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Kapitel 5

Die Beerdigung von Jane wurde zu einem Riesenevent. Als sich Serena St. Brendan’s näherte, der Kirche, in der eine pompöse Trauerzeremonie für Jane abgehalten werden sollte, hatten sich bereits hunderte von Menschen dort eingefunden. Serena war mit dem Taxi gekommen, da sie ahnte, wie schwierig es werden würde, in diesem Chaos einen Parkplatz zu ergattern. Die Polizei hatte Absperrungen aufstellen müssen, um die Menschenmassen, die nicht mehr in die Kirche passten, im Zaum zu halten. Trotz all ihrer guten Vorsätze war Serena spät dran. Bevor sie die Kirche betreten konnte, musste sie noch mit einem jungen Polizisten diskutieren, der offenbar noch nie in seinem Leben eine Soap gesehen hatte und sie nicht durchlassen wollte. Als Serena ihm aber erklärte, sie sei eine Kollegin und Freundin von Jane Dunne, gewährte er ihr Einlass.

Freundin. War sie tatsächlich eine Freundin von Jane gewesen? Während der vergangenen beiden Tage hatte Serena viel über Jane nachgedacht. Sie war mit ihr besser zurechtgekommen als die meisten anderen Crewmitglieder, aber genau genommen hatte sie sie kaum gekannt. Das lag natürlich vor allem daran, dass Jane gerade erst bei ihnen eingestiegen war. Vor drei Wochen, während der ersten Besprechungen mit den Produzenten und dem Regisseur, war Jane ausnehmend freundlich zu allen gewesen. Doch später hatte sie sich schnell als Zicke entpuppt, als regelrechte Primadonna. Andy ließ schon nach einer Woche die Vermutung verlauten, dass Jane Dunne ihnen bestimmt noch eine Menge Ärger bereiten würde.

Man hatte die Kirche auf eindrucksvolle Weise herausgeputzt. Janes prunkvoll geschmückter Sarg stand neben dem vor Blumen überquellenden Altar. Als Serena eintrat, war der Gottesdienst bereits im Gange. Der Geruch von frisch geschnittenen Lilien und Kerzen vermischte sich mit dem von teuren Parfüms. Serena ließ ihren Blick suchend über die sorgfältig gestylten Hinterköpfe der Besucher gleiten.

»Serena!«, flüsterte jemand und tauchte neben ihr auf. Es war Jennifer Connolly – nein, Jennifer Markham, verbesserte sich Serena in Gedanken. Jennifer hatte geheiratet und den Namen ihres Mannes angenommen, das vergaß sie immer wieder. Jennifer führte Serena zu den anderen Mitgliedern des Valentine-Valley-Teams, die in den vorderen Kirchenbänken saßen. Dankbar folgte Serena ihr und entschuldigte sich unzählige Male bei den Leuten, an denen sie sich vorbeidrängten, um zu Jennifers Platz zu kommen. Serena spürte die Blicke aller Anwesenden auf sich. Auch bei einer Veranstaltung wie dieser ging es vornehmlich darum, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren und andere zu beobachten. Jedes Mal, wenn jemand die Kirche betrat, fuhren zahllose Köpfe herum, und die Leute verrenkten sich die Hälse, um zu erkennen, ob ein Star eingetroffen war. Falls ja, mussten sie natürlich unbedingt checken, was für ein Outfit er trug, wer ihn begleitete und ob irgendetwas an ihm auffällig war, über das sie später tratschen konnten.

Jane hätte ihre helle Freude an diesem Spektakel gehabt, schoss es Serena durch den Kopf. Sie setzte sich zu Jennifer und Conar. Jennifers Ehemann lächelte Serena herzlich an, dann wandte er sich wieder dem Pastor zu. Serena riskierte einen Blick durch die Reihe der Valentine-Valley-Leute. Ausnahmslos jedes Teammitglied schien anwesend zu sein. Serena entdeckte Allona, die aussah, als hätte man sie dazu gezwungen, hier zu erscheinen. Gleich neben ihr saß Jinx, und daneben erkannte Serena Thorne McKay, den Chef-Stylisten. Als Serena zur anderen Seite schaute, bemerkte sie, dass sie sich soeben an Joe Penny und Andy Larkin vorbeigedrängelt hatte. Joe war der Hauptproduzent der Serie, doch Andy hatte sich während der letzten Jahre so weit hochgearbeitet, dass er nun sowohl als Schauspieler für die Soap tätig war als auch als Co-Produzent. Zudem war er Serenas Exmann – nicht nur in der Serie, sondern auch im wirklichen Leben.

