Читать книгу Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie - Harvey Patton - Страница 15

7

Оглавление

Geräuschlos glitt das Luk auf, und die kleine Plattform schwebte ins Freie, von Luca Ladora gesteuert. Sie bot der Crew gerade genügend Platz, war aber erheblich überlastet. An einen Flug zur »Insel der Großen Mutter« mit ihr war einfach nicht zu denken.

Im schwachen Licht der Sterne erkannten die Menschen die dunklen Körper der Letho-Dimonds, die nun schon seit Stunden auf der Schiffshülle lagen. Auch sie mussten die Ausbrecher bemerkt haben, denn unter ihnen wurden erregte Ausrufe laut. Einige versuchten, kriechend das Luk zu erreichen, aber es war bereits zu spät. Auf einen Funkimpuls hin schloss sich die Öffnung wieder, und das Gefährt schwebte schwankend durch die Nacht davon.

»Erste Phase geglückt!«, feixte der Kybernetiker. »Fliegen können die Brüder zum Glück ja nicht, also können sie uns auch nicht mehr aufhalten. Wohin jetzt, großer Meister?«

»Zum Anlegeplatz der Boote, die wir heute benutzt haben«, bestimmte Taff und griff hastig nach einem Verpflegungsbeutel, der abzurutschen drohte. »Wir nehmen das größere, es ist stabiler, lässt sich aber trotzdem gut rudern.«

Gleich darauf hatten sie den Hafen erreicht, in dem die Fahrzeuge der Eingeborenen in der schwachen Dünung dümpelten. Die Flut hatte ihren höchsten Stand erreicht, und Caine nickte befriedigt. »Die Ebbe wird bald eintreten, ihr Sog wird das Boot mitnehmen, so dass wir unsere Kräfte schonen können. Die Plattform müssen wir leider zurücklassen, hoffentlich ... Heh, da ist doch jemand!«

Er riss die Nadelpistole heraus und schob gleichzeitig eine Infrarotbrille vor die Augen. Auch die anderen fuhren herum und gingen in Abwehrstellung, aber plötzlich lachte Taff leise auf.

»Kaiakan ...! Was tust du denn hier?«

Der Junge löste sich von dem Gestell mit Netzen und kam auf ihn zu. »Ich habe gewusst, dass es euch gelingen wird, aus dem Wolkenschiff zu entkommen, Mensch Taff. Ihr wollt zu euren Gefährten, und dazu braucht ihr ein Boot, also musstet ihr hierher kommen.«

»Ein wirklich kluges Kind«, staunte Orvid Bashkiri. »Wir dürfen uns aber nicht aufhalten lassen, die Letho-Dimonds kommen im Galopp angerast. Schnell ins Boot, dann nichts wie ab.«

»Sinnlos«, sagte Taff. »Sie würden uns eingeholt haben, ehe wir am ersten Riff sind. Dorit, du schaffst die Sachen ins Boot, ich übernehme es, die Eingeborenen aufzuhalten. Alle anderen nehmen die Strahler und schießen Löcher in die restlichen Fahrzeuge, klar?«

Der erste Mond ging gerade auf. In seinem Schein erkannte Caine die Gestalten, die nur noch fünfzig Meter entfernt waren. Er hatte den Nadler mit der Handlaserwaffe vertauscht und drückte nun ab. Der gleißend helle Strahl durchschnitt das Dunkel und köpfte einen Baum, dessen Krone polternd zu Boden fiel. Schrille Angstschreie wurden laut, die Verfolger wandten sich eilig zur Flucht. Caine lachte grimmig auf und begab sich zu den anderen.

Fünf Minuten später gab es kein einziges seetüchtiges Boot mehr. Die Crew bestieg ihr Fahrzeug, und der Commander sah nachdenklich auf Kaiakan, der abwartend dastand.

»Wir können den Jungen nicht hier zurücklassen, Freunde. Die Dorfbewohner haben ihn in unserer Gesellschaft gesehen und würden ihn in ihrer Enttäuschung vielleicht umbringen. Komm, Kaiakan, du fährst mit uns.«

Der Junge stieg wortlos ein, Taff machte die Halteleine los, stieß das Boot ab und sprang hinein. Schweigend handhabten die Männer die breiten Paddel, und bald schossen sie in schneller Fahrt dahin. Auch der zweite Mond ging auf, das Meer wurde zu einem silbernen Spiegel, in dem die dunklen Silhouetten der Inseln und Korallenriffe gut auszumachen waren.

