Читать книгу Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie - Harvey Patton - Страница 21
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Оглавление»Respekt!«, sagte Luca Ladora und hob mit der unnachahmlichen Würde des leicht Angesäuselten den rechten Zeigefinger. Mit seiner linken Hand schob er eine blütenübersäte Ranke zur Seite, die sich langsam heran geschlängelt hatte. »Ich mag dich ja – wirklich, ich mag dich, du duftendes Blumendingsda. Aber trotzdem, Respekt muss sein!«
Erethreja kicherte leise und zupfte ihn am Ohrläppchen. Auch sie war nicht mehr ganz nüchtern und zeigte ein übermütiges Gebaren, das das kleine Persönchen drollig und doppelt anmutig erscheinen ließ. Ihre Katzenaugen funkelten.
»Was hast du, mein großer und starker Geliebter? Die Llequa will dir ihre Sympathie beweisen, also solltest du dich geehrt fühlen und ihr danken. Stattdessen verlangst du Respekt von ihr – warum?«
»Darum«, erwiderte Luca und streichelte den weichen Haarflaum auf ihrem Kopf. »Weil ich ein Botschafter bin, verstehst du? Als solcher bin ich eine Respektsperson.«
Die Khartonierin wiegte nachdenklich den schmalen Schädel.
»Vielleicht hast du Recht, ich kenne eure irdischen Bräuche noch nicht gut genug. Ist Sympathie nicht aber ungleich wertvoller als Respekt, Luca? Ihn erweist man pflichtgemäß, Zuneigung dagegen schenkt man freiwillig und ohne Vorbedingungen.«
»Du redest fast so weise wie der gute alte Min Jian-Ksu, Mädchen«, sagte der Mann und nahm einen Schluck aus dem langstieligen Glas, in dem Sekt perlte. »Wahrscheinlich hast du sogar Recht damit, mein Blumenkind. Gut, dann will ich also auf den Respekt verzichten und hinfort all deine Blumen so lieben, wie sie mich. Oder wie sie dich, oder wie ich dich, oder wie du mich – okay, lieben wir uns also alle. Die Tatsache aber bleibt bestehen ... welche Tatsache? ... Ach, ja, dass ich Botschafter bin!«
Das stimmte auch wirklich.
Luca Ladora hielt sich seit dem Vortag in der riesigen Raumstation Kharto auf. Sie hatte vor einiger Zeit ihre Bahn um den Mars verlassen und befand sich nun in einem Orbit um den Jupitermond Ganymed. Die parapsychisch begabten »Blumenkinder« sollten Kontakt mit Wendy halten und allmählich eine Verständigung mit dem seltsamen Lebewesen auf dem Jupiter herbeiführen, das inzwischen aus seiner vorübergehenden Starre erwacht war, in der es seit dem Tod seines »Phantom-Babys« verharrt hatte.
Diese Aufgabe beschäftigte jedoch nur einen eng begrenzten Personenkreis. Die Masse der dreißigtausend Khartonier hatte nicht daran teil. Früher, als sie noch von Danatun geleitet oder besser bevormundet worden waren, hätte ihnen das nichts ausgemacht.
Jetzt bestand der Einfluss dieses Elektronenhirns nicht mehr. Es war im Duell mit dem irdischen Zentralrechner TAC unterlegen und hatte seine Herrschaft über die Raumstation aufgegeben. Nun konnte jeder Khartonier frei und unbeeinflusst denken, und die Gedanken vieler verliefen in unrichtigen Bahnen.
Sie argwöhnten, dass sie lediglich von einer Diktatur in eine andere geraten waren. Sie fühlten sich von den Menschen ausgenutzt und für deren eigene Zwecke eingespannt. Es war immer wieder zu offenen Unmutsbekundungen gekommen, erste Hassgefühle machten sich unter den kleinen blauhäutigen Humanoiden breit.
Das war den Verantwortlichen auf Terra nicht verborgen geblieben.
Tatsächlich hatte weder die alte, noch die inzwischen gewählte neue Erdregierung jemals beabsichtigt, die Khartonier zu Sklaven der Menschheit zu machen. Man hatte das Problem Kharto nur nicht mit der gebührenden Aufmerksamkeit bedacht. Es gab so vieles andere zu tun, das Vorrang gehabt hatte.