Während Serena Andy betrachtete, stellte sie fest, dass sie noch immer große Zuneigung zu ihm hegte. Das würde sich wahrscheinlich auch niemals ändern. Andy sah blendend aus, war gut gebaut und konnte äußerst charmant sein. Früher hatte sie einmal gedacht, dass sie wahre Liebe für ihn empfand und dass ihre Beziehung etwas ganz Besonderes sei. Zumindest gab Andy ihr dieses Gefühl. Wenn sie zusammen ausgingen, konnte er kaum die Augen von ihr abwenden – besonders am Strand war Serena das aufgefallen. Er war offenbar wie verzaubert von ihr, und das hatte ihr unglaublich geschmeichelt und sie davon überzeugt, dass Andy sie aufrichtig liebte. Doch eines Tages hatte sie feststellen müssen, dass Andy nicht wirklich sie anschaute, sondern lediglich sein eigenes Spiegelbild in ihrer Sonnenbrille anschmachtete. Nach und nach hatte sie erkannt, dass hinter der liebenswürdigen Fassade nichts weiter als ein selbstverliebter Schönling steckte, und schließlich hatte sie sich von ihm scheiden lassen. Zwischen ihr und Andy war jedoch nie ein böses Wort gefallen. Sie hatten sich in aller Freundschaft getrennt, und Serena hing noch immer sehr an ihm.

Nun trafen sich ihre Blicke. Er lächelte und winkte unauffällig. Seufzend lächelte sie zurück. Sie hatte ihm gegenüber noch immer große Schuldgefühle. Auf seine Art war Andy gar kein übler Kerl, und er hatte Serena schon des Öfteren auf seine typisch lockere Weise darum gebeten, ihn abermals zu heiraten. Das lief stets nach dem Muster ab: »Hey, Serena, trinkst du einen Kaffee mit mir? Wie wäre es, wenn wir wieder heiraten? Mann, das würde die Einschaltquoten in astronomische Höhen treiben!«

»Geht es dir gut?«, fragte er nun leise an Joe Penny vorbei.

»Ja, nur ...«

»Was?«

»Ich hab ein schlechtes Gewissen«, gab Serena zu. »Ich kannte Jane kaum.«

»Niemand von uns kannte sie gut. Sie war ja noch neu bei uns. So ein Ende hat sie wirklich nicht verdient. Na ja, es war wohl Gottes Wille.«

Gottes Wille! Das hatte Serena in den letzten Tagen schon so oft gehört. Und trotzdem nahm die Polizei den gesamten Set auseinander und schien nach irgendetwas zu suchen ...

In der Reihe hinter Andy saßen noch weitere Mitglieder des Valentine-Valley-Teams. Einer von ihnen war Jay Braden, der sich nun geräuschvoll räusperte. »Gott hatte offenbar ein Einsehen!«

»Jay!«, zischte Jennifer und warf ihm einen tadelnden Blick zu. »Jane ist tot! Reiß dich bitte zusammen!«

»Ich spreche nur aus, was sowieso alle denken. Jane hätte niemals eingestellt werden dürfen«, entgegnete Jay unbeeindruckt. Seine Stimme klang in Serenas Ohren sehr laut, und sie hoffte, dass niemand ihn hörte.

»Jane war ein aufgehender Stern am Fernsehhimmel«, erklärte Andy Jay. »Sie schien ein guter Fang zu sein.«

Danach schwiegen sie und lauschten andächtig den Worten des Pastors. Asche zu Asche. Staub zu Staub. Anschließend erzählte ein alter Schauspiellehrer ein paar mäßig interessante Anekdoten aus Janes Collegezeit. Es wurde offensichtlich, dass er Jane kaum gekannt hatte. Serena lauschte betroffen seinem Vortrag. Wenn sie bei diesem Unfall gestorben wäre, hätte sicherlich ihre Schwester oder Jennifer eine kleine Rede gehalten. Bestimmt wären auch einige andere aus dem Filmteam nach vorn gegangen und hätten ein paar persönliche Worte gesprochen. Es konnte doch nicht sein, dass bis auf diesen Lehrer niemand etwas über Jane berichten konnte ...

Schließlich war der Gottesdienst vorüber. Alle erhoben sich und strömten durch den Mittelgang hinaus.

»Das ist eine Beerdigung der Superlative!«, rief Joe Penny begeistert. »Jane wäre völlig aus dem Häuschen gewesen. Schaut euch nur an, wie viele Leute hier sind!«

»Das ist wahrscheinlich das Ereignis des Jahres!«, fiel Andy ein.