Sie ruderten bis zum Morgen. Als die Sonne aufging, war die Küste nur noch als dunkler Strich zu erkennen. Taff ordnete eine Pause an, sie aßen und tranken von den mitgebrachten Vorräten. Lars Gunnarsson sah Taff fragend an.

»Soweit sind wir, aber wie geht es weiter? Niemand von uns weiß auch nur annähernd, wo sich die ominöse Insel befinden mag. Wenn wir Pech haben, finden wir sie nie.«

Caine zuckte mit den Schultern. »Ein Patentrezept habe ich leider nicht anzubieten, Lars. Wir können nur weiter stur nach Norden rudern und auf den Zufall hoffen. Er ist zwar ein sehr unberechenbarer Geselle, war aber schon oft auf unserer Seite.«

»Wir hätten den Stern der Menschheit mitnehmen sollen«, spöttelte Luca. »Er hätte uns erleuchtet und auf den richtigen Pfad geführt.«

»Er ist wieder sehr witzig, unser Scherzbold vom Dienst«, sagte Mitani. »Transferiere die Energie deiner Geistesblitze lieber in Muskelkraft um, du wirst sie noch brauchen. Kaiakan ist ein besserer Ruderer als wir alle.«

Sie wechselten die Plätze und ruderten weiter. Stunden vergingen, dann hob Kaiakan die Hand. »Da vorn – eine Insel, Mensch Taff!«, sagte er.

Sein Sehvermögen musste phänomenal sein, denn Caine brauchte sein Fernglas, um den vagen Schemen am Horizont zu erkennen. Sein Vorhandensein gab der Crew neuen Auftrieb, die sehr unter den sengenden Strahlen der Sonne litt. Sie erreichten die Insel gegen Mittag, waren jedoch enttäuscht. Sie war nur klein und vollkommen von Urwald überwuchert, nirgends gab es einen als Anlegestelle geeigneten Platz.

Taff krauste die Stirn, denn ihm war etwas aufgefallen, ohne dass er sofort zu sagen vermochte, was. »Die Vögel!«, rief er plötzlich triumphierend aus und wies auf die Scharen in der Luft. »Es sind ausgesprochene Landvögel, sie kommen von Norden und fliegen auch wieder dorthin. Der Nordkontinent ist jedoch noch weit entfernt, also muss es weiter vorn mindestens eine große Insel geben! Weiter, Freunde, der Zufall scheint pünktlich zur Stelle zu sein.«

*

Eine Viertelstunde später waren sie am Ziel. Das Eiland war groß, aber sie brauchten nicht lange zu suchen. Bald schon stießen sie auf einen kleinen Naturhafen, und dort hatten zwei Boote der Letho-Dimonds angelegt. Sie waren jedoch verlassen, von den Insassen war weit und breit nichts zu sehen.

»Wir gehen ebenfalls an Land und suchen sie«, bestimmte der Commander. Sie sprangen aus dem Boot und sahen sich um, die Waffen schussbereit. Nirgends war ein Lebewesen zu entdecken, nur Scharen von Vögeln flogen lärmend zwischen dem flachen Strand und der Wildnis umher, die gleich dahinter begann.

»Da – schwarze Spiegel!«, sagte Dorit plötzlich verwundert.

Acht dieser Artefakte waren in einem Halbkreis vor den Booten ausgelegt, seine Öffnung wies nach innen. Die Crew starrte sie misstrauisch an, aber Kaiakan meldete sich zum Wort.

»Eine magische Figur, Frau Dorit«, erklärte er. »Sie soll die Geister bannen, die diese Insel bewachen. Dieser Zauber wird immer vorgenommen, wenn unsere Leute das erste Mal ein fremdes Land betreten.«

»Stimmt, hier sind die Letho-Dimonds ja nie zuvor gelandet«, stellte Taff fest. »Es sind also acht Männer, dazu unsere drei Entdecker vom Brain-Team. Sie scheinen also fündig geworden zu sein, aber das soll mich nicht davon abhalten, ihnen später die passenden Worte zu sagen. Nur ein kurzer Anruf, und wir hätten uns keine Sorgen zu machen brauchen.«

»Da ist eine Spur«, sagte Lars Gunnarsson, »sie führt in den Urwald hinein. Folgen wir ihr, Taff?«

»Keine Frage«, gab Caine zurück und setzte sich in Bewegung. Die Eingeborenen hatten mit Messern einen Pfad in das Dickicht geschlagen, so dass die sieben Personen gut vorankamen. Nach einer Viertelstunde lichtete sich der Dschungel und gab den Blick auf einen niedrigen stumpfen Bergkegel frei, der nur spärlich bewachsen war. Auf ihn – und auf ein massives, quadratisch angelegtes Bauwerk, das sich auf seiner Kuppe befand!