Immer wieder stieß man auf Relikte der alten Kosmischen Macht des Drajur, die eine ernste Bedrohung bildeten. Auch die rätselhaften Vorkommnisse im Bermuda-Dreieck mit der Invasion aus dem Meer waren nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Obendrein hatten auch die kriegerischen Nimboiden eine Menge dazu beigetragen, die Menschen in Atem zu halten.
Im Augenblick herrschte jedoch relative Ruhe. Nach den Ereignissen im Sternhaufen NGC 188 war es auf Nimboid zu einem Machtwechsel gekommen. Die neue Regierung suchte den Ausgleich mit Terra, weil sie sich der Gefahr bewusst war, die vom Erbe des Drajur ausging. Nun hatte man sich, nicht zuletzt durch Taff Caines Initiative, auch wieder der Khartonier erinnert.
Die bestehenden Missverständnisse sollten endgültig ausgeräumt werden. Man wollte dem kleinen Volk demonstrieren, dass niemand daran dachte, es zu unterdrücken und auszunützen. Ein Botschafter des guten Willens sollte entsandt werden, um dies den Khartoniern klarzumachen.
Dazu hatte man jedoch keinen Berufsdiplomaten ausgewählt, sondern Luca Ladora von der PROKYON-Crew.
Seit die Crew auf Kharto gefangen gewesen war, bestand die große Liebe zwischen ihm und Erethreja. Daran konnten auch die gelegentlichen Rückfälle des früher als Casanova berüchtigten Kybernetikers nichts ändern. Er hatte Kharto aufgesucht, sooft er konnte, und so sahen ihn die Bewohner der Raumstation fast schon als einen der ihren an. Das hatte man berücksichtigt, als die Person des Botschafters zur Debatte stand.
Diese Wahl war gut gewesen.
Luca war mit einem Kurzstreckenraumer zum Ganymed gekommen. Er brachte eine Note der neuen Erdregierung mit, in der die Souveränität und Unabhängigkeit der Khartonier feierlich bekräftigt wurde. Außerdem wurde darin eine baldige Konferenz zwischen Vertretern beider Seiten in Aussicht gestellt, bei der alle noch offenen Fragen diskutiert und gelöst werden sollten.
All dies hatte Ladora dem kleinen Volk in einer Ansprache über das Kommunikationsnetz erklärt. Die Folge war ein großes Aufatmen. Die Stimmung der Khartonier schlug von Pessimismus oder gar Hass in Freude um. Luca war ihr bester Freund. Was er sagte, galt für sie.
Natürlich hatte er es in seinen eigenen Worten verkündet, nicht in dem Behördenchinesisch, in dem die Note abgefasst war. Außerdem hatte er bekanntgegeben, dass die Erde als zusätzliche Geste in sein Schiff eine ganze Ladung wertvoller Geschenke verfrachtet hatte, die für Kharto bestimmt waren.
Dabei handelte es sich zum großen Teil um nützliche Gegenstände, die es auf Kharto nicht oder nicht in dieser Form gab. Jede Kultur entwickelte zwangsläufig ihre speziellen Gerätschaften technischer oder anderer Art, entsprechend den verschiedenen Tendenzen in ihrer Geschichte. Für die Khartonier aber gab es schon seit Langem keine Fortentwicklung in diesem Sinne mehr.
Ihre gigantische, siebenundneunzig Kilometer durchmessende Station stellte nur ein Relikt dar. Sie war als kosmische Fluchtburg konzipiert worden, um wenigstens einem kleinen Teil der Blauhäutigen das Überleben zu ermöglichen, als sich der Kosmische Krieg zwischen dem Drajur und dem Jarun auf seinem Höhepunkt befand. Als solche war sie zwar autark – von der zeitweise notwendigen Aufnahme von spaltbarem Material für die Kraftwerke abgesehen – aber auch dem Gesetz der Stagnation unterworfen.
Ein stabiles, nach außen abgeschlossenes und in sich geschlossenes System musste notwendigerweise starr sein. Jede größere Veränderung hätte seine Stabilität in Frage gestellt, musste also unterbleiben. So hatte es auf Kharto praktisch keinen Fortschritt mehr gegeben, so weit seine Bewohner zurückdenken konnten. Danatun hatte als höchste Instanz der Station dafür gesorgt, dass schon der kleinste Ansatz von Eigeninitiative im Keim erstickt wurde.
