Читать книгу Verhängnisvolle Begierde - Heather Graham - Страница 6

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Kapitel 1

Jane Dunne betrat den Umkleideraum und hielt überrascht inne. Ihr theatralischer Gesichtsausdruck schien angesichts der Tatsache, dass niemand im Zimmer war, ein wenig übertrieben, doch eine gewisse Dramatik lag ihr einfach im Blut. Jane warf sich bei jeder Gelegenheit in Pose, gleichgültig, ob sie Publikum hatte oder nicht.

Auf dem Frisiertisch stand ein extravagant arrangierter Blumenstrauß, rote Rosen und exotische gelbe Blumen, die Jane noch nie zuvor gesehen hatte.

Zurzeit benutzte Jane die Garderobe einer anderen Schauspielerin, aber sie hoffte, dass sich das bald änderte. Immerhin hatte sie es in der Welt der Stars und Sternchen bereits weit gebracht – sie war zu den richtigen Partys gegangen, hatte sich mit den richtigen Leuten unterhalten und sich mit den richtigen Männern eingelassen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie eine gehörige Portion Talent besaß!

Es hatte Jane viel Mühe und Zeit gekostet, es bis hierher zu schaffen. Sie war mittlerweile kein junger Hüpfer mehr – ein echtes Handicap in einer Stadt, in der es kein höheres Gut gab als einen jugendlichen Teint –, doch dank einiger sinnvoller Operationen und einem untrüglichen Gespür für das Business war sie auf dem besten Weg, endlich groß rauszukommen. Es war ihr gelungen, eine Minirolle in einem großen Hollywoodfilm zu ergattern, außerdem spielte sie seit neuestem in der Daily Soap schlechthin – zwar erst einmal nur als Schwangerschaftsvertretung für Jennifer Connolly, aber Jane hegte keinen Zweifel daran, dass sie über kurz oder lang zur Topriege Hollywoods gehören würde.

Hoch erhobenen Hauptes schritt sie nun durch die Umkleide, ließ sich mit fließenden Bewegungen auf dem Stuhl vor dem Frisiertisch nieder und schlug graziös die Beine übereinander. Neben den Blumen lag ein zusammengefalteter Zettel, den Jane geflissentlich ignorierte. Die Blumen waren entweder von den Produzenten, die sich vermutlich bei ihr einschleimen wollten, oder von irgendeinem Loser aus der Crew, der heimlich für sie schwärmte.

Jane betrachtete sich kritisch im Spiegel, wandte den Kopf nach rechts und links und nickte zufrieden. Geschickt strich sie ihre platinblonde Mähne zurecht und lächelte. Bobby aus dem Tahi Salon hatte bei der Haarverlängerung ganze Arbeit geleistet. Jane zwinkerte sich selbst zu und bewunderte zum wohl tausendsten Mal ihre ausdrucksstarken blauen Augen. Sie war eine bildhübsche Frau, und die Welt lag ihr zu Füßen.

Jane beugte sich vor, fixierte ihr Spiegelbild und flüsterte: »Du hast das Beste noch vor dir, Baby. Eines Tages wird dein Name unsterblich sein ...«

Sie lehnte sich zurück, und ihr Blick fiel erneut auf den Zettel neben den Blumen. Es war wohl klüger, ihn zu lesen. Womöglich hatte irgendein Mann in wichtiger Position den Strauß geschickt ... Seufzend faltete Jane das Blatt Papier auseinander und überflog die wenigen Zeilen darauf:

Rosen sind rot,

bald bist du tot.

Gelb sind Gladiolen,

ich komm, um dich zu holen!

Empört warf Jane den Zettel auf den Boden und starrte ihn ungläubig an. Was für eine bodenlose Frechheit! Irgendein Niemand erdreistete sich, ihr zu drohen? Jetzt brauchte sie erst einmal eine Zigarette ... Ungehalten kramte sie aus ihrer Tasche ein Zigarettenetui hervor. Sie hatte bereits mehr als einmal versucht, sich das Rauchen abzugewöhnen, da es in ganz Kalifornien kaum noch einen Ort gab, an dem man diesem Laster ungestraft frönen konnte. Ständig hörte man, Zigaretten seien schlecht für die Gesundheit, für die Umwelt, für Passivraucher. Die wollten einem weismachen, Nichtrauchen führe unweigerlich zum Weltfrieden! Jane interessierte das nicht im Geringsten. Sie hatte nur einen einzigen Grund, die Finger von den Glimmstängeln zu lassen: die verfluchten Falten, die man dadurch bekam. Andererseits nahm man unweigerlich zu, sobald man mit dem Rauchen aufhörte ...

Jane zündete sich die Zigarette an, inhalierte tief und ließ den Blick gereizt durch den Raum schweifen. Natürlich war weit und breit kein Aschenbecher zu sehen, denn auch in Jennifer Connollys Umkleideraum war Rauchen nicht gestattet. Jane verdrehte die Augen, stand auf und holte sich eine Untertasse aus dem Schrank. Dabei trat sie auf den Zettel.