»Könntet ihr bitte damit aufhören?«, bat Jennifer die beiden. »Ihr benehmt euch unmöglich!« Obwohl es sich um ihre Brötchengeber handelte, sprach Jennifer ohne Umschweife aus, was sie dachte.

»Reg dich nicht auf, Jen. Du hast ja Recht«, beruhigte Andy sie und setzte augenblicklich eine angemessen ernste Miene auf.

»Für unser Drehbuch ist das hier der totale Overkill«, bemerkte Jim Novac, der Regisseur, während sie aus der Kirche hinaustraten.

»Wieso?«, fragte Conar. »Wie lange kann es schon dauern, einen Ersatz für Jane zu finden?«

Andy und Joe blickten betreten zu Boden.

»Es wird keinen Ersatz geben«, mischte sich nun Serena ein und ärgerte sich schon im nächsten Moment darüber, dass sie sich auf diese Art von Gespräch einließ. Dies hier war eine Beerdigung, kein Kaffeekränzchen. Doch als Conar, Jennifer und die anderen sie erwartungsvoll ansahen, fügte sie hinzu: »Janes Rolle wird komplett gestrichen, nicht wahr, Joe?«

Joe nickte langsam.

»Ich habe gestern Abend mit Allona telefoniert«, fuhr Serena fort, »und sie hat gesagt, sie würde sich gerade die Finger an den ganzen Änderungen wund schreiben.«

»Nur die Szenen, in denen Jane vorkommt«, wiegelte Joe ab und blickte sich nach Allona um. Sie ging mehrere Meter hinter ihnen und hörte sie zum Glück nicht. Joe wusste natürlich genau, wie viel Arbeit die Storyliner im Moment hatten.

»Unser Valentinstag-Special könnte uns noch eine Menge Ärger einbringen«, sprach Serena weiter. »Ihr wisst schon, unser Slogan ›Liebe und Tod bei Valentine Valley‹. Die Leute werden mit dem Finger auf uns zeigen und sagen: ›Die Macher nehmen das mit dem Tod offenbar wörtlich‹.«

»Wir sollten den Slogan ändern«, sagte Andy nachdenklich.

»Das geht nicht!«, rief Joe. »Wir haben bereits eine riesige Anzeigenkampagne in allen Frauenmagazinen und einschlägigen Zeitschriften des Landes geschaltet. Außerdem läuft dieses Fragespiel – ›Wer ist der Mörder? Wer ist der heimliche Liebhaber? Das Geheimnis kommt ans Licht! Nur bei Valentine Valley!‹«

»Die Antwort auf die Frage ›Wer ist das Opfer?‹ kennen wir ja bereits«, kommentierte Serena trocken.

»Jane ist kein Opfer! Das Ganze war ein trauriger Unfall!«, belehrte Andy sie. Seine Stimme troff nur so vor Pathos.

»Ja, einfach schrecklich ...«, stimmte Joe zu.

Kein Wort davon ist ernst gemeint!, dachte Serena. Andy, Jim und Joe scheren sich doch einen Dreck um Jane! Alles, was sie interessiert, ist die Serie und ihr eigener Ruhm.

»Wir alle müssen eben versuchen, aus unserem Leben das Beste zu machen«, sagte Jim. »Jane hat mir erzählt, sie hätte immer wieder versucht, sich das Rauchen abzugewöhnen, weil sie eine Heidenangst vor Lungenkrebs hatte. Und dann wird sie von einem Scheinwerfer erschlagen! Welch Ironie des Schicksals! Jane war ein Miststück, sicher, aber ich wünschte, ich hätte ihr eine letzte Zigarette reichen können.«

»Jane hat ihre letzte Zigarette gehabt«, warf Serena unbedacht ein. Alle Umstehenden blickten sie mit einem Mal verdutzt an, und Serena errötete. Olsen hatte sie angewiesen, nichts von der Untertasse und dem Zettel zu erwähnen, aber nun war es zu spät. »Jane hat in ihrem Umkleideraum geraucht, bevor sie die Kulisse stürmte. Ich hab da eine Untertasse gesehen, die sie als Aschenbecher benutzt hat. Außerdem lag da so ein halb verbrannter Zettel drauf.«

»Was für ein Zettel?«, fragte Andy neugierig.

»Ich konnte nichts weiter erkennen. Jedenfalls darfst du ganz beruhigt sein, Jim. Jane hat kurz vor Ihrem Tod noch einmal ihrem Laster gefrönt.«

Jim nickte ernst, als ob ihm diese Information sehr viel bedeutete.