Jetzt, nach der Berührung mit der Menschheit, hatten die Khartonier vieles Andersartige kennengelernt und Mängel empfunden, die ihnen zuvor als solche gar nicht bewusst geworden waren. Die PROKYON-Crew hatte auf Terra darüber berichtet, und dem hatte die Regierung nun Rechnung getragen. TAC war zu Rat gezogen worden und hatte einen Katalog all jener Dinge erstellt, die man dem kleinen Volk zukommen lassen konnte, ohne die Stabilität ihres Systems zu beeinträchtigen. Die Übereignung war eine Geste der Anerkennung, und sie verfehlte ihre Wirkung nicht.
Doch es handelte sich nicht ausschließlich um technische Erzeugnisse und Gegenstände nützlicher Art. Unter den vielen Tonnen der Ladung in den Schiffsräumen gab es auch einen guten Teil all jener Dinge, die im Grunde überflüssig sind, aber stets mithelfen, das Leben zu verschönern. Dazu gehörten besonders Kunstgegenstände, Kleidungsstücke und Schmuck aller Art, und gerade sie waren besonders begeistert entgegengenommen worden.
Daneben hatte aber auch die Besatzung der PROKYON X ihren ganz speziellen Beitrag geleistet. Von ihr stammte ein ganzer Laderaum voller delikater und exotischer Lebensmittel, die es auf Kharto nicht gab. Dass dabei auch Wein und sonstige Alkoholika nicht fehlen durften, verstand sich bei der Mentalität der Crew von selbst.
Nun rüstete die Station zu einem großen Freudenfest, bei dem Luca als Gastgeber fungieren würde. Überall war man eifrig dabei, die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Einer der riesigen Messeräume wurde hergerichtet und geschmückt, eine große Tanzfläche geschaffen. Ein besonders installiertes Lautsprechersystem sollte terranische Musik ausstrahlen, die sich bei dem kleinen Volk besonderer Beliebtheit erfreute. Auch die Bänder dazu hatte die Mannschaft der PROKYON ausgesucht und gestiftet.
Luca und Erethreja hatten privat bereits etwas vorgefeiert. Sie wurden aus ihrem Idyll gerissen, als ein Anruf kam, der sie daran erinnerte, dass das Fest in einer halben Stunde beginnen sollte.
»Eigentlich schade«, seufzte das Mädchen, aber Ladora schüttelte den Kopf.
»Ein Fest ohne den Gastgeber«, dozierte er, »ist wie eine Blume ohne Duft. Oder wie ein Raumschiff ohne Raum, oder wie die PROKYON ohne ihre unvergleichliche Crew. Erhebe dich, Geliebte meines Herzens, und halte deinen Botschafter nicht weiter von seinen Pflichten ab.«
Er stand als erster auf, setzte sich jedoch schnell wieder. »Die Station schwankt!«, beschwerte er sich mit vorwurfsvollem Gesicht. Erethreja lachte perlend auf und nahm ihm das Sektglas aus der Hand. Sie lief in einen Nebenraum und kam mit einer kleinen Phiole zurück, in der sich eine ölig schillernde Flüssigkeit befand.
»Hier, trinke das, mein Gebieter. Ein Extrakt aus einer unserer Pflanzen, der sich bei solchen Instabilitäten schnell und gründlich auswirkt. Ein paar Minuten nur, und Kharto steht auch für dich wieder still.«
»Wenn es denn sein muss, um der guten Sache Willen!«, murmelte der Mann. Er trank gehorsam, schüttelte sich kurz, aber schon bald wurde sein Blick wieder vollkommen klar. Dann begannen beide, sich für das große Fest anzukleiden.
*
Die Stimmung war kaum noch zu übertreffen.
Auch die kleinen blauhäutigen Menschen verstanden es ausgezeichnet, sich zu amüsieren. Früher hatte das Stationsgehirn hierbei stets regulierend eingewirkt in dem Bestreben, die Sicherheit der Station zu erhalten. Alles, was ein bestimmtes Maß überschritt, wurde von ihm als Risikofaktor eingestuft und unterbunden. Nun war dieser Aufpasser seiner Macht beraubt, jeder konnte tun und lassen, was er wollte, sofern er dadurch keinem anderen schadete.
Etwa die Hälfte des kleinen Volkes hatte sich im großen Messesaal versammelt. Die übrigen befanden sich in anderen ähnlichen Räumen, die gleichfalls festlich geschmückt waren. Große schwebende Plattformen dienten als Tafeln, auf denen sich die kulinarischen Genüsse ausbreiteten. Improvisierte Bars sorgten dafür, dass auch die diversen Getränke zu Ehren kamen. Bildprojektoren übertrugen das Geschehen aus dem Hauptraum in alle übrigen Säle.