»Wie eine Götterburg«, sagte Mitani fast andächtig. »Taff, dieses Gebäude kann unmöglich von den Letho-Dimonds errichtet worden sein. Wir haben eine Spur der Dimonids gefunden!«

Taff nickte. »So muss es sein, meine schwarze Perle. Richtig wohl wird mir jedoch erst sein, wenn wir auch unsere Wissenschaftler unversehrt aufgefunden haben. Diese uralten Bauwerke haben es meist in sich, wie wir oft genug erfahren mussten.«

Das Gebäude musste tatsächlich uralt sein, seine Mauern waren moosbedeckt und mit efeuähnlichen Rankenpflanzen bewachsen. Es war ein schmuckloser großer Kasten, etwa hundert Meter im Geviert und dreißig Meter hoch, mit einem flachen Dach. In halber Höhe gab es eine Reihe von rechteckigen Fensteröffnungen, an seiner Basis ein offenes, etwa acht Meter breites und hohes Tor. Über dem Berg lag eine unnatürlich anmutende Stille, weder Vögel noch andere Tiere waren zu sehen.

»Dieser Kasten sieht alles andere als einladend aus«, sagte Luca unbehaglich. »Zudem ist weder von den Eingeborenen noch von den Wissenschaftlern etwas zu sehen. Wer weiß, was uns darin erwarten mag.«

»Es sind die klügsten Hühner nicht, die ungelegte Eier begackern«, knurrte Taff Caine. »Mit einer Anlage des Drajur haben wir es hier jedenfalls nicht zu tun, also dürften sich etwaige Gefahren in Grenzen halten. Gehen wir hinauf, dann werden wir bald klüger sein.«

Auch jetzt waren noch die Überreste einer steinernen Treppe zu erkennen, die den Berg hinaufführten. Die Crew folgte ihnen, Kaiakan kam zögernd hinterher. Dann hatten sie das große Tor erreicht und sahen in eine riesige Halle, die fast das ganze Unterteil des Bauwerks einnahm. Die Sonne schien genau hinein, und die Fenster unter der Decke spendeten weiteres Licht. Dass es in dem Raum relativ dunkel war, wurde durch die riesigen schwarzen Spiegel bewirkt, die alle vier Wände fast restlos bedeckten.

»Da sind sie!«, stieß Orvid Bashkiri aus und wies auf die elf Personen im Mittelpunkt der Halle. »Unser Brain-Team und die Eingeborenen – aber was ist mit ihnen los?«

Diese Frage war sehr berechtigt. Die elf Personen saßen in der Mitte der Halle auf dem Steinboden und regten sich nicht. Sie reagierten auf keinen Anruf, es schien, als wären sie paralysiert. Worauf das zurückzuführen war, ließ sich leicht erraten.

»Sie stehen unter dem Einfluss der Spiegelwände«, sagte Taff mit finsterer Miene. »Und das schätzungsweise einen ganzen Tag lang! Wir müssen sie herausholen, von selbst werden sie sich nicht aus diesem Bann lösen können. Es fragt sich nur, wie, denn jeder von uns, der hineingeht, dürfte gleichfalls diesem Einfluss erliegen.«

»Wir könnten die Wände zerstören«, schlug Luca vor und hob den Handlaser, aber der Kommandant winkte energisch ab.

»Das auf gar keinen Fall, denn wir wissen nicht, was wir dadurch auslösen können. Es kann zu einem Energierückschlag kommen, der die Hilflosen tötet, vielleicht sogar zu einer starken Explosion. Nein, wir müssen einen anderen Weg finden, bei dem sie nicht gefährdet werden.«

»Lass mich hineingehen, Taff«, schlug Mitani vor. »Ich binde mir ein Seil um, mit dessen Hilfe ihr mich gegebenenfalls wieder herausholen könnt. Vielleicht geschieht mir nichts, vielleicht gerate ich auch in Trance und kann euch dann sagen, was es mit der Halle auf sich hat.«

Caine zögerte, aber das Mädchen holte bereits ein dünnes Kunststoffseil aus der Tasche und knüpfte es um ihre Körpermitte. Schließlich gab er seine Zustimmung, denn das Vorhaben schien wirklich ohne großes Risiko zu sein. Luca Ladora ergriff das freie Ende des Seiles, und Mitani ging langsam in den Raum hinein.