Sie betraten den Rundweg, der um die Kirche herum führte. Viele der Gottesdienstbesucher schlenderten nun langsam zu ihren Autos auf dem Parkplatz hinüber und unterhielten sich währenddessen angeregt. Serena schnappte einige Gesprächsfetzen von vorbeiströmenden Leuten auf.

»Was für eine Tragödie!«, bemerkte eine hübsche junge Frau.

»Ein Flittchen weniger, das einem im Weg steht!«, erwiderte eine platinblonde Schönheit neben ihr ungerührt.

»Ich frage mich, ob die Kleine von irgendwem abgemurkst wurde«, warf ein braun gebrannter Mann ein.

»Aus welchem Grund könnte jemand so etwas getan haben?«, wollte die hübsche Frau wissen.

»Na, damit es ein Flittchen weniger gibt, das einem im Weg steht!«, rief die Platinblonde und lachte.

»Vielleicht hatte auch jemand Mitleid mit dem Rest der Crew!«, antwortete der Mann, und alle brachen gemeinsam in Gelächter aus.

Serena blieb stehen und fühlte unendliche Trauer in sich aufsteigen. Und Mitleid mit Jane, die ihr Leben verloren hatte. Wo waren ihre wahren Freunde? Besaßen die Menschen, die in der Unterhaltungsbranche arbeiteten, etwa keine wirklichen Freunde? An der Spitze der Fernsehcharts wehte auf jeden Fall ein rauer Wind ...

»Das war ganz sicher kein Unfall!«, sagte ein Mann, der gerade an Serena vorüberging. »Das war Mord, keine Frage. Und der Mörder schleicht noch immer auf dem Set herum!«

Serena zuckte angesichts dieser Worte zusammen. Mord.

Conar und Jennifer erschienen nun neben ihr. Sie hatten bemerkt, dass Serena hinter der Gruppe zurückgeblieben war. »Was ist los, Serena?« Conar und Jennifer betrachteten sie besorgt, und Serena lächelte. Sie hatte Glück. Sie besaß wirkliche Freunde.

»Nichts«, erwiderte sie. »Mir tut das alles nur so Leid für Jane. Sie ist auf schreckliche Weise gestorben, aber ... ich bekomme mehr und mehr den Eindruck, dass ihr Leben ebenfalls sehr traurig war.«

»Ich weiß, was du meinst«, murmelte Jennifer. »Das ist mir auch schon durch den Kopf gegangen.«

»Was macht das Baby?«, fragte Serena unvermittelt, um das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken.

Conar begann gerade, ihr von seinem Sohn zu erzählen, da klopfte ihm jemand auf die Schulter. Es war der Bestatter. Er flüsterte Conar etwas zu, und der nickte und erklärte Jennifer und Serena dann knapp: »Ich muss jetzt weg. Ich bin einer der Sargträger.«

»Was?«, erwiderte Jennifer verdutzt.

Conar lächelte entschuldigend. »Jane hatte offenbar keine Verwandten oder Bekannten. Deshalb haben die Bestatter auf dem Set angerufen und gefragt, ob einige der Crewmitglieder den Sarg tragen könnten.«

»Davon hast du ja noch gar nichts erzählt«, bemerkte Jennifer.

»Sorry, Schatz, das wurde alles ganz kurzfristig beschlossen. Doug wird euch zum Friedhof fahren.« Conar gab Jennifer einen Kuss und folgte dem Bestatter. Doug Henson stand dem Team der Storyliner vor. Er sah umwerfend gut aus, war witzig, talentiert, schwul, voller Selbstironie und ebenso respektlos und zynisch wie Allona. Serena und Jennifer mochten ihn sehr.

»Also, wie läuft es mit dem Baby?«, fragte Serena und nahm den Faden damit wieder auf. Der kleine Sohn von Jennifer und Conar, Ian, war drei Monate alt.

»Fantastisch!«, antwortete Jennifer überschwänglich. »Er ist ein richtiger kleiner Sonnenschein, und ich genieße jede Minute mit ihm. Du solltest mal sehen, wie unwiderstehlich er schon lächelt! Der Kleine wird mal ein richtiger Herzensbrecher, das sag ich dir! Er ist Conar wie aus dem Gesicht geschnitten, aber er hat meine Augen.« Während sie von ihrem Spross erzählte, strahlte Jennifer von einem Ohr zum anderen. Serena hatte sie noch nie zuvor derart glücklich erlebt. »Er hört immer ganz genau zu, wenn ich mit ihm rede –« Jennifer hielt inne und wurde rot. »Scheint, als gerate ich ins Schwärmen, sobald ich Ians Namen in den Mund nehme, hm? Aber wart nur ab, Serena! Irgendwann weißt du, wie das ist!«