Luca Ladora, nun wieder vollkommen nüchtern, hielt eine kurze Ansprache. Sie wurde kein rhetorisches Meisterwerk, aber jeder Satz wurde gebührend beklatscht.
»Und nun, liebe Blumen- und sonstige Kinder«, schloss er, »lasst uns tanzen und singen, essen und trinken, und vor allem fröhlich sein. Wer sich hier und heute nicht wohl fühlt, hat selbst daran Schuld. Das Fest ist eröffnet.«
Beifall brandete auf, als er dann mit Erethreja zum ersten Tanz antrat. Ein uralter Walzer kam aus den Lautsprechern. Diese Art von leichter, melodischer Musik sprach die Khartonier besonders an, bisher hatten sie kein Äquivalent dazu gekannt. Sie hatten auch überraschend schnell gelernt, sich im passenden Rhythmus dazu zu bewegen.
Luca selbst als ein Kind seiner Zeit kannte sich in diesem für ihn antiken Tanz nicht besonders gut aus. Erethreja übernahm es nun, ihn so zu führen, dass er trotzdem nicht aus dem Takt kam. Sie waren ein seltsames Paar, denn er überragte das Mädchen weit, aber das spielte hier für keinen eine Rolle.
»Puh!«, machte der Kybernetiker, als dieses Solo beendet und er mit dem Mädchen an seinen Platz zurückgekehrt war. »Das Leben der alten Terraner muss ganz schön anstrengend gewesen sein, wenn schon ihre Vergnügungen so aussahen. Jetzt habe ich Hunger wie der sprichwörtliche Wolf.«
Während er sich einer großen Fleischpastete widmete, füllte sich die Tanzfläche mit Khartoniern. Tausende von Paaren bewegten sich im Walzerrhythmus. Andere, erheblich heißere Melodien warteten auf den Bändern darauf, die Stimmung noch weiter zu steigern.
Einige hundert Männer und Frauen, die freiwillig verzichtet hatten, taten indessen überall in der Station Dienst. Sie saßen vor den Kontrollen wichtiger Aggregate und sorgten in Zusammenarbeit mit Danatun dafür, dass die Sicherheit von Kharto gewährleistet blieb.
Auch die Ortungs- und Funkstationen waren besetzt. Von ihnen kam nach etwa einer Stunde die Nachricht, dass sich von der Erde her ein Raumschiff der Station näherte. Sie wurde Luca Ladora überbracht, und er sprang erregt auf.
»Die PROKYON kommt!«, rief er enthusiastisch aus. »Taff, Mitani, und der ganze Haufen – Mädchen, jetzt wird es erst richtig schön für uns!«
Das Schiff hatte für einige Zeit in der Werft der Basis 104 gelegen, wo die Schäden behoben wurden, die es während des Einsatzes im NGC 188 davongetragen hatte. Nun war es wieder intakt, und Taff Caine hatte es sich nicht nehmen lassen, den Kurs des Probefluges zum Ganymed zu legen.
Erethreja lächelte erfreut und nahm Luca die Hummerschere aus der Hand, die er wie einen Taktstock schwang.
»Komm, wir wollen sie persönlich empfangen. Begeben wir uns zur Hauptschleuse, wo sie zweifellos anlegen werden.«
»Mit Vergnügen; gehen wir«, sagte der Mann.
Sie benutzten Schnellbänder und Antigravlifte, doch sie hatten fast dreißig Kilometer zurückzulegen. So hatte die PROKYON inzwischen bereits einen der großen Hangars erreicht, in denen sich außerdem mehrere der rugbyballförmigen Raumschiffe der Khartonier befanden. Die Crew war ausgestiegen und kam dem Paar, von einigen Technikern begleitet, durch die Innenschleuse entgegen.