»Ich komme mit, Frau Mitani«, sagte Kaiakan plötzlich und lief ihr nach, ehe ihn jemand aufhalten konnte. Das Mädchen lächelte ihn an und ergriff seine Hand. »Ich spüre nichts«, rief sie zurück, als sie etwa die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten. »Vielleicht muss man sich längere Zeit hier drin aufhalten, ehe die Wirkung der Spiegel einsetzt.«

»Hoffen wir es!«, murmelte Taff skeptisch und starrte wie die anderen angestrengt in das Halbdunkel der Halle. Mitani und der Junge erreichten die Gruppe, blieben vor ihr stehen, und dann geschah etwas, mit dem keiner mehr gerechnet hatte: Mit einer blitzschnellen Bewegung löste das Mädchen das Seil von ihrem Körper.

»Nicht, Mitani!«, schrie Caine alarmiert auf, aber es war bereits zu spät. Hilflos musste die Crew zusehen, wie sie und der Junge sich zu den anderen auf den Boden setzten, um ebenfalls in einen Zustand der Bewegungslosigkeit und Nicht-Ansprechbarkeit zu versinken.

Mein Spiegel!, schoss es Taff durch den Kopf. Hastig holte er ihn hervor, hielt ihn vor sich hin und stürmte in die Halle hinein.

*

Ein Wispern und Raunen klang in ihm auf, etwas schien nach seinem Bewusstsein zu greifen und sich seines Geistes bemächtigen zu wollen. Über das schwarze Oval des Handspiegels wanderten in hektischer Folge chaotische bunte Muster, zwischen denen immer wieder verzerrt sein eigenes Gesicht erschien. Der auf ihn abgestimmte kleine Spiegel schien aber wirklich imstande zu sein, den Einfluss der Kristallflächen an den Wänden zu neutralisieren. Taff vernahm wohl weiterhin die geisterhaften fremden Stimmen in seinem Hirn, blieb jedoch voll Herr seiner Sinne.

Dann hatte er Mitani erreicht. Er sah, dass ihre Augen offen waren, aber sie schienen starr in unergründliche Fernen zu sehen, kein Muskel regte sich in ihrem Gesicht. Hastig griff er zu, um sie aufzuheben und hinauszutragen – aber er griff durch sie hindurch!

Das, was wie ihr fester materieller Körper schien, war in Wirklichkeit nur ein Schemen, ein substanzloses Etwas! Taff hatte ungestüm zugefasst, griff aber ins Leere, stolperte und stürzte. Der Spiegel fiel aus seiner Hand, prallte auf dem Boden auf, und plötzlich stand ein schrilles, klagendes Geräusch in der Luft. Das schwarze Oval zersplitterte in unzählige winzige Fragmente, und im gleichen Moment erlosch auch seine schützende Wirkung.

Das Wispern in seinem Hirn wurde zu einem lauten, machtvollen Dröhnen und fegte den Widerstand seines Geistes hinweg. Auch Taff Caine wurde zu einer willenlosen Marionette, setzte sich auf den Boden und erstarrte dort.

»Da haben wir die Bescherung!«, stöhnte Luca tonlos auf. Keiner der im Eingang Stehenden hatte genau verfolgen können, was eigentlich geschehen war, dazu war das Licht zu schwach. »Was tun wir jetzt, Lars?«

Erneut hob er die Waffe, aber der Bordingenieur schob sie zur Seite. »Wir folgen Taff!«, sagte er fest. »Die Crew gehört zusammen, ganz gleich, was auch geschieht. Ich kann nicht recht glauben, dass die Wirkung der Spiegelwände nur negativ ist. Die Dimonids waren eine große Rasse, aber mit Sicherheit keine Macht des Bösen, wie etwa das Drajur. Stimmt ihr mir zu?«

Dorit Grenelle nickte als erste. Gleich darauf schritten alle vier in die Halle hinein, und dann wurde ihr Bewusstsein allmählich ausgelöscht.