»Jen, du kannst mir gern tagelang von Ian vorschwärmen, das weißt du doch! Ich bin völlig verrückt nach dem kleinen Engel. Ich wünschte, er wäre mein Kind.«

»Du wirst irgendwann eigene Kinder haben.«

»Ich bin nicht mehr die Jüngste ...«, gab Serena zu bedenken und ließ den Blick noch einmal über die Menschentrauben vor der Kirche schweifen. Die Leute lachten und scherzten miteinander, als ob dies ein Sonntagsausflug wäre. Verabredungen wurden getroffen, man posierte für Paparazzi und rückte sich mit Hingabe ins rechte Licht.

Jennifer griff nach Serenas Arm, wies auf einen Fotografen, der sie ins Visier genommen hatte, und flüsterte: »Der ist von der L. A. Times, sag Cheese!«

Serena setzte automatisch ihr Profilächeln auf – obgleich sie ein schlechtes Gewissen hatte, an einem Tag wie diesem für die Kamera zu strahlen. Der Fotograf knipste sie, bedankte sich und hielt gleich darauf nach anderen Stars Ausschau.

»Muss das heute wirklich sein?«, fragte Serena.

Jennifer zuckte die Achseln. »Wir können es uns nicht leisten, der L. A. Times die kalte Schulter zu zeigen. Dazu sind wir einfach noch nicht reich und berühmt genug.«

Serena stöhnte. »Jen! Das sieht dir gar nicht ähnlich! Außerdem bin ich mir sicher, dass die meisten Leute hier noch nicht einmal wissen, wer Jane überhaupt war. Die sind nur wegen der Presse aufgetaucht, wetten?«

»Kein Wunder. Dies ist die Beerdigung der größten Schlampe aller Zeiten!« Doug Henson stand plötzlich hinter ihnen und legte die Arme um die Schultern der beiden Frauen. »Und das ist keine Meinung, sondern eine Tatsache!« Doug war wirklich einer der attraktivsten Männer Hollywoods, und jeder, der ihn kennen lernte, ging davon aus, er sei Schauspieler. Doch Doug liebte das Schreiben. Obwohl er Valentine Valley bei jeder Gelegenheit auf die Schippe nahm, machte er sich stets mit Feuereifer an die Konzeption neuer Handlungsstränge, und er war verdammt gut in seinem Job. Er träumte davon, irgendwann einen dicken Roman zu schreiben, aber vorerst war er zufrieden damit, sich an den Geschichten von Valentine Valley auszutoben.

»Außerdem bist du alles andere als alt, Serena«, fügte Doug verschmitzt hinzu.

»Wie bitte?«

Doug grinste. »Okay, ich geb’s zu. Ich hab euch belauscht.«

»Offenbar schon eine ganze Weile!«

»Guck mich nicht so vorwurfsvoll an! Ich habe eine Ewigkeit gebraucht, um mich zu euch durchzuarbeiten – und das musste ich, denn schließlich hat man mich zu eurem Fahrer ernannt. Hier ist ja die Hölle los! Ich bin zwei Mal von Paparazzi angehalten und gefragt worden, ob ich berühmt sei! Aber mal im Ernst ...« Er wandte sich Serena zu. »Du bist noch längst nicht zu alt, um den Richtigen zu finden, Schnucki.«

»Danke, das ist sehr liebenswürdig. Ich habe momentan allerdings keine Lust, nach diesem Herrn zu suchen – nur damit er sich später dann doch als der Falsche entpuppt.«

»Wenn du mich fragst, hattest du den Richtigen schon gefunden«, erwiderte Doug.

Serena spürte, wie ein wildes Prickeln durch ihre Adern rieselte. Sie wusste genau, auf wen Doug anspielte.

»Der Typ sah einfach zum Anbeißen aus!«, fügte Doug schwärmerisch hinzu.

»Da hast du Recht, aber leider genügte das nicht.« Serenas Züge verhärteten sich. »Ich wäre dir sehr dankbar, wenn wir über etwas Anderes sprechen könnten.«

Doug zuckte die Achseln. Dann grinste er plötzlich und flüsterte Serena ins Ohr: »Lass uns heute auf Männerschau gehen! Wir setzen uns in ein Café am Sunset Boulevard und begutachten die vorbeiflanierenden Hintern!«

Serena gab ihm keine Antwort. Dougs Worte hatten sie an einem wunden Punkt getroffen. Ja, es gab eine Zeit, da habe ich auch geglaubt, er sei der Richtige, ging es ihr durch den Kopf. Jedes Mal, wenn sie an ihn dachte, spürte sie einen heftigen Stich im Herzen.