»Idiot!«, zischte sie und meinte damit den Verfasser des fiesen kleinen Reims. »Ich bin eines Tages unsterblich, und dann wird dir dieser Scheiß mächtig Leid tun, Arschloch!«

Zornig hob sie den Zettel auf, zündete ihn mit ihrer Zigarette an und beobachtete, wie er auf der Untertasse verbrannte – zumindest der größte Teil davon. Das Porzellan war ein wenig feucht, und das Papier klebte an manchen Stellen daran fest. Irgendein Hohlkopf – wahrscheinlich die bescheuerte kleine Jinx – hatte das Geschirr im Schrank offenbar gerade erst abgewaschen.

»Brenn, verdammt noch mal!«, knurrte Jane. Sie wollte den Zettel gerade von der Untertasse entfernen, da klopfte jemand an die Tür. Genervt drehte sich Jane um und schnappte: »Was denn?«

Eine schmalgesichtige Blondine steckte den Kopf zur Tür herein. Unter dem Arm trug sie einen riesigen Make-up-Koffer. »Miss Dunne ...«

»Wer zum Geier bist du denn?«

»Martha, Miss Dunne. Ich bin für Ihre Maske zuständig ...«

»Was? Einen Scheiß bist du!«, schnaubte Jane. »Als ich vor drei Wochen den Vertrag unterschrieben hab, hat man mir versprochen, ich würde von Gilby Sayres persönlich betreut!«

Martha zog erschrocken den Kopf ein. »Es tut mir Leid, Miss Dunne, aber ich habe erst heute Morgen mit Mr Novac gesprochen, und der hat gesagt, ich soll mich um Ihr Make-up kümmern ...«

»Jim Novac ist hier nur der Regisseur! Mir haben aber die Produzenten zugesichert –« Jane brach mitten im Satz ab und fragte sich, warum sie überhaupt mit diesem linkischen Mädchen – diesem Nichts – diskutierte. Andererseits ging es hier ums Prinzip. So etwas durfte man gar nicht erst einreißen lassen, schließlich war sie ein Star!

»Miss Dunne«, begann Martha von neuem. »Es tut mir schrecklich Leid ...«

»Es wird gleich noch jemand anderem schrecklich Leid tun!« Jane stürmte aus dem Umkleideraum. Sie war groß, dünn und sehr elegant, und allein die Art, wie sie daher schritt, garantierte ihr stets die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden. So stolzierte sie nun in die Kulisse der Dreharbeiten, die für diesen Vormittag angesetzt waren. Wenn sie im Laufe der Jahre eins gelernt hatte, dann jemandem eine Szene zu machen.

Der Regieassistent probte gerade mit zwei Lichtdoubles eine Passage, die Jane später mit Serena McCormack drehen sollte. Lichttechniker brachten währenddessen die Deckenbeleuchtung in Position und richteten sie auf die Doubles aus. Die sorgfältig aufgebaute Szenerie stellte ein italienisches Restaurant dar, in dem sich Jane und Serena laut Drehbuch ein heftiges Wortgefecht liefern würden.

Ärgerlich stelzte Jane nun auf den Regieassistenten und die beiden Lichtdoubles zu und bedachte diese kleinen Wichte mit einem vernichtenden Blick. »Wo steckt Novac?«, keifte sie. Die drei schauten sie erschrocken an und schwiegen. »Hört ihr schlecht? Wo ist Jim Novac?«

Der Regieassistent – ein Teenager, der wahrscheinlich kaum die Highschool beendet hatte – sagte leise zu den Doubles: »Danke, das wäre alles fürs Erste.«

»Hey! Ich rede mit dir!«, bellte Jane.

Die Lichtdoubles flohen vom Set, und der rothaarige Teenie wandte sich mühsam beherrscht Jane zu. »Ich gehe ihn suchen, Miss Dunne«, erklärte er höflich und eilte davon. Jane sah ihm mit einer hochgezogenen Augenbraue nach. Ungeduldig ließ sie den Blick über die Kulisse wandern und spürte die Wärme der Deckenbeleuchtung auf der Haut. Einer der Lichttechniker, der auf einer hohen Leiter stand, starrte sie ungeniert an.

»Hey, du! Was glotzt du so blöd?!«, fauchte Jane.

Der Mann antwortete jedoch nicht, sondern stieg von der Leiter und machte sich schleunigst aus dem Staub.

»Jane, da bist du ja!«

Jane fuhr herum. Serena McCormack kam lächelnd auf sie zu. Serena mit den wunderschönen türkisfarbenen Augen, der herrlichen, rostbraunen Mähne, dem unwiderstehlichen Lächeln, dem einnehmenden Wesen und der perfekten, melodiösen Sprechtechnik. Jane hasste diese Frau, aber natürlich ahnte Serena nichts davon. Es war auch gar nicht persönlich gemeint. Sie stand Jane schlichtweg im Weg. Serena verstand sich prächtig mit allen, und sowohl die Presse als auch die Zuschauer liebten sie. Es war einfach zum Kotzen.