*

»Na also, da seid ihr ja!«, sagte Taff und grinste breit. »Ich habe gewusst, dass ihr kommen würdet, ihr habt nur etwas lange dazu gebraucht.«

»Lange?«, fragte Dorit empört. »Wir sind dir gefolgt, kaum dass eine Minute vergangen war. Sag uns lieber, wo wir hier sind, statt uns unbegründete Vorwürfe zu machen.«

»Vermutlich ein unterschiedlicher Zeitablauf zwischen den beiden Ebenen«, überlegte Caine. »Ich bin jetzt immerhin bereits seit zwei Stunden hier.« Er verneigte sich und fuhr fort: »Willkommen auf Nurchaar, dem Heimatplaneten der Dimonids!«

»Wie bitte?«, fragte Orvid Bashkiri perplex.

Sie standen am Rand einer weiten ebenen Fläche, die früher einmal offenbar ein Raumhafen gewesen war. Eine fremde gelbe Sonne stand am Himmel, die Schwerkraft der fremden Welt war deutlich höher als auf Thorga. Der Belag des Hafens war jedoch vielfach geborsten, bizarr anmutende blaugrüne Gewächse wucherten in den entstandenen Spalten.

»Dann war die Spiegelhalle also so etwas wie eine Transmitteranlage«, überlegte Lars, der sich als erster wieder fing. Taff Caine schüttelte den Kopf.

»Das stimmt nicht ganz, aber das alles erfahrt ihr später. Kommt jetzt mit mir, Lavazza und seine beiden Hübschen warten auf uns. Nehmt aber die Strahler zur Hand, unser zweites Leben auf Nurchaar ist nicht ganz ungefährlich.«

»Wie könnte es auch anders sein?«, knurrte Luca mürrisch. »Wohin die PROKYON-Crew auch kommen mag, die Gefahr ist immer schon vor ihr da! Was sagtest du da eben von einem zweiten Leben, geschätzter Kommandant?«

»Später«, wehrte Taff ab. »Dreht euch um, wir müssen dort hinüber, zu den Überresten der Raumhafengebäude. Und schießt auf alles, was sich bewegt, sofern es kein Mensch oder Letho-Dimond ist. Die Missgeburten von Robotern besitzen zwar keine Waffen, aber wer in ihre liebevolle Umarmung gerät, hat eine Wiedergeburt dringend nötig.«

»Dunkel ist deiner Rede Sinn, o Herr«, murmelte der Astrogator. »Na schön, verschieben wir also das Wundern auf später. Kannst du uns wenigstens sagen, wo sich der Planet befindet, auf dem wir jetzt sind?«

»Einige zwanzig Lichtjahre von Thorga entfernt«, erklärte der Commander. Im nächsten Moment zuckte seine Hand mit der Waffe hoch. Der Energiestrahl fauchte auf und traf ein spinnenähnliches metallenes Ungetüm, das plötzlich zwischen den Büschen in der Nähe aufgetaucht war. Es barst auseinander, und Taff nickte befriedigt.

»Wieder einer weniger, der uns dieses Dasein schwer macht. Los, beeilt euch gefälligst etwas. Wir sind erst dann sicher, wenn wir den Bunker erreicht haben, in dem sich früher der Befehlsstand der dimonidischen Raumflotte befand.«

Er ging voran, auf die Ruinen zu, die den Hafen umstanden. Sie mussten einmal imposante Gebäude gewesen sein, aber jetzt standen nur noch vielfach geborstene Mauern. Taff führte seine Gefährten über eine Schutthalde hinweg, hinter der sich eine dunkel gähnende Öffnung auf tat, an deren Seiten noch die rostzerfressenen Überreste einer Panzertür zu sehen waren. Verfallene Stufen führten nach unten bis zu einer Biegung, hinter der sich ein zweites Tor befand. Es war noch relativ gut erhalten, und in dem Korridor dahinter spendeten einige bläuliche Leuchtflächen von der Decke her spärliches Licht.