»Hallo, Freunde!«, schrie Luca begeistert. »Ihr kommt gerade zurecht, um beim Heben der Tassen kräftig mitzuwirken. Ich kann euch sagen, das gibt ein Fest, wie selbst ihr es noch nicht erlebt habt, und das will wohl etwas heißen. Taff, altes Suppenhuhn ... Moment, sehe ich recht? Da ist ja noch jemand außer euch!«
»Ihre bereits leicht glänzenden Augen trügen Sie nicht«, sagte der Mann ironisch, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte. »Ich wollte ohnehin nach Kharto und erfuhr, dass sich Taff für den Testflug der PROKYON dasselbe Ziel ausgesucht hatte. Was lag also näher, als gleich mit ihm zu fliegen.«
Der Ankömmling war etwa dreißig Jahre alt, auffallend gut gebaut, mit einem markanten Gesicht und dunklem, lockigem Haar. Es handelte sich um Alexandros Demosthenes, den Sohn eines terranischen Großreeders. Unter der Herrschaft des Curona war er Costar zur freien Verfügung gewesen. Seit den Wahlen auf Terra bekleidete er das Amt des Ministers für Außenpolitik der Erde, also einen ebenso wichtigen wie schweren Posten in der neuen Regierung.
»Ich komme, um die Verwirklichung dessen einzuleiten, was Sie den Bewohnern von Kharto versprochen haben«, fuhr er fort. »Exakter definiert: Man hat mich damit beauftragt, Verhandlungen mit den hier Verantwortlichen zu führen, in denen über die Zukunft der Khartonier entschieden wird. Das wird Sie, wie ich hoffe, besonders freuen, Miss Erethreja.«
»Nicht nur mich, sondern mein ganzes Volk«, lächelte das Mädchen. »Seien Sie uns also doppelt willkommen, bereiten Sie sich aber auch darauf vor, dass vorläufig an Verhandlungen kaum zu denken sein wird. Wie Luca schon sagte, wird augenblicklich bei uns gefeiert, und das voraussichtlich einen ganzen Tag lang.«
»Ich habe es nicht sonderlich eilig und durchaus nichts gegen Vergnügungen jeder Art«, erklärte Demosthenes schmunzelnd. »Sofern ich darf, feiere ich gern nach Kräften mit, dabei kommt man sich menschlich schnell näher. Nicht wahr, Miss Grenelle?«
Dorit nickte mit neutralem Gesicht, aber Luca sah doch das verräterische Glänzen, das bei diesen Worten in ihren Augen lag. Für ihn und die übrige Crew war es längst kein Geheimnis mehr, dass die Funkerin eine Schwäche für den gutaussehenden jungen Mann hatte, wie auch Alexandros für sie. Seltsamerweise schien sie auf »Apoll-Typen« eine besonders große Anziehungskraft auszuüben, wie beispielsweise früher auf Michael Braun-Springer, den Adjutanten Marschall Drechslers. Bei diesem war es eine einseitige Zuneigung gewesen, hier aber bahnte sich augenscheinlich wirklich etwas Ernstes an.
Ladora zuckte leicht mit den Schultern und begrüßte nun seine anderen Gefährten. »Ist die PROKYON wieder vollkommen klar, Lars?«, erkundigte er sich.
Der Bordingenieur lächelte breit. »Gut für einmal Andromeda und zurück, wenn es sein muss. Es muss aber zumindest vorläufig noch nicht sein, im Moment ist es geradezu verdächtig ruhig in unserer alten Raumkugel.«
»Beschreie es nicht, Alter!«, warnte Orvid Bashkiri skeptisch. Sie verließen den Raum und machten sich auf den Weg ins Innere der Raumstation.
»Gibt es etwas Neues in Bezug auf Sheere McLoed und Chra'p Tansyks?«, fragte der Kybernetiker unterwegs.
Taff Caine schüttelte bedauernd den Kopf. »Nichts«, sagte er ernst. »Das Bermuda-Dreieck wird jetzt natürlich besonders intensiv überwacht, aber seit unserem Abenteuer mit der Zeitkapsel ist es dort vollkommen still geblieben. TAC hat auch dringend davor gewarnt, in dieser Sache irgendwie provozieren zu wollen. Ich bin der gleichen Ansicht, weil wir nie wissen können, was daraus alles entstehen mag. Warten wir also notgedrungen weiterhin ab. Falls die beiden wirklich noch leben, werden sie sich früher oder später schon wieder bemerkbar machen.«
Eine Viertelstunde später umgab sie alle der Trubel des Festsaales.
Dort trieb die Stimmung inzwischen ihrem Höhepunkt entgegen. Aus den Lautsprechern kamen abwechselnd heiße und einschmeichelnde Tanzweisen, die Tanzfläche war ständig voll besetzt. Es machte den Khartoniern nicht viel aus, dass sie die betreffenden Tänze nicht kannten. Mit ihrem natürlichen Einfühlungsvermögen bewegten sie sich trotzdem im richtigen Takt dahin.