Er war beinahe der Richtige gewesen.

Doch sie durfte Liam nicht erlauben, auch weiterhin ihre Gedanken zu beherrschen. Sie musste endlich über ihn hinwegkommen.

»Bitte, bitte!«, quengelte Doug und zupfte an ihrem Ärmel. »Das wäre ein Mordsspaß! Das haben wir schon so lange nicht mehr gemacht!«

Er blickte sie mit großen Augen an, und Serena konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Doug, du schnappst mir doch eh immer die besten Kerle vor der Nase weg! Du siehst einfach viel zu gut aus. Sobald die Männer dich erspähen, lassen sie mich links liegen!«

Doug zwinkerte ihr zu. »Jetzt werd mal nicht dramatisch! Wir werden uns schon nicht in die Quere kommen. Ich suche nach einer anderen Kategorie von Mann als du, schon vergessen?«

Serena hakte sich bei Doug unter. »In Ordnung. Aber wirklich nur weil wir das schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gemacht haben und weil ich dir Schlitzohr einfach nichts abschlagen kann!«

»Ich will auch mit! Der Kleine würde doch sicherlich niemanden stören, oder?«, mischte sich nun Jennifer wieder ein. »Der Babysitter bleibt nur für ein paar Stunden ...«

»Schätzchen, du bist uns jederzeit herzlich willkommen, aber deinen Schreihals lässt du bitte zu Hause. Wir gehen schließlich auf die Pirsch!«, erklärte Doug. »Nach Männern! Und Männer stehen nun mal nicht auf Babys. Die verdrücken sich sofort, wenn sie so ein kleines Monster bei uns sehen!«

»Blödsinn!«, rief Serena. »Wir gehen nicht auf die Pirsch! Wir sitzen nur im Café und schauen uns ein bisschen um. Natürlich kannst du mit Ian kommen, Jen. Ich würde mich freuen!«

Doug schnaufte. »Ich sehe es schon vor mir: Anstatt von Männern werden wir von jeder Menge Frauen belagert werden, die den Schreihals herzen und drücken wollen. Damit verschrecken wir garantiert jeden Kerl! Aber wenn ihr es so wollt ...«

»Doug, man gabelt gute Männer sowieso nicht dadurch auf, dass man ihnen auf die Sitzfläche starrt!«, belehrte Serena ihn.

»Das glaubst auch nur du, mein armes süßes Unschuldslamm.« Doug nahm nun Jennifer beim Arm und führte die beiden Frauen im Zickzackkurs an den vielen Menschen vorbei zu seinem brandneuen, sportlichen Mercedes in Silber metallic. Sie stiegen ein, und sobald Doug den Motor anließ, erhellte ein begeistertes Lächeln sein Gesicht. »Hört ihr das? Ich liebe diesen Sound! Ich könnte diesem Motor stundenlang lauschen. Es ist jedes Mal so, als ob ich gerade den besten Sex meines Lebens hätte!«

»Mit uns jedenfalls nicht«, bemerkte Jennifer. »Wie oft muss ich eigentlich noch sagen, dass wir hier auf einer Beerdigung sind, Mensch! Jemand ist gestorben, erinnerst du dich?«

Doug warf Jennifer einen gekränkten Blick zu, und Serena tätschelte ihm versöhnlich das Knie. Dann ließ er den Motor aufheulen, und sie fuhren zum Friedhof. Als sie dort eintrafen, hatte sich auch hier bereits eine große Menschenmenge angesammelt. Der berühmte Hollywoodfriedhof war genauso überfüllt wie zuvor die Kirche. Die Gräber vieler großer Stars vergangener Tage befanden sich hier und wurden nun achtlos von den Besuchern der heutigen Beerdigung links liegen gelassen. Langsam schob sich eine riesige Traube zu dem frisch ausgehobenen Grab von Jane Dunne. Serena hätte sich gern ein wenig zurückfallen lassen, doch Jennifer zog sie unerbittlich weiter. »Sieh mal! Die Jungs haben uns Plätze reserviert!«

Direkt neben dem Grab standen Conar, Joe Penny und Andy Larkin. Jennifer, Doug und Serena drängelten sich zu ihnen durch. Blitzlichter flammten auf. Rings um das gesamte Gebiet der Begräbnisstätte waren Übertragungswagen positioniert, und Fotografen und Kameramänner warteten an jeder Ecke darauf, das ultimative Bild einzufangen.

