergarten bis zur beruflichen Weiterbildung, vom Chemieunterricht bis zur Deutschstunde, vom Kirchentag bis zum Umwelt-Spot im Fernsehen: überall stellt der pädagogische Eros seine Liebe zur Umwelt heraus« (Kahlert 1993, S. 3).

J. Oelkers macht in seinem Aufsatz »Ist Ökologie lehrbar?« die generelle Feststellung bzgl. der Pädagogisierung von gesellschaftlichen Krisenfeldern. »Pädagogisierung ist eine Reaktionsform geworden, die immer dann abgerufen wird, wenn ungelöste Probleme in zeitlicher Streckung bearbeitet werden sollen« (Oelkers 1990, S. 6).

Kahlert leitet daraus drei Charakteristika umweltpädagogischen Handelns ab: »Wenn die Pädagogik Umweltthemen aufgreift, beschäftigt sie sich mit Problemen, über deren Ursachen sie sich aus zweiter Hand – d.h. bei Soziologie, Philosophie, Ökonomie, vielleicht auch Anthropologie und Psychologie – informiert, die sie nicht selbst definiert, sondern in der Regel übernimmt. Am Beispiel verdeutlicht: Wenn die Umweltbildung globale Risiken wie Ozonloch und Treibhauseffekt aufgreift, dann macht sie die in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit definierten Klimarisiken zu ihrem Thema, aber sie ist noch weit davon entfernt, diese Themen in eigene Problemstellungen zu transformieren, und die sie nicht direkt beeinflussen kann: Bildung und Erziehung haben so gut wie keine Möglichkeiten, das, was man als richtig und notwendig erkennt, direkt in verbindliche Praxis umzusetzen. Umweltbildung kann nur überzeugen, befähigen und motivieren, aber keine Regeln für das Verhalten durchsetzen« (Kahlert 1993, S. 3). Ist sich die Umwelterziehung dieser strukturellen Voraussetzungen bewusst?

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