»Diese subplanetaren Anlagen sind noch erstaunlich gut im Schuss«, erklärte Caine. »Im Gegensatz zur Oberfläche dieser Welt, wo es fast nur noch Ruinen gibt. Nach den Tatsachen, die wir bis jetzt ermitteln konnten, wurde Nurchaar vor langer Zeit vom Drajur angegriffen und verwüstet.«

»Vom Drajur?«, fragte Lars erstaunt. »Hier, siebentausend Lichtjahre von der Erde entfernt?«

Taff zuckte mit den Schultern. »Natürlich wird dieser Name nicht direkt erwähnt. In den Informationen ist immer nur von der Macht des Bösen die Rede, aber es gibt viele Anzeichen, die unsere Annahme bestätigen. So, jetzt rechts um die Ecke, dann sind wir da.«

Sie waren bereits an mehreren Türen vorbeigekommen, die zum Teil offen standen. Hinter ihnen waren technische Gerätschaften zu erkennen: Computerbänke, Nachrichtengeräte und Schaltpulte, daneben unzählige große und kleine Bildflächen von quadratischer oder rechteckiger Form. Die unterirdischen Anlagen mussten eine beträchtliche Ausdehnung haben.

All diese Aggregate lagen jedoch still, die Räume waren dunkel. Anders war es jedoch hinter der Tür, die Taff nun durch Berühren eines Sensorkontakts öffnete. Heller Lichtschein kam aus einem großen Raum, der unschwer als das Herz dieser Zentrale zu erkennen war. Dieser Befehlsstand hätte auch irgendwo auf der Erde liegen können, wenn auch die Fremdartigkeit der zahllosen Geräte nicht zu verkennen war.

Professor Lavazza stand zusammen mit Valentina Feodorowa vor einem riesigen Bildschirm. Er drehte sich um und nickte den Ankömmlingen erfreut zu. »Nur immer herein in die gute Stube. Hier haben wir Dinge gefunden, von denen ich bisher kaum zu träumen wagte, und ich komme mit einem Teil davon schon ganz gut zurecht. Hier auf diesem Schirm können Sie beobachten, wie es auf anderen Teilen von Nurchaar aussieht.«

Die gewaltige Bildfläche, die fast die ganze rechte Seitenwand einnahm, zeigte eine wahre Albtraumlandschaft. Von einem erhöhten Standpunkt aus wurde der Überblick über eine riesige Stadt geboten; oder vielmehr über das, was von ihr noch übrig war. Nur einige wenige große Gebäude waren noch halbwegs gut erhalten. Die meisten waren ein Gewirr von Mauerresten, umgeknickten Trägern und anderen Dingen, deren einstiger Bestimmungszweck nicht mehr zu erkennen war. Ein Teil davon war von blaugrünen Gewächsen überwuchert, deren Aussehen nicht weniger chaotisch war.

»Mutationen«, erklärte Valentina lakonisch. »Bei dem Überfall auf Nurchaar müssen große Strahlungsmengen freigeworden sein. Alles, was dabei mit dem Leben davonkam, wurde in seiner Erbmasse drastisch verändert. Augenblick, ich schalte um.«

Sie betätigte langsam einige Kontakte auf dem Schaltpult vor sich, und nun wechselte das Bild. Es zeigte den Abhang eines hohen Berges, vor dem sich eine Ebene befand, die in einer Steilküste endete, hinter der sich ein bläulicher Ozean in weite Ferne erstreckte. Auf dieser Ebene hatte einmal eine Stadt gelegen, aber jetzt war von ihr nur noch wenig zu erkennen. Fast das ganze Gebiet war durch eine ungeheure Explosion verwüstet worden, die eine flache, schüsselartige Vertiefung von mehreren Kilometern Durchmesser geschaffen hatte. Ihr Boden glänzte schwarz und wirkte wie glasiert, was eine Assoziation zu den schwarzen Spiegeln hervorrief. Auch jetzt, nach vielen Jahrtausenden, wuchs hier noch nichts.

»Das ist auf dem Nachbarkontinent«, sagte Carlo Lavazza. »Nurchaar besitzt sechs größere Landmassen, die von drei Meeren umgeben werden. Auf jeder gab es Beobachtungsstationen, die mit diesem Bunker in Verbindung standen. Der größte Teil davon wurde zerstört oder fiel später durch technische Defekte aus. Einige arbeiten aber auch jetzt noch und liefern uns diese Bilder.«

»Woher wissen Sie das alles?«, fragte Dorit. »Waren die Dimonids so vorausschauend, dass sie all diese Informationen für spätere Besucher sozusagen mundgerecht zubereitet haben?«