»Ach, hallo Serena.«

»Was ist los? Stimmt was nicht?«

»Manche Leute halten sich einfach nicht an Absprachen«, klagte Jane.

Jim Novac, der Regisseur der Soap, betrat gemeinsam mit dem rothaarigen Teenie die Kulisse. Novac war ein Mann mittleren Alters und dafür erstaunlich attraktiv. Er schien Jane gar nicht zu bemerken – obwohl ihn sein Assistent fraglos davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass Jane ihn sprechen wollte und hier auf ihn wartete. Novac war völlig vertieft in das Storyboard auf seinem Klemmbrett und hob den Blick nur, um Einzelheiten der Dekoration zu überprüfen. An einem Tisch, keine drei Meter von Jane entfernt, blieb er stehen.

»Ich kann mich nicht erinnern, verwelkte Blumen bestellt zu haben!«, polterte er unvermittelt. »Weiß denn keiner, was frisch heißt, verdammt noch mal?«

»Novac!« Jane war entrüstet, seinen Namen rufen zu müssen, um überhaupt von ihm beachtet zu werden.

»Jane?« Novac sah auf und schenkte ihr ein Haifischgrinsen. »Wie schön, dass du auch schon da bist! Dann können wir ja gleich loslegen –«

»Nein, können wir nicht! Wir werden jetzt erst mal ein paar Dinge klären. Vorher passiert hier überhaupt nichts!«

»Aha.« Novac verschränkte die Arme vor der Brust. »Und was für Dinge wären das?«

Aller Augen ruhten auf ihnen – Techniker, Bühnenausstatter, Kameraleute und Requisiteure hielten in ihrem Tun inne und beobachteten den Schlagabtausch. Jane straffte die Schultern und wanderte langsam um den Tisch herum zu Novac hinüber. Sie bemerkte eine Bodenmarkierung, die Serenas erste Position anzeigte, und blieb genau auf dieser stehen. Hier war sie optimal ausgeleuchtet. Mit einer zugleich anmutigen und energischen Bewegung stemmte sie die Hände in die Hüften. Das Knacken über ihr, irgendwo zwischen den Scheinwerfern, nahm sie kaum wahr. Sie hatte einen wichtigen Auftritt vor sich.

»Vor drei Wochen wurde mir hoch und heilig versprochen, Gilby Sayres persönlich würde sich um mein Make-up kümmern. Verstehst du? Versprochen! Weißt du überhaupt, was das Wort bedeutet, Novac?«

Das Gesicht des Regisseurs wurde puterrot. »Gilby Sayres würde das Budget sprengen.«

Jane fischte eine der verwelkten Rosen aus der Vase auf dem Tisch und wedelte damit vor Novacs Nase herum. »Frische Blumen sind offenbar auch nicht im Budget inbegriffen, hm? Trotzdem haben mir die Produzenten erst heute Morgen die herrlichsten Rosen geschickt!« Dies war zwar eine Lüge, aber wen kümmerte das? »Und zwar genau die Produzenten, die mir vor drei Wochen eine Zusage gemacht haben. Es gibt übrigens noch ein anderes wichtiges Wort, das du kennen solltest, Novac. Es lautet: Vertrag. Ein Vertrag sorgt dafür, dass sich die Leute an ihre Zusagen halten!«

Novacs Adamsapfel hüpfte vor Wut hektisch auf und ab.

Plötzlich wurde das Knacken über ihnen lauter. Jane schaute verwundert nach oben. Ein Scheinwerfer direkt über ihr schien sich zu bewegen. War das Ding etwa locker? Jane hörte ein merkwürdiges Geräusch. Es klang wie ein Schwirren, gefolgt von einem Keuchen. Letzteres kam offenbar von den Leuten ringsum. Bildete sie sich das nur ein, oder raste der Scheinwerfer auf sie zu?

Jane wollte schreien, doch dazu kam sie nicht mehr.

Sie wurde von einem riesigen Scheinwerfer getroffen, der sie zu Boden schleuderte und unter sich begrub. Der Schmerz war entsetzlich. Jane öffnete mühsam die Augen und stellte fest, dass sie alles doppelt sah. Warmes Blut rann über ihr Gesicht, und ihre Glieder wurden taub. Dann erkannte sie alles nur noch verschwommen. Es war so hell ... Das Licht blendete sie. Doch schnell wurde es dunkler. Immer dunkler.

Ich bin unsterblich!, rief eine innere Stimme verzweifelt.

Irgendjemand schrie, und eine Frau schluchzte auf. Aber das nahm Jane kaum noch wahr. Ihre Hand, die noch immer die verwelkte Rose umklammert hielt, entspannte sich plötzlich, und die Blume entglitt ihr.

Niemand war unsterblich.

Verhängnisvolle Begierde

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