»Was für ein Affenzirkus!«, begeisterte sich Andy gerade, als sich Serena, Jennifer und Doug zu ihm gesellten.

»Spektakulär!«, stimmte Joe Penny ihm zu. Er stieß Serena in die Seite. »Wäre es zu viel verlangt, wenn ich dich darum bitte, ein paar Tränen zu vergießen?«

Serena schaute ihn böse an.

Joe seufzte. »Schade. Dann setzt aber bitte eine betroffene Miene auf, die Kameras sind auf uns gerichtet!«

Kurz darauf begann der Pastor mit der Trauerrede. Serena stellte überrascht fest, dass sogar der Gottesmann äußerst attraktiv war. Er war braun gebrannt, hatte breite Schultern und eine ausdrucksstarke Sprechweise. Höchstwahrscheinlich war er mit dem Vorsatz nach Hollywood gekommen, Filmstar zu werden, und hatte sich letztlich enttäuscht der Kirche zugewandt. Sobald Serena bemerkte, in welche Richtung ihre Gedanken abgeschweift waren, zuckte sie innerlich zusammen. Wodurch war sie bloß so zynisch geworden?

Als die Rede des Pastors vorüber war, schritten einige Mitglieder von Valentine Valley am Grab vorüber und ließen Rosen auf Janes Sarg fallen. Serena schloss sich ihnen an und machte sich anschließend, eskortiert von Doug, auf den Weg zurück zum Auto.

»Miss McCormack!«

Irgendjemand rief ihren Namen, und Serena fuhr herum. Zuerst dachte sie, in dem Mann, der auf sie zukam, den Bestatter wiederzuerkennen, doch dann begriff sie, dass er ihm lediglich ein wenig ähnlich sah.

»Ja?«

Der Mann überreichte ihr eine Blume. Eine wunderschöne rote Rose, die in voller Blüte stand.

»Ich ... ich habe bereits eine Blume auf den Sarg geworfen«, stotterte Serena.

Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Mannes. »Diese Rose ist nicht für die arme Jane Dunne, Miss McCormack, sondern für Sie. Von einem Fan. Es wäre wunderbar, wenn Sie sie annehmen würden.«

»Von einem Fan?«

»Von einem sehr schüchternen Bewunderer, der sich nicht getraut hat, Sie persönlich anzusprechen. Bitte betrachten Sie diese Rose als Zeichen der Anerkennung.«

Serena schaute ihn verunsichert an. »Vielen Dank, das ist sehr freundlich.« Sie nahm die Rose zögernd entgegen und ging dann mit Doug weiter. Während sie die Blume in ihrer Hand musterte, lief es ihr plötzlich kalt den Rücken hinunter.

»Siehst du? Alle Welt liebt dich. Du bist ja auch die Queen der Daily Soap!«, erklärte Doug.

Doch Serena hörte ihm nicht zu. Die Atmosphäre des Friedhofs bedrückte sie, und mit einem Mal hatte sie das Gefühl, als würde sie von jemandem beobachtet, der nichts Gutes im Schilde führte. Sie drehte sich um und ließ den Blick über die vielen Gesichter hinter sich gleiten, doch der Mann, der ihr die Rose geschenkt hatte, war verschwunden. Serenas Finger umschlossen den Stiel der Rose fester.

»Hey, pass auf!«, warnte Doug.

Serena schaute überrascht auf ihre Hand. Sie hatte nicht bemerkt, wie sich die Dornen der Rose in ihre Haut bohrten. Sie blutete. Doug zog ein Taschentuch aus seiner Jackentasche hervor und schlang es um Serenas blutende Finger.

»Es geht schon«, murmelte sie. »Ist nur ein Kratzer.«

»Mann, das blutet ganz schön heftig!«

»Schon gut.« Serena entzog Doug ihre Hand.

»Lass mich wenigstens das Blut abwischen! Du ruinierst dir noch dein hübsches Outfit.«

Serena beachtete Doug überhaupt nicht. Ihre Augen suchten noch immer zwischen den vielen Gesichtern nach dem Überbringer der Rose. Doch er war wie vom Erdboden verschluckt.

Eine Rose. Nur eine Rose.

Liam hatte die Crew von Valentine Valley während der Beerdigung aus sicherer Entfernung, versteckt hinter einem großen Baum, im Auge behalten. Als er sah, wie ein Mann Serena eine Rose überreichte, zogen sich seine Brauen besorgt zusammen. Er wusste selbst nicht, warum. Es war nichts weiter als eine Blume – ein hübsches Geschenk für eine wunderschöne Frau. Doch er registrierte auch den irritierten Ausdruck in Serenas Gesicht.