Der Leiter des Brain-Teams nickte. »Genauso ist es. Sie waren das dominierende Volk in diesem Sternhaufen, aber daneben gab es noch eine ganze Reihe anderer, die alle von einem Urvolk abstammten, aber meist degenerierten und in die Primitivität zurückfielen. Die Dimonids hatten es sich zum Ziel gesetzt, sie nach und nach wieder zu einer höheren Kultur und Zivilisation zu führen, so dass eine spätere Vereinigung möglich wurde.«

»Ich verstehe«, warf Lars ein. »Sie taten es, indem sie die schwarzen Spiegel auf die anderen Welten brachten, die einen solchen Einfluss bewirken sollten. Das Vorhaben scheiterte jedoch infolge der Zerstörung von Nurchaar. Die Dimonids fielen als Koordinatoren und Lehrmeister aus, und so musste das ganze Projekt zwangsläufig fehlschlagen.«

»Das stimmt annähernd«, sagte Valentina Feodorowa und schaltete die Bildfläche ab. »Allerdings müssen der Zerstörung Nurchaars längere Kämpfe vorangegangen sein. Die Dimonids erkannten, dass sie unterliegen würden, und trafen gewisse Vorkehrungen für die Zukunft. Sie richteten auf Thorga, und vermutlich auch anderswo, Stationen ein, wie die Spiegelhalle auf der Insel. Durch sie sollten Angehörige anderer Völker nach Nurchaar gelangen, die Überreste ihrer Zivilisation übernehmen, und aus ihnen eine neue Kultur aufbauen.«

»Soweit ist es aber offenbar nie gekommen«, sagte Carlo Lavazza. »Ich bezweifle auch, ob die Letho-Dimonds oder andere Völker diesen Sprung geschafft hätten. Dazu gehörte ein Mindestmaß an technischem Wissen, das zumindest die Thorgaer nicht besitzen. Keiner von ihnen wäre imstande gewesen, die Bedeutung der Informationsgeräte zu erfassen und sie so zu bedienen, dass sie den Inhalt ihrer Speicherkristalle freigaben.«

»Wie gut, dass wir Sie haben«, spöttelte Luca Ladora, »für Sie war das natürlich ein Kinderspiel. Nein, ich will Sie nicht desavouieren, meine lose Zunge geht nur manchmal mit mir durch.«

»Manchmal?«, fragte Orvid Bashkiri spitz. »Ich möchte das eher als Dauerzustand bezeichnen, Computerbändiger. Nehmen Sie ihn nicht ernster, als er es verdient, Carlo.«

Lavazza zeigte sein Indianerlächeln. »Ein alter Mann wie ich ist infolge langer Erfahrung tolerant, Orvid. Sie fragen sich aber vermutlich, wo sich die anderen aufhalten. Mitani und Janine sind mit den Letho-Dimonds draußen auf Nahrungssuche. Wir waren natürlich nicht darauf vorbereitet, eine so lange Exkursion durchzustehen, als wir die Eingeborenen dazu überredeten, uns zur Insel der Großen Mutter mitzunehmen.«

Taff Caine, der so lange geschwiegen hatte, ergriff nun das Wort. »Nachdem ihr nun in großen Zügen wisst, was es mit den Dingen auf sich hat, schlage ich vor, dass wir uns wieder nach draußen begeben. Die verrückten Roboter streifen überall umher und greifen jedes lebende Wesen an. Die Letho-Dimonds sind ganz ohne Waffen, Janine und Mitani haben nur je einen Handlaser. Bis jetzt hat es bereits mindestens fünf Tote gegeben.«

»Fünf Tote?«, fragte Dorit Grenelle erschrocken. »Dann sind ja, Kaiakan mitgerechnet, nur noch vier Thorgaer am Leben!«

Taff grinste übermütig.

»Du sagst es, Dorit-Mädchen, es stimmt aber trotzdem nicht. Auch ich bin in der Zwischenzeit bereits zweimal gestorben, und doch stehe ich jetzt sehr lebendig vor euch. Habt ihr schon einmal etwas von dem Phönix aus der Asche gehört?«

»Aufschneider!«, sagte Luca verächtlich. »Du scheint tatsächlich einen Vogel zu haben, aber wohl kaum den sagenhaften der alten Ägypter. Das ist ein schlechter Stil, Taff Caine, dem eines Kommandanten der PROKYON keineswegs würdig.«

»Warte es ab«, entgegnete Taff und ging auf den Ausgang zu.

Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie

Подняться наверх