Читать книгу Umweltbildung - Hartmut Bölts - Страница 19

2.3.1. Hypothese: Das Fundierungs-Defizit

Оглавление

Natur, Gesellschaft, Institution und Subjekt sind die Rahmenkategorien für jedes umweltpädagogische Konzept. Bleiben diese Rahmenbedingungen begrifflich unpräzise, entwickeln sich Tendenzen einer abstrakten und idealisierenden Pädagogik, die ihre eigenen Wirkungen und Funktionen nicht reflektiert. In der Regel lassen die vorliegenden umweltpädagogischen Konzepte und Vorhaben diese Fundierung vermissen und geraten dadurch in einen zunehmend abstrakten Bezug zu

a. den konkreten Akteuren als historisch-gesellschaftlich spezifischen Individuen in ihren sozialen und naturalen Lebenswelten,

b. den konstitutiven Merkmalen der Institution (Schule, Hochschule, Verband etc.) als bürokratisch strukturiertem Ort ökologischen Lernens,

c. den Reichweiten und gesellschaftlichen Ursachen der Umweltkrisenphänomene sowie

d. dem Spannungsverhältnis des Menschen als Natur- und Kulturwesen.

Eine explizite Erörterung des Naturbegriffs wird in Theorie und Praxis zur Umwelterziehung in der Regel nicht geleistet. Implizit ergänzen sich romantische Naturbilder als das Andere der Zivilisation und die Objektnatur als die naturwissenschaftlichtechnisch zu bearbeitende. Die Dialektik von innerer und äußerer, historisch erster und zweiter Natur – letzten Endes die Entwicklung des Begriffs Natur als »soziales Konstrukt« – wird kaum reflektiert. Damit bleibt die spannungsreiche Wechselbeziehung Natur-Kultur ausgeblendet und mit ihr das historisch-gesellschaftlichen Bedingungen unterliegende Gestaltungspotenzial. Gesellschaft bleibt in den umweltpädagogischen Entwürfen eine abstrakte Verweiskategorie. Sie erscheint meist im Kontext der Beschreibung von umweltpädagogischen Problemthemen (Abfall, Altlasten, Wasser-, Boden-, Luftverschmutzung, Energieversorgung, Naturschutz etc.) in Form von krisenphänomenologischen Hinweisen auf gesellschaftliche Subsysteme (Wirtschaft, Politik, Technik, Wissenschaften etc.) oder im Zusammenhang mit ökologischen Modernisierungs- und Innovationsansätzen (z.B. lokale Agenda 21). Analytische Konzepte (z.B. Risiko-, Erlebnis-, Wachstums-, Kommunikationsgesellschaft) werden allenfalls metaphorisch verwandt, aber nicht explizit und reflexiv bei der Begründung, Gestaltung und Evaluation von umwelterzieherischen Vorhaben einbezogen. Kurz: Umwelterziehungskonzeptionen sind gesellschaftstheoretisch unspezifisch, unscharf und dadurch letzten Endes auch praxisfern, wenn man »Praxis« als bewusste Gestaltung von reflektierten Handlungszusammenhängen versteht.

Die hier zur Diskussion stehende Umwelterziehung findet im Rahmen staatlicher und assoziierter privater Institutionen statt. Beschreibung und Selbstreflexion umweltpädagogischer Vorhaben seitens der Akteure deuten darauf hin, dass die institutionellen Modernisierungsgestalten (Öffnung nach außen hin, partielle Selbstorganisation und Autonomisierung, Ökologisierung etc.) nicht in ihren generellen gesellschaftlichen Bezügen gesehen werden (Suche nach Legitimation, Komplexitätsreduktion, kollektiver Identität etc.). Vielmehr werden die strukturell begründeten Modernisierungsvarianten und die damit verbundenen »Herausforderungen« institutionell kompensatorisch einverleibt (»Profilbildung«), ohne die gesellschaftlich-funktionalen Prozesse in ihrem Kern anzutasten, zu hinterfragen oder zu verändern (Selektion, Qualifikation, Integration). Umwelterziehung – als ambitioniertes Programm engagierter Akteure – fügt sich diesen Prozessen bisher oft kritik- und widerstandslos und vergibt damit die Chance, institutionelle Strukturen neu zu denken und zu erproben. Die konkreten Akteure umwelterzieherischer Vorhaben bleiben begrifflich abstrakte Individuen (Schüler, Studenten, Lehrer etc.). Begründungen und potenzielle Wirkungen umweltpädagogischer Vorhaben können deshalb auch nicht auf differenzierte subjektive und soziale Bedeutungsdimensionen bezogen werden. Insbesondere fehlen analytische Konzepte zur Erörterung von spezifischen Sozialisationsprozessen im Schnittbereich von naturalen und sozialen Lebenswelten und bzgl. der Reichweiten von umweltpädagogischen Bemühungen unter Berücksichtigung von sozial geprägten und habituell verfestigten Verhaltensgewohnheiten.

Umweltbildung

Подняться наверх