Luca benutzte eine Pause dazu, die Ankunft der PROKYON-Crew und des Ministers bekanntzugeben. Ein wahrer Jubelsturm brach los, die Gruppe der Menschen war im Nu von lachenden und tanzenden Khartoniern eingekeilt. Man schlug ihnen auf die Schultern, drückte ihnen gefüllte Gläser in die Hände und stieß mit ihnen an.
»Da haben wir ja etwas Schönes angerichtet«, sagte Mitani, als der erste Ansturm vorüber war. »Das hier gibt ein allgemeines Besäufnis von wahrhaft kosmischen Ausmaßen – mit unserem Alkohol! Hoffentlich geht das auch gut ab.«
Taff grinste mit stoischer Gelassenheit.
»Das Fest läuft, also feiern wir es mit. Im Übrigen glaube ich nicht, dass unsere Spirituosen allein dazu ausreichen, allen dreißigtausend Bewohnern der Station einen Rausch zu bescheren. Man hat hier auch auf eigene Vorräte zurückgegriffen, ich habe eben etwas gekostet, das ich beim besten Willen nicht definieren kann. Lassen wir die kleinen Leute ruhig ihre Unabhängigkeit feiern; sie kommen später von selbst wieder auf den bekanntlich nicht immer weichen Boden der Tatsachen zurück.«
Natürlich war Alexandros Demosthenes jetzt zur Hauptperson avanciert. Seine Figur schien auch dem Schönheitsideal der Khartonierinnen zu entsprechen, denn er war ständig von hübschen Mädchen umringt. Er unterhielt sich angeregt mit ihnen, lachte und scherzte und war voll in seinem Element.
Schließlich belegte ihn eine ausnehmend schöne Khartonierin ganz für sich. Vom Alkohol beschwingt, ging er auf ihre Avancen ein.
»Nimm es nicht schwer, Dorit-Mädchen«, versuchte Lars Gunnarsson die Funkerin zu trösten. »Im Moment hält ihn die allgemeine Ausgelassenheit und der Reiz des Exotischen gefangen. Morgen, wenn dies vorüber ist, renkt sich alles von selbst wieder ein.«
Dorit hob demonstrativ ihr Glas und leerte es in einem Zug.
»Wer sagt denn, dass ich es schwer nehme?«, fragte sie mit funkelnden Augen. »Im Gegenteil, ich amüsiere mich doch prächtig. Der nette Khartonier da ist ganz versessen darauf, von mir die irdischen Tänze beigebracht zu bekommen. Ich bin also durchaus nicht auf den einen Apoll angewiesen, wie du siehst.«
Lars zog sich zurück und verzichtete auf weitere Interventionen. Auch Dorit war nicht mehr ganz nüchtern, ihr Verhalten entsprang einer ausgesprochenen Trotzreaktion. Sie tanzte ebenso ausgelassen wie Demosthenes und trank kaum weniger als er. Irgendwann, einige Stunden später, kam für beide der Blackout.
»Da haben wir es!«, kommentierte Mitani, die sich neben Taff und Lars noch am besten hielt. »Kommt, wir bringen beide in ihre Quartiere, ehe es noch großes Aufsehen gibt und unser Ansehen als Vertreter Terras ganz dahin ist.«
Mit Hilfe Erethrejas und einiger anderer Khartonier wurden Dorit und Alexandros unauffällig »aus dem Verkehr gezogen«. Dass ihr Verhältnis nun aber auf lange Zeit getrübt sein würde, stand für die Crew fest.
»Das habe ich nicht gewollt«, murmelte Luca zerknirscht, als sie in den Festsaal zurückkehrten. Taff hob resigniert die Hände.
»Du hast ja auch nicht ahnen können, dass wir gerade heute hierher kommen würden, und was sich daraus entwickeln würde. Deine Selbstvorwürfe sind also unberechtigt, Computerbändiger. Es sollte allem Anschein nach wohl so kommen, wie es kam.«
»Zudem enthebt es uns der Mühe, uns nach einer neuen Funkerin umsehen zu müssen!«, ergänzte Orvid Bashkiri lakonisch. »So hat eben alles im Leben seine zwei Seiten – hicks.«
Das Fest aber ging weiter, einen ganzen irdischen Tag lang. Dann verstummten die Lautsprecher, die letzten Unentwegten suchten mehr oder weniger schwankend ihre Unterkünfte auf.