Liam verließ den Schutz des Baumes und eilte dem Mann über den Friedhof nach. Der Rosenkavalier hielt im Laufschritt auf ein Mausoleum zu. Als Liam jedoch die erste Gruft betrat, fand er dort niemanden vor. Schnell überprüfte er die zweite und ärgerte sich dabei, dass er nicht schneller gewesen war. Auch in der dritten und vierten gab es keine Spur von dem Mann. In dem letzten Gewölbe klaffte ein großer Spalt in der Wand. Er war so groß, dass ein erwachsener Mann mit Leichtigkeit hindurchschlüpfen konnte. Wenn der Verehrer dies getan hatte, war er inzwischen längst in der Fußgängerzone der City untergetaucht.

Es war nur eine Rose, sagte sich Liam noch einmal, von einem Fan. Irgendjemand hatte die Gelegenheit genutzt, um Serena McCormack ein Geschenk zu machen. Keine große Sache.

Liam kehrte zum Friedhof zurück und achtete darauf, die Valentine-Valley-Gruppe nicht aus den Augen zu verlieren. Serena stieg in Doug Hensons Wagen. Dieser unterhielt sich währenddessen noch mit Conar. Wahrscheinlichen überlegten sie, ob sie noch irgendwo zusammen eine Tasse Kaffee trinken sollten.

Liam ging zu dem Leichenwagen, der Janes Sarg transportiert hatte, und sprach drei Männer von dem Bestattungsunternehmen an, die in ihren Smokings neben dem Auto standen und die vielen berühmten Gesichter bewunderten. »Eine Frage: Arbeitet für Sie so ein aschblonder Typ, etwa einsachtzig groß, Ende zwanzig ... trägt ebenfalls einen Smoking?«

Einer der drei antwortete: »Nein, tut mir Leid, wir sind nur zu dritt. Suchen Sie nach einem Freund?«

»Könnte ich nicht behaupten. Haben Sie denn irgendjemanden bemerkt, der auf diese Beschreibung passt?«

»Hier sind hunderte von Leuten! Auch viele Fans, wissen Sie. Vielleicht hat jemand einen Smoking angezogen, um sich als Bestatter auszugeben und dadurch an irgendeinen Star heranzukommen. So etwas wäre uns kaum aufgefallen. Dieser Friedhof ist heute das reinste Tollhaus!«

»Danke für Ihre Hilfe.« Liam hastete zu seinem Auto und wartete darauf, dass sich Doug Henson hinters Steuer setzte, was kurz darauf geschah. Liam folgte dem Mercedes durch den Verkehr und versuchte, sich dabei selbst davon zu überzeugen, dass es nichts weiter mit der Rose auf sich hatte. Tausende von Fans himmelten Serena an – sie bekam sicherlich dauernd Blumen geschenkt. Und doch ging ihm diese einzelne nicht mehr aus den Kopf, und plötzlich wusste er auch, weshalb.

Olsen hatte ihn auf dem Set herumgeführt. Die Kreidezeichnung auf dem Boden zeigte an, wo Jane Dunne zu Boden gefallen war, wie merkwürdig sich ihr Arm vom Körper abgewinkelt hatte ... und genau auf dem Umriss ihrer Hand hatte eine verwelkte rote Rose am Boden gelegen.

Als sich die Menge schon lange aufgelöst hatte, stand der Mörder an Janes Grab. Im Dunkel der heraufziehenden Nacht konnte man lediglich seine Silhouette erkennen. Er hielt den Kopf gebeugt, als ob er trauerte. Doch in Wahrheit betrachtete der Mörder seine Hände. Kein einziger Tropfen Blut klebte an ihnen. Niemand konnte ihm irgendetwas nachweisen.

Wer hätte gedacht, dass das Ganze tatsächlich funktionierte? Nun, es hatte nur beinahe funktioniert. Trotzdem waren dies nun die Hände eines Mörders.

Die Polizei hatte bereits Verdacht geschöpft, aber sie tappte noch im Dunkeln. Von nun an würde es für ihn schwieriger werden, seinen Plan umzusetzen, denn in Zukunft wäre Serena sicherlich auf der Hut. Sie hatte den Zettel gesehen und machte sich darüber Offenbar Gedanken. Schon bald würde sie um ihr Leben fürchten.

Der Mörder wollte einfach abwarten. Abwarten und Serena nicht aus den Augen lassen ...

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